Die aeltesten Urkunden fur St. Stephan in Strassburg

Die aeltesten Urkunden fur St. Stephan in Strassburg Die aeltesten Urkunden fur St. Stephan in Strassburg

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10 Wiegand. scheinlichkeit der Schenkung damit zu erhöhen, wenn dieselbe als zu Strassburg vollzogen beurkundet war. Erweckt demnach schon die Überlieferung des Protokolls in einzelnen Punkten ernste Bedenken, so steht es vielleicht mit dem Context um so besser, Ich habe, um mich über das Kanzleigemässe der einzelnen Förmeln und Wendungen zu unterrichten, die Mühe nicht gescheut, sämmtliche mir zugänglichen echten Urkunden Lothars zu lesen, über 100 Stuck. Wenn das Resultat nicht dem Aufwand an Zeit und Mühe gleichkommen sollte, so hoffe ich doch einem nach mir kommenden Forscher diese Arbeit gespart u haben. Um das Echte vom Falschen übersichtlich zu scheiden, gebe ich im Anhang den Text von Lo. nach der neuen Überlieferung, wobei ich E. zu Grunde gelegt und B. wie F. kollationiert habe, nicht eben in schönem Gewande, da alles Kanzleigerechte in kleineren Typen erscheint, alles unzweifelhaft Unechte in Cursive und das Übrige, dessen Charakter unentschieden und zweifelhaft ist, in Antiqua. Selbstverständlich lassen sich die Grenzlinien für diese drei Schichten mit ihren Verwerfungen nicht überall scharf ziehen und ich bitte von vornherein für diesen etwas gewagten Versuch um Nachsicht. Zunächst bezeichne ich kurz, was ich für echt halte, d. h. anderweitig aus Urkunden Lothars belegen kann. Kanzleigerecht ist von den Contextformeln die Arenga und die Promulgatio, ferner am Schluss die Corroboratio. Sofort mit den ersten Worten der Narratio beginnen die Zweifel. Der von der Promulgatio abhängige Nebensatz wurde richtiger mit quia beginnen statt mit qualiter. Auffällig ist ferner die Bezeichnung der Basilla, die sich kanzleigemäss etwa so gestalten müsste: Basilla venerabilis abbatissa ex monasterio, quod est constructum in honore sancti Stephani protomartyris et consistit (oder situm est) infra muros civitatis Strazburc. 1) Unbedenklich ist dagegen dib sich anschliessende Wendung inajestatem - cartaram 2), während das Folgende bis zum Schluss des Satzes presidere ordinavit in die zweifelhafte Schicht fällt. Der einleitende Nebensatz des t) Vgl. Urkunden Lotiars für Maria Theodata in Pavia, Faremoutier, Lyon und Korvey, Reg. Imp. 1, •No. 1002, 1041, 1116 u. 1141. - ) Vgl Urkunde Lethars für Bobbin, Reg. Imp. 1, Ne. 1072.

Die ältesten Urkunden für St Stephan in Strassburg. 11 folgenden Abschnittes et quemadmodum auctoritatibus ist nicht zu beanstanden, tflnsom&ir aber der.unmittelbär folgende Hauptsatz: per pragmaticam regis Childerici cönstitutionein prerogativa emunitatis libertate cönmuniri inpetratit. pragmaticum ist, wie Sickel neuerlich hervorgehoben hat 9, Unter Otto Il. erst in die lateinische Urkundensprache eingedrungen. Es wird unter den Ottonen, soviel ich sehe, ausschliesslich in der italienischen Kanzlei gebraucht, zuerst in einem italienischen Placitum Ottos I. von 071, dann in Urkunden Ottos I. für Bobbio und Oreniona von 072 und 973 2), ferner in Diplomen Ottos 11. für S. Salvator in Pavia und für S. Vincenzo am Volturno. 9) Unter Otto UI. ist der Gebrauch des Wortes schon häufiger.') Aus karolingischer Zeit kann ich das Wort pragmaticum in einer Urkunde Ludwigs II. für Oremona aus dem Jahre 851 nachweisen'), ferner in einem Diplom desselben Herrschers für Kloster Leno bei Brescia aus dem Jahre 862 die Wendung praerogativa hono'is. 6) pragmaticon erscheint auch in einer Urkunde König Berengars für St. Gallen vom Jahre. 904,) Überall aber bewegen wir uns dabei auf italienischem Boden, wo sieh das Wort überhaupt seit der Justinianeischen Gesetzeskodifikation immer lebendig erhalten zu haben scheint; auf deutschem Boden durfte es dagegen schwerlich vor dem 11., ja vielleicht nicht vor dein 12. Jahrhundert zu belegen sein. 8) In noch jüngere Zeiten führt uns die Untersuchung der folgenden Formel: salva per omnia reverentia sacrosancti antistitis. Diese sogenannte Vorbehaltsklausel hat bekanntlich Thaner zuerst in den päpstlichen Privilegien verfolgt.') Auf die verschiedene rechtliche Bedeutung dieser Klausel, je nachdem sie vor Coelestin II. vereinzelt oder nachher reichlich verwandt wird, braucht hier nicht eingegangen zu werden, es 1) Vgl. Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. XII, 222. ') Idon. Germ. Dl). 1, Wo. 405, 412, 429. -- 3) Mon. Germ. DI). 11, 1, Wo. 281, 288.- Mon. Germ. Dl). II, 2 3 Wo. 56, 65 9 204 ii. A. Für Heinrich II. s. Stumpf Wo. 1513, für 5. Apollinaris in Classe zu Ravenna, gütige Mitteilung des H. Dr. Bloch. ) Reg. Imp. 1, Wo. 1140. - 8) flog. Imp. 1, Wo. 1187. - ') Vgl. Wartn1anii, UB. d. Abtei St. Gallen II, 337, Wo. 734. - 8) In Staufischen Diplomen wird namentlich die pragmatica sanctio häufig gebraucht.— 9) Thaner, Über Entstehung und Bedeutung der Formel „salva sedis apostolicae auttoritate" in den päpstlichen Privilegien i; d. Wiener SB. 71, 807 ff.

