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Der geteilte Mantel 2013 - Rottenburg-Stuttgart

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A u s g a b e 2 0 1 3<br />

Das Thema: „Menschenwürde“<br />

w w w. d r s . d e<br />

<strong>Der</strong> <strong>geteilte</strong> <strong>Mantel</strong>. Das Magazin<br />

zur Weltkirchlichen Arbeit<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>


2<br />

D e r g e t e i l t e M a n t e l


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

3<br />

<strong>Der</strong> <strong>geteilte</strong> <strong>Mantel</strong>. Das Magazin<br />

zur Weltkirchlichen Arbeit<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>


4 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Inhalt.<br />

32<br />

6<br />

12<br />

5<br />

Editorial. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“<br />

6<br />

Das Thema: „Menschenwürde“. Von der Würde aller Menschen als Bilder Gottes.<br />

11<br />

Bei den Menschen sein.<br />

Die Stiftung Weltkirche in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> 2012.<br />

12<br />

Reportagen aus der Einen Welt.<br />

m Gefährdetes Leben. Menschenrechte von Frauen in Indien<br />

m Hoffnung für Entrechtete. Indische Schwestern stärken Würde und Rechte von Frauen<br />

m Geraubtes Land. Die Landreform Brasiliens steckt in der Sackgasse<br />

18<br />

Portraits – Interviews – Begegnungen.<br />

m Die Kunst, Geduld zu üben. Interview mit Hermine Burger in Angola<br />

m Menschenwürde. Eindrücke einer jungen Frau, die als Freiwillige ein Jahr<br />

in Indien gelebt hat<br />

m „Mungu yupo“ – Gott ist da. Ein Missionar fällt nicht vom Himmel:<br />

Erfahrungen aus den Elendsvierteln in Kenia<br />

24<br />

Diskussionen aus der Weltkirche. Brot oder Schlange:<br />

<strong>Der</strong> Waffenhandel, die Menschenwürde und die Politik.<br />

26<br />

Literatur und Medien.<br />

30<br />

Aus der Weltkirchlichen Arbeit von Kirchengemeinden, Verbänden und Orden.<br />

m Die Würde von Frauen in Not achten. 25 Jahre FIZ – Weltkirche vor der Haustür<br />

m Die Sklaverei ist nicht vorbei. Weltkirchliche Organisationen verpflichten sich<br />

zum Kampf gegen Menschenhandel<br />

m Abschlusserklärung.der Jahrestagung Weltkirche und Mission <strong>2013</strong><br />

m Karibuni watoto! – Willkommen Kinder! Gehörlose Kinder und Jugendliche<br />

in Tansania und Deutschland erleben Partnerschaft<br />

m JADCAWACS. Spar- und Kreditgenossenschaft des Katholischen Frauenbunds<br />

in der ⁄⁄Diözese Jasikan<br />

38<br />

Geistliche Texte aus den Schwesterkirchen. Gebet.<br />

39<br />

Im Geist der Partnerschaft. Jahresbericht 2012 zur Weltkirchlichen Arbeit<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>.


A u s g a b e 2 0 1 3 5<br />

Editorial.<br />

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“<br />

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“<br />

Dieser Satz zu Beginn von Artikel 1,<br />

Absatz 1 ist wahrscheinlich der bekannteste<br />

aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Nach den Erfahrungen<br />

der nationalsozialistischen Unrechtsdiktatur<br />

sollte er das sichere Fundament bilden,<br />

auf dem sich ein neues demokratisches Gemeinwesen<br />

entfalten kann, und die allgemeinen<br />

Menschenrechte, die sich aus der<br />

Menschenwürde ableiten, nie wieder bedroht<br />

sind. In Deutschland funktioniert<br />

dies, in vielen anderen Ländern leider nicht,<br />

auch wenn ganz ähnliche Bekenntnisse in<br />

den Verfassungen stehen. Aber es bleiben<br />

Lippenbekenntnisse, wenn sie nicht vom<br />

politischen Willen getragen und von der<br />

Rechtssprechung als oberste Norm akzeptiert<br />

werden.<br />

Überall auf der Welt ist die Kirche eine engagierte<br />

Anwältin der Menschenwürde.<br />

Immer wieder erheben die Päpste und Bischöfe<br />

die Stimme, um sich für den Schutz<br />

der Menschenwürde einzusetzen und Unrecht<br />

und Menschenrechtsverletzungen<br />

beim Namen zu nennen. Dass das nicht immer<br />

so war, liegt vor allem an der Französischen<br />

Revolution, die sich auf der einen<br />

Seite für die gleiche Würde aller Menschen<br />

einsetzte, sich auf der anderen Seite aber<br />

extrem antikirchlich und christentums-<br />

feindlich gebärdete. Als Reaktion wandte<br />

sich die Kirche gegen beides und korrigierte<br />

dies erst im vergangenen Jahrhundert.<br />

Die Pastoralkonstitution „Gaudium et<br />

spes“ und die Erklärung über die Religionsfreiheit<br />

„Dignitatis humanae“ des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils geben Zeugnis davon,<br />

dass sich die katholische Kirche den<br />

Schutz der Menschenwürde als spezifische<br />

Form ihres Auftrags zueigen gemacht hat.<br />

Dass der Vatikan die Europäische Menschenrechtskonvention<br />

im Rahmen des Europarats<br />

bis heute nicht unterzeichnet hat,<br />

liegt eher daran, dass er kein Mitglied des<br />

Europarats ist.<br />

Dabei fußt die Idee der Menschenwürde<br />

nicht nur auf der antiken Philosophie, sondern<br />

auch auf den heiligen Schriften des<br />

Judentums und des Christentums. Wenn<br />

im ersten Buch der Bibel davon gesprochen<br />

wird, dass der Mensch nach dem Bild Gottes<br />

geschaffen ist (vgl. Gen 1,27), dann<br />

folgt daraus die nur von Gott abgeleitete<br />

und von innerweltlichen Instanzen nicht<br />

antastbare Würde des Menschen und die<br />

fundamentale Gleichheit aller Menschen,<br />

die alle als Gottes Ebenbild geschaffen<br />

sind. Paulus konkretisiert dies: „Es gibt<br />

nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven<br />

und Freie, nicht Mann und Frau; denn<br />

ihr alle seid ‚einer’ in Christus Jesus“ (Gal<br />

3,28).<br />

Zu den aus der allgemeinen Würde des<br />

Menschen abgeleiteten unveräußerlichen<br />

Rechten gehören u. a. das Recht auf Leben<br />

und Sicherheit, die Gleichheit aller ethnischen<br />

Gruppen und von Mann und Frau,<br />

das Recht auf persönliches Eigentum, der<br />

Schutz vor staatlicher Willkür, das Recht<br />

auf Gewissens- und Religionsfreiheit, und<br />

das Recht der freien Versammlung. Das<br />

vorliegende Heft will einen Einblick geben,<br />

wie unterschiedlich dies in verschiedenen<br />

Ländern der Welt realisiert wird und welche<br />

Ansätze es gerade in der weltkirchlichen<br />

Arbeit gibt, dies zu verbessern. Die<br />

Menschenrechtsarbeit braucht unser aller<br />

Engagement, denn hier geht es nicht um<br />

Luxusprobleme, sondern um die Bedrohung<br />

der nackten Existenz und der fundamentalen<br />

Rechte von Menschen in unserer<br />

einen Welt, von Brüdern und Schwestern<br />

im einen Glauben an Jesus Christus.<br />

Dr. Heinz Detlef Stäps<br />

Domkapitular


6<br />

D e r g e t e i l t e M a n t e l 2 0 1 1<br />

Ob in Lesotho, Südafrika, Indien oder an anderen Orten dieser Welt – …<br />

Das Thema: „Menschenwürde“.<br />

Von der Würde aller Menschen als Bilder Gottes<br />

„Die Männer sind alle Verbrecher“ – so<br />

beginnt ein Lied aus der 1913 entstandenen<br />

Berliner Posse „Wie einst im<br />

Mai“. „Die Männer sind alle Verbrecher“<br />

– diesen Vers zitieren, meist<br />

scherzhaft, Frauen, wenn sie das Verhalten<br />

von Männern kritisieren, das sie<br />

in ihrem Männerbild bestätigt. Und die<br />

Folge dieses Männerbildes liegt darin,<br />

dass eine Frau keinem Mann über den<br />

Weg trauen sollte. Für die, die daran<br />

glauben: ein Männerbild mit Konsequenzen.<br />

„Frauen sind bessere Diplomaten“ – so lautet<br />

der Titel eines aus dem Jahr 1941 stammenden<br />

Spielfilms, in welchem die Nichte<br />

eines Kasinodirektors versuchen soll, die<br />

Schließung des Kasinos zu verhindern.<br />

„Frauen sind bessere Diplomaten“ – dieser<br />

Satz verleiht der Überzeugung Ausdruck,<br />

dass Frauen taktisch geschickter, vielleicht<br />

klüger, vielleicht raffinierter als Männer<br />

vorgehen, um ein Ziel zu erreichen. Dieses<br />

Frauenbild verlangt den Einsatz von Frauen<br />

in schwierigen diplomatischen Missionen.<br />

Für die, die daran glauben: ein Frauenbild<br />

mit Konsequenzen.<br />

Eines von vielen Männerbildern, eines von<br />

vielen Frauenbildern – und doch sind beide<br />

so geartet, dass damit Konsequenzen einhergehen,<br />

die auf der Hand liegen. Frauenbilder,<br />

Männerbilder, Menschenbilder sind<br />

insbesondere angesichts ihrer Folgen eine<br />

Auseinandersetzung wert.<br />

„Du sollst dir kein Gottesbild<br />

machen.“<br />

Zudem rufe ich die berühmte Warnung in<br />

Erinnerung: „Du sollst dir kein Gottesbild<br />

machen.“ (Ex 20,4 und Dtn 5,8; s. Dtn<br />

27,15) Bilder können einengen, festnageln.<br />

Als Gott buchstäblich festgenagelt<br />

wurde, starb Gott am Kreuz. Das alttestamentliche<br />

Bilderverbot hält eine Kritik<br />

wach, die sich nicht nur auf Gottesbilder<br />

richtet, sondern ebenso auf Menschenbilder.<br />

Denn Bilder können eine solche Macht<br />

ausüben, dass ein Mensch diesem Bild immer<br />

ähnlicher wird und immer weniger<br />

Kraft aufzubringen vermag, es zu sprengen.<br />

Sind Menschenbilder also nicht erst<br />

dann lebensgefährlich, wenn sie menschenunwürdig<br />

ausgestaltet sind? Sind sie<br />

vielmehr schon als solche gefährlich, eben<br />

weil sie einengen, festnageln?<br />

Doch wie kann dann Papst Paul VI. von der<br />

Befreiung durch das Evangelium schreiben,<br />

sie sei „an ein bestimmtes Menschenbild<br />

gebunden, an eine Lehre vom Menschen,<br />

die sie niemals den Erfordernissen irgend<br />

einer Strategie, einer Praxis oder eines<br />

kurzfristigen Erfolges wegen opfern kann“<br />

(„Evangelii nuntiandi“, 1975)?<br />

Und welchen Sinn hat die Forderung der lateinamerikanischen<br />

Bischöfe vier Jahre<br />

später in Puebla: „Das christliche Bild des<br />

Menschen muss bei uns wieder aufgewertet<br />

werden.“? Und wie können politische<br />

Parteien sich in ihren Programmen heute<br />

auf ein „christliches Menschenbild“ beziehen?


