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Dekubitalgeschwüre – Pathophysiologie und Primärprävention

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MEDIZIN<br />

<strong>Dekubitalgeschwüre</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Pathophysiologie</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Primärprävention</strong><br />

Jennifer Anders, Axel Heinemann, Carsten Leffmann,<br />

Maja Leutenegger, Franz Pröfener, Wolfgang von Renteln-Kruse<br />

3<br />

Punkte<br />

cme<br />

Teilnahme nur im<br />

Internet möglich:<br />

aerzteblatt.de/cme<br />

Medizinisch-<br />

Geriatrische<br />

Klinik, Albertinen-<br />

Haus, Zentrum für<br />

Geriatrie <strong>und</strong> Gerontologie,<br />

Wissenschaftliche<br />

Einrichtung an der<br />

Universität Hamburg:<br />

Dr. med Anders,<br />

Prof. Dr. med. von<br />

Renteln-Kruse<br />

Institut für Rechts -<br />

medizin, Universitätsklinikum<br />

Hamburg<br />

Eppendorf:<br />

Dr. med. Heinemann<br />

Fortbildungsakademie<br />

der Ärztekammer<br />

Hamburg:<br />

Dr. med. Leffmann<br />

Albertinen-Krankenhaus,<br />

Akademisches<br />

Lehrkrankenhaus<br />

an der Universität<br />

Hamburg:<br />

Leutenegger<br />

Hamburgische<br />

Pflegegesellschaft:<br />

Pröfener<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Hintergr<strong>und</strong>: Druckgeschwüre sind schwere Komplikationen<br />

von Multimorbidität <strong>und</strong> Immobilität. Konsequente<br />

Druckentlastung <strong>und</strong> Maßnahmen der Bewegungsförderung<br />

haben das Auftreten von Dekubitus bei bettlägerigen<br />

Patienten gesenkt. Allerdings gilt Dekubitus nicht mehr in<br />

allen Fällen als vermeidbar oder heilbar, wenn Durchblutungsstörungen<br />

die Anfälligkeit erhöhen oder kognitive<br />

Einschränkungen die Umsetzung der Prophylaxe erschweren.<br />

Methode: Systematische Literaturrecherche aus den Jahren<br />

2004 <strong>und</strong> 2005 im Rahmen eines Health Technology<br />

Assessments sowie eine selektive Literaturrecherche bis<br />

2009 zur Prävention von Dekubitus.<br />

Ergebnisse: Gefährdet sind vor allem ältere, multimorbide<br />

Patienten mit Immobilitätssyndrom sowie Querschnittgelähmte.<br />

Druckvermeidung durch Bewegungsförderung ist<br />

die zentrale Maßnahme zur Prävention <strong>und</strong> Behandlung<br />

von Druckschäden neben der gleichzeitigen Minimierung<br />

beteiligter Risikofaktoren.<br />

Schlussfolgerung: Die Therapie von Malnutrition, Durchblutungsstörungen,<br />

Gr<strong>und</strong>erkrankungen mit Beeinträchtigungen<br />

der Mobilität sowie symptomatische Behandlungen<br />

von Begleitsymptomen wie Schmerzen sind festzulegen.<br />

Im Verlauf sind Machbarkeit, Durchführung <strong>und</strong> Wirksamkeit<br />

zu kontrollieren, zu dokumentieren <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

zu korrigieren. Rechtzeitige Prävention von Dekubitus setzt<br />

eine frühe Abklärung von Risikofaktoren bei Erstkontakt zu<br />

immobilen Patienten oder bei Zustandsverschlechterung<br />

voraus, gefolgt von Maßnahmen nach dem individuellen<br />

Risikoprofil mit den Schwerpunkten aktive Bewegungsförderung<br />

<strong>und</strong> passive Druckentlastung durch wechselnde<br />

Lagerung.<br />

Druckgeschwüre sind schwerwiegende Komplikationen<br />

von Multimorbidität <strong>und</strong> Immobilität. Ein<br />

Dekubitus ist nicht in allen Fällen vermeidbar oder<br />

heilbar, wenn beispielsweise Durchblutungsstörungen<br />

die Anfälligkeit erhöhen oder kognitive Leiden die Prophylaxe<br />

erschweren (e1<strong>–</strong>e3). Die Prävalenz von höhergradigen<br />

<strong>Dekubitalgeschwüre</strong>n (Grad 3 <strong>und</strong> 4) beträgt<br />

bis zu 3 Prozent <strong>und</strong> bis zu 4 Prozent in der letzten Lebensphase<br />

bei Personen in pflegerischer institutioneller<br />

Betreuung. In den letzten zehn Jahren hat sich beispielsweise<br />

in der Region Hamburg kein durchgreifender<br />

Rückgang der Prävalenz ergeben (1). Bei der ersten<br />

Kontaktaufnahme mit dem immobilen Patienten sollten<br />

die Risikofaktoren abgeklärt werden. Daran anschließen<br />

sollten sich Maßnahmen, die auf das individuelle<br />

Risikoprofil des Patienten abgestimmt sind <strong>und</strong> die<br />

Schwerpunkte aktive Bewegungsförderung <strong>und</strong> passive<br />

Druckentlastung durch wechselnde Lagerung beinhalten.<br />

Ferner sind die Therapie von Malnutrition, Durchblutungsstörungen,<br />

Gr<strong>und</strong>erkrankungen mit Beeinträchtigungen<br />

der Mobilität sowie symptomatische Behandlungen<br />

von Begleitsymptomen wie Schmerzen<br />

festzulegen (e4). Im Verlauf sind Machbarkeit, Durchführung<br />

<strong>und</strong> Wirksamkeit zu kontrollieren, zu dokumentieren<br />

<strong>und</strong> gegebenenfalls zu korrigieren.<br />

Eine gute Abstimmung zwischen beteiligten Berufsgruppen<br />

wie (Fach-)Ärzten oder Pflegefachkräften <strong>und</strong><br />

pflegenden Angehörigen ist wünschenswert, im Alltag<br />

aber schwierig. Überleitungsdokumentationen begleiten<br />

den Wechsel von gefährdeten Patienten zwischen<br />

verschiedenen Versorgungsbereichen (2).<br />

Die Therapie von Dekubitus ist derart umfangreich,<br />

dass dieser Artikel sich allein auf die Prävention kon-<br />

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(21): 371<strong>–</strong>82<br />

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0371<br />

Prävalenz<br />

Die Prävalenz von höhergradigen <strong>Dekubitalgeschwüre</strong>n<br />

(Grad 3 <strong>und</strong> 4) beträgt bis zu<br />

3 Prozent <strong>und</strong> bis zu 4 Prozent in der letzten<br />

Lebensphase bei Personen in pflegerischer<br />

institutioneller Betreuung.<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010 371


MEDIZIN<br />

TABELLE 1<br />

Gradeinteilung nach ICD<strong>–</strong>10-GM Version 2010<br />

ICD<br />

L89.0<br />

L89.1<br />

L89.2<br />

L89.3<br />

Klassifikation<br />

Grad 1<br />

Grad 2<br />

Grad 3<br />

Grad 4<br />

Beschreibung<br />

Druckzone mit nicht wegdrückbarer Rötung bei intakter<br />

Haut<br />

Dekubitus (Druckgeschwür) mit Abschürfung, Blase, Teilverlust<br />

der Haut mit Einbeziehung von Epidermis <strong>und</strong>/<br />

oder Dermis, Hautverlust<br />

Dekubitus (Druckgeschwür) mit Verlust aller Hautschichten<br />

mit Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes,<br />

die bis auf die darunter liegende Fascie reichen kann<br />

Dekubitus (Druckgeschwür) mit Nekrose von Muskeln,<br />

Knochen oder stützenden Strukturen, zum Beispiel Sehnen<br />

oder Gelenkkapseln<br />

zentriert. Auch zu diesem Themenkomplex haben die<br />

Fachgesellschaften EPUAP <strong>und</strong> NPUAP Ende 2009<br />

eine aktualisierte, internationale Leitlinie veröffentlicht<br />

(4).<br />

Lernziele für den Leser sind:<br />

● Kenntnisse zur Entstehung <strong>und</strong> über die Ursachen<br />

von Dekubitus zu vertiefen<br />

● die an der Entstehung von Dekubitus beteiligten<br />

Risikofaktoren <strong>und</strong> gefährdete Patienten erkennen<br />

zu können<br />

● Maßnahmen zur Prävention von Dekubitus gezielt<br />

zu verinnerlichen<br />

● Betroffene <strong>und</strong> ihre Angehörigen über die Problematik<br />

informieren <strong>und</strong> beraten zu können.<br />

Der folgenden Übersicht liegen eine systematische<br />

Literaturrecherche aus den Jahren 2004 <strong>und</strong> 2005 im<br />

Rahmen eines Health Technology Assessments sowie<br />

eine selektive Literaturrecherche bis 2009 zur Prävention<br />

von Dekubitus zugr<strong>und</strong>e (3).<br />

Ein Health Technology Assessment (Medizintechnik-Folgenabschätzung)<br />

ist ein Verfahren, bei dem medizinische<br />

Hilfsmittel, Heilverfahren, diagnostische<br />

Prozesse oder Organisationsstrukturen systematisch<br />

bewertet werden unter Nutzung evidenzbasierter medizinischer,<br />

ökonomischer, juristischer <strong>und</strong> ethischer Literatur<br />

als Entscheidungshilfe bei ges<strong>und</strong>heitspolitischen<br />

Fragestellungen (e5). In der deutschen Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />

spielt HTA seit Mitte der 1990er Jahre eine<br />

zunehmende Rolle. Die Deutsche Agentur für HTA<br />

(DAHTA) wurde im Jahr 2000 beim DIMDI gegründet.<br />

Sie betreibt ein Informationssystem HTA <strong>und</strong> führt ein<br />

Programm zur Erstellung von HTA-Berichten durch<br />

(www.dimdi.de/static/de/hta/index.htm). In dem hier<br />

zugr<strong>und</strong>e gelegten HTA-Bericht Nr. dDAHTA004 „Dekubitusprophylaxe<br />

<strong>und</strong> -therapie; decubital prophylaxis<br />

and therapy“ wurden Aussagen aus 22 medizinischen<br />

Leitlinien hoher methodischer Qualität nach einem<br />

standardisierten Verfahren bewertet, extrahiert <strong>und</strong><br />

synoptisch zusammengefasst (eKasten) (3).<br />

Die Extraktion <strong>und</strong> Aufbereitung der Informationen<br />

erfolgte durch das interdisziplinäre Autorengremium.<br />

Wo nicht anders angegeben, beziehen sich alle Empfehlungen<br />

insbesondere auf die aktuellste evidenzbasierte<br />

internationale Leitlinie der Europäischen <strong>und</strong> US-amerikanischen<br />

