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Ì×ÌÛÔ ÖËÙÛÒÜ - WWF Schweiz

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<strong>Ì×ÌÛÔ</strong><br />

<strong>ÖËÙÛÒÜ</strong><br />

Generation<br />

Zukunft<br />

Drei junge Erwachsene engagieren sich überdurchschnittlich<br />

für die Umwelt. Zufall? Nein. Eine neue Studie zeigt, wie<br />

Kinder zu umweltbewussten Erwachsenen heranwachsen.<br />

6<br />

<strong>WWF</strong> MAGAZIN 2/13


Vorwärts in eine grünere<br />

Zukunft: Naturverbundene<br />

Kinder haben gute<br />

Chancen, sich später für<br />

die Umwelt einzusetzen.<br />

© S T EP HAN B ÖSCH<br />

Es ist wichtig, dass wir alle<br />

den Respekt vor der Natur<br />

wiedergewinnen», sagt<br />

Debora Aus der Au,<br />

21. Ernsthaftigkeit liegt in<br />

ihrem Gesicht, ihr rotgelocktes<br />

Haar hat sie mit einer Spange<br />

gebändigt. Dieser jungen Frau ist es<br />

ernst, das ist spürbar. Ihr geht es wirklich<br />

um eine Herzensangelegenheit.<br />

«Die Natur ist viel mehr als nur ein Ort,<br />

in dem ich mich wohlfühle», erzählt<br />

Debora weiter. «Es ist eine Welt, die<br />

man unbedingt schützen muss.»<br />

Debora weiss schon lange, welchen<br />

Beitrag sie dazu leisten kann. Seit<br />

fünf Jahren hilft sie mit, Kinderlager<br />

des <strong>WWF</strong> zu leiten, und verbringt einen<br />

Grossteil des Sommers draussen. «Ich<br />

will dazu beitragen, Kinder für die Umwelt<br />

zu sensibilisieren.» Gemeinsam<br />

mit ihren Schützlingen übernachtet sie<br />

im Tipi oder in abgelegenen Hütten<br />

ohne Strom, kocht auf dem offenen Feuer,<br />

besorgt Trinkwasser in Bergbächen<br />

oder sammelt das Brennholz selber im<br />

Wald. Und wenn es dunkel wird, geht<br />

die ganze Gruppe schlafen. «Wir leben<br />

im Rhythmus der Natur», sagt Debora.<br />

«In diesen Lagern merken wir, wie sehr<br />

wir Teil des Ganzen sind.»<br />

Die Tessinerin, die in einem Institut<br />

für behinderte Kinder arbeitet und<br />

im Sommer die Ausbildung zur Heilpädagogin<br />

beginnt, gehört wohl zum umweltbewusstesten<br />

Viertel der <strong>Schweiz</strong>er<br />

Bevölkerung. Dass die junge Frau so<br />

wurde, wie sie heute ist, ist für Wissenschaftler<br />

kein Zufall. Sondern ein Zusammenspiel<br />

von Erziehung, persönli-<br />

Kurz: Debora hat eine gelungene Umweltbildung<br />

genossen.<br />

Was aber braucht es, damit Kinder<br />

zu solch umweltbewussten Erwachsenen<br />

heranwachsen? Antworten darauf<br />

gibt eine kürzlich erschienene<br />

Studie, die der <strong>WWF</strong> bei den pädagogischen<br />

Hochschulen Graubünden und<br />

Thurgau in Auftrag gegeben hat. Die<br />

Forscher fanden heraus, dass ausschliessliche<br />

Wissensvermittlung für<br />