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

7<br />

Die einen warnen vor jedem Menschenbild,<br />

die anderen warnen davor, es zu vernachlässigen<br />

– handelt es sich um dasselbe<br />

Bild, das die einen stürmen und die anderen<br />

hochhalten? Gestürmt werden soll und<br />

muss ein Menschenbild, das Inhalte fixiert<br />

und Leben einschränkt, gar tötet. Hochgehalten<br />

werden soll hingegen ein Menschenbild,<br />

das Orientierung schaffen kann<br />

und einen offenen Sinngehalt vorzeichnet,<br />

wie Dietmar Mieth formuliert. Aussagen zu<br />

einem christlichen Menschenbild wollen<br />

nicht beschreiben, nicht festschreiben,<br />

nicht vorschreiben. Solche Aussagen sind<br />

Zusagen, die das Menschenmögliche betreffen<br />

und treffen können. Dieser Sinngehalt<br />

ist offen für Wandlungen und Veränderungen<br />

– etwa des Frauenbildes im Zuge<br />

historischer Prozesse – und treibt zugleich<br />

kontinuierlich die Sinnfrage voran. Dabei<br />

erhält die theologische Diskussion um Bilder,<br />

insbesondere um Menschenbilder, ihre<br />

stärkste Ermutigung und Legitimation dadurch,<br />

dass Gott selbst in seiner Menschwerdung<br />

unüberbietbare Anschaulichkeit<br />

erlangt. <strong>Der</strong> Menschgewordene ist nach<br />

neutestamentlichem Zeugnis „das Ebenbild<br />

des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15).<br />

Und beginnt mit Gottes Menschwerdung<br />

nicht auch unsere Menschwerdung?<br />

Vor diesem Hintergrund fühle ich mich ermächtigt,<br />

ein Menschenbild theologisch zu<br />

skizzieren – im Sinne eines offenen Sinngehaltes,<br />

der die Gefahr von Festschreibungen<br />

zu unterlaufen versucht und zugleich<br />

anerkennt, dass Menschenbilder und<br />

Menschwerdung miteinander verwoben<br />

sind. Zu dieser Skizze sollen fünf Federstriche<br />

gehören, die Menschen weder zum<br />

Tier absinken lassen noch zum selbsternannten<br />

Gott erheben.<br />

Im Anschluss an jene Federstriche ziehe ich<br />

Konsequenzen, wie sie sich aus diesem<br />

Entwurf ergeben: Wonach verlangen und<br />

wen brauchen Menschen zu ihrer Menschwerdung,<br />

zumal dann, wenn sie in ihrer<br />

unantastbaren Würde angetastet wurden?<br />

Aus-sein auf Sinn: Frauen und Männer<br />

als Verweise auf das Geheimnis<br />

des Lebens<br />

<strong>Der</strong> erste Federstrich liegt im ersten Kapitel<br />

der Bibel begründet. Dort heißt es: „Dann<br />

sprach Gott: Lasst uns Menschen machen<br />

als unser Abbild, uns ähnlich ... Gott schuf<br />

also den Menschen als sein Abbild; als Abbild<br />

Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau<br />

schuf er sie.“ (Gen 1,26f) Und im Buch der<br />

Weisheit heißt es: „Gott hat den Menschen<br />

... zum Bild seines eigenen Wesens gemacht.“<br />

(Weish 2,23) Gott schafft Menschen<br />

also nach seinem Bild – und zugleich<br />

dürfen Menschen sich kein Bildnis von Gott<br />

machen. Dabei bringt das „Abbild Gottes“<br />

bzw. die „Statue Gottes“ als altorientalischer<br />

Königstitel Gottes Repräsentanz in<br />

der Welt zum Ausdruck. <strong>Der</strong> biblische Text<br />

greift diese Formel vom Abbild Gottes auf,<br />

führt sie aus ihrem monarchischen Kontext<br />

heraus und demokratisiert sie gewissermaßen,<br />

indem „Abbild Gottes“ zu einem anthropologischen<br />

Titel wird, der jedem<br />

Menschen, jeder Frau und jedem Mann,<br />

zuerkennt, als Bild Gottes tätig zu sein, und<br />

ihnen so eine unverlierbare Würde verleiht.<br />

Die Unverlierbarkeit der menschlichen<br />

Würde unterstreicht der Fortgang des Buches<br />

Genesis dadurch, dass der Mensch<br />

auch nach dem Sündenfall als Abbild Gottes<br />

bezeichnet wird (Gen 9,6).<br />

<strong>Der</strong> Begriff „Abbild“ bringt die Verschiedenheit<br />

von Schöpfer und Geschöpf zum<br />

Ausdruck, aber auch ihre Verbundenheit.<br />

Diese Verbundenheit verweist auf eine<br />

menschliche Offenheit für Bereiche, die die<br />

Grenzen des Gewohnten überschreiten,<br />

letztlich auf das Geheimnis menschlichen<br />

Lebens, das sich nicht festhalten lässt, das<br />

sich zeigt und wieder entzieht, das insbesondere<br />

in Grenzsituationen aufblitzt und<br />

wieder verschwindet. Ich erinnere an die<br />

Erfahrung der beiden Jünger auf ihrem<br />

Weg nach Emmaus: Als sie in ihrem Begleiter<br />

den Auferstandenen erkennen, entzieht<br />

er sich ihnen: „Da gingen ihnen die<br />

Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen<br />

sie ihn nicht mehr.“ (Lk 24,31)<br />

Unterwegs aber waren sie in ihrer Verzweiflung<br />

„wie mit Blindheit geschlagen,<br />

so dass sie ihn nicht erkannten“ (Lk 24,16).<br />

Auch Menschen heute sind oft wie mit<br />

Blindheit geschlagen, in Situationen, deren<br />

Sinn sich allenfalls im Nachhinein erschließen<br />

lässt – wenn überhaupt. Gott lässt sich<br />

quasi nur hinterher sehen und macht sich<br />

rückblickend an den Spuren unserer Wege<br />

ersichtlich. So spricht der Herr zu Mose:<br />

„Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht,<br />

stelle ich dich in den Felsspalt und halte<br />

meine Hand über dich, bis ich vorüber bin.<br />

Dann ziehe ich meine Hand zurück, und du<br />

wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht<br />

aber kann niemand sehen.“ (Ex<br />

33,22f) Nur wenn Menschen zurücksehen,<br />

erschließt sich im zunächst Zufälligen Sinn.<br />

Menschen sind – eingedenk ihrer Grenzen<br />

– offen für das Geheimnis ihres Lebens. Als<br />

Frauen und Männer haben sie zwar das<br />

„Nachsehen“; zugleich sind sie jedoch<br />

leibhaftige Verweise auf das Geheimnis<br />

Gottes (Karl Rahner).<br />

Aus-sein auf Freiheit: Menschen als<br />

freigelassene Geschöpfe<br />

Schöpferisches Handeln, Gebären leiblicher<br />

und geistiger Kinder setzt Freiheit<br />

voraus, Freiräume, die Menschen ein Spiel<br />

ermöglichen, das sie gestalten können.


8<br />

D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Angst kann entstehen, wenn diese Spielräume<br />

eingeengt zu werden drohen. Zur<br />

Menschwerdung von Menschen gehört<br />

dann der Versuch, Spielräume erneut zu<br />

weiten. Aber nicht nur massive und plötzliche<br />

Einengungen, auch fast unbegrenzte<br />

Erweiterungen menschlicher Freiheitsräume<br />

können überfordernd wirken. Menschen<br />

suchen nach Halt, auch nach Grenzen,<br />

die Einhalt gebieten. Schon mancher<br />

mir getan.“ (Mt 25,40) Die Schwestern füge<br />

ich hinzu. Nach biblischem Zeugnis ist<br />

Gott Liebe (1 Joh 4,8). Gott selbst ist Beziehung<br />

– als Vater, Sohn und Geist –, so beziehungsreich,<br />

dass Gott in seiner Menschwerdung<br />

sich selbst mitteilt, Beziehung<br />

schenkt, so dass zwischenmenschliche Begegnungen<br />

zum Ort der Berührung Gottes<br />

werden können. Menschen brauchen die<br />

Liebe ihrer Mitmenschen, sie leben in und<br />

„Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung<br />

Hoffnung aber, die man schon erfüllt<br />

sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man<br />

auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen<br />

wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann<br />

harren wir aus in Geduld.“ (Röm 8,24f).<br />

Diese Zusage aus dem Brief an die Römer<br />

greift ein Lebenselixier des Menschseins<br />

auf, die Hoffnung.<br />

Viele neutestamentliche Bilder sind Hoffnungsbilder,<br />

die uns bei Gott eine Zukunft<br />

verheißen, etwa die Seligpreisungen: „Selig,<br />

die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört<br />

das Himmelreich. Selig die Trauernden;<br />

denn sie werden getröstet werden.<br />

Selig, die keine Gewalt anwenden; denn<br />

sie werden das Land erben ...“ (Mt 5,3ff)<br />

Zugleich denke ich an eine mehrfach überlieferte<br />

Aussage des Evangeliums: „Dann<br />

werden manche von den Letzten die Ersten<br />

sein und manche von den Ersten die Letzten.“<br />

(Lk 13,30 mit Parallelen in Mt 19,30<br />

und Mk 10,31; vgl. Mt 20,16) Dieser Vers<br />

stellt geltende Ordnungen in Frage, wirkt<br />

bedrohlich, löst Angst aus: bei denen, die<br />

nicht recht wissen, wozu sie sich zählen sollen,<br />

zu den Ersten oder zu den Letzten; bei<br />

denen, die sich als Letzte und ohnmächtig<br />

… das Recht auf ein menschenwürdiges Leben ist unteilbar.<br />

Aufbruch in die Freiheit kam ins Stocken,<br />

weil Menschen sich auf dem Weg in ihr<br />

„Gelobtes Land“ zurücksehnten zu den<br />

„Fleischtöpfen Ägyptens“ (Ex 16,3). Und<br />

doch sind Menschen freie Geschöpfe, freigelassen<br />

zur Gestaltung ihrer Freiräume.<br />

aus Beziehungen, global in weltweiter Solidarität.<br />

Aus-sein auf Hoffnung: Menschen als<br />

Zukunftssuchende<br />

fühlen, denn nur manche von den Letzten<br />

werden Erste sein; bei denen, die gern anderen<br />

den Vortritt lassen, um nicht selbst<br />

Verantwortung übernehmen zu müssen;<br />

und bei denen, die sich für die Ersten halten<br />

und nun zu Letzten werden könnten.<br />

Im Neuen Testament fragt Jesus den Gelähmten:<br />

„Willst du gesund werden?“ (Joh<br />

5,6) Eine Lösung aus der Lähmung, ein<br />

Weg zu Heil und Heilung kann offenbar<br />

nicht erzwungen werden, ein solcher Weg<br />

setzt die freie Bereitschaft zu einer Veränderung<br />

voraus: Jesus verordnet ihn nicht.<br />

Aus-sein auf Liebe: Menschen als Mitmenschen<br />

Biblisch meint Liebe zu den Nächsten wirklich<br />

die Nächsten selbst. In der Weltgerichtsrede<br />

(Mt 25,31–46) bindet Jesus<br />

Christus seine Gegenwart in der Geschichte<br />

an die Armen: „Was ihr für einen meiner<br />

geringsten Brüder getan habt, das habt ihr<br />

Diese Aussage zielt auf die Revolution einer<br />

Ordnung, die nichts auf den Kopf, sondern<br />

alles vom Kopf auf die Füße stellt, aufgrund<br />

eines Denkens und Handelns, das herkömmliche<br />

Strukturen durchkreuzt und<br />

mit dem Reich Gottes kommt. Solches<br />

Denken und Handeln kann und will nicht<br />

politisch neutral sein, sondern parteiisch<br />

und solidarisch mit den Letzten, für sie<br />

hoffnungsvoll.<br />

Menschliches Scheitern<br />

Zunächst fasse ich zusammen: Da ist der<br />

Mensch als Geheimnis, das sich nicht fixieren<br />

lässt; da ist der Mensch als freies Geschöpf,<br />

dem Spielräume zur Gestaltung


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

9<br />

aufgegeben sind; da ist der Mensch als Beziehung,<br />

die in der Liebe lebt; da ist der<br />

Mensch als zukünftiger, der von Hoffnung<br />

getragen ist, aber auch schwere Enttäuschungen<br />

erlebt.<br />

Mit den Enttäuschungen deutet sich der<br />

fünfte Federstrich an: Menschen sind vom<br />

Scheitern bedroht. Vielleicht bildet das<br />

Scheitern jedoch keinen fünften Federstrich<br />

neben den anderen vieren, sondern<br />

eher einen Strich durch das Bild eines Menschen,<br />

der nur mit den anderen vieren<br />

rechnen mag. Denn scheitern können<br />

Menschen in jeder der genannten Richtungen:<br />

in der Hoffnung, wenn sie Enttäuschungen<br />

und der Angst vor der Zukunft<br />

weicht; in der Liebe, wenn es zu Kommunikationsstörungen,<br />

zu Beziehungsbrüchen,<br />

zum Verrat kommt; in der Freiheit,<br />

wenn sie entweder sklavisch niedergehalten<br />

wird oder zu bloßer Willkür verkommt;<br />

in der Ausrichtung auf Sinn, wenn menschliches<br />

Verwiesensein auf ein Geheimnis<br />

verdeckt ist, wenn Menschen um ihr Recht<br />

auf Religion gebracht und um Gott betrogen<br />

werden. Für Karl Rahner ist das Christentum<br />

„das Ereignis, das dieses Scheitern<br />

wahr-nimmt und erlösend annimmt“. Damit<br />

wirft er die Frage nach den Konsequenzen<br />

dieses Entwurfs auf. Wonach verlangen<br />

und wen brauchen Menschen zu ihrer<br />

Menschwerdung?<br />

Aus-sein auf Sinn: Frauen und Männer<br />

als Verweise auf das Geheimnis<br />

des Lebens brauchen zu ihrer<br />

Menschwerdung Mystagogen und Inspiratoren<br />

<strong>Der</strong> erste Federstrich zu einem christlichen<br />

Menschenbild zeichnet Menschen als Verweise<br />

auf das Geheimnis ihres Lebens aus.<br />

Dies zeitigt Konsequenzen. Damit Menschen<br />

einander Mensch werden können,<br />

brauchen sie Menschen, die ihnen würdevoll<br />

begegnen, etwa in der Art einer Hebamme.<br />

Eine Hebamme hilft dabei, dass alles,<br />

was nicht oder nur indirekt sichtbar ist<br />

und zur Geburt drängt, ans Licht der Welt<br />

kommen kann. Diese Hebammenkunst<br />

üben sogenannte Mystagogen aus, Menschen,<br />

die schon in vorchristlicher Zeit diejenigen,<br />

die in eine Kultgemeinschaft aufgenommen<br />

werden wollten, in die Geheimnisse,<br />

die Mysterien ihres Kultes einführten.<br />

Mystagogen heute sind Menschen,<br />

die Mitmenschen begleiten und inspirieren,<br />

wenn sie dem Geheimnis, dem<br />

Sinn ihres Lebens auf der Spur sind.<br />

Mystagogen trichtern ihnen ihre Weisheit<br />

nicht ein, sie sorgen vielmehr dafür, dass<br />

ihre Mitmenschen selber auf den Trichter<br />

kommen, ähnlich vielleicht der Heilung einer<br />

kranken Frau, zu der Jesus nicht etwa<br />

sagt: „Ich habe dich geheilt“, sondern:<br />

„Dein Glaube hat dir geholfen.“ (Mk 5,34<br />

mit Parallelen in Mt 9,22 und Lk 8,48)