Fachgesellschaften „European Pressure Ulcer<br />

Advisory Panel <strong>und</strong> National Pressure Ulcer Advisory<br />

Panel“ (4). Betont sind Maßnahmen mit wissenschaft -<br />

lichem Nachweis zu Wirksamkeit, Sicherheit <strong>und</strong> Umsetzbarkeit<br />

(Evidenzgrad A oder B) gegenüber kontrovers<br />

diskutierten oder lediglich durch Expertenmeinung<br />

belegten Verfahren (Evidenzgrad C).<br />

Einteilung <strong>und</strong> Differenzialdiagnose<br />

Das Druckgeschwür (Dekubitalgeschwür, der Dekubitus;<br />

auch das Ulkus bei medizinischer Anwendung von<br />

Gips; „decubitus ulcer“, „pressure sore“) wird unter<br />

Erkrankungen der Haut <strong>und</strong> Hautanhangsgebilde kodiert<br />

(Tabelle 1). Nicht eingeschlossen in dieser<br />

Krankheitsentität sind trophische <strong>Dekubitalgeschwüre</strong><br />

der Zervix uteri (N86). Dekubitus beschreibt eine sich<br />

unter lange andauerndem Druck in oberen Hautschichten<br />

entwickelnde W<strong>und</strong>e, die sich geschwürartig nach außen<br />

<strong>und</strong> in tiefere Gewebeschichten ausbreitet, wenn<br />

nicht gezielt Gegenmaßnahmen eingeleitet werden (5).<br />

Eine begleitende entzündliche Reaktion liegt meistens<br />

vor; oft auch lokale, bakterielle Besiedelung oder systemische<br />

Infektionen. Großflächige Hautschäden führen<br />

über Exsudate zum Verlust von Flüssigkeit <strong>und</strong> Eiweiß.<br />

Da <strong>Dekubitalgeschwüre</strong> in den oberen Hautschichten<br />

entstehen <strong>und</strong> sich sowohl nach außen als<br />

auch in die Tiefe ausdehnen, erfolgt die Einteilung in<br />

Schweregrade nach der Tiefenausdehnung (Abbildung<br />

1). Eine anhaltende Durchblutungsstörung <strong>und</strong> Druckschädigung<br />

der oberen Hautschichten äußert sich<br />

durch eine umschriebene Rötung <strong>und</strong> Induration. Diese<br />

Rötung verschwindet nicht auf Druck mit dem Finger<br />

oder Glasspatel (Abbildung 2). Die Schädigung ist<br />

bei Druckentlastung reversibel, <strong>und</strong> es liegt noch keine<br />

Klassifikation<br />

Das Dekubitalgeschwür ist eine Erkrankung der<br />

Haut <strong>und</strong> Hautanhangsgebilde.<br />

Definition<br />

Dekubitus beschreibt eine sich unter lange<br />

andauerndem Druck in oberen Hautschichten<br />

entwickelnde W<strong>und</strong>e, die sich geschwürartig nach<br />

außen <strong>und</strong> in tiefe Gewebeschichten ausbreitet.<br />

372 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


MEDIZIN<br />

offene W<strong>und</strong>e vor. Bei Beobachtung eines Dekubitus<br />

Grad 1 (L89.0) müssen umgehend entlastende Maßnahmen<br />

wie Freilagerung, engmaschigere Lagerungswechsel<br />

<strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>kontrollen angeordnet <strong>und</strong> durchgeführt<br />

werden.<br />

Geschieht dies nicht, lösen sich abgestorbene Zellen<br />

des Stratum basilare, <strong>und</strong> die Nekrose dringt über die<br />

Basalmembran in tiefere Hautschichten vor (Dekubitus<br />

Grad 2; L89.1). Äußerlich sind oft Blasen oder offene<br />

Hautstellen durch die Ablösung der Cornealschicht zu<br />

beobachten. Es treten Schmerzen vergleichbar einer<br />

Verbrennung zweiten Grades auf. Sensorische Störungen<br />

oder Analgetika können diese Wahrnehmung beeinträchtigen.<br />

Es liegt nun eine offene W<strong>und</strong>e vor mit<br />

dem Verlust der Barrierefunktionen der intakten Haut.<br />

Nach Durchbruch der Subkutis ist Fettgewebe oder<br />

Muskulatur zu erkennen. Während dieses Stadium (Dekubitus<br />

Grad 3; L89.2) in wenigen Tagen erreicht werden<br />

kann, würde die W<strong>und</strong>heilung konservativ viele<br />

Wochen benötigen oder alternativ eine chirurgische<br />

Deckung erfordern (6). Ist Knochen sichtbar, ist von<br />

einer begleitenden Osteomyelitis <strong>und</strong> somit einer<br />

systemischen Infektion mit der Gefahr weiterer Komplikationen<br />

auszugehen (Dekubitus Grad 4; L89.3).<br />

Ergänzend zur Tiefenausdehnung werden <strong>Dekubitalgeschwüre</strong><br />

nach Lokalisation, Ausdehnung <strong>und</strong> W<strong>und</strong>zustand<br />

beurteilt. Fistelgänge, W<strong>und</strong>taschen <strong>und</strong> Entzündungszeichen<br />

sind zu beachten. Zur Verlaufsbeurteilung<br />

empfiehlt sich zusätzlich eine fotografische Dokumentation<br />

mit angelegtem Maßstab (7). In den USA<br />

wurden für schwer beurteilbare W<strong>und</strong>en zwei zusätzliche<br />

Kategorien (ohne Abbildung) „Verdacht auf ein<br />

Dekubitalgeschwür“ bei schwer einzuordnenden Rötungen,<br />

Verhärtungen oder dunklen Hauttypen sowie<br />

„Dekubitus mit unbekannter Tiefenausdehnung“ (ohne<br />

Abbildung, entspricht L89.9) eingeführt. Letztere soll<br />

die Dokumentation beispielsweise vor dem chirurgischen<br />

Abtragen einer Nekrose erleichtern, die erst klare<br />

Aussagen zur Tiefenausdehnung erlaubt. In beiden Fällen<br />

sind umgehend alle Maßnahmen zur Prävention respektive<br />

Therapie wie bei einem gesicherten Dekubitus<br />

einzuleiten (5).<br />

Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind <strong>Dekubitalgeschwüre</strong><br />

von (wegdrückbaren, nicht tastbaren)<br />

Erythemen anderer Genese sowie chronische W<strong>und</strong>en<br />

anderer Herkunft (diabetisches Ulkus, Ulcus venosum)<br />

an für Dekubitus untypischen Prädilektionsstellen wie<br />

den Streckseiten der Extremitäten, Fußrücken oder Fingerspitzen<br />

(8).<br />

Abbildung 1:<br />

Dekubitus-Einteilung<br />

Grad 1, 2, 3<br />

<strong>und</strong> 4 nach Schweregrad,<br />

gemessen<br />

an der Tiefenausdehnung<br />

<strong>und</strong> betroffenen<br />

Strukturen<br />

(mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung des<br />

National Pressure<br />

Ulcer Advisory<br />

Panel, NPUAP).<br />

Weitere Einteilung<br />

Ergänzend zur Tiefenausdehnung werden <strong>Dekubitalgeschwüre</strong><br />

nach Lokalisation, Ausdehnung <strong>und</strong><br />

W<strong>und</strong>zustand beurteilt.<br />

Differenzialdiagnostische Abgrenzung<br />

• wegdrückbare, nicht tastbare Erytheme anderer<br />

Genese<br />

• chronische W<strong>und</strong>en anderer Herkunft (diabetisches<br />

Ulkus, Ulcus venosum)<br />

• untypische Lokalisation für Dekubitus<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010 373


MEDIZIN<br />

Abbildung 2:<br />

Foto eines<br />

Dekubitus Grad 2<br />

mit nicht<br />

wegdrückbarer<br />

Rötung, Induration<br />

<strong>und</strong> beginnender<br />

Blasenbildung<br />

(Abbildung mit<br />

fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung<br />

von Dr. M. Michaelis,<br />

Albertinen-<br />

Krankenhaus).<br />

Pathogenese <strong>und</strong> Risikofaktoren<br />

Fehlt der Lagewechsel oder ist er zu selten, weil die<br />

Person sich aufgr<strong>und</strong> von Immobilität, Lähmungen,<br />

Narkose oder Fixierung nicht bewegen kann, übersteigt<br />

der Auflagedruck auf prominenten Auflageflächen den<br />

Kapillardruck der darunter befindlichen Gewebeschichten.<br />

Es kommt bei länger andauernder Unter -<br />

brechung der Durchblutung zu anaeroben Gewebeschäden<br />

<strong>und</strong> Nekrosen. Für die kritische Ischämiezeit werden<br />

keine einheitlichen Grenzwerte, sondern lediglich<br />

orientierende Zeitintervalle zwischen 30 <strong>und</strong> 240 Minuten<br />

bis zur Entstehung einer Druckschädigung mit<br />

erheblichen interindividuellen Schwankungen angegeben<br />

(e6). Zusätzlich zur Druckbelastung spielt die individuelle<br />

Ischämietoleranz des Gewebes eine entscheidende<br />

Rolle. Bei Patienten mit peripherer arterieller<br />

Verschlusskrankheit wurde in Fallkontrolluntersu -<br />

chungen ein erhöhtes Risiko gef<strong>und</strong>en, nicht nur De -<br />

kubitus zu entwickeln, sondern darüber hinaus einen<br />

ungünstigen Verlauf mit schlechter W<strong>und</strong>heilung zu haben<br />

(2). Angenommen wird eine verzögerte Reperfusionszeit<br />

auch nach Druckentlastung. Diese Effekte sind<br />

verstärkt über Knochen- oder Knorpelvorsprüngen mit<br />

dünnem Weichteilüberzug zu beobachten. Prädilektionsstellen<br />

für Dekubitus sind daher die Flächen über<br />

dem Steißbein, die Dornfortsätze der Wirbelsäule, die<br />

Fersen, Fußknöchel <strong>und</strong> Ellenbogen sowie in Seitenlage<br />

der Hüftkamm, die Trochanteren <strong>und</strong> seltener die<br />

Ohrmuscheln. Kachektische Patienten sind besonders<br />

gefährdet (1).<br />

Die entscheidende Ursache eines Druckgeschwürs<br />

ist zu lange andauernder Druck.<br />

Weitere physikalische Belastungen wie Reibung an<br />

der Hautoberfläche, Scherkräfte (durch Verschiebung<br />

der unterschiedlich festen Hautschichten) <strong>und</strong> Feuchtigkeit<br />

können die Haut zusätzlich schädigen. Feuchtigkeit<br />

erzeugt zwar keine Druckschädigung, kann aber<br />

über eine Aufweichung der oberen Hautschichten (Mazeration)<br />

<strong>und</strong> Störung des Hautmilieus (Verschiebung<br />

des pH-Wertes) die Entstehung chronischer W<strong>und</strong>en<br />

unterhalten. Inkontinenz <strong>und</strong> Dekubitus betreffen daher<br />

ähnliche Risikogruppen. Allerdings konnte bisher kein<br />

kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden (9).<br />

Aus der <strong>Pathophysiologie</strong> erklärt sich der Hauptrisikofaktor<br />

