24.12.2013 Aufrufe

Dr. Roland Al-Shami: Offener Brief - Ärztekammer Niederösterreich

Dr. Roland Al-Shami: Offener Brief - Ärztekammer Niederösterreich

Dr. Roland Al-Shami: Offener Brief - Ärztekammer Niederösterreich

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

verhandlungen<br />

<strong>Offener</strong> <strong>Brief</strong><br />

eines Funktionärs nach einem Jahr Erfahrung Kammertätigkeit<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />

Die Honorarverhandlungen 2011 mit der NÖGKK sind gescheitert.<br />

<strong>Al</strong>s ich vor einem knappen Jahr den (steinigen) Weg<br />

der Kammertätigkeit begonnen habe, hat mich vor allem die Intransparenz<br />

unserer Standesvertretung gestört. Das ist nicht als<br />

politischer Seitenhieb auf unsere Vorgänger des Ärzteverbandes<br />

<strong>Niederösterreich</strong> zu verstehen - auch uns gelingt das leider oft<br />

nicht so, wie ich mir das vorstellen würde.<br />

Mein Beitrag ist aus diesem Grund länger, aber ich halte die<br />

Infos zu diesem Zeitpunkt für sehr wichtig. Daher möchte ich zunächst<br />

die Ausgangsbasis und den Verlauf der Honorarverhandlungen<br />

zusammenfassen. Macht Euch über die Fakten selbst ein<br />

Bild. Meine persönliche Meinung trenne ich bewusst davon. Ich<br />

bin überzeugt, dass ein kassenärztliches Treffen in den einzelnen<br />

Bezirken, vor allem wenn es um die Konsequenzen und mögliche<br />

„Protestmaßnahmen“ geht, sinnvoll wäre.<br />

Zur Ausgangslage<br />

Nachverhandelt wurde das bereits abgeleistete Jahr 2011. <strong>Al</strong>le<br />

Zahlen lagen vor: Positives Gebarungsergebnis der GKK von<br />

plus 24,8 Millionen Euro, Steigerung der Beitragseinnahmen<br />

+3,9 %, Inflationsrate (VPI) +3,3 %, Tarifanpassungsfaktor<br />

(=Mindestbetrag einer Nachzahlung auch ohne Verhandlung)<br />

1,15 %, geringster Anstieg der Medikamentenkosten in <strong>Niederösterreich</strong><br />

bundesweit!<br />

Zusammenfassend: Ein positiveres Ergebnis wird es bei der<br />

NÖGKK wohl in den folgenden Jahren kaum geben.<br />

Zum Verlauf<br />

Der Klausur mit der NÖGKK am 16.11. sind schon mehrere<br />

Sondierungsgespräche in kleinerer Runde vorausgegangen.<br />

Forderungen über dringend notwendige Strukturveränderungen<br />

im niedergelassenen Bereich, Aufwertung der Gesprächsmedizin<br />

etc. wurden mit dem Hinweis, dass es sich nur um Honorarnachverhandlungen<br />

- nicht aber um Strukturverhandlungen<br />

handeln würde - abgelehnt. Im Gegenzug wurde praktisch in<br />

allen Gesprächen von der GKK nur das Thema Labor in den<br />

Vordergrund gestellt. Hier war eine Verknüpfung einer Nachverhandlung<br />

mit Verträgen pro futuro also aus Sicht der GKK<br />

möglich.<br />

Unsere Forderungen<br />

• Sicherung der wirtschaftlichen Situation der Ordinationen<br />

und Gruppenpraxen<br />

- allgemeine Wertsicherung – VPI<br />

- Abdeckung zusätzlich spezifischer Kosten von ärztlichen Ordinationen<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Roland</strong> <strong>Al</strong>-<strong>Shami</strong><br />

