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Die postzosterische Neuralgie – weiterhin ein therapeutisches ...

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Jean-Pierre Malin<br />

Der Zeitpunkt, von dem an man<br />

von <strong>ein</strong>er „<strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong>“ (PZN) spricht, ist<br />

auf den Zeitraum von vier<br />

Wochen nach Krankheitsbeginn festgelegt.<br />

Da die Abheilung auch <strong>ein</strong>es<br />

unkomplizierten Zosters bis zu vier<br />

Wochen in Anspruch nehmen kann,<br />

sprechen wir erst dann von <strong>ein</strong>er <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong>, wenn die<br />

Schmerzen vier Wochen nach Zosterinfektion<br />

andauern, beziehungsweise<br />

nach vorübergehendem Abklingen<br />

wieder auftreten. Absolute Häufigkeitsangaben<br />

zum Auftreten der <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong> sind problematisch,<br />

da die Inzidenz von mehreren<br />

Faktoren be<strong>ein</strong>flußt wird. Man<br />

schätzt, daß etwa 10 bis 15 Prozent aller<br />

Patienten, die an <strong>ein</strong>em Zoster erkranken,<br />

später <strong>ein</strong>e <strong>postzosterische</strong><br />

<strong>Neuralgie</strong> entwickeln (9). Das Risiko<br />

steigt mit zunehmendem Lebensalter<br />

deutlich an: Bei über 60jährigen kann<br />

in 50 Prozent, bei 70- bis 80jährigen<br />

bis zu 70 Prozent mit <strong>ein</strong>er <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong> gerechnet werden.<br />

Auch die Primärlokalisation des Zosters<br />

(N. trigeminus, sakrale Dermatome)<br />

sowie die Intensität der<br />

Schmerzen in der Frühphase und das<br />

Ausmaß der Sensibilitätsdefekte in<br />

der Frühphase spielen <strong>ein</strong>e Rolle: Eine<br />

totale Analgesie im betroffenen<br />

Dermatom sowie heftige Schmerzen<br />

in der Frühphase sch<strong>ein</strong>en das Auftreten<br />

<strong>ein</strong>er PZN zu begünstigen.<br />

Pathophysiologie<br />

M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

<strong>Die</strong> <strong>postzosterische</strong> <strong>Neuralgie</strong><br />

<strong>–</strong> <strong>weiterhin</strong> <strong>ein</strong> <strong>therapeutisches</strong> Problem<br />

<strong>Die</strong> <strong>postzosterische</strong> <strong>Neuralgie</strong> tritt mit <strong>ein</strong>er Häufigkeit von etwa 10 bis 15 Prozent<br />

aller Zoster-Patienten auf. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Häufigkeit rapide<br />

an: Bei 70- bis 80jährigen und älteren Patienten kann in 70 Prozent mit <strong>ein</strong>er<br />

<strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong> gerechnet werden. Pathophysiologisch handelt es sich<br />

um <strong>ein</strong>en „Deafferentierungsschmerz“ nach Ganglienzellnekrosen im betroffenen<br />

Spinalganglion. <strong>Die</strong> Behandlung der chronischen, <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong> ist<br />

schwierig. Sie kann medikamentös, invasiv oder neurochirurgisch erfolgen.<br />

Neuropathologisches Substrat<br />

der Zostererkrankung ist <strong>ein</strong>e Entzündung<br />

des Spinalganglions beziehungsweise<br />

der Hirnnervenganglien<br />

(Ganglion des N. trigeminus). Man<br />

findet in der Akutphase lymphoplasmazelluläre<br />

Zellinfiltrationen, in ausgeprägten<br />

Fällen hämorrhagische Nekrosen<br />

mit Degeneration von Ganglienzellen<br />

und Abbau durch Satellitenzellen<br />

(„Neuronophagie“). Darüber<br />

hinaus findet man Nekrosen der<br />

Gefäßwände und auch Gefäßthrombosen<br />

in den Ganglien. Nach Abklingen<br />

der akuten Entzündung bleiben<br />

dann Ganglienzellnekrosen zurück.<br />

Das pathologisch-anatomische Substrat<br />

des akuten Zosterschmerzes wäre<br />

die akute Ganglionitis beziehungsweise<br />

Radikuloneuritis, das der <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong> die irreversible<br />