1 0 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

tretend füreinander ein. Zur Menschwerdung<br />

bedürftiger Menschen tragen diejenigen<br />

bei, die sie vertreten, bis sie selbst<br />

wieder in die für sie offengehaltenen Aufgaben<br />

eintreten können.<br />

Bis dahin braucht es Anwälte als Sprachrohre<br />

für diejenigen, die sich nicht selbst zu<br />

Wort melden können, und Stellvertreter,<br />

die die Vertretenen nicht von ihrem Platz<br />

stirbt, bleiben wir nur dann am Leben,<br />

wenn andere stellvertretend für uns hoffen<br />

– in nah und fern, insbesondere in weltkirchlicher<br />

Arbeit.<br />

Nochmals: menschliches Scheitern<br />

Das Scheitern droht der Hoffnung, wenn<br />

Indien: Frauen engagieren sich ehrenamtlich als Anwältinnen für die Rechte Benachteiligter.<br />

Aus-sein auf Freiheit: Menschen als<br />

freigelassene Geschöpfe brauchen zu<br />

ihrer Menschwerdung Freisetzer und<br />

Mahner<br />

Auch dieser Federstrich zu einem Menschenbild<br />

hat Konsequenzen. Wer zur<br />

Menschwerdung eines Menschen beitragen<br />

will, arbeitet als Freisetzer – vergleichbar<br />

der Figur des Mose als Typus eines Begleiters<br />

und prophetischen Mahners auf<br />

dem Weg in die Freiheit. Und wie Mose<br />

nicht selbst in das Land hinüberzieht (Dtn<br />

34,4), müssen auch Begleiter und Mahner<br />

heute damit rechnen, dass eine Begleitung<br />

an ihr Ende kommt, ohne dass der Begleiter<br />

erfährt, ob Menschen in ihr Gelobtes Land<br />

einziehen werden oder nicht.<br />

Aus-sein auf Liebe: Menschen als Mitmenschen<br />

brauchen zu ihrer Menschwerdung<br />

Stellvertreter und Anwälte<br />

Auch dieser Federstrich zur Skizze eines<br />

Menschenbildes führt zu Konsequenzen.<br />

Im Buch Jesaja heißt es im Rahmen des vierten<br />

Liedes vom Gottesknecht: „Doch er<br />

wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen,<br />

wegen unserer Sünden zermalmt. Zu<br />

unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch<br />

seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,5)<br />

<strong>Der</strong> Gottesknecht steht stellvertretend für<br />

uns ein. Menschen stehen in Liebe stellver-<br />

verdrängen, sondern ihnen diesen Platz offenhalten.<br />

Aus-sein auf Hoffnung: Menschen als<br />

Zukunftssuchende brauchen zu ihrer<br />

Menschwerdung Wegbegleiter<br />

Konsequenzen aus diesem Federstrichzu<br />

einem Menschenbild sind bereits angeklungen.<br />

Menschen brauchen zu ihrer<br />

Menschwerdung Wegbegleiterinnen und<br />

Wegbegleiter, die ihnen zum Leben helfen:<br />

Hoffnung lässt leben – stellvertretende<br />

Hoffnung kann zum Leben helfen. Ein<br />

Wegbegleiter kann streckenweise zum<br />

stellvertretenden Hoffnungsträger werden<br />

für den, der selbst keine Hoffnung mehr<br />

tragen oder ertragen kann und sich nicht<br />

mehr von Hoffnung getragen weiß. Wichtig<br />

ist in schier hoffnungslosen Zeiten, dass<br />

ein Wegbegleiter jedes Fünkchen Hoffnung,<br />

das in einem verzweifelten Menschen<br />

entsteht, vorsichtig brennend hält.<br />

Die Hoffnung stirbt zuletzt – aber wenn sie<br />

keiner da ist, der für mich Hoffnung hat;<br />

der Liebe, wenn keiner da ist, der mir Anwalt<br />

ist; der Freiheit, wenn keiner da ist, der<br />

mich aus Verstrickungen und Schuldzusammenhängen<br />

herauslöst, freisetzt und<br />

mahnt; der Ausrichtung auf Sinn, wenn<br />

keiner da ist, der mir meine verwickelte Lebensgeschichte<br />

auswickelt.<br />

Federstriche mit Konsequenzen<br />

Das Scheitern ist der Strich durch die Rechnung<br />

der anderen vier Striche. Das Scheitern<br />

streicht die anderen Ausrichtungen<br />

aber nicht einfach aus, das Scheitern unter-streicht<br />

vielmehr die Dringlichkeit der<br />

Konsequenzen, die aus diesen Federstrichen<br />

resultieren, zumal dann, wenn ich<br />

von der unantastbaren Würde aller Menschen<br />

als Bilder Gottes ausgehe – seien sie<br />

nun Kinder, Frauen oder Männer, seien sie<br />

bessere Diplomaten oder alle Verbrecher!<br />

Klaus Kießling


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

1 1<br />

Bei den Menschen sein.<br />

Die Stiftung Weltkirche in der<br />

Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> 2012.<br />

„Bei den Menschen sein“: Welche Bedeutung<br />

diese Mission haben kann,<br />

macht auf eindrückliche Weise ein Projekt<br />

deutlich, das im November 2012<br />

mit 10.000 Euro aus Mitteln der Stiftung<br />

Weltkirche in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

gefördert wurde. Es<br />

führt in die mittelgroße Stadt Bijnor im<br />

nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh,<br />

in der mehrheitlich Hindus zuhause<br />

sind, aber auch eine verschwindend<br />

kleine Minderheit von Katholiken,<br />

die der syro-malabarischen Kirche<br />

angehören. Drei Priester der Diözese<br />

Bijnor begriffen es als ihre Mission, etwas<br />

Einschneidendes zu unternehmen,<br />

das geeignet war, das Leiden von vielfach<br />

behinderten jungen Menschen,<br />

um die sich sonst niemand kümmern<br />

wollte, zu lindern.<br />

Pfarrer Benny Thekkekara gründete 2009<br />

in Najibabad, rund 175 km nördlich von<br />

Neu Delhi, die Einrichtung „Prem Dham“,<br />

einen „Hort der Liebe“, und fand in seinen<br />

Mitbrüdern Shibu Thundathil und Baiju<br />

Manniamporayil zwei Mitstreiter. Gemeinsam<br />

kümmern sie sich seitdem um inzwischen<br />

rund 100 Jungen, die völlig hilflos<br />

und auf die Dienste von anderen angewiesen<br />

sind. Manche von ihnen sind seit der<br />

Geburt mit AIDS infiziert, viele bettlägerig<br />

oder gar vollkommen bewegungsunfähig.<br />

Mit der Unterstützung von freiwilligen und<br />

bezahlten Helfern sorgen die Priester Tag<br />

und Nacht für ihre teilweise todgeweihten<br />

Schützlinge – mit einem Ansatz, der die<br />

spirituellen wie die körperlichen Nöte der<br />

Kinder und Jugendlichen anspricht. Beseelt<br />

sind sie vom Gedanken, in ihrer Nächstenliebe<br />

wenigstens zeichenhaft das Reich<br />

Gottes aufscheinen zu lassen. Sie wollen<br />

ihren Mitmenschen ein Vorbild sein, um<br />

das soziale Gewissen der Gesellschaft<br />

wach zu rütteln. Fr. Benny Thekkekara hatte<br />

früher schon in Ghat nahe der Grenze<br />

zu Tibet ein ähnliches Haus für Mädchen,<br />

den „Maria Ashram“, gegründet, wo heute<br />

Schwestern und Freiwillige tätig sind.<br />

Beide Institutionen sind völlig auf Spenden<br />

und Zuwendungen, auch in Form von Naturalien,<br />

angewiesen. Allein „Prem Dham“<br />

benötigt jährlich rund 30.000 Euro.<br />

Um die Versorgung des „Horts der Liebe“<br />

wenigstens für ein Jahr zu sichern und die<br />

Priester vom Spendensammeln zu entlasten,<br />

hat die Stiftung Weltkirche diese Finanzhilfe<br />

gewährt. So können Pfarrer Benny,<br />

Shibu und Baiju noch intensiver bei den<br />

Menschen sein, die sie sich zu ihren Nächsten<br />

gemacht haben (s. Foto auf S. 42).<br />

Auch für die anderen auf die Linderung<br />

menschlicher Notsituationen bedachten<br />

Stiftungen unter dem Dach der Stiftung<br />

Weltkirche fällt die Bilanz der guten Taten<br />

im Jahr 2012 überaus positiv aus:<br />

m Die „Stiftung zur Förderung Pastoraler<br />

Dienste in Übersee“ (PÜD) konnte 2012<br />

in 65 Fällen mit mehr als 708.000 Euro<br />

helfen.<br />

m Acht Entwicklungsfachkräfte wurden<br />

nach Übersee entsandt und bei ihren<br />

Einsätzen in Angola, Ecuador, Kolumbien<br />

und Uganda unterstützt.<br />

m <strong>Der</strong> Jahrgang der Freiwilligen aus der<br />

Diözese, die in Argentinien, Brasilien,<br />

Mexiko, Indien, Südafrika und Thailand<br />

einen mindestens einjährigen Weltkirchlichen<br />

Friedensdienst ableisteten, wurde<br />

mitfinanziert.<br />

m In El Salvador wurde die Ausbildung des<br />

gesamten Priesternachwuchses gefördert<br />

und in zahlreichen Ländern Afrikas,<br />

Asien und Lateinamerikas, Ausbildungsstipendien<br />

vergeben oder Ausbildungsstätten<br />

für pastorale Mitarbeiter renoviert<br />

oder neu gebaut.<br />

m Die „Stiftung Schwestern helfen<br />

Schwestern“ (SHS) vergab 2012 u. a.<br />

Zuschüsse in Höhe von rund 275.000<br />

Euro für 57 Vorhaben von bedürftigen<br />

Schwesterngemeinschaften. Darunter<br />

waren auch Studienstipendien für<br />

Schwestern aus der Volksrepublik China,<br />

der Demokratischen Republik Kongo,<br />

Uganda und Indien.<br />

m Zuschüsse von insgesamt 75.000 Euro<br />

wurden 2012 aus den Stiftungen „El<br />

Maestro en Casa“ (MEC) und „Pater<br />

Franz von Tattenbach SJ“ für Guatemala<br />

bewilligt. Diese Hilfsgelder sorgen durch<br />

die finanzielle Absicherung des Radio-<br />

Ausbildungsinstituts IGER, dafür, dass<br />

Frauen und Männer, denen ansonsten<br />

ein Schulbesuch verwehrt bliebe, in<br />

Guatemala staatlich anerkannte Bildungsabschlüsse<br />

und gesellschaftliche<br />

Aufstiegschancen erlangen können.<br />

Johannes Bielefeld


1 2 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Reportagen aus der Einen Welt.<br />