Immobilität. Ein Dekubitusrisiko besteht bei Personen,<br />

deren Eigenbeweglichkeit so weit herabgesetzt ist,<br />

dass eine regelmäßig wiederkehrende Entlastung von<br />

Hautpartien durch Gewichtsverlagerung oder Lagewechsel<br />

nicht mehr selbstständig möglich ist. Alle Erkrankungen,<br />

die die Eigenbeweglichkeit einer Person einschränken,<br />

erhöhen das Dekubitusrisiko. Unterschieden werden<br />

patientenseitige (intrinsische) Risikofaktoren von äußeren<br />

(extrinsischen) Einflüssen. Dabei sind auch Störungen zu<br />

berücksichtigen, die über rein motorische Beeinträchtigungen<br />

hinaus die Mobilität einschränken, wie Kontrakturen,<br />

Bewusstseins- <strong>und</strong> Wahrnehmungsstörungen (geminderte<br />

Fähigkeit zur Mitarbeit) oder vermindertes Schmerzempfinden<br />

wie unter Narkose. Protektiv wirkt dagegen die<br />

erhaltene Fähigkeit, noch kleine Entlastungsbewegungen<br />

durchführen zu können (10). Ferner können Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

(pAVK, Herzinsuffizienz) <strong>und</strong> Ernährungsprobleme<br />

unterschiedlicher Genese (konsumierende<br />

Erkrankungen, Mangelernährung) einschließlich mangelnder<br />

Flüssigkeitszufuhr die Versorgung des peripheren<br />

Gewebes beeinträchtigen (2, 11). Oft wird Dekubitus<br />

durch eine Vielzahl von Erkrankungen inklusive Folgestörungen<br />

unterhalten (Grafik 1). Auch werden immer noch,<br />

wenn auch seltener, obsolete Maßnahmen zur Vorbeugung<br />

<strong>und</strong> Behandlung von Dekubitus beobachtet (Kasten).<br />

Epidemiologie<br />

Zur Dekubitusprävalenz gibt es keine genauen Daten,<br />

sondern lediglich Schätzungen, die nach Ort <strong>und</strong> Art<br />

der Erhebung schwanken. So berichten Experten von<br />

einer einrichtungsübergreifenden Dekubitusprävalenz<br />

von 9,2 Prozent bei folgender Annahme:<br />

● Prävalenz in Krankenhäusern 5 bis 10 Prozent<br />

● in geriatrischen Kliniken <strong>und</strong> Altenheimen etwa<br />

30 Prozent<br />

● etwa 20 Prozent bei Pflegebedürftigen in häuslicher<br />

Umgebung (3, 12).<br />

Primäre Risikofaktoren<br />

• fehlender oder zu seltener Lagewechsel<br />

• Auflagedruck übersteigt den Kapillardruck der<br />

darunter befindlichen Gewebeschichten<br />

• individuelle Ischämietoleranz des Gewebes<br />

• periphere arterielle Verschlusskrankheit<br />

Ursachen<br />

Die entscheidende Ursache eines Druckgeschwürs<br />

ist zu lange andauernder Druck. Weitere<br />

Belastungen wie Reibung an der Hautoberfläche,<br />

Scherkräfte <strong>und</strong> Feuchtigkeit können die Haut zusätzlich<br />

schädigen.<br />

374 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


MEDIZIN<br />

Auf der Basis dieser Angaben ergibt sich bei Berücksichtigung<br />

der Pflegestatistik des Statistischen<br />

B<strong>und</strong>esamtes für das Jahr 2007 mit etwa 2,3 Millionen<br />

pflegebedürftigen Personen in Deutschland eine Größenordnung<br />

von r<strong>und</strong> 550 000 Fällen, die zumindest<br />

ein hohes Risiko für Dekubitus aufweisen (e7). Eine<br />

aktuellere Querschnitterhebung aus Berlin zeigt dagegen<br />

niedrigere Kennzahlen mit einer Prävalenz von<br />

7,3 Prozent in Pflegeheimen sowie 12,7 Prozent in Kliniken<br />

(e8). Um die Heterogenität der Datenlage etwas<br />

auszugleichen, werden zunehmend Prävalenzen in Anteilen<br />

betroffener Personen innerhalb einer Risikogruppe<br />

ausgedrückt. So ergab ein Vergleich innerhalb einer<br />

Hochrisikogruppe (mit weniger oder gleich 20 Punkten<br />

nach der Braden-Skala) zwischen niederländischen<br />

<strong>und</strong> deutschen Pflegeeinrichtungen eine Prävalenz von<br />

13,4 Prozent (Niederlande) gegenüber 5,7 Prozent in<br />

Deutschland, bezogen auf Grad 2 bis 4. Aufgr<strong>und</strong> von<br />

Problemen in der zeitnahen Differenzialdiagnostik<br />

wird Grad 1 meist ausgeklammert (e8). In Hamburg erlaubt<br />

die kontinuierliche, postmortale Dokumentation<br />

der schweren Dekubitusfälle Grad 3 <strong>und</strong> 4 im Rahmen<br />

der zweiten Krematoriumsleichenschau Aussagen zur<br />

lokalen Entwicklung der Prävalenz. Nach einem leichten<br />

Rückgang Ende der 1990er Jahre bei Einführung<br />

diverser qualitätsfördernder Maßnahmen wird momentan<br />

eine leichte Zunahme registriert, deren Ursachen<br />

noch offen sind (1). Im Jahr 1998 wurde durch das Institut<br />

für Rechtsmedizin in einer Querschnitterhebung<br />

im Rahmen von 10 222 Leichenschauen die Prävalenz<br />

von <strong>Dekubitalgeschwüre</strong>n prospektiv untersucht. Es<br />

zeigte sich eine Gesamtprävalenz von 11,2 Prozent für<br />

<strong>Dekubitalgeschwüre</strong> der Grade 1 bis 4. Grad 1 trat bei<br />

6,1 Prozent aller Verstorbenen auf. Grad 2 machte 3<br />

Prozent aus. Auf Grad 3 <strong>und</strong> Grad 4 entfielen 1,1 <strong>und</strong><br />

0,9 Prozent (e9).<br />

GRAFIK 1<br />

Risikogruppen<br />

Zu den von Dekubitus gefährdeten Patienten zählen jene,<br />

die entweder wegen einer schweren Erkrankung immobil<br />

sind, oder Patienten, bei denen mehrere Risikofaktoren<br />

vorliegen. Letzteres betrifft vor allem ältere,<br />

multimorbide Patienten mit funktionellen Einschränkungen.<br />

Ältere Patienten stellen mit über 60 Prozent<br />

anteilig <strong>und</strong> absolut die größte Gruppe unter den Dekubituspatienten,<br />

weil sie einerseits eher an immobilisierenden<br />

Erkrankungen wie Schlaganfall leiden (3), andererseits<br />

haben sie infolge altersbedingter Veränderungen<br />

der Haut, der Gefäße <strong>und</strong> anderer Organe in kritischen<br />

Situationen weniger Reserven als jüngere Patienten<br />

mit ähnlichen Leiterkrankungen (12). So ist bei älteren<br />

Menschen selbst unter normalen Bedingungen<br />

beobachtet worden, dass unwillkürliche Lagewechsel<br />

während des Nachtschlafes deutlich abnehmen. Multimorbide<br />

ältere Patienten leiden auch eher unter Komplikationen<br />

wie Malnutrition oder Delir. Um nicht nur<br />

das Dekubitusrisiko zu erkennen, sondern beteiligte<br />

Ges<strong>und</strong>heitsprobleme <strong>und</strong> Reserven des älteren, multimorbiden<br />

Patienten zu erfassen, eignet sich das geriatrische<br />

Assessment. Ziel ist ein koordinierter Behandlungs-<br />

<strong>und</strong> Pflegeplan (13).<br />

Eine weitere Hochrisikogruppe sind Patienten aller<br />

Altersstufen mit Querschnittlähmungen. Empfohlen<br />

werden hier regelmäßige En-bloc-Drehungen des Körpers<br />

alle zwei bis drei St<strong>und</strong>en; initial unter den Bedingungen<br />

einer intensivmedizinischen Überwachung <strong>–</strong><br />

möglichst in spezialisierten Zentren (14). Auch bei<br />

schwerst erkrankten, polytraumatisierten oder wegen<br />

Verbrennungen intensivpflichtigen Patienten besteht<br />

ein hohes Dekubitusrisiko. Bei diesen Patientengruppen<br />

können die Sicherung der Vitalfunktionen <strong>und</strong> Vermeidung<br />

fortschreitender Lähmungen im Vordergr<strong>und</strong><br />

stehen <strong>und</strong> die Prävention von Dekubitus im Einzelfall<br />

<strong>Pathophysiologie</strong><br />

von Dekubitus:<br />

Druckschädigung<br />

<strong>und</strong> begünstigende<br />

Faktoren.<br />

Entstehung eines<br />

Druckgeschwüres:<br />

lokal ischämische<br />

Schädigung durch<br />

Druckbelastung<br />

<strong>und</strong> unterhaltende<br />

Risikofaktoren<br />

Risikoeinschätzung<br />

Von 2,3 Millionen pflegebedürftigen Patienten hatten<br />

im Jahr 2007 r<strong>und</strong> 550 000 errechnete Fälle<br />

ein hohes Risiko für Dekubitus.<br />

Ältere Patienten<br />

Diese Patientengruppe stellt mit über 60 Prozent<br />

die größte Gruppe unter den Dekubituspatienten.<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010 375