Ganglienzellnekrose (10).<br />

Darüber hinaus sind pathophysiologisch<br />

auch Veränderungen am<br />

peripheren Nerven beteiligt: Beim<br />

Übertritt des Varizellen-Zoster-Virus<br />

von den sensiblen Nerven in die Haut<br />

und das subkutane Gewebe kommt es<br />

zu <strong>ein</strong>er ausgeprägten Entzündung,<br />

wobei die Gewebsläsionen direkt die<br />

Nozizeptoren betreffen. Nach Untersuchungen<br />

von Noordenbos (6) sch<strong>ein</strong>en<br />

besonders die größerkalibrigen,<br />

myelinisierten Fasern relativ selektiv<br />

geschädigt zu werden, mit <strong>ein</strong>em Verlust<br />

ihrer vorwiegend inhibitorischen<br />

Funktion auf das Hinterhorn. Postmortale<br />

Untersuchungen haben gezeigt,<br />

daß das Hinterhorn im Rückenmark<br />

der Patienten mit <strong>postzosterische</strong>r<br />

<strong>Neuralgie</strong> erheblich atrophiert<br />

ist, so daß der Schmerz der <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong> als „Deafferentierungsschmerz“<br />

<strong>ein</strong>geordnet werden<br />

kann (2). Der Schmerzcharakter<br />

der <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong> wird<br />

als quälender Dauerschmerz von<br />

brennendem Charakter beschrieben,<br />

Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.<br />

med. Jean-Pierre Malin) der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Kliniken Bergmannsheil, Ruhr-<br />

Universität Bochum<br />

oft als Gefühl des „Wunds<strong>ein</strong>s“ bezeichnet.<br />

Gleichzeitig wird in den betroffenen<br />

Dermatomen <strong>ein</strong>e sehr unangenehme,<br />

manchmal sogar als<br />

schmerzhaft empfundene Berührungsüberempfindlichkeit<br />

geschildert,<br />

so daß das Tragen der Unterwäsche<br />

oder der Druck des Trägers <strong>ein</strong>es<br />

Büstenhalters als schmerzhaft empfunden<br />

werden. <strong>Die</strong> Überempfindlichkeit<br />

auf leichte Berührung der<br />

Haut wird als „Allodynie“ bezeichnet.<br />

Neben diesem Dauerschmerz,<br />

der in mehr oder weniger ausgeprägter<br />

Intensität anhaltend ist, treten<br />

noch attackenweise <strong>ein</strong>schießende,<br />

brennende oder stechende, minutenlang<br />

dauernde Schmerzen auf, ähnlich<br />

denen bei der Trigeminusneuralgie.<br />

Nach Zostererkrankungen im Trigeminusbereich<br />

kann <strong>ein</strong>e typische<br />

Trigeminusneuralgie als symptomatische<br />

<strong>Neuralgie</strong> (Neuropathie) auftreten.<br />

Während der akute Zosterschmerz<br />

recht präzise in das betroffene<br />

Dermatom lokalisiert wird, kommt<br />

es bei der <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong><br />

öfter zu <strong>ein</strong>er Schmerzirradiation in<br />

benachbarte Dermatome, wobei der<br />

Schwerpunkt der Schmerzen jedoch<br />

auch hier im primär betroffenen Dermatom<br />

angegeben wird.<br />

Therapie<br />

Allgem<strong>ein</strong>es<br />

<strong>Die</strong> Therapie der chronischen<br />

<strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong> ist nach<br />

wie vor schwierig. Von Anfang an<br />

sollte man sich auf <strong>ein</strong>e langfristige<br />

Strategie <strong>–</strong> auch psychologisch <strong>–</strong> <strong>ein</strong>-<br />

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 19, 10. Mai 1996 (59)<br />