Gefährdetes Leben<br />

Menschenrechte von Frauen in Indien<br />

Folgt man den Zahlen der Vereinten<br />

Nationen, so ist Indien der gefährlichste<br />

Ort, wenn man mit weiblichem Geschlecht<br />

geboren wird. Mädchen müssen<br />

im Durchschnitt doppelt so häufig<br />

sterben wie Jungen, bevor sie das fünfte<br />

Lebensjahr erreichen. Das ist eine bekannte<br />

Tatsache und gilt sowohl für<br />

Gebildete als auch für Analphabeten.<br />

Bei beiden ist das „Sohn-Syndrom“<br />

sehr verbreitet. <strong>Der</strong> nahezu 3.000 Jahre<br />

alte Brauch, die Geburt eines Sohnes zu<br />

feiern und die Geburt eines Mädchens<br />

zu verachten, kann nicht so einfach aus<br />

der Denkweise unserer Bevölkerung<br />

entfernt werden.<br />

Gewalt gegen Frauen ist in Indien<br />

endlich zum öffentlichen Thema geworden<br />

Wir haben bis jetzt keine richtige Pädagogik<br />

gefunden, um in unserem Land diese<br />

viel besprochenen Gesetze zum Schutz der<br />

Frauen kritisch zu implementieren.<br />

Mutige Frauen nehmen den gesellschaftlichen<br />

Wandel in die Hand<br />

Unsere Kulturen und sozialen Gewohnheiten<br />

sind von einer inhärenten Voreingenommenheit<br />

gegen Frauen geprägt. Zumeist<br />

machen sie diese unfrei und mischen<br />

sich störend in ihr Leben ein. Wir haben<br />

nicht gelernt, kritisch zu sein gegenüber<br />

dem, was in unseren Kulturen falsch ist.<br />

Und ohne Vorbehalt folgen wir blind dem,<br />

was uns überliefert worden ist, und übergung<br />

von Kindern in erheblichem Maße zu.<br />

Das heißt keineswegs, dass diese Dinge<br />

früher besser gewesen wären als sie heute<br />

sind. Es bedeutet nur, dass nach der Vergewaltigung<br />

der jungen Frau – ihr Name Nirbhaya<br />

ist zum Symbol geworden – am 16.<br />

Dezember 2012 in New Dehli solche Geschehnisse<br />

in riesigem Ausmaß veröffentlicht<br />

zu werden begannen. Tatsachlich bereitete<br />

dieses Verbrechen den Weg dafür,<br />

das Problem zum öffentlichen Thema zu<br />

machen. Heute gibt es Massenbewegungen<br />

von Studierenden, Sozialaktivisten<br />

und Menschen guten Willens unterschiedlichster<br />

Art, um nach den Vergewaltigungsfällen<br />

von Nirbhaya (die gestorben<br />

ist) und Gudia (ein fünf Jahre altes Mädchen,<br />

das noch um sein Leben kämpft) der<br />

Würde von Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen.<br />

Gesetze zum Schutz der Frauen gibt<br />

es reichlich – aber sie werden nicht<br />

umgesetzt<br />

Es ist nicht so, dass in Indien ein Mangel<br />

herrschte an Gesetzen, um die Würde von<br />

Frauen von der Wiege bis zum Grab zu<br />

schützen und zu wahren. Nur sind sich die<br />

meisten Frauen der Existenz von Menschenrechten<br />

nicht einmal bewusst, geschweige<br />

denn, dass diese dazu da sind, sie<br />

zu schützen. Andererseits gibt es trotz dieser<br />

Gesetze genügend Gesetzesbrecher –<br />

Polizeikräfte, Justizsystem und Politiker<br />

eingeschlossen. Selbst Akteure wie die Polizei,<br />

deren Aufgabe der Schutz des Gesetzes<br />

ist, nehmen Frauen nicht ernst, und<br />

sehr oft nehmen sie ihre Fälle nicht einmal<br />

zu Protokoll, so dass ein Verfahren in Gang<br />

gebracht werden könnte, das sich mit den<br />

Verbrechen gegen die Frauen befasst.<br />

Heute verändert sich ein Teil unserer indischen<br />

Gesellschaft leider zu einer Gesellschaft<br />

von Vergewaltigern, Entführern,<br />

Mördern, Anstiftern zum Suizid und anderes<br />

mehr. Vergewaltigungsopfer erfahren<br />

oft nur schwer Gerechtigkeit. Eher werden<br />

sie stattdessen noch bestraft und durch<br />

peinliche Fragen und Darstellungen in den<br />

Medien, bei der Polizei oder vor Gericht gedemütigt!<br />

Jeden Tag bringen unsere Medien<br />

diese schrecklichen Nachrichten von<br />

Vergewaltigungen oder gar Massenvergewaltigungen,<br />

davon, dass Mädchen und<br />

Frauen getötet oder in den Selbstmord getrieben<br />

werden. Ziele solcher Verbrechen<br />

sind hauptsächlich junge Mädchen und<br />

Frauen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren.<br />

Zurzeit nehmen Fälle der Vergewalti-<br />

Prof. Dr. Clemens Mendonca.


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

1 3<br />

Eine Ausbildung kann Frauen davor schützen, körperliche Schwerstarbeit leisten zu müssen.<br />

haben, bringt das einen Unterschied in der<br />

Gestaltung des Familienlebens und in der<br />

Erziehung ihrer Kinder mit sich. Im Kreis<br />

ausgebildeter Frauen lässt sich ein schrittweiser<br />

Wandel hin zum Besseren im Blick<br />

auf die Würde von Frauen feststellen.<br />

„Pflück mich nicht – lass auch mich blühen“ –<br />

liefern es weiter an die nächsten Generationen.<br />

Frauen selbst können zu ausgesprochenen<br />

Vertreterinnen einer Perpetuierung<br />

dieses patriarchalischen Systems<br />

werden.<br />

Frauen aus unseren Kulturen müssen ihre<br />

Rechte und ihre Würde sehen und erkennen.<br />

<strong>Der</strong> beste Weg, um die gegenwärtige<br />

Situation zu verbessern, besteht aus wenigen<br />

Worten: „Schule und Ausbildung für<br />

Mädchen“. Wenn Frauen eine Ausbildung<br />

<strong>Der</strong>zeit entstehen überall auf dem Globus<br />

ungezählte Initiativen des Frauen-Empowerments.<br />

Indien steht bei diesen positiven<br />

Initiativen nicht hintan. In vielen abgelegenen<br />

indischen Dörfern haben einfache<br />

Frauen ohne Schulbildung etwas in Bewegung<br />

gebracht und das kleine Gemeinwesen,<br />

in dem sie leben, verändert. Vielerorts<br />

stellen andere die traditionellen Bräuche<br />

und das morbide Patriarchatssystem in Frage.<br />

Viele von ihnen werden schwer bestraft;<br />

trotzdem aber gewinnt diese Bewegung<br />

Tag für Tag mehr an Bedeutung. Endlich<br />

ist der Wandel in der Hand der Frauen!<br />

Clemens Mendonca<br />

(aus dem Englischen übers. v. Thomas<br />

Broch)<br />

Mädchen sind immer noch häufig von Abtreibung<br />

und Kindstötung bedroht.


1 4 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Hoffnung für Entrechtete<br />

Indische Schwestern stärken Würde und Rechte von Frauen<br />

Sr. Noelline Pinto, die „Mutter Teresa von Pune“.<br />

Von indischen Frauenorden zu sprechen<br />

heißt, von Hoffnung für Entrechtete<br />

zu sprechen. Viele der Gemeinschaften<br />

dort haben sich nach der Ordensreform<br />

des II. Vatikanischen Konzils<br />

grundlegend verändert und richten<br />

ihre ganze Kraft und Kreativität darauf,<br />

die entrechteten Mädchen und<br />

Frauen in ihren Rechten und in ihrer<br />

Würde zu stärken. Durch diese Neubesinnung<br />

sind die Frauenorden in Indien<br />

– und nicht nur dort – zu einer starken<br />

humanisierenden Kraft in der Gesellschaft<br />

geworden. Dass gerade Frauen<br />

es sind, die die Frauen stärken und ihnen<br />

zu besserem Ansehen verhelfen, ist<br />

revolutionär und stellt die weithin patriarchalischen<br />

gesellschaftlichen Normen<br />

Indiens auf den Kopf. Für manche<br />

Schwestern ist es mit hohem Risiko verbunden.<br />

Eine 16-köpfige Gruppe in der Eine-Welt-<br />

Arbeit engagierter Frauen und Männer aus<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> war im<br />

Oktober 2012 zwei Wochen im indischen<br />

Bundesstaat Maharashtra unterwegs und<br />

hat erlebt, was Frauen für Frauen bewirken<br />

können. Unter anderem haben die Gäste<br />

aus Deutschlands Süden die durch die Di-<br />

özese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> unterstützten<br />

Projekte H.O.P.E., Women’s Welfare Centre<br />

und MAHER in und bei Pune besucht,<br />

ebenso Ashankur in Bhokar bei Shrirampur,<br />

mit dem die <strong>Rottenburg</strong>er St.-Moriz-<br />

Gemeinde partnerschaftlich verbunden ist.<br />

Zum Beispiel H.O.P.E. – Hoffnung für<br />

Hoffnungslose<br />

Als „Mutter Teresa von Pune“ hat man Sr.<br />

Noelline Pinto von der Kongregation der<br />

„Sisters of the Cross of Chavanod“ bezeichnet.<br />

Seit fast 40 Jahren initiiert sie in<br />

der Sechs-Millionen-Stadt Pune soziale Arbeit.<br />

Die 1927 in Goa geborene Ordensfrau<br />

gründete 1974 die Organisation H.O.P.E.,<br />

so lautet die Abkürzung von „Human Organization<br />

for Pioneering in Education“.<br />

Das stille kleine Haus aus roten Ziegeln mit<br />

Mit Kunsthandwerk tragen Frauen zum Familieneinkommen<br />

bei.<br />

dem zentralen Gottesdienst- und Versammlungsraum<br />

im Stadtteil Vadgaon<br />

Sheri ist der Geburtsort vielfältigster kirchlicher<br />

Initiativen in Maharastra. Wie Sr. Noelline<br />

berichtet, wurde H.O.P.E. von Anfang<br />

an durch die Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<br />

<strong>Stuttgart</strong> unterstützt. Mit Prälat Eberhard<br />

Mühlbacher weiß sie sich heute noch verbunden.<br />

Die Grundlagen von H.O.P.E., so stellt sich<br />

die Organisation selbst dar, sind ein auf<br />

Hoffnung gegründeter Umgang mit der<br />

Schöpfung, die Liebe zum Menschen und<br />

der Glaube an das Göttliche. Die Früchte<br />

dieser Grundhaltung sind eigene Freiheit<br />

und Freiheit für einander, solidarische Verbundenheit<br />

mit der Natur sowie mit den<br />

Einsamen und Verlassenen und schließlich<br />

soziale Gerechtigkeit, die soziale Missstände<br />

bekämpft und eine humanere Gesellschaft<br />

schafft. Die Menschen, so betont Sr.<br />

Noelline, müssen aufgeweckt werden –<br />

und zwar in sozialer, politischer, kultureller<br />

und religiöser Hinsicht.<br />

Frauenbildung legt die Fundamente<br />

einer humaneren Gesellschaft<br />

Ansatzpunkt für diese Entwicklung, so erläutert<br />

Sr. Noelline, ist die Bildungsarbeit<br />

mit den Frauen, die als „Bürger zweiter<br />

Klasse“ am meisten unterdrückt werden,<br />

während sich die Ehemänner wie Götter<br />

gebärden. Frauen zu bilden bedeutet, Familien<br />

zu bilden und durch sie die Gemeinden,<br />

die Grundsteine der Gesellschaft. Dazu<br />

ist es zuerst einmal nötig, gegen den Fatalismus,<br />

der im Hinduismus dem Gesetz<br />

des Karma entspringt und die Menschen


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

1 5<br />

lähmt, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln,<br />

dass die Frauen für sich und ihre Familien<br />

aktiv Verantwortung übernehmen<br />

müssen. Um dies zu realisieren, organisieren<br />

sie sich in Selbsthilfegruppen und setzen<br />

sich gemeinsame soziale Ziele. Sie qualifizieren<br />

sich für berufliche Tätigkeiten und<br />

generieren ein eigenes Einkommen. Häufig<br />

fertigen sie Handarbeiten an; deren Verkauf<br />

gibt ihnen Geld in die Hand, das stützt<br />

v. a. ihre soziale Anerkennung.<br />

Von zentraler Bedeutung ist dabei auch eine<br />

ganzheitliche Entwicklung der Kinder<br />

durch Schulbildung oder durch Gesundheitsvorsorge.<br />

Eine ausreichende Infrastruktur,<br />

an erster Stelle der Zugang zu sauberem<br />

Wasser, ist eine wesentliche Voraussetzung.<br />

In den ländlichen Regionen sind<br />

die Frauen oft zwei bis drei Kilometer zu<br />

Fuß unterwegs, um Wasser zu holen.<br />

Selbstbewusste Frauen können endlich<br />

auch in die politische Auseinandersetzung<br />

eintreten und sich für ihre eigenen Rechte<br />

einsetzen bzw. gegen unsoziale Strukturen<br />

und Personen und gegen Unterdrückung<br />

aufstehen. Wie diese Unterdrückung aussehen<br />

kann, schildert Sr. Noelline an einem<br />

fast unglaublichen Beispiel: Immer wieder<br />

kommt es vor, dass Männer ihre Ehefrauen<br />

misshandeln oder gar töten, wenn sie das<br />

Brot nicht zu einem genügend günstigen<br />

Preis einkaufen.<br />

Gegen das Elend der Hausgehilfinnen<br />

Sr. Flory, Juristin und Nachfolgerin von Sr.<br />

Noelline, erläutert diese konzeptionellen<br />

Grundsätze an konkreten Beispielen. Da ist<br />

zum einen die Gründung einer Gewerkschaft<br />

für Hausgehilfinnen, um sie vor Ausbeutung<br />

zu schützen, um etwa ihren Urlaubsanspruch<br />

durchzusetzen oder um dafür<br />

zu sorgen, dass ihnen Krankheitstage<br />

nicht als Urlaub angerechnet werden.<br />

Etwa 2.000 Frauen im Verantwortungsbereich<br />

von H.O.P.E. verrichten diesen<br />

schlecht bezahlten Dienst bei den Familien<br />

der Upper Class. Für ihre Arbeit in durchschnittlich<br />

fünf oder sechs Häusern verdienen<br />

sie im Monat etwa 3.000 Rupien, also<br />

etwas über 43 Euro. Rund 500 Mitglieder<br />

mit einem Jahresbeitrag von 60 Rupien (=<br />

ca. 0,87 Euro) zählt derzeit die Hausgehilfinnen-Gewerkschaft.<br />

Die Frauen organisieren<br />

sich mit Hilfe der Schwestern in kleinen<br />

Gruppen, die sich monatlich treffen.<br />

Wenn sich die Gruppen stabilisiert haben,<br />

werden sie in die eigene Verantwortlichkeit<br />

entlassen.<br />

Ein wichtiges Instrument: Kleinkredite<br />

für Frauen<br />

Frauen zu bilden bedeutet Familien zu bilden und damit die Gemeinden.<br />

Auch eine Genossenschaftsbank und die<br />

Vergabe von Kleinkrediten gehören zu den<br />

Leistungen dieser Gewerkschaft. Solche<br />

Kleinkredite, deren Idee auf den Wirtschaftswissenschaftler<br />

und Friedensnobelpreisträge<br />

Muhammad Yunus aus Bangladesh<br />

zurückgeht, sind ein System der Hilfe<br />

zur Selbsthilfe und stellen für viele Frauen<br />

die Grundlage dafür her, dass sie sich mit<br />

der Produktion von Handarbeiten im Ein-<br />

Frau-Betrieb selbständig machen können.<br />

Die Frauen, so erleben es die schwäbischen<br />

Besucherinnen und Besucher in mehreren<br />

Projekten, legen geringe Geldbeträge –<br />

100 Rupien (= ca. 1,43 Euro) im Monat –


1 6 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Mit mobilen Angeboten begleiten die Schwestern<br />