die Umweltbildung kaum etwas bringt.<br />

Als Basis für umweltbewusstes Handeln<br />

sei die emotionale Verbundenheit zur<br />

Natur elementar. «Eine positive Natur-<br />

<strong>WWF</strong> MAGAZIN 2/13 7


<strong>Ì×ÌÛÔ</strong><br />

<strong>ÖËÙÛÒÜ</strong><br />

viel stärker als reines Umweltwissen –<br />

also etwa Kenntnisse über den schäd-<br />

2 auf die Atmosphäre»,<br />

bestätigt Florian Kaiser,<br />

Professor für Sozial- und Persönlichkeitspsychologie<br />

an der Uni Magdeburg.<br />

«Wenn es gelingt, die Natureinstellung<br />

zu fördern, nehmen die<br />

Menschen Umweltschutz vermehrt als<br />

persönliches Ziel wahr und richten ihr<br />

Leben danach aus.»<br />

Frühe Liebesbeziehung<br />

mit der Natur<br />

Nur was das Herz liebt, wird also als<br />

schützenswert empfunden. Allerdings<br />

ist diese Liebe heute oft nicht mehr<br />

selbstverständlich. «Kinder, die bereits<br />

ihren Schulweg auf dem Rücksitz eines<br />

Autos zurücklegen, entwickeln kaum<br />

einen echten Naturbezug», sagt Katia<br />

Weibel, Leiterin der Abteilung Jugend<br />

beim <strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong>. «Nur wer mit der<br />

Natur vertraut ist, fühlt sich ihr auch<br />

verbunden.» Je früher diese Liebe zur<br />

Natur entfacht werde, desto länger und<br />

tiefer brenne sie auch. Denn Wertesysteme<br />

würden bereits früh entwickelt:«Je<br />

jünger die Kinder sind, desto wirksamer<br />

ist die Umweltbildung», so Weibel.<br />

Debora Aus der Au ist dafür der<br />

beste Beweis: Im Dorf Preonzo TI aufgewachsen,<br />

ging sie mit der Familie oft<br />

auf Spaziergänge und Wanderungen<br />

und spielte mit ihren Gspänli wenn immer<br />

möglich draussen. Noch heute gibt<br />

es für sie keinen Ort, an dem sie lieber<br />

ist: «Die freie Natur gibt mir Kreativität<br />

und das Gefühl, dass ich atmen<br />

kann», sagt Debora. «Diese grosse Liebe<br />

für Tiere und Natur steckt schon seit<br />

immer in mir.»<br />

Seit immer – so lange dauert auch<br />

die Liebesbeziehung zwischen Loïc<br />

Roth, 29, und der Natur. Als sechsjähund<br />

war zwanzig Jahre aktiv. «Das Leitmotto<br />

‹Sorge tragen zur Natur und<br />

allem Leben› habe ich verinnerlicht»,<br />

sagt Loïc. «Es begleitet mich als Lebensprinzip.»<br />

Vor zwei Jahren gründete<br />

der Bieler Student der Sozialen Arbeit<br />

mit seinen fünf WG-Freunden den<br />

«Sorge tragen<br />

zur Natur und<br />

allem Leben:<br />

Das ist mein<br />

Lebensprinzip.»<br />

Loïc Roth,<br />

Eventmanager und Student<br />

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beliebten<br />

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Verein FAIR für nachhaltige Freizeitveranstaltungen.<br />