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ZUR FORTBILDUNG<br />

stellen. Zweckmäßig ist es, sich <strong>ein</strong>e<br />

auf persönlichen Erfahrungen beruhende<br />

Reihenfolge anzueignen. Allgem<strong>ein</strong>er<br />

Therapiegrundsatz ist, daß<br />

die <strong>ein</strong>zelnen Therapeutika in besonderem<br />

Maße bei den älteren beziehungsweise<br />

hochbetagten Patienten<br />

individuell und behutsam anzuwenden<br />

sind. <strong>Die</strong> Behandlung muß <strong>ein</strong>erseits<br />

den steigenden Behandlungsaufwand<br />

und die Be<strong>ein</strong>trächtigung der<br />

Lebensführung des Patienten berücksichtigen,<br />

andererseits die unerwünschten<br />

Nebenwirkungen der<br />

Pharmakotherapie. Es bleibt dem<br />

Einfühlungsvermögen, dem Einfallsreichtum<br />

und dem Spürsinn des behandelnden<br />

Arztes überlassen, die individuell<br />

optimale Behandlung herauszufinden.<br />

Bei manchen Patienten<br />

genügt die Gabe <strong>ein</strong>es konventionellen<br />

Analgetikums kombiniert mit <strong>ein</strong>em<br />

abends sedierend wirkenden Antiepileptikum,<br />

um <strong>ein</strong>en erträglichen<br />

Zustand zu erreichen. Andere sprechen<br />

auf <strong>ein</strong>e antidepressive Therapie<br />

in Kombination mit <strong>ein</strong>em Analgetikum<br />

oder Antiepileptikum besser an.<br />

In jedem Fall sollte <strong>ein</strong> Therapieversuch<br />

zunächst mit <strong>ein</strong>em konventionellen<br />

Analgetikum erfolgen, wobei<br />

<strong>ein</strong>e ausreichend hohe Dosierung und<br />

Regelmäßigkeit der Einnahme zu<br />

überprüfen ist. Mancher „Therapieversager“<br />

ist auf <strong>ein</strong>e pharmakologisch<br />

unzureichende Dosierung und<br />

unregelmäßige Einnahme zurückzuführen.<br />

Bei suizidgefährdeten Patienten<br />

kann <strong>ein</strong>e psychiatrische oder psychologische<br />

Mitbetreuung erforderlich<br />

werden.<br />

Medikamentöse Behandlung<br />

Von den konventionellen Analgetika<br />

sch<strong>ein</strong>t die Kombination von<br />

Paracetamol mit Cod<strong>ein</strong> in <strong>ein</strong>er Dosierung<br />

von 4 mal 500 mg Paracetamol<br />

plus insgesamt 120 mg Cod<strong>ein</strong> zu <strong>ein</strong>er<br />

signifikanten Schmerzlinderung<br />

zu führen. Opioide (Buprenorphin,<br />

Morphin, Dihydrocod<strong>ein</strong>) ergaben in<br />

unkontrollierten Studien <strong>ein</strong>e<br />

Schmerzlinderung von über 25 Prozent.<br />

Der Effekt <strong>ein</strong>er Opioid-Langzeittherapie<br />

ist noch an <strong>ein</strong>em größeren<br />

Patientenkollektiv zu überprüfen.<br />

Pappagallo (7) berichtete über <strong>ein</strong>e<br />

bis zu 50prozentige Schmerzreduktion<br />

mit oraler Morphin-Therapie. Als<br />

Medikamentöse Therapie der<br />

<strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong><br />

✁ Analgetika<br />

✁ Antidepressiva<br />

✁ Antiepileptika<br />

✁ Neuroleptika<br />

✁ Antidepressivum und<br />

Analgetikum<br />

Neuroleptikum und<br />

Analgetikum<br />

✁ orale Opioid-Langzeit-<br />

Therapie?<br />

✁ topische Applikation von<br />

Capsaicin? <strong>–</strong> Aspirin<br />

Chloroform/Äthyläther<br />

häufigste Nebenwirkung wurden angegeben:<br />

Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit<br />

und Obstipation.<br />

Von den Antiepileptika dämpft<br />

das Carbamazepin die abnorme synaptische<br />

Erregungsübertragung und<br />

ist besonders bei den attackenweise<br />

<strong>ein</strong>schießenden Schmerzen (<strong>postzosterische</strong><br />

Trigeminusneuralgie) wirksam.<br />

Hierzu sind Dosierungen von<br />

wenigstens 600 bis 800 mg Carbamazepin<br />

täglich erforderlich. Wegen des<br />

sedierenden Effektes ist <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>schleichende<br />

Dosierung in der Regel<br />

nicht zu umgehen, was mit <strong>ein</strong>em verzögerten<br />

Wirkungs<strong>ein</strong>tritt erkauft<br />

wird. <strong>Die</strong>selben Probleme ergeben<br />

sich bei den Antiepileptika der zweiten<br />

Wahl (Phenytoin, Clonazepam).<br />

Antidepressiva haben <strong>ein</strong>en festen<br />

Platz in der Behandlung der <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong> (3, 5, 11). Hohe<br />