die Familien der Wanderarbeiter von Großbaustelle<br />

zu Großbaustelle.<br />

auf einer genossenschaftlich organisierten<br />

Sparkasse an. Hier können sie dann Kleinkredite<br />

von jährlich 2.000 Rupien (= ca. 29<br />

Euro) erhalten, die es ihnen ermöglichen,<br />

eine Nähmaschine, Stoffe oder andere Materialien<br />

zu beschaffen und eine Erwerbstätigkeit<br />

aufzunehmen, mit der sie ihre Familie<br />

ernähren und zum Familieneinkommen<br />

beitragen können. Auch die Kleinkredite<br />

können sie damit zurück erstatten. Die<br />

erforderlichen Fähigkeiten erlernen sie im<br />

Unterricht bei den Schwestern. Wie „große<br />

Schwestern“ sind diese für die Frauen.<br />

„Sun City“ – und wer den Preis dafür<br />

bezahlt<br />

Eine anderes Beispiel für die Arbeit von<br />

H.O.P.E. – exemplarisch für die sozialen Aktivitäten<br />

der indischen Frauenorden – ist<br />

die Unterstützung von Wanderarbeitern,<br />

die mit ihren Familien von Großbaustelle zu<br />

Großbaustelle ziehen. „Sun City“ heißt einer<br />

dieser Komplexe ganz in der Nähe der<br />

Zentrale von H.O.P.E. – ein großes Neubauquartier<br />

mit zahlreichen mehrstöckigen<br />

Appartmenthäusern und einem großzügig<br />

angelegten zentralen Platz mit Kaskadenbrunnen,<br />

eingefriedet mit einer Mauer, mit<br />

Schranken und Wachposten am Eingang.<br />

Überall in den indischen Großstädten und<br />

an ihren Rändern sieht man solche Bauvorhaben<br />

mit ähnlich wohlklingenden Namen,<br />

die sich über den Slums der Armen<br />

erheben und diesen signalisieren, dass sie<br />

über kurz oder lang ihre Elendshütten räumen<br />

müssen und Platz machen für Wohnungen,<br />

deren Miete für sie unerschwinglich<br />

ist, und für Leute, von deren Lebensstandard<br />

sie nur träumen können.<br />

Für die Wanderarbeiter – Angehörige der<br />

untersten Kasten oder der Ureinwohnerschaft,<br />

die oft von weit herkommen, um eine<br />

Arbeitsmöglichkeit zu erhalten – unterhalten<br />

die Schwestern eine mobile Kinderkrippe,<br />

die mit ständig wechselnden Baustellen<br />

mitzieht und Kinder ab dem Alter<br />

von 15 Tagen aufnimmt.<br />

Außerdem gibt es dort eine Pre-School<br />

für die Vorschulkinder und eine Regular-<br />

School, in der die Kinder in der regionalen<br />

Sprache unterrichtet werden, die in den Familien<br />

gesprochen wird. Die Kinder werden<br />

hier auch über den Unterricht hinaus versorgt<br />

und erhalten regelmäßig Mahlzeiten.<br />

Den Eltern werden Englisch- und Computerkurse<br />

angeboten, um ihnen Chancen<br />

für eine bessere Qualifizierung zu eröffnen.<br />

Netzwerkarbeit für Frauen- und Kinderrechte<br />

Solche Ausbildungsangebote hält H.O.P.E.<br />

auch für allein erziehende Frauen vor. Aus<br />

vielfältigen Gründen können sie in diese Situation<br />

geraten: Die Ehemänner sind verstorben<br />

oder – noch häufiger – haben sie<br />

verlassen; sie sind Opfer sexueller Gewalt<br />

geworden und sind nun mit dem aus einer<br />

erzwungenen Schwangerschaft hervorgegangenen<br />

Kind alleine und auf sich selbst<br />

gestellt. In so genannten Shelters, geschützten<br />

Wohn- und Lebensräumen, können<br />

sie gemeinsam leben, Freundschaften<br />

schließen, durch solidarisches Miteinander<br />

Unterstützung und Förderung erfahren.<br />

Den Kindern werden dort samstags besondere<br />

Creativity Classes angeboten, in denen<br />

sie in Musik, Tanz oder Spielen ihre Fähigkeiten<br />

zur Entfaltung bringen können<br />

und Werte wie soziales Verhalten und Integration<br />

in die Gesellschaft erfahren und<br />

erlernen.<br />

Ebenso wie andere kirchlich-karitative Initiativen<br />

leistet auch H.O.P.E. gemeinsam<br />

mit anderen Organisationen aktive Netzwerkarbeit<br />

für Kinderrechte, besonders um<br />

die jungen Menschen vor Kinderarbeit,<br />

Kinderehen und sexuellem Missbrauch zu<br />

schützen.<br />

Thomas Broch<br />

Die Dokumentation zur Exposure-<br />

Reise in den indischen Bundesstaat<br />

Maharastra vom 15. bis 30. Oktober<br />

2012 mit dem Titel „<strong>Der</strong> Reichtum<br />

der Armen“ kann in pdf-Format<br />

per E-Mail oder als DVD bezogen<br />

werden über tbroch@bo.drs.de


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

1 7<br />

Geraubtes Land<br />

Die Landreform Brasiliens steckt in der Sackgasse<br />

Die Landreform Brasiliens, einst mit<br />

Hoffnungen verbunden, ist durch aktuelle<br />

politische Entwicklungen in eine<br />

Sackgasse geraten. Die brasilianische<br />

Gesellschaft erfuhr in den Jahren nach<br />

2000 die Ausbreitung der großen Sojabohnen-Farmen<br />

im Amazonas Gebiet.<br />

Dafür sollte das brasilianische Waldschutzgesetz<br />

verändert werden. <strong>Der</strong><br />

Streit ging um 60 Millionen Hektar Urwald,<br />

der zwecks Anbau von Sojabohnen<br />

entwaldet werden sollte. Ferner<br />

wurden Eukalyptus- und Kiefermassenwälder<br />

für die Erzeugung von Zellulose<br />

angelegt. Es kam zusätzlich noch zu einer<br />

schnellen Ausdehnung von Zuckerrohrgroßgrundbesitzen<br />

im Südosten<br />

und Mittelosten Brasiliens, die den<br />

ganzen Bundesstaat São Paulo zu einer<br />

riesigen Zuckerrohrplantage gemacht<br />

hatten. So zog die Rinderzucht und die<br />

Milchwirtschaft aus dieser Region fort<br />

in den Süden Brasiliens.<br />

Die Landreform ist praktisch stillgelegt<br />

Diese Entwicklung hat die Landreform in<br />

ganz Brasilien praktisch stillgelegt. Die Enteignung<br />

nicht produzierenden Bodens<br />

wurde nicht mehr weiterverfolgt. <strong>Der</strong> Einfluss,<br />

der von den mehr als 120.000 Familien<br />

der Landlosen in ihren Zeltstädten ausging,<br />

als es darum ging, wirksamen Druck<br />

auf die Landreform bei den Politikern auszuüben,<br />

konnte vernachlässigt werden.<br />

Brasilien ist weiterhin das Land mit der ungerechtesten<br />

Eigentumsstruktur der Welt.<br />

Die großen Fazendas mit über 1.000 Hektar<br />

Land, die nur 0,9 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe<br />

ausmachen, kontrollieren<br />

dennoch 44 Prozent der Landflächen. Andererseits<br />

machen die Besitzer mit einer<br />

landwirtschaftlichen Fläche von nur bis zu<br />

10 Hektar über 48 Prozent aus. Sie kontrollieren<br />

aber lediglich 2,3 Prozent der Landflächen.<br />

Die Macht des „agronegócio“<br />

Es ist undenkbar, einen Staat als demokratisch<br />

zu bezeichnen, wenn sich die Verteilung<br />

des Reichtums in so ungerechten Bodenverhältnissen<br />

widerspiegelt. Die uralten<br />

Machtstrukturen, die von der Kontrolle<br />

des Landes ausgingen, sind nach wie vor<br />

präsent. Es sind die konservativen Oligarchien,<br />

die jetzt als „Agrarunternehmer“<br />

und mit dem modernen Begriff „agronegócio“<br />

betitelt werden. Sie zwingen die<br />

Nation dazu, den Status als vorzüglicher<br />

Rohstoffwaren-Exporteur aufrechtzuerhalten.<br />

Dies geschieht alles im Namen der Erhaltung<br />

dieses Systems und um die Logik<br />

der durch das spekulative Finanzkapital erworbenen<br />

Gewinne zu verteidigen.<br />

Das Volk verlangt eine gesündere Ernährung<br />

Nichtsdestoweniger gibt es Zeichen, dass<br />

die brasilianische Gesellschaft aus ihrem<br />

„Agronegócio-Traum“ erwacht. Sie fängt<br />

an zu verstehen, dass dieses landwirtschaftliche<br />

Modell, das so geleitet wird und<br />

für das Finanzkapital funktioniert, in großem<br />

Maße für die Naturressourcen schädlich<br />

ist, weil es kaum Lebensmittel für den<br />

Eigenmarkt im Land produziert und diese<br />

dann auch noch mit Pestiziden stark vergiftet<br />

sind.<br />

Darüber hinaus fangen die Brasilianer an,<br />

die komplizierten Beziehungen zwischen<br />

diesem Agrarmodell und den Lebensmittelindustrien<br />

zu verstehen. Diese Beziehung<br />

erzeugt Waren statt Nahrung und<br />

löst allerlei Krankheiten aus, wovon einige<br />

sogar zu ernsten öffentlichen Gesundheitsproblemen<br />

werden. Das Volk verlangt<br />

eine gesündere Ernährung.<br />

Landreform: tragende Säule für die<br />

Entwicklung des Landes<br />

Wenn man die Idee und die Fahne der<br />

Landreform wieder in den Mittelpunkt der<br />

brasilianischen Gesellschaft stellen will,<br />

muss man die Reform in Beziehung zu diesen<br />

Themen betrachten und dabei deutlich<br />

machen, dass die Landreform eine tragende<br />

Säule für die Entwicklung des Landes ist.<br />

Es bedarf dafür der Beteiligung einer breiteren<br />

Sozialschicht, über die landlosen Familien<br />

hinaus. Dies verlangt ein Bündnis<br />

mit den Arbeitenden aus den Städten und<br />

anderen Teilen der Volksbewegung.<br />

Adalberto Martins<br />

(aus dem Portugiesischen übers. v. Klaus-<br />

Jürgen Kauß)


1 8 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Portraits – Interviews – Begegnungen.<br />

Die Kunst, Geduld zu üben<br />

Interview mit Hermine Burger in Angola<br />

Hermine Burger arbeitet seit November<br />

2010 als Entwicklungsfachkraft für<br />

die Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> in<br />

Luanda, Angola. Frau Burger ist Gemeindereferentin<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>.<br />