• Für 2011: 3,3 % VPI + 2,5 % Ausgleich für Nettoverluste +<br />

Zinsen<br />

• Für 2012: 2,4 % VPI + 2,5 % Ausgleich für Nettoverluste +<br />

Zinsen<br />

• Strukturelle Verbesserungen (Leistungskatalog, Randzeiten,<br />

attraktivere Kooperationsformen)<br />

Ad Nettoverluste: Laut Medtax ist es in den letzten zehn Jahren<br />

durch zusätzliche Aufwände (EDV etc.) zu durchschnittlichen<br />

Einbußen um etwa 25 Prozent gekommen. Hier sollte es also<br />

schrittweise zu einem Ausgleich dieser Beträge kommen. Der<br />

Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass der Ärzteverband<br />

<strong>Niederösterreich</strong> bei den Verhandlungen 2010 mit VPI<br />

+1,5 % und sehr ähnlichen Strukturwünschen in die Verhandlungen<br />

gegangen ist.<br />

Angebot der GKK am 16.11.2012<br />

➜ 1,15 % (= Tarifanpassungsfaktor)<br />

Mehr Geld wäre erst im Jahr 2013 möglich, wenn Laborkosten<br />

gespart und somit in die Gesprächsmedizin umgeleitet werden<br />

könnten. Weitere Zugeständnisse wären ausgeschlossen.<br />

Aufgrund eines Angebots, für das es eigentlich keiner Verhandlungen<br />

bedurft hätte, werden die Honorarverhandlungen ohne<br />

Unterschrift der <strong>Ärztekammer</strong> beendet.<br />

Dieser strategische Fauxpas hat die GKK dazu bewegt, weitere<br />

Gespräche zu suchen. Ein inoffizieller Gesprächstermin am<br />

18.12. wurde unsererseits kurzfristig abgelehnt, weil einerseits<br />

Obmann Hutter unmittelbar vor Gesprächsbeginn über Tageszeitungen<br />

ausrichten ließ, dass die Kurienführung der NÖ <strong>Ärztekammer</strong><br />

für die schwierigen Verhandlungen verantwortlich wäre,<br />

andererseits weil neuerlich ein großes Aufgebot der GKK erschienen<br />

wäre, was auch bisher zu keinem Ergebnis geführt hat.<br />

Daher erfolgte am 7.1.2013 ein Vier-Augengespräch zwischen<br />

Obmann Hutter und VP Baumgartner:<br />

Das Ergebnis, Stand 7.1.2013:<br />

• Tarifwirksame Erhöhung für 2011 + 2,27 % (Fortwirkung in<br />

den Folgejahren), NÖ Faktor beträgt 1,15 %; VPI liegt bei<br />

3,3 %<br />

• Aufnahme einer Textierung in den Gesamtvertrag:<br />

„Bei Zuweisungen von Laborleistungen ist auf die Ökonomie<br />

besonders Bedacht zu nehmen. Erfolgt eine Zuweisung zu Vertragspartnern<br />

innerhalb des Bundeslandes <strong>Niederösterreich</strong>,<br />

ist vorerst davon auszugehen, dass die Ökonomie in Bezug auf<br />

die Tarife gewahrt wird“.<br />

CONSILIUM 01+02/13<br />

11


verhandlungen<br />

• Vorleistungen ab 1.1. 2013:<br />

1. Erhöhung ärztliches Gespräch (Pos.19) von € 11,11 auf<br />

€ 13,50 (21 %)<br />

2. Erhöhung Limitbestimmung zwischen den Ordinationen<br />

Pos.12 und Pos. 9 auf das Verhältnis 80:20<br />

• Sicherheitsmodus mit allenfalls Anrechnung der Punkte 1<br />

und 2 auf den Faktor im Jahr 2014, wenn die Einsparungen<br />

im Laborbereich durch Umlenkung in niederösterreichische<br />

Institute nicht im gleichen Ausmaß stattfinden.<br />

➜ Das Angebot ist als Gesamtpaket zu verstehen.<br />

Erklärung zu den Details<br />

Das Angebot der GKK wurde von 1,15 % auf 2,27 % nachgebessert,<br />

liegt damit aber immer noch um mehr als 1 % unter der<br />

Inflationsrate.<br />

Im Gegenzug hätte ein Passus in den Gesamtvertrag aufgenommen<br />

werden müssen, der von unseren Juristen als rechtswidrig<br />

eingestuft wurde. Damit wäre auch von den Wiener Labors mit<br />

Klagen zu rechnen gewesen.<br />

Ad Vorleistungen: ab 1.1.2013 werden obige Positionen angehoben<br />

(die Limitierung mit 18 % würde unangetastet bleiben).<br />

Über das Jahr 2013 würde dann beobachtet werden, ob durch<br />

die Überweisungen in niederösterreichische Labors Geld eingespart<br />

werden könnte. Sollte das nicht passieren, so müsste quasi<br />

der Vorschub wieder rücküberwiesen werden.<br />

Dieses Angebot wurde am 16.1.2013 mit großer Mehrheit in<br />

der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte abgelehnt.<br />

Meine persönliche Wertung<br />

Die NÖGKK war in keiner Sekunde bereit, die strukturellen<br />

Probleme der niedergelassenen Ärzte (speziell der <strong>Al</strong>lgemeinmedizin)<br />