Dosen wirken <strong>ein</strong>erseits direkt zentral<br />

<strong>–</strong> analgetisch <strong>–</strong> und steigern den<br />

Effekt der konventionellen Analgetika,<br />

andererseits führen sie durch Stimmungsaufhellung<br />

und Schmerzdistanzierung<br />

zu <strong>ein</strong>er positiven Be<strong>ein</strong>flussung<br />

des subjektiven Schmerzempfindens.<br />

Hohe Dosen von trizyklischen<br />

Antidepressiva, zum Beispiel Clomipramin<br />

(150 mg) oder Amitriptylin<br />

besonders in Form von Kurzinfusionen<br />

(75 mg pro Infusion), haben auch<br />

<strong>ein</strong>e direkte analgetische Wirkung.<br />

Neuroleptika verstärken ebenfalls<br />

den zentral analgetischen Effekt<br />

von konventionellen Schmerzmitteln<br />

und heben die zentrale Schmerzschwelle.<br />

Neben der Sedierung sind<br />

hier die Risiken des Auftretens extrapyramidaler<br />

Bewegungsstörungen<br />

(tardive Dyskinesie) zu berücksichtigen.<br />

<strong>Die</strong>se Dyskinesien können auch<br />

als „Frühdyskinesie“ nach nur kurzfristiger<br />

Neuroleptikagabe auftreten.<br />

Von den Virostatika soll Amantadin<br />

bei hochdosierter parenteraler<br />

Applikation (zum Beispiel 200 mg pro<br />

Infusion, zwei bis drei Infusionen in<br />

24 Stunden) auch auf die chronische<br />

<strong>postzosterische</strong> <strong>Neuralgie</strong> günstig<br />

wirken. <strong>Die</strong>se Wirkung könnte auf<br />

die Eigenschaft des Amantadins als<br />

NMDA-Rezeptorantagonist zurückgeführt<br />

werden. Kontrollierte Studien<br />

mit besonderer Berücksichtigung der<br />

schmerzphysiologischen Aspekte fehlen<br />

hier.<br />

Perkutane medikamentöse<br />

Behandlung<br />

Capsaicin wirkt auf die nozizeptiven<br />

C-Fasern in der Peripherie und<br />

führt zur Deafferentierung der C-Fasern.<br />

<strong>Die</strong>ser Ansatzpunkt schien zunächst<br />

erfolgversprechend, allerdings<br />

sind die Ergebnisse des Langzeiteffektes<br />

umstritten. <strong>Die</strong> lokale Applikation<br />

führt bei manchen Patienten<br />

auch zu <strong>ein</strong>em unerträglichen Hautbrennen.<br />

Strittig ist auch noch, welche<br />

Konzentration der Capsaicin-<br />

Creme (0,025 bis 0,075 Prozent) am<br />

zweckmäßigsten ist (8, 9). Günstige<br />

Effekte wurden auch von der lokalen<br />

Applikation <strong>ein</strong>es zehnprozentigen<br />

Lidocain-Gels berichtet. Hier fehlen<br />

noch plazebokontrollierte Studien<br />

zum Langzeiteffekt. Auch die Gabe<br />

von Aspirin in Chloroform oder<br />

<strong>Die</strong>thyläther soll nach unkontrollierten<br />

Studien <strong>ein</strong>en günstigen Effekt<br />

haben.<br />

Transkutane<br />

Elektrostimulation<br />

<strong>Die</strong> transkutane Elektrostimulation<br />

(TENS) soll all<strong>ein</strong> oder in Kombination<br />

mit Analgetika den Schmerz<br />

der <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong> günstig<br />

be<strong>ein</strong>flussen (1). Pathogenetisch<br />

soll die Elektrostimulation peripherer<br />

Nerven oder der sensiblen Hinterstränge<br />

im Rückenmark die Schmerzhemmung<br />

im zentralen Nervensystem<br />

durch Aktivierung hemmender Neurone<br />

im Rückenmark und wahrsch<strong>ein</strong>-<br />

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 19, 10. Mai 1996 (61)<br />