Können Sie kurz Ihre Arbeitsfelder<br />

beschreiben?<br />

Menschen-, Frauen- und Kinderrechten,<br />

Hygiene, gesunde Ernährung und Sofortmaßnahmen<br />

bei den häufigsten Krankheiten<br />

wie Durchfall, Malaria... Nachdem die<br />

Frauen Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt<br />

haben, können sie an Einkommen<br />

schaffenden Maßnahmen wie Backkurse<br />

und Geschäftsführungskurse von Kleinunternehmen<br />

teilnehmen.<br />

Im Bereich Gesundheit gebe ich in verschiedenen<br />

Provinzen Kurse in natürlicher Medizin<br />

für Multiplikatorinnen. Die Teilnehmerinnen<br />

lernen aus Heilpflanzen Tees,<br />

Salben, Öle und Seifen herzustellen und<br />

die wichtigsten Krankheiten mit tropischen<br />

Pflanzen zu behandeln. Dieses Wissen geben<br />

die Frauen dann in ihren Gemeinden<br />

weiter. Man muss dabei bedenken, dass<br />

nur etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung<br />

Zugang zur Basisgesundheitsversorgung<br />

hat.<br />

Die Frauen können durch den Verkauf der<br />

selbst hergestellten Medikamente einerseits<br />

zu einem höheren Familieneinkommen<br />

beitragen und andererseits die gesundheitliche<br />

Situation in einem Viertel<br />

verbessern.<br />

Was hat sie bei Ihrem Einsatz als Entwicklungsfachkraft<br />

besonders beeindruckt?<br />

Am meisten beeindrucken mich die Frauen,<br />

die morgens von 6.30 bis 8.30 Uhr zu<br />

den Alphabetisierungskursen kommen.<br />

<strong>Der</strong> Krieg hat ihre Schulbildung verhindert.<br />

Das versuchen sie nun nachzuholen. Anschließend<br />

gehen sie auf den Markt, um ihre<br />

Waren zu verkaufen, oder sie laufen als<br />

Zungueiras (fliegende Straßenhändlerinnen)<br />

mit den Waren auf dem Kopf den<br />

ganzen Tag durch die Straße, auf der Suche<br />

nach Käufern. Ihre Männer arbeiten in der<br />

Regel als Wachleute und haben auch nur<br />

ein kleines Einkommen. Neben Nahrungsmitteln,<br />

Kleidung und Wohnung müssen<br />

die Eltern viel Geld aufbringen, um die<br />

Schulgebühren für die Kinder zu bezahlen,<br />

da es nicht genügend staatliche Schulen<br />

gibt. Wird jemand krank, wird die finanzielle<br />

Situation noch schwieriger, da Behandlungskosten<br />

und Medikamente bezahlt<br />

werden müssen. Viele Frauen sind<br />

auch allein für die Familie verantwortlich,<br />

da der Mann sie verlassen hat und keinen<br />

finanziellen Beitrag mehr leistet.<br />

Ich koordiniere Frauenbildungs- und – gesundheitskurse<br />

für Migrantinnen im Auftrag<br />

des Ordens der Scalabrini-Missionarinnen.<br />

Zu meinen Aufgaben gehört u. a. die<br />

Organisation und Begleitung von Alphabetisierungskursen<br />

für Frauen und Kinder, deren<br />

Eltern keinen Schulplatz bezahlen können.<br />

Auf Grund des jahrzehntelangen Krieges<br />

können nur 54 Prozent der Frauen lesen<br />

und schreiben. Das Alphabetisierungsprogramm<br />

beinhaltet auch Vorträge zu<br />

Im April wurde die Kongregation gebeten,<br />

ein Seminar zur Bekämpfung von Gewalt<br />

in der Provinz Uíge im Norden Angolas<br />

durchzuführen. Meine Aufgabe war es, ein<br />

dreitägiges Seminar zur „Gewaltfreien<br />

Kommunikation“ anzubieten. An diesem<br />

nahmen Lehrer, Schüler, sowie Vertreter<br />

aus verschiedenen Kirchen und Parteien<br />

teil. Geplant sind weitere Kurse in diesem<br />

Bereich, da die Folgen des langen Krieges<br />

jetzt immer deutlicher spürbar werden.<br />

Mich beeindruckt, wie diese Frauen mit<br />

den tagtäglichen Schwierigkeiten fertig<br />

werden, wie sie ihr Leben in Angriff nehmen,<br />

um ihren Kindern eine bessere Zukunft<br />

zu bieten und wie sie sich in dieser<br />

Situation von Gott getragen und gestützt<br />

fühlen.


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

1 9<br />

Frauenchor beim Sonntagsgottesdienst in Luanda.<br />

Wie fast überall haben auch in Angola die Frauen …<br />

Hermine Burger mit der in Südafrika tätigen Sießener Franziskanerin Sr. Electa Wild und dem südafrikanischen<br />

Lehrer Georgino Beethoven bei einem Friedenskongress im Jahr 2011 in Luanda.<br />

Worin sehen Sie die größte Herausforderung<br />

bei Ihrer Arbeit?<br />

Eine Herausforderung ist für mich, Geduld<br />

zu üben. Das kann ich z. B. im Straßenverkehr.<br />

Täglich gibt es hier lange Staus oder<br />

mit der chaotischen Fahrweise der anderen<br />

Verkehrsteilnehmer. Eine weitere Herausforderung<br />

ist die ganze Arbeitsweise. In<br />

Deutschland soll ja alles immer ganz<br />

schnell gehen. Es wird deshalb immer genau<br />

geplant, um möglichst effektiv zu arbeiten.<br />

Hier ist die Herangehensweise anders.<br />

Man muss den Tag mehr auf sich zukommen<br />

lassen und dann sehen, was möglich<br />

ist.<br />

ist unmöglich. In ganz konkreten Einzelfällen<br />

gilt es Menschen direkt zu helfen. Ebenso<br />

geht es um die großen Projekte, in denen<br />

ich für viele verantwortlich bin. Beidem<br />

gilt es gerecht zu werden und dennoch die<br />

eigenen Grenzen nicht zu überschreiten.<br />

Das ist vielleicht die größte Herausforderung<br />

für mich.<br />

Das Interview führte Klaus-Jürgen Kauß<br />

Die Not und die Bedürftigkeit sind sehr<br />

groß. Allem und allen gerecht zu werden,<br />

… die Hauptlast bei der Bewältigung<br />

des täglichen Lebens zu tragen.


2 0 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Menschenwürde<br />

Eindrücke einer jungen Frau, die als Freiwillige ein Jahr in Indien gelebt hat<br />

Ein Jahr lang, von August 2011 bis August<br />

2012, hat Sarah Schabert Freiwilligendienst<br />

in Indien geleistet. Für den<br />

„Geteilten <strong>Mantel</strong>“ hat sie geschildert,<br />

wie sie dort Menschenwürde, deren<br />

Wahrung und deren Gefährdung, erlebt<br />

hat. Sie hat dabei einen eigenen<br />

und manchmal überraschend anderen<br />

Blick auf manche Besonderheit dieses<br />

vielgestaltigen Landes.<br />

Unser Verständnis von Menschenwürde<br />

kann zu Fehleinschätzungen anderer<br />

Länder führen<br />

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“<br />

So steht es in unserem Grundgesetz<br />

geschrieben. Ab und an begegnen wir<br />

auch in öffentlichen Diskussionen dem Begriff<br />

Menschenwürde, wie zum Beispiel<br />

beim Thema Sterbehilfe oder der Embryonenabtreibung.<br />

Wir gehen damit selbstverständlich<br />

um. Sobald man auf der Welt ist,<br />

hat man sie, und in Deutschland wird die<br />

Menschenwürde, wie im Grundgesetz zugesichert,<br />

nicht verletzt. Menschenwürde<br />

beeinhaltet die Grundidee, dass jeder alleine<br />

durch seine Existenz wertvoll ist. Unser<br />

Verständnis von Menschenwürde beruht<br />

demnach auf auf unseren Werten, welche<br />

stark von Kultur und Tradition geprägt werden.<br />

Die Meisten in Deutschland haben im<br />

Großen und Ganzen eine gemeinsame<br />

Wertvorstellung und kommen dadurch<br />

auch bei der Menschenwürde auf einen<br />

großen gemeinsamen Nenner. Wenden wir<br />

nun aber unsere Interpretation der Menschenwürde<br />

auf Länder mit anderen kulturellen<br />

Hintergründen an, so kann es schnell<br />

zu Fehleinschätzungen gegenüber diesen<br />

Ländern kommen.<br />

In eine andere Welt eintauchen – andere<br />

Werte akzeptieren lernen<br />

Ich durfte ein Jahr lang in Indien leben und<br />

in einem sozialen Projekt mitarbeiten. Ich<br />

fand mich also wieder mitten im Strudel<br />

der indischen Kultur und versuchte mit<br />

meinem deutschen Verstand, der mich<br />

noch nie im Stich gelassen hatte, zu begreifen,<br />

was um mich herum geschah. Schnell<br />

konnte ich feststellen, dass diese Herangehensweise<br />

ins Nichts führte. Ich musste lernen,<br />

die neuen Werte zu akzeptieren, um<br />

in die andere Welt eintauchen zu können.<br />

Unser Konsumverhalten wird unserem<br />

Plädoyer für die Menschenwürde<br />

in anderen Ländern nicht gerecht<br />

Wenn wir in Deutschland von Indien hören,<br />

dann meist im Zusammenhang mit dem<br />

Thema Armut. Ich begegnete viel Armut,<br />

was sich aber auf den zweiten Blick oft als<br />

Genügsamkeit herausstellte. Beispielsweise<br />

schlafen Inder nicht aus Armut in einem<br />

Raum, sondern weil sie sich von ihrer Familie<br />

umgeben am wohlsten fühlen. Alleine<br />

in einem Zimmer zu schlafen, wäre für viele<br />

unheimlich.<br />

Dennoch ist eine große Armut in Indien<br />

nicht zu leugnen. Viele leben und arbeiten<br />

unter unmenschlichen Bedingungen. Die<br />

korrupte Regierung schaut dabei zu, wie<br />

sogar Kinder für Hungerlöhne schuften.<br />

Doch ist es nicht die Regierung alleine, die<br />

sich den Menschen gegenüber unwürdig<br />

verhält.<br />

Wir fordern günstige Produkte, ohne uns<br />

dafür zu interessieren, dass sie auf Kosten<br />

anderer Menschen produziert werden. In<br />

unserem eigenen Land versuchen wir die<br />

Menschenwürde mit aller Kraft zu wahren.<br />

Anderen Ländern kreiden wir das Gegenteil<br />

an und unterstützen gleichzeitig die<br />

Fortführung der Ausbeutung.<br />

Was aussieht wie Einschränkung der<br />

Freiheit, kann auch Schutz vor Gefahr<br />

sein<br />

Zu Beginn meines Indienaufenthalts fiel es<br />

mir aber schwerer, meine alt gewohnte<br />

Freiheit aufgeben zu müssen, als mit so viel<br />

Armut konfrontiert zu werden. Die Frauen


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

2 1<br />

Die Begegnung mit der Armut …<br />

wird zunächst zwischen den Eltern verhandelt.<br />

Die eigentlichen Hauptakteure haben<br />

lediglich ein Veto, von dem aber die Wenigsten<br />

Gebrauch machen. Für mich ein<br />

schrecklicher Gedanke, die Wahl meines<br />

Lebenspartners anderen zu überlassen.<br />

… ist in Indien allgegenwärtig, ebenso aber auch …<br />

und vor allem die Töchter in Indien haben<br />

nach sieben Uhr abends zu Hause zu sein,<br />

während die Männer sich noch bis spät in<br />

die Nacht draußen sein und Alkohol trinken<br />

dürfen. Es erschien mir schlicht unfair,<br />

dass Männer mehr Freiheiten hatten als<br />

Frauen, und ging für mich klar gegen die<br />

Menschenwürde der Frau. Gewundert hat<br />

mich auch, dass Frauen diese Einschränkungen<br />

einfach zu akzeptieren scheinen.<br />

Erlebt man aber die indische Straße fernab<br />

von jedem Tourismus bei Nacht, so kann<br />

man die „Ausgangssperre“ nachvollziehen.<br />

Die Männer versuchen ihr Liebstes, ihre<br />

Frauen, zu beschützen vor den Männern,<br />

denen man als Frau nachts alleine<br />

ausgeliefert ist. Aus indischer Sicht könnte<br />

man genauso gut von Verletzung der Menschenwürde<br />

sprechen, wenn wir unsere<br />

Kinder von zu Hause ausziehen und alleine<br />

leben lassen, weil wir ihnen so den familiären<br />

Schutz nehmen.<br />

Für und Wider: arrangierte Ehen<br />

Eine weitere Sache, die für mich unbegreiflich<br />

erschien, war, dass die meisten Ehen in<br />

Indien arrangiert werden. Die Hochzeit<br />

Auf die Frage nach Liebe wurde mir einmal<br />

geantwortet: „Nach der Heirat hat man<br />

noch ein ganzes Leben, um sich lieben zu<br />

lernen. Liebe ist nichts, was passiert, sondern<br />

etwas, das sich entwickelt.“ Tatsache<br />

ist, dass in Indien weniger Ehen geschieden<br />

werden als in Deutschland. Irgendwann<br />

stellte sich mir die Frage, ob das Verlassen<br />

einer Familie – aus Angst, eine größere Liebe<br />

zu verpassen – nicht die stärkere Verletzung<br />

von Menschenwürde ist, als seinen Eltern<br />

zu vertrauen, die einen lieben und nur<br />

das Beste für einen wollen. Natürlich enden<br />

arrangierte Ehen nicht immer glücklich<br />

und in Liebe. Doch das können wir von den<br />

Ehen in Deutschland auch nicht behaupten.<br />

Menschenwürde: Wertschätzung für<br />

jeden Menschen – alleine deshalb,<br />

weil er lebt<br />

Aus Deutschland sind wir einfach anderes<br />

gewohnt und würden wahrscheinlich unter<br />

all den Einschränkungen und anderen<br />

Lebensumständen vor allem als Frau stark<br />

leiden. Bevor ich nach Indien gegangen<br />

bin, habe ich immer gedacht, es müsse den<br />

Menschen dort genauso gehen.<br />

Ich dachte, dass sich die ganze Welt bezüglich<br />

der Menschenwürde einig sei und jeder<br />

… unmittelbare Offenheit und Herzlichkeit.<br />

genau um diese Menschenwürde kämpfte.<br />

Inzwischen ist mir klar geworden, dass die<br />

Menschenwürde so unterschiedlich ist, wie<br />

wir es als Menschen sind. Nur der Grundgedanke,<br />

dass wir durch unsere Existenz alleine<br />

wertvoll sind, lässt sich jedes Mal wiederfinden.<br />

Das ist auch der Gedanke, den<br />

es zu verbreiten gilt: einem jeden Menschen<br />

mit Wertschätzung zu begegnen.<br />

Und ich bin überzeugt davon, dass daran<br />

noch jede und jeder von uns arbeiten kann<br />

und muss.<br />

Sarah Schabert


2 2 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

„Mungu yupo“ – Gott ist da<br />

Ein Missionar fällt nicht vom Himmel: Erfahrungen aus den Elendsvierteln in Kenia<br />