zu behandeln. Für Obmann Hutter ist alles in bester<br />

Ordnung. Auf die Feststellung, dass es im Herbst bei der Ausschreibung<br />

von vier Planstellen überhaupt keine Bewerbungen<br />

gegeben hat, antwortete er, dass sich die Leute in das Auto setzen<br />

und in den nächsten Ort fahren sollen, das mache er ja<br />

auch. Diese Aussage würde ich auch gerne gegenüber den Versicherten<br />

hören.<br />

Auffällig erschien mir auch die Grundstimmung uns gegenüber:<br />

Die Ärzte würden ohnehin alle zu viel verdienen und arbeiten<br />

nur 3,5 Tage in der Woche (Problematik Freitagnachmittag).<br />

Daher wären uns weitere Reduktionen durchaus zumutbar.<br />

Zum Laborthema<br />

Auch der <strong>Ärztekammer</strong> ist klar, dass im Bereich der Labormedizin<br />

Verbesserungen notwendig sind. Die freiwerdenden Mittel<br />

könnten in die Gesprächsmedizin fliessen. Es kann auch nicht<br />

so sein, dass einige Labormediziner fette Profite machen und die<br />

breite Basis der <strong>Al</strong>lgemeinmediziner billig abgefertigt wird.<br />

<strong>Al</strong>lerdings wissen wir aus persönlichen Gesprächen mit den<br />

Wiener Labors, dass diese durchaus bereit wären, über eine Honorarreduktion<br />

zu verhandeln (bei uns fallen ihnen auch keine<br />

Kosten für Ärzte an, die Blut im Labor abnehmen - das machen<br />

ja wir). Voraussetzung dafür wäre, dass dieser ominöse Vertrag<br />

zwischen NÖGKK und Labor St. Pölten (angeblich 40 Prozent<br />

unter den derzeitigen Tarifen) offengelegt wird. Derzeit weiß<br />

außerhalb der GKK niemand, was genau in diesem Vertrag steht<br />

und vor allem auf welche Parameter sich das bezieht.<br />

Unabhängige Labormediziner aus anderen Bundesländern zweifeln<br />

sehr daran, dass eine Reduktion in dieser Größenordnung<br />

auf alle Parameter ökonomisch ohne Einbuße der Qualität<br />

machbar wäre. Derzeit hat das Labor St. Pölten dem Vernehmen<br />

nach lediglich die Kapazitäten und technischen Mittel<br />

eines Basislabors. Vieles müsse daher weitergeschickt werden.<br />

Auch soll es Probleme mit der Strukturqualität geben, zumal<br />

nicht ausreichend Laborfachärzte zur Verfügung stünden. Wie<br />

das funktionieren soll, wenn plötzlich alle dorthin zuweisen, ist<br />

mehr als fraglich.<br />

Bedenken muss man auch, dass ein Laborwechsel für uns ein<br />

Sprung ins kalte Wasser ist: Wann werden die Proben abgeholt,<br />

steht jederzeit ein Labormediziner für Rückfragen zur Verfügung,<br />

wie ist die Kostenübernahme bei elektronischer Anforderung,<br />

wer ersetzt den hohen Zeitaufwand, das Labor individuell<br />

in die bestehende Praxissoftware zu integrieren? Was passiert<br />

mit den Laborkonditionen, wenn wir einem Monopolisten gegenübersitzen?<br />

12<br />

CONSILIUM 01+02/13


verhandlungen<br />

<strong>Al</strong>l diese Themen hätten<br />

sinnvoll an einem „Round<br />

table“ mit Laborchefs, GKK<br />

und <strong>Ärztekammer</strong> gelöst werden<br />

können. Das war scheinbar<br />

gar nicht erwünscht.<br />

Wenn man so wie ich die<br />

unglaubliche Penetranz der<br />

GKK Verhandler zu diesem<br />

Thema erlebt hat, kann man<br />

sich des Eindrucks nicht erwehren,<br />

dass es nicht um Kosteneinsparungen<br />

im Laborbereich<br />

per se geht, sondern<br />

nur um ein Umleiten der<br />

Geldflüsse nach St. Pölten<br />

(Baden klammere ich einmal<br />

aus. Die gibt es schon sehr lange und trotzdem haben sie es bis<br />

dato nicht geschafft, eine relevante Größe zu erreichen.)<br />

Kann ausgeschlossen werden, dass es hier mündliche Zugeständnisse<br />

gegeben hat, die eingelöst werden müssen, bevor auch die<br />

übrigen Labors wieder im Spiel sind?<br />

Zuletzt waren wir sogar bereit, 2,27 %, allerdings ohne weitere<br />

Zugeständnisse, zu akzeptieren. Dadurch wären wir natürlich<br />

aus den eigenen Reihen heftig attackiert worden, immerhin haben<br />

wir verkündet, mindestens den VPI zu fordern. <strong>Al</strong>l das war<br />

uns bewusst. <strong>Al</strong>lerdings hätten wir dann noch wenigstens ein<br />