Gemeinsam sorgen sie<br />

bei Events für Ökostrom, Abfalltrennung<br />

und klimagerechtes Essen mit Gemüse<br />

vom Biobauern aus der Region.<br />

Ihr Vorzeigeprojekt ist ein komplett<br />

ökologisch funktionierender Bar- und<br />

Loungebetrieb, der im Frühling 2014<br />

eröffnet werden soll.<br />

Die Liebe zur Natur ist das eine.<br />

Sich aber auch tatsächlich und regelmässig<br />

für sie einzusetzen, ist das andere.<br />

Warum also machen manche den<br />

Sprung zur aktiven Umwelthandlung,<br />

während es bei anderen bei der schwärmerischen<br />

Liebeserklärung bleibt?<br />

Christina Colberg, Umweltnaturwissenschaftsdidaktikerin<br />

und Mitautorin der<br />

<strong>WWF</strong>-Studie, erklärt, dass grundsätzlich<br />

drei Phasen dafür verantwortlich<br />

sind: die Motivations-, die Intentions-<br />

, die von der<br />

8<br />

<strong>WWF</strong> MAGAZIN 2/13


Debora Aus der<br />

Au: Als Kind spielte<br />

sie wenn immer<br />

möglich draussen.<br />

Heute leitet sie<br />

<strong>WWF</strong>-Kinderlager.<br />

© TI MO UL L MAN N/ BI L DW IL D .C H, ST EP HA N BÖ SCH<br />

und die Handlungsumsetzungsphase.<br />

«Ohne Motivation gibt es keine Handlungsabsicht<br />

und dementsprechend<br />

auch keine Handlung», erklärt die Forscherin.<br />

Zum Handeln motiviert<br />

In der Motivationsphase kämen zur reinen<br />

Naturliebe zwei wesentliche weitere<br />

Punkte dazu: konkrete Naturerlebnisse<br />

und die Wissensaneignung über natürliche<br />

Zusammenhänge. Im Idealfall trügen<br />

verschiedene Bereiche dazu bei,<br />

Kinder zu ökologischen Handlungen zu<br />

motivieren: Neben den <strong>WWF</strong>-Lagern<br />

könnten dies die Schule, eine Jugendorganisation<br />

oder das familiäre Umfeld<br />

sein. Aber auch Nachbarn oder Freunde<br />

spielten dabei eine Rolle. Sie alle<br />

können im gegenseitigen Wechselspiel<br />

mithelfen, die Liebe zur Natur sowie<br />

Naturerlebnisse und -wissen zu verstärken.<br />

«Wenn in dieser Phase ein Unterschied<br />

zwischen dem Ist- und Soll-<br />

Zustand empfunden wird, entsteht der<br />

Wunsch, aktiv etwas für die Umwelt tun<br />

zu wollen», sagt die Forscherin. Oder,<br />

um ein einfaches Beispiel zu nennen:<br />

Wenn einem Kind dämmert, dass den<br />

geliebten Eisbären die Eisschollen unter<br />

den Pfoten wegschmelzen, ist es motiviert,<br />

etwas dagegen zu unternehmen.<br />

In diesem Fall folgt die Intentionsphase:<br />

Das Kind hat die Absicht, etwas<br />

zu unternehmen, und tut es auch, allerdings<br />

oft noch ungezielt. «Diese Phase<br />

kann und soll sich bis ins Erwachsenenalter<br />

hinziehen», sagt Katia Weibel vom<br />

<strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong>. «Ob man auf Anhieb das<br />