MEDIZIN<br />

KASTEN<br />

Schädigende <strong>und</strong> daher obsolete Maßnahmen* 1<br />

● mehrstündiges Sitzen ohne Entlastungspausen<br />

(Evidenzgrad B)* 2<br />

<strong>–</strong> cave: hohe Druckbelastung an Steiß- <strong>und</strong> Sitzbein<br />

<strong>–</strong> cave: Rollstühle sind keine Sitzmöbel, sondern Hilfen zur Fortbewegung<br />

● Unterlegen von Wasserkissen oder Luftpolstern<br />

(Evidenzgrad C)<br />

<strong>–</strong> cave: Druckentlastung nicht gegeben<br />

● Aufbringen von wirkstoffhaltigen Substanzen auf Hautschäden<br />

(Evidenzgrad C)<br />

<strong>–</strong> cave: Störung der W<strong>und</strong>heilung, bei Antibiotikagabe Gefahr von<br />

Allergien <strong>und</strong> Resistenzen<br />

● physikalische Reize<br />

(Bürsten, Massagen, Kühlen/Erhitzen durch Eisen/Föhnen)<br />

(Evidenzgrad B)<br />

<strong>–</strong> cave: Störung der Hautbarriere <strong>und</strong> W<strong>und</strong>heilung<br />

* 1 nach (3,4)<br />

* 2 die Einteilung der Evidenzgrade folgt den Kriterien des Oxford Centre of Evidence-Based Medicine:<br />

Grad A, hohe Evidenz; Grad B, ausreichende Evidenz; Grad C, geringere Evidenz.<br />

als sek<strong>und</strong>äres Therapieziel ausweisen. Im späteren<br />

Verlauf steht die Vermeidung von Druckschäden im<br />

Sitzen oft im Vordergr<strong>und</strong>, da Hilfsmittel zur Fortbewegung<br />

weniger zur Druckentlastung geeignet sind (15).<br />

In der finalen Sterbephase werden im Einzelfall Prophylaxen<br />

zugunsten persönlicher Wünsche des Sterbenden<br />

eingeschränkt (e9).<br />

Eine völlig andere Risikogruppe bilden Frühgeborene,<br />

deren Schutzreflexe <strong>und</strong> Eigenbeweglichkeit noch<br />

mangelhaft ausgebildet sind. Bei der Lagerung werden<br />

Techniken angewandt, die die Atmung unterstützen, ein<br />

W<strong>und</strong>liegen <strong>und</strong> Wärmeverluste vermeiden <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

die im Mutterleib gegebene Eingrenzung einschließlich<br />

der sensorischen Impulse imitieren wie die<br />

„Nest-Lagerung“ (16).<br />

Risikosituationen<br />

Kleinere Druckgeschwüre können durch Fremdmaterialien<br />

aller Art am Patienten verursacht werden wie<br />

Blutdruckmanschetten, Schläuche, Kanülen oder fixierende<br />

Verbände. Es ist deshalb auf eine zugfreie <strong>und</strong><br />

kontaktarme Anbringung, beispielsweise von Sonden<br />

oder Kathetern zu achten. Extremitäten in fixierenden<br />

Verbänden sind binnen 24 St<strong>und</strong>en nach Anlage sowie<br />

bei Beschwerden des Patienten (Schmerz, Parästhesien,<br />

Schwellung) auf Durchblutungsstörung <strong>und</strong> sensomotorische<br />

Komplikationen zu kontrollieren <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

nach dem DMS-Schema zu revidieren (klinische<br />

Prüfung von Durchblutung, Motorik <strong>und</strong> Sensibilität).<br />

Die Indikation zur Anlage von Orthesen bei Lähmungen<br />

ist zurückhaltend zu sehen, weil die betroffenen<br />

Patienten unter Sensibilitätsstörungen leiden <strong>und</strong><br />

Druckschäden nicht durch Schmerzen auffallen. Engmaschige<br />

Kontrollen oder begrenzte Tragezeiten sind<br />

einzuplanen. Für die Lagerung von Patienten mit eingeschränktem<br />

Bewusstsein unter intensivmedizinischer<br />

Betreuung oder während operativer Eingriffe ist speziell<br />

geschultes Fachpersonal verantwortlich. Kommt<br />

es beispielsweise zu einer Verlängerung des operativen<br />

Eingriffes, nimmt der Operateur aufgr<strong>und</strong> einer Risiko-<br />

Nutzen-Abwägung eine eventuelle Umlagerung vor<br />

<strong>und</strong> dokumentiert dies. Patienten sind präoperativ über<br />

Druckschäden aufzuklären (17).<br />

Wesentlich häufiger <strong>und</strong> auch von Fachkräften unterschätzt<br />

ist die Entstehung von Druckgeschwüren an<br />

Steiß- <strong>und</strong> Sitzbein infolge mehrstündigen Sitzens in<br />

Stühlen, Sesseln, Rollstühlen oder halbaufrechter Position<br />

in Betten. Gel- oder Schaumstoffauflagen verteilen<br />

den Druck nur geringfügig, so dass regelmäßig Entlastungspausen<br />

in die individuelle Pflegeplanung aufzunehmen<br />

sind (3). Patienten mit Querschnittlähmung<br />

werden während der Rehabilitation in Techniken der<br />

Gewichtsverlagerung im Sitzen geschult (14).<br />

Eine besondere Gefahrenkonstellation stellt die Versorgung<br />

von schwer pflegebedürftigen Personen ausschließlich<br />

durch Laien dar. Durch unterstützende Informationen,<br />

Schulung <strong>und</strong> Beratung beispielsweise<br />

Kurse der Kostenträger für pflegende Laien, Einbeziehung<br />

von Sozialstationen oder Hautinspektionen anlässlich<br />

ärztlicher Hausbesuche, wird ein Schutz sowohl<br />

der pflegebedürftigen Person vor Pflegefehlern<br />

als auch der pflegenden Angehörigen wegen möglicher<br />

Überlastung angestrebt (18).<br />

Risikoeinschätzung<br />

Die Prävention von Dekubitus beginnt bei jedem Erstkontakt<br />

mit einem Patienten mit der Frage (Eigen- oder<br />

Fremdanamnese) nach früheren Druckgeschwüren (Rezidivrisiko),<br />

der Inspektion der Haut auf sichtbare<br />

Schäden oder Rötungen <strong>und</strong> der Erfassung der Mobili-<br />

Spezielle Risikofaktoren/Ursachen<br />

bei älteren Patienten<br />

• immobilisierende Erkrankungen (Schlaganfall)<br />

• altersbedingte Veränderungen der Haut, der<br />

Gefäße <strong>und</strong> anderer Organe<br />

Obsolete Maßnahmen<br />

• mehrstündiges Sitzen ohne Entlastungspausen<br />

• Unterlegen von Wasserkissen oder Luftpolstern<br />

• Aufbringen von wirkstoffhaltigen Substanzen<br />

auf Hautschäden<br />

• physikalische Reize (z. B. Bürsten, Massagen)<br />

376 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


MEDIZIN<br />

tät. Anstelle von Leiterkrankungen stehen bei der Einschätzung<br />

des individuellen Dekubitusrisikos der Bewusstseinsstatus,<br />

die Mobilität, der Selbsthilfestatus<br />

<strong>und</strong> Wechselwirkungen mit begünstigenden Risikofaktoren<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Um diese multidimensionale<br />

Einschätzung durch eine standardisierte Dokumentation<br />

zu unterstützen, wurde eine Vielzahl von Instrumenten<br />

entwickelt. In Deutschland weit verbreitet sind in<br />

Kliniken die Norton-Skala sowie auf Intensivstationen<br />

die Waterlow-Skala (Tabelle 2). Zur Einschätzung älterer<br />

Patienten wird die Braden-Skala empfohlen, die<br />

mehr Risikofaktoren abgestuft berücksichtigt. Ein wesentlicher<br />

Nutzen dieser Instrumente besteht in der<br />

Sensibilisierung für die Problematik. Allen Skalen ist<br />

gemein, dass lediglich eine Orientierungshilfe gegeben<br />

wird, die nicht die Einschätzung eines Arztes oder einer<br />

erfahrenen Pflegekraft ersetzen kann (19).<br />

Die Braden-Skala richtet die Aufmerksamkeit auf<br />

die Dauer <strong>und</strong> Intensität der Druckeinwirkung (sensorische<br />

Fähigkeiten, Aktivität, Mobilität) sowie die Gewebetoleranz<br />

der Haut (Feuchtigkeit, Ernährung, Reibung<br />

<strong>und</strong> Scherkräfte). Mit der Norton-Skala werden patientenseitige<br />

Einflussfaktoren auf das Dekubitusrisiko erfasst<br />

wie hohes Alter, Kooperationsfähigkeit <strong>und</strong> geistiger<br />

Zustand, Hautzustand, Zusatzerkrankungen <strong>und</strong><br />

Allgemeinzustand sowie Mobilität, Beweglichkeit <strong>und</strong><br />

Inkontinenz. Die Waterlow-Skala stellt patientenseitige<br />

Risikofaktoren (Körperbau <strong>und</strong> Gewicht im Verhältnis<br />

zu Größe, Appetit, Hauttyp, Geschlecht, Alter, Kontinenz,<br />

Mobilität sowie neurologische Defizite) besonderen<br />

iatrogenen Risiken (größere chirurgische Eingriffe,<br />

akute Erkrankungen, Medikation) gegenüber (19, 21).<br />

Bei Patienten, die einer Hochrisikogruppe für Dekubitus<br />

angehören oder eine deutliche Verschlechterung<br />

ihres Allgemeinzustandes aufweisen, wird daher die<br />

Risikoeinschätzung um ein Monitoring ergänzt. Nach<br />

einem zunächst etwa zweistündigen Lagerungsintervall<br />

ist die Haut auf Rötungen <strong>und</strong> Induration zu untersuchen<br />

(20).<br />

TABELLE 2<br />

Übersicht der in Deutschland häufig verwendeten Screening-Instrumente* 1<br />

Erfasste Risikobereiche<br />

Alter<br />

Allgemeinzustand<br />

Gr<strong>und</strong>erkrankungen<br />

Sensorik<br />

Aktivität<br />

Mobilität<br />

Hautzustand<br />

Kontinenz<br />

Ernährung, Appetit<br />

Kooperation<br />

iatrogene Risiken<br />

Reibung, Scherkräfte<br />

Medikation<br />

Braden-Skala<br />

Prävention <strong>und</strong> Risikomanagement<br />

Wesentlich zur Vermeidung von Dekubitus sind Bewegungsförderung,<br />

Druckvermeidung (Lagerungsart),<br />

Druckentlastung (Lagerungsintervall) <strong>und</strong> Druckverteilung<br />

(Lagerungshilfen). In einem individuellen Präventionsplan<br />

(Tabelle 3) sind diese Maßnahmen zu koordinieren<br />

<strong>und</strong> engmaschig zu kontrollieren. Zur Behandlung<br />

von beteiligten Mobilitätsstörungen <strong>und</strong> Vermeidung<br />

weiterer Komplikationen wie Kontrakturen dienen<br />

Maßnahmen der Bewegungsförderung <strong>–</strong> im Einzelfall<br />

von der aktivierenden Pflege bis zur interdisziplinären<br />

Komplexbehandlung oder Rehabilitation. Alternierende<br />

Lagerungspositionen mindern Druck <strong>und</strong> sind individuell<br />

anzupassen, beispielsweise die wechselseitige<br />

30°-, 135°-Schräglagerung <strong>und</strong> Rückenlagerung sowie<br />

die Freilagerung von Druckpunkten oder Extremitäten.<br />

Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf die Information<br />

<strong>und</strong> Beteiligung des Patienten <strong>und</strong> seiner Angehörigen,<br />

