Betrieb Designer mit Korsett Gesetze. Verordnungen. Vorgaben. Physikalische Gesetzmäßigkeiten. Örtliche Besonderheiten. Mögliche Lärmauswirkungen. Und alles soll auch noch gleichzeitig bedacht und gleichwertig behandelt werden. Wieviel Handlungsspielraum bleibt da noch? Was nach einer verfahrenen Situation klingt, ist für die Verfahrensplaner der <strong>DFS</strong> tägliches Geschäft und Grundlage ihrer Arbeit. Dennoch gelingt es ihnen, jährlich bis zu 60 Flugverfahren zu ändern, zu bearbeiten oder neu zu entwerfen. 12 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Wie die routinierte Kontrolle von täglich mehr als 9.000 Flügen am deutschen Himmel durch die Fluglotsen gehört auch das Planen von Flugverfahren zum alltäglichen Geschäft der <strong>DFS</strong>. Nicht immer liegen Notwendigkeit und Nachvollziehbarkeit dafür so offen auf der Hand wie bei der neuen Landebahn Nordwest in Frankfurt oder, ganz aktuell, beim Bau des Berliner Willy-Brandt- Flughafens. So, wie das Straßenverkehrsnetz immer wieder an neue Anforderungen angepasst wird, ist auch das Luftstraßennetz nicht für die Ewigkeit geschaffen. Bei dem einen führen Bürgerentscheide zum Bau von Umgehungsstraßen, bei dem anderen sind es Empfehlungen von Fluglärmkommissionen, die Änderungen an Flugverfahren herbeiführen oder Gerichtsurteile, die wichtige Aussagen zu Flugrouten treffen. Erfordert dort zunehmender Verkehr das Einrichten einer Ampelkreuzung, sind es in der Luftfahrt technologische Weiterentwicklungen z. B. der Satellitennavigation, wegen der ein Flugverfahren neu geplant werden muss. Oder die neue technische Ausstattung von Flugzeugen. Die Einrichtung von Flugbeschränkungsgebieten. Gesetzesänderungen. Oder Veränderungen im europäischen Verkehrsnetz, auf die die „Airspace Design“-Mitarbeiter der <strong>DFS</strong> reagieren müssen. „Für die wenigsten Verfahrensänderungen geben flugsicherungsbedingte Gründe den Ausschlag“, berichtet Verfahrensplaner Robert Ertler. Überwiegend gäben externe Entwicklungen den Anstoß, ein Verfahren zu überarbeiten. Seit 14 Jahren „designt“ der frühere Militärlotse den Luftraum über Deutschland – derzeit unter anderem auch den über Berlin. Für ihn und seine rund 30 Kollegen kommt die tägliche Arbeit einem Balanceakt gleich. Einem ständigen Abwägen zwischen dem Entwickeln von Flugwegen, auf denen der Verkehr sicher abgearbeitet werden kann – und ihrer Auswirkung auf das übrige Streckennetz. Zwischen der physikalischen Fliegbarkeit eines Verfahrens – und der Beachtung von Lärmschutzaspekten. Zwischen dem Einhalten gesetzlicher Grundlagen – und dem Berücksichtigen der wirtschaftlichen Aspekte, wie sie von Flughäfen und Airlines geäußert werden. Leitplanken ihrer Tätigkeit bilden die Paragraphen 27c und 29b des Luftverkehrsgesetzes. Der eine gibt die „sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Flugverkehrs“ vor, der andere betont den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm. Laut Rechtsprechung kommt insbesondere dem Sicherheitsaspekt eine überragende Bedeutung zu. „Unser Handlungsspielraum ist nicht so groß, wie die Öffentlichkeit häufig denkt. Er ist extrem limitiert, wie in einem Korsett.“ Auch wenn der mediale Aufschrei zuweilen harsch ausfällt und neue An- oder Abflugrouten oft auch neue (Lärm-)Betroffenheiten schaffen, so geht in den kontrovers geführten Debatten meist unter, welches Bündel an Überlegungen dem Festlegen einer Flugroute vorausgeht. Wie im Falle eines Flughafenneubaus, der neue Ein-, An- und Abflugverfahren nötig macht. Nicht involviert ist die <strong>DFS</strong> beim Fällen einer standortpolitischen Entscheidung darüber, wo ein Flughafen aus- oder neu gebaut werden soll. Ebenso wenig Einfluss hat sie auf den späteren Flottenmix der Fluggesellschaften, die Flugpläne oder die Flughafenkapazität. „Im Grunde genommen beschränkt sich unsere Arbeit darauf, einmal zugelassenen Verkehr so zu verteilen, dass er von unseren Lotsen sicher und geordnet gearbeitet werden kann“, bringt es Ertler auf den Punkt. Er selbst sieht sich als „Handlungsreisender in Sachen <strong>Flugsicherung</strong>“, als Mittler zwischen Lotsen und Fluglärmkommissionen. „Unser Handlungsspielraum ist nicht so groß, wie die Öffentlichkeit häufig denkt. Er ist extrem limitiert, wie in einem Korsett – auch wenn für manchen der Himmel grenzenlos scheint“, sagt er. Zudem reagiere die Bevölkerung immer sensibler auf Fluglärm, weshalb seine kommunikativen Fähigkeiten in den vergangenen drei Jahren immer wichtiger geworden seien. „Das Schöne an meinem Job ist: Ich muss niemandem ein X für ein U vormachen. Ich sage, was Sache ist. Und das schafft Vertrauen, auch wenn ich es niemals allen recht machen kann.“ Ins Spiel kommt die <strong>DFS</strong> erst im Planfeststellungsverfahren, wenn bereits wichtige Entscheidungen wie die Lage von Start- und Landebahnen stehen. Dann ist die <strong>DFS</strong> aufgefordert, eine fachliche Einschätzung für ein Flugroutengrobkonzept zu geben. „Allerdings ist vielen nicht klar“, weist Ertler hin, „dass Flugrouten nicht mit planfestgestellt werden, weil sie in diesem Stadium nur vorläufig sind.“ Konkreter wird es erst viel später. Bis dahin seien viele einzelne Schritte zu gehen, bei denen insbesondere örtliche Belange eine große Rolle spielten: „Jedes Verfahren hat seine Besonderheiten.“ Grundsätzlich entwirft die örtliche Niederlassung ein erstes Modell transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 13