gehört habe: „Mungu yupo“. Das ist Kiswahili<br />

und heißt übersetzt: „Gott ist da“.<br />

Dies ist die ganze, ja eigentlich wunderbare,<br />

Theologie Afrikas, der Glaube Afrikas.<br />

In dieser Haltung kämpfen sich viele durch<br />

das Leben. Dadurch erhalten sie die notwendige<br />

Kraft, den schweren Alltag zu<br />

meistern.<br />

Evangelium mit Herz und Offenheit in die<br />

Hand nehmen, die Gesellschaft und das<br />

Miteinander besser und menschlicher werden.<br />

So habe ich erfahren, dass Kirche immer<br />

wieder neu entsteht und wächst. An<br />

mir selbst habe ich erlebt, dass ich erst<br />

durch und mit den Menschen zum Missionar<br />

geworden bin<br />

„Im Zusammenleben mit den Menschen …<br />

Viele und intensiv erfahrene Jahre war<br />

ich in einem Elendsviertel am Stadtrand<br />

von Nairobi, in Kariobangi und<br />

Korogocho, tätig. Gerne teile ich mit<br />

den Leserinnen und Lesern des Magazins<br />

„<strong>Der</strong> Geteilte <strong>Mantel</strong>“ meine Erfahrungen,<br />

die ich als Missionar unter<br />

sehr armen Menschen gemacht habe.<br />

„Mungu yupo“ – Gott ist da<br />

In dem Gemeindegebiet, in dem ich tätig<br />

war, leben etwa 350.000 Menschen – eng<br />

zusammengedrängt, mit einer Einwohnerdichte<br />

von stellenweise 70.000 Menschen<br />

pro Quadratkilometer. Die Armut, verursacht<br />

durch eine enorme Landflucht und<br />

schlechte staatliche Politik, hat dort viele,<br />

oft dramatische Gesichter. Trotz alledem<br />

gab es ein Wort, das ich praktisch jeden Tag<br />

Gott ist da – Gott geht mit. So wächst die<br />

Hoffnung, dass es irgendwann ein wenig<br />

besser wird – wenngleich ganz anders als<br />

man es sich ausgemalt hat. Wie sonst<br />

könnten zerrissene Familien, allein erziehende<br />

Mütter, Arbeitslose, Straßenkinder,<br />

aidskranke Menschen und viele mehr die<br />

Anstrengung und den Kampf des Lebens<br />

auf sich nehmen? Anstrengungen, obwohl<br />

es für sie in absehbarer Zeit keine entscheidende<br />

Verbesserung im Leben geben wird.<br />

Nur so können viele im besten Sinn des<br />

Wortes „in den Tag hinein“ leben – ohne<br />

Bankkonto, ohne soziale Absicherung,<br />

vielleicht ohne zu wissen, was es heute<br />

Abend zum Essen geben wird. Aber ihre Erfahrung<br />

sagt, dass es immer wieder gut<br />

ausgeht – natürlich mit vielen leidvollen<br />

Abstrichen. Das Leben in den Elendsvierteln<br />

ist wie auf einer Baustelle. Vielleicht ist<br />

das der Grund, warum ich mich dort als<br />

Bauingenieur so wohl gefühlt habe.<br />

Erst durch und mit den Menschen<br />

zum Missionar geworden<br />

Im Zusammenleben mit den Menschen habe<br />

ich viel gelernt und meinen eigenen<br />

Glauben vertieft. Wir Missionare sind Zeugen,<br />

dass immer dort, wo Menschen das<br />

Die Frage nach dem Mitmenschen im<br />

Zentrum des religiösen Lebens<br />

Deshalb eine Erfahrung, die ich in Afrika<br />

gemacht habe. Die Pfarrei Kariobangi in<br />

Kenia ist aufgebaut auf 75 so genannten<br />

Kleinen Christlichen Gemeinschaften. Hier<br />

muss man sich Nachbarschaftskreise von<br />

30 bis 50 Personen vorstellen, die sich wöchentlich<br />

zum Bibelgebet in ihren Hinterhöfen<br />

oder Straßenzügen treffen. Man<br />

trifft sich jede Woche – zumeist donnerstags<br />

– bei einer anderen Familie in der<br />

Nachbarschaft, da so der Segen des Gebets<br />

der ganzen Gruppe in die verschiedenen<br />

Familien kommt.<br />

Sie lesen das Evangelium des kommenden<br />

Sonntags und fragen sich im Gebet, was in<br />

der unmittelbaren Umgebung schief läuft<br />

oder besser werden soll. Sie fragen: Wo<br />

warten Kranke auf einen Besuch, wo reißt<br />

die Krankheit Aids eine Familie auseinander,<br />

wo brauchen Arme eine notwendige<br />

Hilfe – egal, welchem Stamm oder welcher<br />

Religion sie angehören? Sie interessieren<br />

sich dafür, wo Familien hungern oder die<br />

Kinder nicht in die Schule schicken können,<br />

da das Schulgeld nicht da ist; wo Jugendliche<br />

eine Führung brauchen, damit sie nicht


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

2 3<br />

… habe ich viel gelernt und meinen Glauben vertieft. Das Leben in den Elendsvierteln ist wie auf einer Baustelle. Deshalb …<br />

als Straßenkinder in den Müllhalden verschwinden.<br />

Die Kraft des Evangeliums in den<br />

Händen der Armen<br />

Ebenso geht es in den Gruppen um die Vorbereitung<br />

und Gestaltung von Gottesdiensten<br />

– immer verbunden mit der Frage:<br />

Wie kann das Reich Gottes bei uns mehr<br />

und mehr Gestalt annehmen?<br />

Es beeindruckt jeden Missionar, wie viel<br />

Kraft das Evangelium in den Händen der<br />

Armen entwickelt und mit wie viel Phantasie<br />

und Hingabe die Menschen ihren Glauben<br />

leben.<br />

So geschieht es zum Beispiel, dass eine Familie,<br />

die schon fünf oder mehr Kinder hat,<br />

auch noch die Kinder der verstorbenen<br />

Nachbarin aufnimmt. Ohne viel Aufsehen<br />

geschehen in Afrika viel Hilfe und soziale<br />

Arbeit, worüber kaum berichtet wird. Und<br />

genau da knüpfen wir als Missionare an.<br />

So blicke ich auf eine sehr erfüllte, schöne<br />

und glückliche Zeit in Afrika zurück, und<br />

viele Gesichter trage ich heute noch im Heren.<br />

… habe ich mich dort als Bauingenieur<br />

so wohl gefühlt.“<br />

Br. Hans Eigner


2 4 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Diskussionen aus der Weltkirche.<br />