10 Wiegand.<br />

sche<strong>in</strong>lichkeit der Schenkung damit zu erhöhen, wenn dieselbe<br />

als zu <strong>St</strong>rassburg vollzogen beurkundet war.<br />

Erweckt demnach schon die Überlieferung des Protokolls<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Punkten ernste Bedenken, so steht es vielleicht<br />

mit dem Context um so besser, Ich habe, um mich über das<br />

Kanzleigemässe der e<strong>in</strong>zelnen Förmeln und Wendungen zu unterrichten,<br />

die Mühe nicht gescheut, sämmtliche mir zugänglichen<br />

echten <strong>Urkunden</strong> Lothars zu lesen, über 100 <strong>St</strong>uck. Wenn<br />

das Resultat nicht dem Aufwand an Zeit und Mühe gleichkommen<br />

sollte, so hoffe ich doch e<strong>in</strong>em nach mir kommenden<br />

Forscher diese Arbeit gespart u haben. Um das Echte vom<br />

Falschen übersichtlich zu scheiden, gebe ich im Anhang den<br />

Text von Lo. nach der neuen Überlieferung, wobei ich E. zu<br />

Grunde gelegt und B. wie F. kollationiert habe, nicht eben <strong>in</strong><br />

schönem Gewande, da alles Kanzleigerechte <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Typen<br />

ersche<strong>in</strong>t, alles unzweifelhaft Unechte <strong>in</strong> Cursive und das<br />

Übrige, dessen Charakter unentschieden und zweifelhaft ist,<br />

<strong>in</strong> Antiqua. Selbstverständlich lassen sich die Grenzl<strong>in</strong>ien für<br />

diese drei Schichten mit ihren Verwerfungen nicht überall<br />

scharf ziehen und ich bitte von vornhere<strong>in</strong> für diesen etwas gewagten<br />

Versuch um Nachsicht.<br />

Zunächst bezeichne ich kurz, was ich für echt halte, d. h.<br />

anderweitig aus <strong>Urkunden</strong> Lothars belegen kann. Kanzleigerecht<br />

ist von den Contextformeln die Arenga und die Promulgatio,<br />

ferner am Schluss die Corroboratio. Sofort mit den<br />

ersten Worten der Narratio beg<strong>in</strong>nen die Zweifel. Der von<br />

der Promulgatio abhängige Nebensatz wurde richtiger mit<br />

quia beg<strong>in</strong>nen statt mit qualiter. Auffällig ist ferner die<br />

Bezeichnung der Basilla, die sich kanzleigemäss etwa so<br />

gestalten müsste: Basilla venerabilis abbatissa ex monasterio,<br />

quod est constructum <strong>in</strong> honore sancti <strong>St</strong>ephani protomartyris<br />

et consistit (oder situm est) <strong>in</strong>fra muros civitatis<br />

<strong>St</strong>razburc. 1) Unbedenklich ist dagegen dib sich anschliessende<br />

Wendung <strong>in</strong>ajestatem - cartaram 2), während das<br />

Folgende bis zum Schluss des Satzes presidere ord<strong>in</strong>avit <strong>in</strong><br />

die zweifelhafte Schicht fällt. Der e<strong>in</strong>leitende Nebensatz des<br />

t) Vgl. <strong>Urkunden</strong> Lotiars für Maria Theodata <strong>in</strong> Pavia, Faremoutier,<br />

Lyon und Korvey, Reg. Imp. 1, •No. 1002, 1041, 1116 u. 1141. - ) Vgl<br />

Urkunde Lethars für Bobb<strong>in</strong>, Reg. Imp. 1, Ne. 1072.

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