damit Eigenaktivitäten zur Risikominimierung<br />

angeregt werden (18, 21).<br />

Laut einer Metaanalyse (Cochrane Database, 2009)<br />

sind druckverteilende Lagerungshilfen wie superweiche<br />

Schaumstoff-Matratzen (Auflagedruck > 25 mm Hg<br />

unabhängig von Typ <strong>und</strong> Hersteller) herkömmlichen<br />

Schaumstoff-Matratzen überlegen mit einer signifikanten<br />

Senkung der Inzidenz (relatives Risiko durchschnittlich<br />

0,34 Prozent), reichen aber ohne regelmäßige<br />

Positionswechsel <strong>und</strong> bewegungsfördernde Maßnahmen<br />

nicht aus, um Druckgeschwüre zu verhindern<br />

(22). Vor- <strong>und</strong> Nachteile von technisch aufwendigeren<br />

<strong>–</strong><br />

<strong>–</strong><br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

Norton-Skala<br />

(erweiterte)<br />

X<br />

X<br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

(X)<br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

<strong>–</strong><br />

<strong>–</strong><br />

Waterlow-Skala<br />

X<br />

X<br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

<strong>–</strong><br />

X<br />

* 1 modifiziert nach (19)<br />

Risikoeinschätzung<br />

Die multidimensionale Einschätzung kann durch<br />

eine standardisierte Dokumentation unterstützt<br />

werden. Es existieren die Norton-Skala <strong>und</strong> die<br />

Waterlow-Skala. Die Braden-Skala empfiehlt sich<br />

zur Einschätzung des Risikos älterer Patienten.<br />

Risikomanagement<br />

Wesentlich zur Vermeidung von Dekubitus sind<br />

Bewegungsförderung, Druckvermeidung (Lagerungsart),<br />

Druckentlastung (Lagerungsintervall),<br />

<strong>und</strong> Druckverteilung (Lagerungshilfen).<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010 377


MEDIZIN<br />

TABELLE 3<br />

Prävention von Dekubitus in Theorie <strong>und</strong> Praxis* 1<br />

Präventive Prinzipien<br />

Strategien<br />

Präventive Maßnahmen<br />

Präventive Umsetzung<br />

Risikominimierung<br />

Risikoerkennung<br />

Erfassung von<br />

Hochrisikogruppen (C)* 2<br />

regelmäßige Hautinspektionen (B)<br />

Einschätzung durch Fachkraft<br />

(Hautinspektion, Mobilitätsstatus, Alter)<br />

Risikoskalen<br />

Risikoeinschätzung<br />

Erfassung der begünstigenden<br />

Risikofaktoren (C)<br />

Anamnese, Bef<strong>und</strong>e, Hautinspektion<br />

geriatrisches Assessment inklusive<br />

Behandlungsplan<br />

Fehlervermeidung<br />

Patientenidentifikation (C)<br />

Dokumentation (C)<br />

Kommunikation (C)<br />

koordiniertes Handeln (C)<br />

Teamschulung (B)<br />

Kennzeichnung<br />

Lagerungsplan<br />

Pflegeüberleitung<br />

Teambesprechung<br />

Verfahrensanweisung<br />

Druckentlastung<br />

Lagewechsel<br />

individueller Lagerungsplan (C)<br />

Frequenz durch Hautkontrollen<br />

bestimmen<br />

Lagerungsarten<br />

Umlagerung (A)<br />

Weichlagerung (A)<br />

Fersenfreilagerung (B)<br />

Teamschulung (C)<br />

30°-Schräglage<br />

Rückenlage<br />

135°-Lagerung<br />

Mikrolagerung<br />

Langsitz<br />

V-Lagerung<br />

Nest-Lagerung<br />

Hohl-Lagerung<br />

Knochenvorsprünge entlasten<br />

direkten Kontakt von Knochen auf<br />

Knochen meiden (C)<br />

versetzte Lagerung<br />

Mikrolagerung<br />

Unterpolsterung<br />

Druckverteilung<br />

Lagerungssysteme (A)<br />

individuelle Matratzenauswahl (A)<br />

Superweichmatratze<br />

(Auflagedruck ca. 25 mm Hg)<br />

oder Mikrostimulationssysteme,<br />

nur bei sehr hohem Risiko<br />

oder zur Therapie<br />

(cave: mindert Eigenwahrnehmung):<br />

Wechseldrucksysteme,<br />

Luftbett (Low-Flow),<br />

nur bei Querschnittlähmung:<br />

Drehbett, Sandwichbett<br />

Vermeidung von Hautverletzung<br />

Vermeidung von Reibung<br />

<strong>und</strong> Scherkräften<br />

Lagerungstechnik (C)<br />

atraumatische Lagerung, Durchführung<br />

durch zwei Pflegekräfte, natürliche<br />

Schaffelle<br />

Transfertechnik (C)<br />

Hilfsmittel zur Fortbewegung (C)<br />

atraumatischer Transfer, natürliche<br />

Schaffelle, En-bloc-Drehung,<br />

Durchführung durch zwei Pflegekräfte,<br />

Drehsitz, Ergotherapie<br />

Vermeidung von Mazeration<br />

Hautschutz<br />

Meidung von Nässe <strong>und</strong> Hitzestau (C)<br />

Hautschutzpflaster- oder -sprays<br />

(Acrylat-Terpolymere, dünne Hydrokolloide),<br />

regelmäßiger Wechsel von<br />

Inkontinenzhilfen<br />

Stärkung der Hautbarriere<br />

Hautpflege (B)<br />

Verwendung hautfre<strong>und</strong>licher<br />

Syndets, Hautpflege (Creme),<br />

Ernährung<br />

Bewegungsförderung<br />

passive Bewegung<br />

Lagerung (A)<br />

Kontrakturprophylaxe (A)<br />

sensorische Reize (C)<br />

Bewegung der Extremitäten <strong>und</strong><br />

Gelenke, basale Stimulation<br />

aktive Bewegung<br />

Bewegungsanbahnung (A)<br />

Bewegungsübung (A)<br />

Physiotherapie, Training von<br />

Defiziten<br />

Ernährung<br />

Flüssigkeit<br />

Flüssigkeitszufuhr (C)<br />

Trinkplan, parenterale Gaben<br />

feste Nahrung<br />

Nährstoffzufuhr für alle Dekubitusrisikopatienten<br />

(C)<br />

Nährstoffzufuhr für Risikopatienten für<br />

Mangelernährung, Multimorbidität<br />

oder nach chirurgischen Eingriffen (A)<br />

angereicherte Vollwertkost<br />

(hoch kalorisch, proteinreich),<br />

supplementierte Nahrungsaufbereitung<br />

(z. B. Dysphagiekost),<br />

Nahrungsanreichung, parenterale<br />

Ernährung<br />

* 1 modifiziert nach (3,4), * 2 die Einteilung der Evidenzgrade folgt den Kriterien des Oxford Centre of Evidence-Based Medicine:<br />

Grad A, hohe Evidenz; Grad B, ausreichende Evidenz, Grad C geringere Evidenz<br />

378 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


MEDIZIN<br />

Systemen wie Wechseldruckmatratzen oder Luftkissenbetten<br />

werden kontrovers diskutiert. Diese Systeme<br />

können bei Fällen mit multiplen Druckgeschwüren<br />

oder massiver Adipositas die Lagerung erleichtern, verschlechtern<br />

aber eventuell die Motorik <strong>und</strong> Eigenwahrnehmung.<br />

Es gilt, immer das System anzuwenden, das<br />

individuell eine alternierende Druckentlastung bei bestmöglicher<br />

Bewegungsförderung erlaubt. Wissenschaftlich<br />

noch unzureichend untersucht sind neuere Lagerungssysteme,<br />

die Mikrobewegungen unterstützen sollen.<br />

Auflagen mit Füllungen aus Wasser oder Sand sind<br />

nicht zur Reduzierung des Auflagedruckes geeignet.<br />

Zur Minimierung von Scherkräften haben sich schonende<br />

Lagerungstechniken <strong>und</strong> Schaffelle, nicht aber<br />

Kunstfelle bewährt. Es gibt zu Auflagesystemen diverser<br />

Hersteller eine Vielzahl kleiner, oft nicht aussagekräftiger<br />

Studien, so dass hier nur valide oder in Metaanalysen<br />

bestätigte Empfehlungen übernommen wurden<br />

(22, e10).<br />

Begünstigende Risikofaktoren sind gezielt zu minimieren<br />

(e11). Beispielsweise zeigten ältere Patienten<br />

mit dem Risiko für oder bereits bestehender Malnutrition<br />

(Mangel- oder Fehlernährung, nicht unbedingt Unterernährung)<br />

nach der Gabe von hochkalorisch-proteinreicher<br />

Kost einschließlich Flüssigkeitszufuhr bessere<br />

W<strong>und</strong>heilung bei kürzerer, stationärer Verweildauer<br />

<strong>und</strong> weniger Komplikationen wie Infektionen oder<br />

funktionelle Verschlechterung als Vergleichsgruppen<br />

(4). Solche Maßnahmen werden zugunsten der Prognose<br />

(Überleben, Selbsthilfestatus) frühzeitig empfohlen,<br />

auch wenn prospektive Studien bezüglich des Dekubitusrisikos<br />

nicht in allen Studien einen klaren Vorteil<br />

zeigten (e12). Praktikable Hinweise sind der Leitlinie<br />

„Enterale Ernährung“ der DGEM <strong>und</strong> DGG zu entnehmen<br />

(e13). Schmerzen sind zu erfassen <strong>und</strong> umfassend<br />

zu behandeln, da die Vorteile für den Patienten (bessere<br />

Lebensqualität, Mobilität) die Nachteile (geminderte<br />

Wahrnehmung) überwiegen. Engmaschige Lagerungsintervalle<br />

mit Hautinspektion bleiben unerlässlich. In<br />

der Sterbephase können individuelle Wünsche der Patienten<br />

über der Prävention von Dekubitus stehen.<br />

Solch schwerwiegende Entscheidungen sind entsprechend<br />

zu begründen (eventuell in einer klinischen<br />

Ethikkommission) <strong>und</strong> zu dokumentieren (3). Zur erfolgreichen<br />