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M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

lich auch im Gehirn verstärken. Durch<br />

die Stimulation werden hemmende<br />

Transmitter im Hinterhorn ausgeschüttet,<br />

zum Beispiel 5-Hydroxytryptamin.<br />

Auch die Enkephaline wirken<br />

als hemmende Transmitter. Möglicherweise<br />

beruht <strong>ein</strong> Teil der durch<br />

Akupunktur bewirkten Schmerzhemmung<br />

auf diesen Effekten. Initial ist<br />

bei der TENS <strong>ein</strong> nicht unbeträchtlicher<br />

Plazeboeffekt zu berücksichtigen,<br />

so daß man die Wirkung erst nach<br />

<strong>ein</strong>er mehrwöchigen Probezeit mit <strong>ein</strong>em<br />

Leihgerät zuverlässig beurteilen<br />

kann. Wir sahen im eigenen Krankengut<br />

k<strong>ein</strong>e überzeugenden Therapieeffekte.<br />

Gelegentlich scheitert diese Behandlungsform<br />

auch an der Unfähigkeit<br />

der alten Patienten, das Gerät<br />

sachgerecht zu bedienen.<br />

Infiltrationsbehandlung<br />

Infiltrationstherapie<br />

✁ Sympathikusblockaden<br />

(Stellatumblockaden)<br />

✁ Nervenblockaden<br />

✁ epidurale Infiltrationen?<br />

Lokale Hautinfiltration mit Lokalanästhetika<br />

sowie Nervenblockaden<br />

bringen zumindest <strong>ein</strong>e vorübergehende<br />

Linderung. In Einzelfällen<br />

wurde auch <strong>ein</strong>e mehrwöchige Wirkung<br />

berichtet. Sympatikusblockaden<br />

sch<strong>ein</strong>en besonders in der Frühphase<br />

effektiv zu s<strong>ein</strong>. Bei der längerfristig<br />

manifesten <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong><br />

zeigen Sympatikusblockaden entweder<br />

k<strong>ein</strong>en oder nur <strong>ein</strong>en sehr passageren<br />

Effekt. Als Alternative werden<br />

auch Opioid-Injektionen an das<br />

Ganglion stellatum diskutiert. Auch<br />

die Laser-Therapie soll bei lokaler<br />

Anwendung über <strong>ein</strong>e Schmerzmodulation<br />

<strong>ein</strong>en günstigen Effekt zeigen,<br />

allerdings fehlen hier kontrollierte<br />

Studien (11).<br />

Neurochirurgische Behandlung<br />

Von den neurochirurgischen Behandlungsmaßnahmen<br />

hat sich neben<br />

der Implantation von Sonden im<br />

Rückenmarksbereich sowie epiduraler<br />

Stimulation von den eigentlichen<br />

Schmerzoperationen nur noch die<br />

Neurochirurgische Therapie<br />

✁ transkutane Elektrostimulation<br />

(TENS)<br />

✁ DCS<br />

(dorsal column stimulation)<br />

✁ Langzeit-Implantation<br />

(Rückenmark-Elektroden)<br />

(Stimulation über extrakorporalen<br />

Sender)<br />

✁ DREZ <strong>–</strong> Thermokoagulation<br />

(Dorsal Root Entry<br />

Zone thermocoagulation)<br />

Thermokoagulation der Substantia<br />

gelatinosa rolandi im Bereich der<br />

Wurzel<strong>ein</strong>trittszone (DREZ-Thermokoagulation)<br />

behauptet.<br />

<strong>Die</strong> Durchschneidung spinothalamischer<br />

Bahnen (Chordotomie)<br />

oder die Wurzeldurchtrennung (Rhizotomie)<br />

sowie stereotaktische Eingriffe<br />

(Thalamotomie) haben bei der<br />

<strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong> zu unbefriedigenden<br />