Jahr bis zur Nachverhandlung 2012 gehabt, um einen konstruktiven<br />

Arbeitsversuch zu starten.<br />

Das Angebot der NÖGKK kann man so zusammenfassen:<br />

1,15 %! Das Angebot vom 16.1. kann ich nicht einmal als seriöses<br />

Angebot werten, weil laut Juristen nicht rechtskonform.<br />

Wie geht es weiter?<br />

Wenn „Partnerschaft“ seitens der NÖGKK nicht geschätzt und<br />

honoriert wird, so sollte es für diese auch keine Rolle spielen,<br />

wenn sie aufgekündigt wird!<br />

Folgen<br />

• keine gemeinsamen Rundschreiben, Servicebriefe etc.<br />

• kein „Effort“ mehr in Hinblick auf zeitaufwendige Medikamentenumstellung<br />

(2011 hatte NÖ den geringsten Heilmittelkostenanstieg<br />

Österreichs zu verzeichnen.)<br />

• keine elektronischen Krankmeldungen (keine Sofortabschreibungen)<br />

- lediglich Arbeit, die wir der NÖGKK abnehmen<br />

(die Anschubfinanzierung der GKK deckt laufende Kosten<br />

nicht ab).<br />

• jeder Antrag auf Kostenerstattung mit Bescheidantrag (Wahlärzte)<br />

• keine Zusammenarbeit in der Steuerungsgruppe<br />

• keine gemeinsamen Aktivitäten mehr<br />

Stattdessen legen wir den Fokus auf „serviceorientierte“ Kammerfunktion,<br />

die sich primär an den Bedürfnissen und den juristischen<br />

Rahmenbedingungen der Ärzte ohne Rücksicht auf<br />

Kostenersparnis für den Vertragspartner orientiert.<br />

Bestandteile einer Qualitätsoffensive<br />

• Stärkung einer „State of the art-Medizin“, die ja speziell auch<br />

von der Patientenanwaltschaft immer eingefordert wird.<br />

• Konkret: Durchforstung der Medikamentenbeipacktexte auf<br />

notwendige medizinische Kontrollen (Beispiel: ZNS: fast überall<br />

regelmäßige EKG Kontrollen wegen qTC Zeit und Laborkontrollen<br />

wegen E`lyten, BZ etc.). Die Ergebnisse werden<br />

der Ärzteschaft in praktikabler Form zur Verfügung gestellt.<br />

• Keine Angreifbarkeit durch aus Kostengründen vermiedene<br />

Untersuchungen. Thoraxschmerz wird auch im Spital immer<br />

mit EKG abgesichert.<br />

• Stärkung des Referats für Vertragspartnerkontrolle und Hilfestellung<br />

auch im Bereich der Medikamentenkontrollen.<br />

• Verbesserter Downloadbereich für Patienteninformationen<br />

aber auch Privathonorarvorlagen etc.<br />

Wir werden seitens der Kammer in den kommenden Wochen<br />

genau über die Vorgangsweise informieren. Jedenfalls möchte<br />

ich im Februar auch eine Veranstaltung für alle Kassenärzte<br />

meines Bezirks zu diesem Thema durchführen.<br />

Ich bin mindestens ebenso enttäuscht und verbittert über die<br />

fehlende Wertschätzung unserer Arbeit seitens der Kasse wie<br />

Ihr. Ich habe es satt, dauernd nur als „Kostenverursacher“ oder<br />

„Dienstleister“ bezeichnet zu werden. Wir versorgen medizinisch<br />

Tag für Tag die NÖ Bevölkerung und im Rahmen der zunehmend<br />

eingeschränkten Möglichkeiten großteils auch recht gut.<br />

Entweder wir treten nun geschlossen auf oder wir werden spätestens<br />

mit der § 15a Vereinbarung im Jahr 2014 als freier Berufsstand<br />

unter die Räder kommen. Jede Reaktion ist besser als<br />

keine Reaktion.<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Roland</strong> <strong>Al</strong>-<strong>Shami</strong><br />

CONSILIUM 01+02/13<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!