Implementierung präventiver Maßnahmen<br />

sind vorab wichtige Arbeitsschritte, durchführende Personen<br />

<strong>und</strong> notwendige Materialien festzuhalten (etwa<br />

als Verfahrensanweisungen) (Grafik 2). Einweisung<br />

<strong>und</strong> Fortbildung des beauftragten Personals sowie die<br />

GRAFIK 2<br />

Entscheidungsabläufe zur individuellen Präventionsplanung <strong>–</strong> Flussdiagramm zur Prävention<br />

von Dekubitus (modifizierte Grafik nach Amstrong et al. 2008)<br />

Die Einteilung der Evidenzgrade folgt den Kriterien des Oxford Centre of Evidence-Based Medicine:<br />

Grad A, hohe Evidenz; Grad B, ausreichende Evidenz; Grad C, geringere Evidenz.<br />

Ernährungsstatus<br />

Ältere Patienten mit dem Risiko für oder bereits<br />

bestehender Malnutrition zeigen nach der Gabe<br />

von hochkalorisch-proteinreicher Kost einschließlich<br />

Flüssigkeitszufuhr eine bessere W<strong>und</strong>heilung<br />

bei kürzerer stationärer Verweildauer.<br />

Lagerung<br />

Es gilt, immer das System anzuwenden, dass individuell<br />

eine alternierende Druckentlastung bei<br />

bestmöglicher Bewegungsförderung erlaubt.<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010 379


MEDIZIN<br />

praktische Umsetzung sind fortlaufend zu beobachten,<br />

um gegebenenfalls Verbesserungen vorzunehmen <strong>und</strong><br />

alle Beteiligten wiederholt zu sensibilisieren (23).<br />

Exkurs: Behandlung<br />

Die Fortführung multidimensionaler Risikominimierung<br />

sowie die konsequente Weiterführung von Druckentlastung<br />

<strong>und</strong> Bewegungsförderung sind wesentlich<br />

auch für den Behandlungserfolg von einmal aufgetretenen<br />

Druckgeschwüren. Hinzu kommen die lokale<br />

W<strong>und</strong>behandlung mit hydroaktiven, atraumatischen<br />

W<strong>und</strong>auflagen sowie die Abwägung, eine plastische<br />

Revision einzuleiten (24). Chirurgische Eingriffe setzen<br />

allerdings eine Operationsfähigkeit des Patienten,<br />

eine ausreichende vitale Prognose <strong>und</strong> eine Optimierung<br />

der W<strong>und</strong>verhältnisse voraus (e14). Kommt es zu<br />

Infektionen <strong>und</strong> septischen Verläufen, besteht eine lebensbedrohliche<br />

Komplikation, die lege artis durch<br />

systemische Antibiose nach Entnahme von Blutkulturen<br />

<strong>und</strong> notwendigen Begleitbehandlungen anzugehen<br />

ist (zum Beispiel Herz-Kreislauf-unterstützende Maßnahmen,<br />

Fiebersenkung, chirurgische Sanierung). Der<br />

Einsatz von Vakuum-Pumpen bleibt besonderen Fällen<br />

vorbehalten <strong>und</strong> erfordert Erfahrung im Einsatz dieser<br />

Technik (e15, e16).<br />

Fazit<br />

Dekubitus ist eine Folgeerkrankung mit hohem Leidensdruck,<br />

erhöhter Morbidität <strong>und</strong> schwerwiegenden<br />

Komplikationen (3). Binnen St<strong>und</strong>en oder Tagen entstanden,<br />

kann die Abheilung je nach Ausdehnung <strong>und</strong><br />

Umständen Wochen bis Monate dauern sowie personelle<br />

<strong>und</strong> materielle Ressourcen beanspruchen (24). Daher<br />

gilt es, Prophylaxen konsequent einzuleiten <strong>und</strong> durchzuführen.<br />

Dennoch sind bei sehr schwer <strong>und</strong> mehrfach<br />

erkrankten Personen Druckgeschwüre nicht immer zu<br />

vermeiden <strong>und</strong> nur schwer zu beherrschen (2, e1<strong>–</strong>e3).<br />

Für eine sorgfaltsgerechte Pflege sind nicht primär aus<br />

forensischen Gründen adäquate Präventions- <strong>und</strong> Behandlungsmaßnahmen<br />

in der medizinischen <strong>und</strong> pflegerischen<br />

Dokumentation nachzuweisen (25). Konsequente<br />

Risikoeinschätzung <strong>und</strong> Risikominimierung<br />

durch Druckentlastung, Bewegungsförderung <strong>und</strong> Behandlung<br />

der Gr<strong>und</strong>erkrankungen streben eine Senkung<br />

der Inzidenz von Dekubitus an. Der rechtzeitigen<br />

<strong>und</strong> fortlaufenden Umsetzung dieser Maßnahmen als<br />

koordiniertes Risikomanagement sowie der Schulung<br />

aller beteiligten Berufsgruppen kommt besondere Bedeutung<br />

zu (4, 20, 23).<br />

Behandlung<br />

Konsequente Weiterführung der Druckentlastung<br />

<strong>und</strong> Bewegungsförderung sind wesentlich<br />

auch für den Behandlungserfolg von einmal<br />

aufgetretenen Druckgeschwüren.<br />

Interessenkonflikt<br />

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des<br />

International Committee of Medical Journal Editors besteht.<br />

Manuskriptdaten<br />

eingereicht: 9. 3. 2010, revidierte Fassung angenommen: 5. 5. 2010<br />

LITERATUR<br />

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Dissertation am Institut für Rechtsmedizin der Universität<br />

Hamburg, akzeptiert 2010.<br />

2. Krause T, Anders J, Heinemann A, et al.: Ursachenzusammenhänge<br />

der Dekubitusentstehung. Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie mit<br />

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Stuttgart 2004.<br />

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DIMDI (Hrsg.) Köln, 2004. www.gripsdb.dimdi.de/de/hta/hta_be<br />

richte/hta128_bericht_de.pdf<br />

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clinical practice guideline. Washington DC: National Pressure Ulcer<br />

Advisory Panel, 2009. Zusammenfassungen als Download unter<br />

www.epuap.org/guidelines/Final_Quick_Prevention.pdf sowie<br />

www.epuap.org/guidelines/Final_Quick_Treatment.pdf<br />

5. Black J, Baharestani M, Cuddigan J, et al.: National Pressure Ulcer<br />

Advisory Panel’s updated pressure ulcer staging system. Dermatol<br />

Nurs, 2007; 19: 343<strong>–</strong>9.<br />

6. Disa JJ, Carlton JM, Goldberg NH: Efficacy of operative cure in<br />

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Kruse W von (Hrsg) mit Beiträgen von Anders J, Dapp U, Dieckmann<br />

P, Lindner R, Renteln-Kruse W von, et al.: Medizin des Alterns <strong>und</strong><br />

des alten Menschen. Darmstadt Steinkopff, 2 nd. edition 2009.<br />

11. Dorner B, Posthauer ME, Thomas D: The role of nutrition in pressure<br />

ulcer prevention and treatment: National Pressure Ulcer Advisory<br />

Panel White Paper, NPUAP 2009. www.npuap.org/Nutriti<br />

on%20White%20Paper%20Website%20Version.pdf<br />

12. Leffmann C, Anders J, Heinemann A, Leutenegger M, Pröfener F<br />

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des B<strong>und</strong>es, Heft 12, 2002.<br />

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decision-making. 1988. Journal of the American Geriatrics Society,<br />

2003; 51(10): 1490<strong>–</strong>4.<br />

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tion and Treatment Following Spinal Cord Injury: A Clinical Practice<br />

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(Hrsg.): Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie<br />

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2008; 49(Suppl): 1<strong>–</strong>24. www.uni-duesseldorf.de/AWMF/<br />

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380 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


MEDIZIN<br />

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2007; 20 (4): 208<strong>–</strong>220.<br />

17. Biermann E: Perioperative Lagerungsschäden. Ursachen <strong>–</strong> Verhütung<br />

<strong>–</strong> Verantwortung. Stiftung für Patientensicherheit in der Anästhesie<br />

(Hrsg.) AINS, 2003; 38: 491<strong>–</strong>5. www.patientensicherheit.ch/<br />

de/projekte/Merkblatt_Lagerungsschaeden_d.pdf<br />

18. B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />

(Hrsg.): Gr<strong>und</strong>lagenwissen <strong>und</strong> Informationen über eine Untersuchung<br />

zu den Ursachenzusammenhängen der Entstehung von<br />

Druckgeschwüren. Ein Dekubitusbericht für Laien, 2004. www.<br />

bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/Service/Publikationen/<br />

publikationsliste,did=21018.html<br />

19. Schlömer G: Dekubitusrisikoskalen als Screeninginstrumente <strong>–</strong> Ein<br />

systematischer Überblick externer Evidenz. ZaeFQ, 2003: 97, S.<br />

33<strong>–</strong>46.<br />

20. Armstrong DG, Ayello E, Capitulo KL, et al.: New Opportunities to<br />

Improve Pressure Ulcer Prevention and Treatment. Implications of<br />

the CMS Inpatient Hospital Care Present on Admisssion (POA) Indicators/<br />

Hospital — Acquired Conditions (HAC) policy. A consensus<br />

paper from the International Expert Wo<strong>und</strong> Care Advisory Panel. J<br />