Ergebnissen geführt und<br />

sind wieder verlassen worden (3).<br />

<strong>Die</strong> Vielzahl der <strong>–</strong> hier bereits<br />

kritisch sortierten <strong>–</strong> Behandlungsvorschläge<br />

spiegelt wider, daß es <strong>ein</strong>e ideale<br />

Therapie der <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong><br />

auch heute nicht gibt und daß<br />

die Bemühungen um <strong>ein</strong>e rationale<br />

(virostatische) Therapie in der Akutphase<br />

verstärkt werden sollten, um die<br />

Entstehung der <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong><br />

möglichst zu verhindern. Eine in<br />

der Frühphase pharmakologisch ausreichend<br />

dosierte virostatische Therapie<br />

sch<strong>ein</strong>t das Risiko der <strong>postzosterische</strong>n<br />

<strong>Neuralgie</strong> zu vermindern, was<br />

für die intravenöse Frühbehandlung<br />

belegt ist, während die Effekte der<br />

oralen Frühbehandlung auf das Entstehen<br />

der <strong>postzosterische</strong>n <strong>Neuralgie</strong><br />

noch umstritten sind (4).<br />

Literatur<br />

1. Klingler D, Kepplinger B: Transkutane<br />

elektrische Nervenstimulation. Nervenarzt<br />

1981; 52: 477<strong>–</strong>480<br />

2. Malin JP: Pathophysiologie der Schmerzempfindung<br />

und Schmerzleitung beim Zoster.<br />

Zeitschr f Hautkr 1990; 65: 709<strong>–</strong>712<br />

3. Malin JP: Therapie der zosterischen <strong>Neuralgie</strong>.<br />

Akute und <strong>postzosterische</strong> <strong>Neuralgie</strong><br />

beim Herpes Zoster. Zeitschr f Hautkr<br />

1990; 65: 713<strong>–</strong>716<br />

4. Malin JP, Kretschmann U: Intravenöse<br />

Aciclovir-Therapie und postherpetische<br />

<strong>Neuralgie</strong>. Akt Neurol 1992; 19: 41<strong>–</strong>44<br />

5. Max MB: Treatment of Post-Herpetic<br />

Neuralgia: Antidepressants. Ann Neurol<br />

1994; 35: 50<strong>–</strong>53<br />

6. Noordenbos W: Pain: Problems pertaining<br />

to the transmission of nerve impulses<br />

which give rise to pain. Amsterdam: Elsevier,<br />

1959; Ch 1: 4<strong>–</strong>10, Ch 10: 68<strong>–</strong>80<br />

7. Pappagallo M, Campbell JN: Chronic<br />

Opioid Therapy as Alternative Treatment<br />

for Post-Herpetic Neuralgia. Ann Neurol<br />

1994; 35: 54<strong>–</strong>56<br />

8. Peikert A, Hentrich M, Ochs G: Topical<br />

0,025% capsaicin in chronic post-herpetic<br />

neuralgia: efficacy, predictors of response<br />

and long-term course. J Neurol 1991; 238:<br />

452<strong>–</strong>456<br />

9. Rowblotham MC: Postherpetic Neuralgia.<br />

Seminars in Neurology 1994; 14: 247<strong>–</strong>254<br />

10. Watson CRN, Deck JH: The neuropathology<br />

of herpes zoster with particular reference<br />

to postherpetic neuralgia and its pathogenesis.<br />

In: Watson CPN ed: Herpes<br />

Zoster and Postherpetic Neuralgia. Pain<br />

Research and Clinical Management, Vol 8.<br />

Amsterdam, London, New York, Tokyo:<br />

Elsevier, 1993<br />

11. Zenz T, Zenz M, Tryba M: Schmerztherapie<br />

bei Herpes Zoster und <strong>postzosterische</strong>r<br />

<strong>Neuralgie</strong>. Der Schmerz 1994; 8:<br />

24<strong>–</strong>36<br />

Zitierweise dieses Beitrags:<br />

Dt Ärztebl 1996; 93: A-1269<strong>–</strong>1272<br />

[Heft 19]<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Prof. Dr. med. Jean-Pierre Malin<br />

Direktor der Neurologischen Klinik<br />

der Ruhr-Universität Bochum<br />

Berufsgenossenschaftliche<br />

Kliniken Bergmannsheil<br />

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1<br />

44789 Bochum<br />

Diskussionsbeiträge<br />

Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissenschaftlichen<br />

Teil <strong>–</strong><br />

ausgenommen Editorials, Kongreßberichte<br />

und Zeitschriftenreferate<br />

<strong>–</strong> können in der Rubrik „Diskussion“<br />

zusammen mit <strong>ein</strong>em dem<br />

Autor zustehenden Schlußwort<br />

veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb<br />

vier Wochen nach Ersch<strong>ein</strong>en<br />

der betreffenden Publikation<br />

bei der Medizinisch-Wissenschaftlichen<br />

Redaktion <strong>ein</strong>gehen und bei<br />

<strong>ein</strong>em Umfang von höchstens zwei<br />

Schreibmaschinenseiten (30 Zeilen<br />

mit je 60 Anschlägen) wissenschaftlich<br />

begründete Ergänzungen oder<br />

Entgegnungen enthalten.<br />

Für Leserbriefe zu anderen<br />

Beiträgen gelten k<strong>ein</strong>e besonderen<br />

Regelungen (siehe regelmäßige<br />

Hinweise). DÄ/MWR<br />

A-1272<br />

(62) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 19, 10. Mai 1996

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