wesentlich.» Egal also, ob Kinder und<br />

Jugendliche kurzzeitig zu Vegetariern<br />

werden, ihren Schulweg endlich zu Fuss<br />

zurücklegen oder ihr Taschengeld einer<br />

Umweltorganisation spenden – Hauptsache,<br />

sie tun etwas. Selbst wenn diese<br />

<strong>WWF</strong> MAGAZIN 2/13 9


<strong>Ì×ÌÛÔ</strong><br />

<strong>ÖËÙÛÒÜ</strong><br />

Handlungen nur von kurzer Dauer sind,<br />

sind sie ein wichtiger Schritt zu einem<br />

späteren, umfassenderen Engagement.<br />

Bei Prisca Müller, 24, war das<br />

nicht anders. Solange die Sankt Gallerin<br />

zurückdenken kann, war sie beseelt<br />

vom Wunsch, etwas zu bewirken. «Ich<br />

hatte schon immer den Drang, aktiv zu<br />

sein.» Besonders grün ist sie jedoch<br />

nicht aufgewachsen. Erst als Teenager<br />

wurden Umwelt und Naturschutz zentrale<br />

Themen für sie. Sie war mehrere<br />

Jahre im Forum der Jugendsession tätig,<br />

wo sie mit Politikern eine Petition<br />

für Minergie-Häuser ausarbeitete. Ausserdem<br />

organisierte sie Podiumsdiskussionen<br />

zu erneuerbarer Energie.<br />

«Ich weiss, dass<br />

mein Handeln<br />

etwas bewegen<br />

kann.»<br />

Prisca Müller,<br />

Jungunternehmerin<br />

Eine äusserst wertvolle Erfahrung: «Ich<br />

weiss heute, dass ich mit meinem Handeln<br />

etwas bewirken kann.»<br />

Schliesslich folgt die dritte Phase,<br />

die der dauerhaften Handlungsumsetzung.<br />

Bei Prisca Müller wurde daraus<br />

gleich ein ganzer Beruf: Vor einem<br />

Jahr gründete sie mit der Umweltwissenschaftlerin<br />

Majka Baur das Startup<br />

weACT. Sie führen in Firmen Online-<br />

Teamwettbewerbe durch, welche die<br />

Mitarbeitenden für nachhaltigeres<br />

Handeln im Alltag motivieren sollen.<br />

«So können sich beispielsweise die<br />

Buchhaltungs- und die Logistikabteilung<br />

einer Firma darin messen, wer<br />

mehr Umweltpunkte sammelt», erklärt<br />

Loïc Roth: Abfalltrennung<br />

war bei<br />

ihm zu Hause<br />

selbstverständlich.<br />

Jetzt sorgt er für<br />

Nachhaltigkeit an<br />

Events.<br />

10<br />

<strong>WWF</strong> MAGAZIN 2/13


Prisca Müller:<br />

Als Teenager<br />

setzte sie sich für<br />

Minergie-Häuser<br />

ein. Inzwischen<br />

ist Umweltschutz<br />

ihr Beruf.<br />

So wird Ihr Kind<br />

umweltbewusst<br />

© S T EP HAN B ÖSCH ( 2)<br />

Prisca. «Dabei spielt es nicht so sehr<br />

eine Rolle, ob jemand mit dem Velo<br />

zur Arbeit fährt oder sich klimafreundlich<br />

ernährt – solange er überhaupt<br />

etwas tut.»<br />

Umweltschutz jeden<br />

Tag vorleben<br />

Überhaupt etwas tun und das langfristig<br />

und regelmässig – das ist denn auch<br />

die Absicht der Handlungsumsetzungsphase<br />

und letztlich jeder Umweltbildung.<br />

«Es ist nicht unser Ziel, dass sich<br />

alle unseren jungen Mitglieder später<br />

-<br />

gen», meint Katia Weibel. «Aber wenn<br />

wir dazu beitragen können, dass Kinder<br />

verantwortungsvolle und ökologisch<br />

handelnde Erwachsene werden, haben<br />

wir sehr viel erreicht.»<br />

Dafür braucht es neben Liebe, Wissen<br />

und Erlebnissen aber noch einen weiteren,<br />

wichtigen Pfeiler: Vorbilder. Wie<br />

die Studie der pädagogischen Hochschulen<br />

deutlich machte, sollten diese authentisch<br />

und überzeugend sein. «Im Idealfall<br />

handelt es sich dabei um Eltern oder<br />

andere nahe Bezugs personen», meint Co-<br />

Studienautorin Christina Colberg.<br />

Auch Debora, Loïc und Prisca hatten<br />

alle ein Umfeld, das ihnen Umweltschutz<br />

schon von früh auf näherbrachte.<br />

Deboras Vorbilder waren ihre Eltern:<br />

naturliebend und seit Jahrzehnten beim<br />

<strong>WWF</strong>. Loïc stammt aus einem Zuhause,<br />

wo Abfalltrennung und ein eigener<br />

Kompost selbstverständlich sind, und<br />

Prisca hatte einen Grossvater, der sie<br />

nachhaltig prägte: «Er war ein totaler<br />

Vogel-Fan und erklärte mir immer alles<br />

über die Tiere, wenn wir im Wald<br />

spazieren gingen.»<br />

Wer zu Hause keine ökologischen<br />

Vorbilder hat, muss anderswo fündig<br />

werden. «Auch Eltern von Freunden,<br />

Pfadiführerinnen, Lehrer oder sonstige<br />

Personen können diese Rolle übernehmen»,<br />

sagt Katia Weibel. «Hauptsache,<br />

ein Kind erfährt, dass es mit seinen ökologischen<br />

Interessen kein exotischer<br />

Aussenseiter ist.» Deshalb wünscht sich<br />

Forscherin Christina Colberg, dass Kinderlager,<br />

wie sie der <strong>WWF</strong> durchführt,<br />

auch von Schulen und Gemeinden angeboten<br />

würden. «Das wäre paradiesisch,<br />

um breite Bevölkerungsschichten<br />

zu erreichen.»<br />

Seien Sie ein Vorbild<br />

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<strong>WWF</strong> MAGAZIN 2/13 11

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