Wo<strong>und</strong> Ostomy Continence Nurs, 2008; 35 (5) : 485<strong>–</strong>92.<br />

21. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.):<br />

Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege: Entwicklung <strong>–</strong><br />

Konsentierung <strong>–</strong> Implementierung. Fachhochschule Osnabrück. 2.<br />

Auflage mit aktualisierter Literaturstudie (1999<strong>–</strong>2002). Revision<br />

geplant Mitte 2010. www.dnqp.de/ExpertenstandardDekubituspro<br />

phylaxe.pdf<br />

22. McInnes E, Cullum NA, Bell-Syer SEM, Dumville JC: Support sur -<br />

faces for pressure ulcer prevention. Cochrane Database of Systematic<br />

Reviews 2008, Issue 4. Art. No.: CD001735. DOI:<br />

10.1002/14651858.CD001735.pub3.<br />

23. McEarlean B, Prendergast J, Sandison S, et al.: Implementation of<br />

a preventative pressure management framework. Primary Intentention,<br />

2002; 10 (2): 61<strong>–</strong>6.<br />

24. Kujath P, Michelsen A: Wo<strong>und</strong>s — From Physiology to Wo<strong>und</strong> Dressing:<br />

[W<strong>und</strong>en <strong>–</strong> von der Physiologie zum Verband]. Dtsch Arztebl<br />

2008; 105(13) 239<strong>–</strong>48.<br />

25. Buchter A, Heinemann A, Püschel K: Rechtliche <strong>und</strong> kriminologische<br />

Aspekte der Vernachlässigung alter Menschen am Beispiel des Dekubitus.<br />

Medizinrecht, 2002; 4: 185<strong>–</strong>89.<br />

Anschrift für die Verfasser<br />

Dr. med. Jennifer Anders<br />

Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus gemeinnützige GmbH,<br />

Büro: Forschung<br />

Zentrum für Geriatrie <strong>und</strong> Gerontologie,<br />

Sellhopsweg 8<strong>–</strong>22,<br />

22459 Hamburg<br />

E-Mail: Jenny.Anders@albertinen.de<br />

SUMMARY<br />

Decubitus Ulcers: Pathophysiology and Primary Prevention<br />

Backgro<strong>und</strong>: Pressure sores are a serious complication of multimorbidity<br />

and lack of mobility. Decubitus ulcers have become rarer among bedridden<br />

patients because of the conscientious use of pressure-reducing<br />

measures and increased mobilization. Nonetheless, not all decubitus<br />

ulcers can be considered preventable or potentially curable, because<br />

poor circulation makes some patients more susceptible to them, and<br />

because cognitive impairment can make prophylactic measures difficult<br />

to apply.<br />

Methods: A systematic literature search was performed in 2004 and<br />

2005 in the setting of a health technology assessment, and a selective<br />

literature search was performed in 2009 for papers on the prevention<br />

of decubitus ulcers.<br />

Results: Elderly, multimorbid patients with the immobility syndrome are<br />

at high risk for the development of decubitus ulcers, as are paraplegic<br />

patients. The most beneficial way to prevent decubitus ulcers, and to<br />

treat them once they are present, is to avoid excessive pressure by encouraging<br />

movement. At the same time, the risk factors that promote<br />

the development of decubitus ulcers should be minimized as far as<br />

possible.<br />

Conclusions: Malnutrition, poor circulation (hypoperfusion), and <strong>und</strong>erlying<br />

diseases that impair mobility should be recognized if present and<br />

then treated, and accompanying manifestations, such as pain, should<br />

be treated symptomatically. Over the patient’s further course, the feasibility,<br />

implementation, and efficacy of ulcer-preventing measures should<br />

be repeatedly re-assessed and documented, so that any necessary<br />

changes can be made. Risk factors for the development of decubitus<br />

ulcers should be assessed at the time of the physician’s first contact<br />

with an immobile patient, or as soon as the patient’s condition deteriorates;<br />

this is a prerequisite for timely prevention. Once the risks have<br />

been assessed, therapeutic measures should be <strong>und</strong>ertaken on the<br />

basis of the patient’s individual risk profile, with an emphasis on active<br />

encouragement of movement and passive relief of pressure through<br />

frequent changes of position.<br />

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(21): 371<strong>–</strong>82<br />

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0371<br />

@<br />

Mit<br />

„e“ gekennzeichnete Literatur:<br />

www.aerzteblatt.de/lit2110<br />

The English version of this article is available online:<br />

www.aerzteblatt-international.de<br />

eSupplement unter:<br />

www.aerzteblatt.de/artikel10m0371<br />

Weitere Informationen zu cme<br />

Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung zertifiziert.<br />

Die erworbenen Fortbildungspunkte können mithilfe der Einheitlichen Fortbildungsnummer<br />

(EFN) verwaltet werden. Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in<br />

der Rubrik „Meine Daten“ oder bei der Registrierung die EFN in das entsprechende<br />

Feld eingegeben werden <strong>und</strong> durch Bestätigen der Einverständniserklärung<br />

aktiviert werden. Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.<br />

Wichtiger Hinweis<br />

Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet<br />

möglich: cme.aerzteblatt.de<br />

Einsendeschluss ist der 9. 7. 2010<br />

Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.<br />

Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 28<strong>–</strong>29/2010 an dieser Stelle<br />

veröffentlicht.<br />

Die cme-Einheit „Gangstörungen Im Alter“ (Heft 17/2010) kann noch bis zum<br />

11. 6. 2010 bearbeitet werden.<br />

Für Heft 25/2010 ist das Thema „Endometriose“ vorgesehen.<br />

Lösungen zur cme-Einheit in Heft 13/2010<br />

Jacobi G: Misshandlung <strong>und</strong> Vernachlässigung von Kindern <strong>–</strong> Diagnose <strong>und</strong><br />

Vorgehen. Lösungen: 1b, 2c, 3c, 4e, 5a, 6c, 7a, 8c, 9a, 10c<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010 381


MEDIZIN<br />

Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage<br />

ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.<br />

Frage Nr. 1<br />

Um welches Stadium nach NPUAP handelt es sich,<br />

wenn bei einem Dekubitus Blasen sichtbar sind, also<br />

die Nekrose über die Basalmembran in tiefere<br />

Hautschichten vordringt?<br />

a) Stadium 1 (nach NPUAP)<br />

b) Stadium 2 (nach NPUAP)<br />

c) Stadium 3 (nach NPUAP)<br />

d) Stadium 4 (nach NPUAP)<br />

e) Stadium 5 (nach NPUAP)<br />

Frage Nr. 2<br />

Was ist Gr<strong>und</strong>voraussetzung für die Entstehung<br />

eines Dekubitus über einen kritischen Zeitraum hinweg?<br />

a) ungenügend eingestellter Diabetes mellitus<br />

b) bestehende arterielle Verschlusskrankheit mindestens des<br />

Grades II<br />

c) bestehende traumatische oder entzündliche Hautläsion<br />

der Extremitäten<br />

d) herrschender höherer Auflagedruck als Kapillardruck im<br />

Gewebe<br />

e) bestehende Belastungsinkontinenz postoperativ nach<br />

radikaler Prostatektomie<br />

Frage Nr. 3<br />

Welcher Zustand beziehungsweise welche<br />

Gr<strong>und</strong>erkrankung lässt primär auf ein erhöhtes<br />

Dekubitusrisiko schließen?<br />

a) Polyarthrose<br />

b) Diabetes mellitus<br />

c) Herzinsuffizienz<br />

d) Demenz<br />

e) Immobilität<br />

Frage Nr. 4<br />

Welche Zeitspanne oder welcher Zeitraum ist die<br />

kritische Ischämiezeit als Gr<strong>und</strong>lage für die Entstehung<br />

eines Dekubitus?<br />

a) 5 bis 15 Minuten<br />

b) 30 bis 240 Minuten<br />

c) 6 St<strong>und</strong>en<br />

d) 24 St<strong>und</strong>en<br />

e) 2 bis 3 Tage<br />

Frage Nr. 5<br />

Welche Skala eignet sich speziell zur<br />

Einschätzung des Dekubitusrisikos bei älteren,<br />

multimorbiden Menschen ?<br />

a) Waterlow-Skala<br />

b) Braden-Skala<br />

c) NPUAP-Skala<br />

d) New-York-Skala<br />

e) visuelle Analogskala<br />

Frage Nr. 6<br />

Was ist der Hauptansatz zur Prophylaxe eines<br />

Dekubitus?<br />

a) Alkoholeinreibung<br />

b) Fettcreme<br />

c) Massage<br />

d) Druckentlastung<br />

e) Wärme<br />

Frage Nr. 7<br />

Was ist der Hauptansatz zur Therapie<br />

eines Dekubitus ?<br />

a) Kälteanwendung<br />

b) sterile Abdeckung<br />

c) Antibiotika<br />

d) Analgetika<br />

e) Druckentlastung<br />

Frage Nr. 8<br />

Wem unterliegt die Verantwortung für die<br />

Anbahnung von Prävention <strong>und</strong> Behandlung von<br />

Dekubitus?<br />

a) dem Arzt<br />

b) den Angehörigen<br />

c) den Pflegekräften<br />

d) der Pflegeversicherung<br />

e) dem Physiotherapeuten<br />

Frage Nr. 9<br />

Welche Lagerungsposition eignet sich bei bettlägerigen<br />

Patienten zur Prävention von Dekubitus?<br />

a) die Trendelenburg-Lagerung<br />

b) die 90°-Seiten-Lagerung<br />

c) die 30°-Schräglagerung im Wechsel<br />

d) die Rückenlagerung auf einem Gummiring<br />

e) die Jackson-Lagerung<br />

Frage Nr. 10<br />

Eine seit langem bettlägerige Patientin wird in<br />

häuslicher Umgebung gepflegt. Nun zeigt sich bei der<br />

genaueren Inspektion eine klaffende W<strong>und</strong>e unterhalb<br />

des Steißbeins, in der Knochen sichtbar ist.<br />

Von welcher weiteren Diagnose ist auszugehen?<br />

a) Osteomyelofibrose <strong>und</strong> Psoriasis<br />

b) Osteomalazie <strong>und</strong> Neurodermitis<br />

c) Osteomyelitis <strong>und</strong> systemische Infektion<br />

d) Osteoporose <strong>und</strong> Diabetes<br />

e) Osteopenie <strong>und</strong> periphere arterielle Verschlusskrankheit<br />

382 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


MEDIZIN<br />

<strong>Dekubitalgeschwüre</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Pathophysiologie</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Primärprävention</strong><br />

Jennifer Anders , Axel Heinemann, Carsten Leffmann,<br />

Maja Leutenegger, Franz Pröfener, Wolfgang von Renteln-Kruse<br />

3<br />

Punkte<br />

cme<br />

Teilnahme nur im<br />

Internet möglich:<br />

aerzteblatt.de/cme<br />

eLITERATUR<br />

e1. Cadue JF, Karolewicz S, Tardy C, Barrault C, Robert R, Pourrat O:<br />

Prevention of heel pressure sores with a foam body-support de -<br />

vice. A randomized controlled trial in a medical intensive care<br />

unit. Source Presse médicale 2008; Vol 37 (Issue 1, Pt 1): 30<strong>–</strong>6.<br />

e2. Brandeis GH, Berlowitz DR, Katz P: Are pressure ulcers preven -<br />

table? A survey of experts. SKIN WOUND CARE, 2001; 14: 244<strong>–</strong>8.<br />

e3. Panel on the Prediction and Prevention of Pressure Ulcers in<br />

Adults: Pressure ulcers in adults: Prediction and prevention. Clinical<br />

practice guideline, No. 3. AHCPR Publication No. 92<strong>–</strong>47.<br />

Rockville, MD: Agency for Health Care Policy and Research; May<br />

1992.<br />

e4. Langer G, Knerr A, Kuss O, Behrens J, Schlömer GJ: Nutritional<br />

interventions for preventing and treating pressure ulcers. Coch -<br />

rane Database of Systematic Reviews 2003, Issue 4. Art. No.:<br />

CD003216. DOI: 10.1002/14651858.CD003216.<br />

e5. Stöber W, (DIMDI: Hrsg.): Health Technology Assessment als<br />

Gr<strong>und</strong>lage evidenzbasierter Entscheidungsfindung in der Ges<strong>und</strong>heitspolitik.<br />

B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsblatt 9<strong>–</strong>2001; 44: 855<strong>–</strong>6.<br />

e6. Harris AG, Leiderer R, Peer F, Messmer K: Skeletal muscle microvascular<br />

and tissue injury after varying durations of ischemia. Am<br />

J Physiol, 1996; 271: H2388<strong>–</strong>H98.<br />

e7. Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.): Bericht: Pflegestatistik 2007,<br />

www.destatis.de/download/d/solei/pflstat07.pdf, 17.12.2008.<br />

e8. Dassen T, Hrsg.: Charité Universitätsmedizin Berlin, Institut für<br />

Medizin, Pflegepädagogik <strong>und</strong> Pflegewissenschaft. Prävalenzerhebung<br />

2008: Pflegeabhängigkeit, Sturzereignisse, Inkontinenz,<br />

Dekubitus:. Einsehbar unter http://medpfleg-paed-wiss.charite.de/<br />

fileadmin/user_upload/microsites/m_cc01/medpfleg-paed-wiss/<br />

Praevalenzbericht_2008.pdf<br />

e9. Heinemann A, Lockemann U, Matschke J, Tsokos M, Püschel K:<br />

Dekubitus im Umfeld der Sterbephase: Epidemiologische, medizinrechtliche<br />

<strong>und</strong> ethische Aspekte. DMW 2000; 125: 45<strong>–</strong>51.<br />

e10. Moore ZEH, Cowman S: Repositioning for treating pressure ulcers.<br />

Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 2.<br />

Art. No.: CD006898. DOI: 10.1002/14651858.CD006898.pub2.<br />

e11. Moore ZEH, Cowman S: Risk assessment tools for the prevention<br />

of pressure ulcers. Cochrane Database of Systematic Reviews<br />

2008, Issue 3. Art. No.: CD006471. DOI:<br />

10.1002/14651858.CD006471.pub2.<br />

e12. Dorner B, Posthauer ME, Thomas D: (NPUAP) The role of nutrition<br />

in pressure ulcer prevention and treatment: National Pressure<br />

Ulcer Advisory Panel White Paper. NPUAP, 2009. Download unter<br />

www.npuap.org/Nutrition%20White%20Paper%20Website%<br />

20Version.pdf<br />

e13. Volkert D, Lenzen-Großimlinghaus R, Krys U, et al.: Leitlinie enterale<br />

Ernährung der DGEM <strong>und</strong> DGG. Enterale Ernährung (Trink<strong>und</strong><br />

Sondennahrung) in der Geriatrie <strong>und</strong> geriatrisch-neurologischen<br />

Rehabilitation. Aktuel Ernaehr Med, 2004; 29: 198<strong>–</strong>225.<br />

DOI 10.1055/s-2004<strong>–</strong>828309; Dokument als download unter<br />

http://agmia.de/media/PDF/literatur/ENTERALE_ERNAEH-<br />

RUNG_IN_DER_GERIATRIE.pdf<br />

e14. Hierner R, Flour M, Norebaert M, et al.: Richtlinien für das globale<br />

Dekubitusmanagement unter besonderer Berücksichtigung plastisch-chirurgischer<br />

Therapieansätze. Chir Gastroenterol 2006; 22:<br />

155<strong>–</strong>68. DOI: 10.1159/000094584.<br />

e15. Ubbink DT, Westerbos SJ, Evans D, Land L, Vermeulen H: Topical<br />

negative pressure for treating chronic wo<strong>und</strong>s. Cochrane Data -<br />

base of Systematic Reviews 2008, Issue 3. Art. No.: CD001898.<br />

DOI: 10.1002/14651858.CD001898.pub2.<br />

e16. Gemeinsamer B<strong>und</strong>esausschuss. Vakuumversiegelungstherapie.<br />

Zusammenfassende Dokumentation des Unterausschusses „Ärztliche<br />

Behandlung“ des Gemeinsamen B<strong>und</strong>esausschusses.<br />

Stand: 15. Februar 2008. Download unter: www.g-ba.de/downlo<br />

ads/ 40<strong>–</strong>268<strong>–</strong>538/2008<strong>–</strong>02<strong>–</strong>15-Abschluss-VAC.pdf<br />

1 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 21 | 28. Mai 2010


<strong>Dekubitalgeschwüre</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Pathophysiologie</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Primärprävention</strong><br />

Jennifer Anders , Axel Heinemann, Carsten Leffmann,<br />

Maja Leutenegger, Franz Pröfener, Wolfgang von Renteln-Kruse<br />

3<br />

Punkte<br />

cme<br />

Teilnahme nur im<br />

Internet möglich:<br />

aerzteblatt.de/cme<br />

eKASTEN<br />

Bei der Erstellung des HTA-Berichtes 2005 berücksichtigte, evidenzbasierte Leitlinien (3)<br />

1. Treatment of Pressure Ulcers; National Guideline Clearinghouse; Gerontological Nursing Interventions Research Center, University of Iowa, USA<br />

1997/Mai 2002.<br />

2. Prevention of Pressure Ulcers; National Guideline Clearinghouse; Gerontological Nursing Interventions Research Center, University of Iowa, USA<br />

August 2001.<br />

3. Clinical Practice Guidelines for the Prediction and Prevention of Pressure Ulcers, Australian Wo<strong>und</strong> Management Association (AWMA), Australien<br />

Februar 2003.<br />

4. Directrices Generales sobre Prevención de las Ulceras por Presion, Grupo Nactional para el estudio y asesoramiento en ulceras por presión y<br />

heridas crónicas (GNEUAPP), Logrono, Spanien April 2001.<br />

5. Pressure Ulcer Risk Assessment and Prevention, National Institute for Clinical Excellence, NIS/NICE, London, Großbritannien (1997).<br />

6. Pressure Sores <strong>–</strong> Part 1: Prevention of Pressure- Related Damage. Pressure Sores — Part 2: Management of Pressure- Related Tissue<br />

Damage, The Joanna Briggs Institute for Evidence Based Nursing and Midwifery, Adelaide, Australien 1999.<br />

7. Dekubitus <strong>–</strong> Therapie <strong>und</strong> Prophylaxe; Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Deutschland<br />

1997/2001.<br />

8. Leitlinie Dekubitus 2000; Initiative Chronische W<strong>und</strong>en e.V. (ICW), Deutschland Juni 2001.<br />

9. Gr<strong>und</strong>satzstellungnahme Dekubitus; Medizinisch-pflegerische Gr<strong>und</strong>lagen, Prophylaxe <strong>und</strong> Therapie; Medizinischer Dienst der Spitzenverbände<br />

der Krankenkassen e.V. (MDS), Deutschland (nach 1990).<br />

10. Pressure Ulcer Prevention Guidelines¸ European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP), UK Februar 2002.<br />

11. Pressure Ulcer Treatment Guidelines, European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP), UK Februar 2002.<br />

12. evidence.de: Dekubitus; Universität Witten/Herdecke, Bereich Informationsmanagement der medizinischen Fakultät, Deutschland 2000.<br />

13. Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege; Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege, Deutschland 2000.<br />

14. Pressure ulcer prevention and treatment following spinal cord injury: A clinical practice guideline for health-care professionals; Consortium for<br />

Spinal Cord Medicine, USA 2000.<br />

15. Prediction and prevention of pressureulcers in adults; Singapore Ministry of Health: Nursing clinical practice guidelines, Singapur März 2001.<br />

16. Nursing management of pressure ulcers in adults; Singapore Ministry of Health: Nursing clinical practice guidelines, Singapur März 2001.<br />

17. Assessment & Management of Stage I to IV Pressure ulcers; Registered Nurses Association of Ontario (RNAO), Kanada 2002.<br />

18. Handlungsleitlinien für die ambulante Behandlung chronischer W<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verbrennungen; Compliance Netzwerk Ärzte HFI e.V., Deutschland<br />

1998/2001.<br />

19. Clinical Practice Guidelines „Pressure ulcer risk assessment and prevention“; Royal College of Nurses (RCN), London, Großbritannien<br />

2000/2002.<br />

20. Richtlijn Decubitus tweede herziening; Kwaliteitsinstituut voor de Gezondheidsorg CBO, Niederlande 2002.<br />

21. Pressure ulcers in adults: Prediction and prevention. Clinical practice guideline number 3; Agency for Health Care Policy and Research (AHCPR),<br />

USA 1992.<br />

22. Treatment of pressure ulcers. Clinical guideline number 15; Agency for Health Care Policy and Research (AHCPR), USA Dezember 1994.

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