Brot oder Schlange: <strong>Der</strong> Waffenhandel,<br />

die Menschenwürde und die Politik.<br />

„Wer von euch würde seinem Kind einen<br />

Stein oder eine Schlange geben,<br />

wenn es um Brot oder einen Fisch bittet“,<br />

fragt Jesus im Matthäus-Evangelium<br />

seine Zuhörer und verweist auf den<br />

himmlischen Vater, der den Bittenden<br />

noch viel mehr Gutes gibt (Mt 7,9-11).<br />

Es entspricht unserer menschlichen<br />

Neigung, einem anderen in Not zu helfen<br />

und nicht, ihm zu schaden oder sein<br />

Leben zu gefährden. Aus dieser Fähigkeit<br />

zum Mitgefühl entspringt auch die<br />

Bereitschaft, weltweit zu helfen oder<br />

gar zu teilen. Unser Land gibt den Kindern<br />

dieser Welt beides: Brot und<br />

Schlangen.<br />

Während eine Milliarde Menschen weltweit<br />

an Hunger leidet, genehmigte die<br />

Bundesregierung im Jahr 2011 Waffenlieferungen<br />

im Wert von über einer Milliarde<br />

Euro an Entwicklungsländer. <strong>Der</strong>en Regierungen<br />

verwenden den Reichtum ihrer<br />

Länder zur Aufrüstung und Machtsicherung<br />

statt zur Entwicklung und Armutsbekämpfung.<br />

Ihr Geld wandert in die Herstellerländer.<br />

Dass auf dieser Erde alle drei Sekunden<br />

ein Mensch, alle sechs Sekunden<br />

ein Kind an Hunger stirbt, ist für den ehemaligen<br />

UN-Berichterstatter für das Recht<br />

auf Nahrung, Jean Ziegler, nicht Schicksal,<br />

sondern Mord.<br />

Deutschland ist der drittgrößte Waffenhändler<br />

weltweit geworden. Die „Gemeinsame<br />

Konferenz Kirche und Entwicklung“<br />

(GKKE) der beiden großen Kirchen<br />

erstellt jährlich einen Rüstungsexportbericht<br />

und prangert an, dass die Bundesregierung<br />

immer mehr Waffenexporte außerhalb<br />

der EU und NATO genehmigt, für<br />

2,3 Milliarden Euro allein im Jahr 2011.<br />

Über Entwicklungsländer hinaus galten<br />

diese Genehmigungen auch Konfliktregionen<br />

und Regimen, die Menschenrechte<br />

verletzen und demokratische Bewegungen<br />

niederschlagen.<br />

Zugunsten von Rüstungsindustrie<br />

und Wirtschaftsinteressen<br />

Gerechtfertigt wird dies nicht mehr wie<br />

früher, dass Rüstung Arbeitsplätze schafft.<br />

Nur noch 80.000 Menschen, 0,3 Prozent<br />

der Beschäftigten, arbeiten heute im deutschen<br />

Rüstungssektor, gegenüber 400.000<br />

im Jahr 1990. Es sind die teuersten Arbeitsplätze,<br />

und in der Zivilwirtschaft herrscht<br />

Fachkräftemangel. Begründet werden die<br />

Waffenexporte mit der Erhaltung einer<br />

konkurrenzfähigen einheimischen Rüstungsindustrie,<br />

die dafür auf Exporte angewiesen<br />

ist. Außerdem sollen Staaten militärisch<br />

gestärkt werden, die deutsche Sicherheits-<br />

und Wirtschaftsinteressen unterstützen.<br />

Während in Griechenland das<br />

Gesundheits- und Sozialsystem und der Arbeitsmarkt<br />

für junge Leute zusammenbrechen,<br />

ist das Land gezwungen, Rüstungsschulden<br />

zu begleichen. Das Land war der<br />

weltweit größte Abnehmer deutscher<br />

Waffen zwischen 2006 und 2010. <strong>Der</strong><br />

deutsche Waffenhandel raubt Menschen<br />

in den Empfängerländern Zukunft und<br />

Hoffnung. Die von Saudi-Arabien beantragten<br />

Panzer sind geeignet für Straßenkämpfe.<br />

Damit können Demonstrationen<br />

niedergeschlagen werden, wie Saudi-Arabien<br />

es in Bahrein gezeigt hat. 90 Prozent<br />

der Toten sind Opfer von „Kleinwaffen“.<br />

Allein durch die Sturmgewehre aus Oberndorf<br />

wurden seit dem Zweiten Weltkrieg<br />

schätzungsweise mehr als eine Million<br />

Menschen getötet. Ein G3-Gewehr von<br />

Heckler und Koch kostet in Afrika 50 US-<br />

Dollar, so viel wie eine Kuh, und hält 50<br />

Jahre. Die Opfer sind Kindersoldaten und<br />

behinderte Menschen, die nach den Kriegen<br />

und Bürgerkriegen zur Belastung ihrer<br />

ohnehin armen Gesellschaften werden<br />

und oft nur noch als Bettler überleben.<br />

Bündnis für einen Politikwechsel<br />

Durch die „Aktion Aufschrei – Stoppt den<br />

Waffenhandel“ ist die Rüstungsexportpolitik<br />

in den letzten beiden Jahren wieder in<br />

die öffentliche Diskussion gebracht worden.<br />

Über 80.000 Unterschriften fordern<br />

ein Rüstungsexportverbot im Grundge-


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

2 5<br />

setz. Ein breites Bündnis aus ganz verschiedenen<br />

Bereichen der Gesellschaft hat sich<br />

dafür zusammen getan: Organisationen<br />

aus der Friedensbewegung und Entwicklungszusammenarbeit,<br />

aus den Kirchen,<br />

Umwelt-, Ärzte- und Menschenrechtsorganisationen,<br />

Pax Christi ist dabei, die Aktion<br />

Hoffnung, Misereor, Brot für die Welt,<br />

Kirchengemeinden, seit über einem Jahr<br />

der Diözesanrat der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<br />

<strong>Stuttgart</strong> neben fünf weiteren Diözesanräten.<br />

Sie wollen eine andere Politik, die den<br />

Waffenhandel stoppt und nicht immer<br />

mehr vorantreibt. Ein Ziel der Kampagne<br />

war, den Politikwechsel in den Wahlprogrammen<br />

der Bundestagsparteien zu verankern.<br />

Wie weit ist dies gelungen?<br />

SPD, die Grünen und die FDP setzen sich<br />

für ein parlamentarisches Kontrollgremium<br />

für Rüstungsexportgenehmigungen und<br />

die zeitnahe Information von Parlament<br />

und Öffentlichkeit sowie für eine wirksame<br />

Verbleibskontrolle von Waffen ein. Die<br />

Grünen fordern darüber hinaus ein aufschiebendes<br />

Vetorecht dieses Gremiums,<br />

die Abschaffung des Bundessicherheitsrats,<br />

eines geheimen regierungsinternen<br />

Entscheidungszirkels, das Verbot staatlicher<br />

Exportbürgschaften und ein restriktives<br />

Rüstungsexportgesetz mit gerichtlich<br />

einklagbaren Ausfuhrkriterien.<br />

Die Linke fordert ein ausnahmsloses Verbot<br />

von Rüstungsexporten, die sofortige Einstellung<br />

der Ausfuhr von Kleinwaffen und<br />

Waffenfabriken sowie der steuerlichen Unterstützung<br />

von Rüstungsexporten. Von<br />

der CDU und CSU lagen Ende Mai noch<br />

keine Aussagen für ein mögliches Regierungsprogramm<br />

vor. Dies hatten beide Parteien<br />

für Ende Juni geplant – ein Resultat<br />

liegt bei Redaktionsschluss dieses Magazins<br />

noch nicht vor.<br />

Schiffswallfahrt 2014: Zeichen für den<br />

Widerspruch der Öffentlichkeit<br />

Es ist also zunächst einiges angestoßen.<br />

Nach der Bundestagswahl <strong>2013</strong> entscheiden<br />

die Trägerorganisationen der Kampagne<br />

über die Weiterarbeit. Pax Christi in der<br />

Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> plant für<br />

2014 zusammen mit anderen Partnerorganisationen<br />

eine ökumenische Schiffswallfahrt<br />

auf dem Bodensee: voraussichtlich<br />

am 28. Juni 2014, dem 100. Jahrestag des<br />

Attentats in Sarajewo. An dieser Gedenkveranstaltung<br />

soll es auch um den Beitrag<br />

der Waffenschmieden am Bodensee zu<br />

den internationalen Rüstungswettläufen<br />

und zur Vorbereitung neuer Kriege gehen.<br />

Es wird wichtig sein, hartnäckig und mit<br />

langem Atem für eine andere Politik zu arbeiten.<br />

Eine Vielzahl von Informationen<br />

und Materialien, z. B. die kirchlichen Rüstungsexportberichte<br />

oder Aktionsvorschläge<br />

wie Wahlprüfsteine, finden sich auf<br />

der Webseite der „Aktion Aufschrei“:<br />

www.aufschrei-waffenhandel.de.<br />

Seit vielen Jahren sind die Mehrheiten bei<br />

Meinungsumfragen in der Bevölkerung<br />

konstant gegen die Rüstungsexportpolitik:<br />

78 Prozent, quer durch alle Parteien, sind<br />

laut Emnid im Jahr 2011 dagegen, dass<br />

Deutschland Waffen und Rüstungsgüter in<br />

andere Länder verkauft; 73 Prozent sind<br />

ausdrücklich dafür, dass Deutschland<br />

grundsätzlich Waffenexporte ins Ausland<br />

verbietet.<br />

Wozu Verhandlungen führen, bei denen<br />

die Staaten ohne den Druck der Menschen<br />

unter sich bleiben, zeigte das erste weltweite<br />

Abkommen zur Regulierung des<br />

Waffenhandels, das die Vollversammlung<br />

der Vereinten Nationen am 2. April <strong>2013</strong><br />

beschlossen hat. Die Standards wurden so<br />

gefasst, dass auch die großen Rüstungsexporteure<br />

zustimmen konnten oder sich wie<br />

Russland und China enthielten. <strong>Der</strong> Vatikan<br />

begrüßte die Entscheidung als ersten<br />

Schritt, bemängelte aber, dass keine Sanktionen<br />

vorgesehen sind und Verbote durch<br />

bilaterale Verträge ausgehebelt werden<br />

können.<br />

Am Ende des Matthäus-Evangeliums<br />

kommt der Welten-Richter als Anwalt der<br />

Opfer der Geschichte: Ich war hungrig und<br />

durstig, und ihr habt den Mächtigen meines<br />

Landes Waffen geliefert. Gewinnstreben,<br />

wirtschaftliche und politische Interessen<br />

sind keine Rechtfertigung für den Handel<br />

mit Waffen, genau so wenig wie für<br />

den Handel mit Drogen, mit Kindern, Frauen<br />

oder Sklaven. Dass wir zu Anwälten der<br />

Opfer unseres Landes werden, das berührt<br />

auch unsere eigene Würde als Menschen<br />

und als Kinder Gottes.<br />

Odilo Metzler


2 6 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Literatur und Medien.<br />

Mission und Dialog: Kein Widerspruch<br />

„Mission und Dialog“: Mit diesem Band<br />

eröffnen missio-Präsident Prälat Dr.<br />

Klaus Krämer und Professor Dr. Klaus<br />

Vellguth, Leiter der missio-Abteilung<br />

„Theologische Grundlagen“, eine neue<br />

weltkirchliche Reihe von missio Aachen<br />

und dem Freiburger Herder-Verlag zur<br />

„Theologie der Einen Welt“.<br />

„Dialog und Mission stehen nicht im Widerspruch<br />

zu einander, da der Dialog in der<br />

heilvollen Grundbewegung Gottes auf uns<br />

Menschen zu gründet.“ Unter diesem Leitgedanken<br />

veröffentlichen Krämer und Vellguth<br />

320 Beiträge von 20 Autorinnen und<br />

Autoren aus Afrika, Lateinamerika, Asien<br />

und Europa. <strong>Der</strong> Band bietet systematischtheologische<br />

Reflexionen, Überlegungen<br />

zum interreligiösen Dialog, zum Gespräch<br />

zwischen Universal- und Ortskirche sowie<br />

zwischen den Ortskirchen selbst. Zuletzt<br />

werden pastorale Konsequenzen für ein<br />

dialogorientiertes Missionsverständnis gezogen.<br />

Klaus Krämer/Klaus Vellguth<br />

(Hrsg.), Mission als Dialog. Ansätze<br />

für ein kommunikatives Missionsverständnis,<br />

Freiburg 2012, 320 S.,<br />

geb., ISBN 978-3-451-33260-9, 25<br />

Euro<br />

Theologie ist kein europäisches Produkt<br />

mehr; vielmehr wird an allen Orten der<br />

Weltkirche Theologie weitergeschrieben:<br />

Das ist die Leitlinie der neuen Reihe „Theologie<br />

der Einen Welt“, in der künftig jährlich<br />

ein bis zwei Bände erscheinen werden.<br />

Bisher erschienen weitere Bänder der Herausgeber<br />

Klaus Krämer und Klaus Vellguth<br />

in dieser Reihe:<br />

Bd. 2: Kleine christliche Gemeinschaften.<br />

Impulse für eine zukunftsfähige<br />

Kirche, 2012, 400 S. geb.,<br />

ISBN 978-3-451-33261-6, 28 Euro<br />

Bd. 3: Theologie und Diakonie.<br />

Glauben in der Tat, <strong>2013</strong>, 320 S.,<br />

geb., ISBN 978-3-451-33262-3, 25<br />

Euro<br />

Interreligiöser r Dialog l – ein Weg zur<br />

Achtung von Menschenrechten<br />

Indien ist ein Land der Vielfalt und<br />

kann auf eine lange interkulturelle Tradition<br />

zurückblicken. Dennoch sind die<br />

Inder in der Mehrzahl Hindus. Für das<br />

das Christentum als Minderheitenreligion<br />

stellt dies eine enorme Herausfor-<br />

derung dar, was die Mitverantwortung<br />

für die Zukunft der indischen Gesellschaft<br />

betrifft.<br />

Nach wie vor ist die gesellschaftliche Ordnung<br />

durch das Kastenwesen bestimmt –<br />

mit weitreichenden Auswirkungen auf die<br />

Menschenrechtssituation. Für immer mehr<br />

Dalits, Angehörige der untersten Kaste, ist<br />

der Übertritt zum Christentum ein befreiender<br />

Schritt. Diese Bewegung löst aber<br />

auch nicht zu unterschätzende Konflikte<br />

aus.<br />

Clemens Mendonca, Geschäftsführende<br />

Direktorin des Institute fort he Study oft Religion<br />

in Pune, gibt differenzierte Einblicke<br />

in diese komplexe Situation. Sie macht<br />

überzeugend den Beitrag christlicher Spiritualität<br />

zur Humanisierung der indischen<br />

Gesellschaft deutlich – nicht zuletzt was<br />

die Selbstentdeckung der indischen Frau<br />

und die Stärkung der Frauenrechte als missionarische<br />

Aufgabe betrifft. Sie zeigt aber<br />

auch, wie wichtig der interreligiöse Dialog<br />

für Indien und den gesamten asiatischen<br />

Raum ist und welche herausragende Rolle<br />

engagierte Christinnen und Christen dabei<br />

spielen.<br />

Clemens Mendonca, Christliche Spiritualität<br />

im indischen Kontext. <strong>Der</strong><br />

Beitrag der Minderheitenreligion<br />

zum interreligiösen Lernen (Theologie<br />

interkulturell 19), Ostfildern<br />

2009, 150 S., brosch.,ISBN 978-3-<br />

7867-2787-3, 17,90 Euro


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

2 7<br />

Geltungsstopp für Menschenrechte<br />

an Europas Grenzen?<br />

Die Grenzen der „Festung Europa“ werden<br />

für ungezählte Flüchtlinge aus Kriegs-, Bürgerkriegs-<br />

und Elendsreligionen zu einem<br />

unüberwindbaren Hindernis für ihre Hoffnung<br />

auf die Achtung ihres elementaren<br />

Rechts auf ein Leben in Sicherheit und<br />

Würde. Dem Schweizer Journalisten Kaspar<br />

Surber ist es gelungen, einem Flüchtling<br />

im Lager von Lampedusa eine Einwegkamera<br />

zuzustecken. Bewegende Bilder<br />

davon sowie zahlreiche Reportagen über<br />

den humanitären Alarmzustand europäischer<br />

Flüchtlingspolitik hat er in einem<br />

Band zusammengestellt.<br />

<strong>Der</strong> Insider Surber berichtet aus Straßburg<br />

vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,<br />

von der in Warschau ansässigen<br />

Agentur Frontex für „operative Zusammenarbeit“<br />

und aus Griechenland. Er<br />

schildert die Absurdität, dass Griechenland<br />

kein Geld für Flüchtlinge hat, aber Millionen<br />

für Wärmekameras und andere Sicherheitstechnik<br />

an der Grenze zur Türkei in-<br />

vestiert. Er macht die Perspektivlosigkeit<br />

von Flüchtlingsschicksalen deutlich und<br />

beleuchtet die oft fragwürdigen Motive<br />

gemeinsamer und jeweils nationaler<br />

Flüchtlingspolitik in Europa. Als Absurdität<br />

und als Stückwerk bewertet er die europäische<br />

Politik angesichts der Globalisierung<br />

und zitiert den UN-Sonderberichterstatter<br />

Manfred Nowak, es handle sich um „ein<br />

europäisches Problem, das eine ganzheitliche<br />

Lösung braucht und nicht nur die Aufrüstung<br />

der europäischen Grenzen mit<br />

Frontex“.<br />

Kaspar Surber, An Europas Grenzen.<br />

Fluchten, Fallen, Frontex, Basel<br />

2012, 176 S., brosch., ISBN 978-3-<br />

905800-59-3, 22,00 Euro<br />

Thema „Armut“ jugendgerecht<br />

„Das reicht doch nicht“ – so bringt das<br />

lesens- und bemerkenswerte Heft des<br />

Jugendmagazins „fluter“ der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung das Thema<br />

„Armut“ griffig auf den Punkt.<br />

„Armut ist nicht die Schande der Armen.<br />

Sie sollte ein Skandal der Reicheren sein“,<br />

so heißt es gleich zu Beginn. Das gilt für die<br />

Arbeiter in den Kupferminen in Sambia, für<br />

mexikanische Fremdarbeit in den USA oder<br />

für die Müllsammler in den indischen Millionenmetropolen.<br />

Es gilt aber auch für<br />

manche allein erziehende Mutter oder für<br />

manchen Familienvater, die trotz Vollzeitjob<br />

ihre Familie nur als Hartz-IV-„Aufstocker“<br />

ernähren können. Und dass ein Mädchen<br />

gemobbt wird, weil es keine Markenklamotten<br />

trägt, kommt fast an jeder Schule<br />

vor.<br />

Dies alles und noch mehr ist in interessanten<br />

und informativen Reportagen dargestellt,<br />

flott geschrieben und mit ansprechendem<br />

Layout. Es wechselt sich ab mit<br />

Experteninterviews, mit Infos zu den Milleniumszielen<br />

oder mit Questions-and-answers<br />

wie: „Sind manche Länder von vornherein<br />

benachteiligt?“, „Warum ist Afrika<br />

so arm und Europa so reich?“ „Ist Armut<br />

eine Charakterfrage?“<br />

Nicht verschwiegen wird auch das Konsumverhalten<br />

hierzulande und sein Zusammenhang<br />

mit der Armut in anderen Kontinenten.<br />

So sieht ein schwieriges Thema jugendgerecht<br />

aufbereitet aus.<br />

Das reicht doch nicht. Thema Armut,<br />

fluter. Magazin der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung, Nr.<br />

45 (Winter 2012-<strong>2013</strong>), kostenlos zu<br />

beziehen über: www.fluter,de/abo,<br />

oder: abo@heft.fluter.de


2 8 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Hilfreich: missio-Unterrichtsmaterialien<br />

zu Menschenrechten<br />

„Religion erleben“ lassen die Unterrichtsmaterialien,<br />

die missio zu zwei<br />

Menschenrechtsthemen herausgegeben<br />

hat: Frauenrechte und Religionsfreiheit.<br />

Entsprechend der bewährten Struktur der<br />

Unterrichtsmaterialien, die missio regelmäßig<br />

veröffentlicht, gliedern sich auch diese<br />

beiden Hefte in qualifizierte theologische<br />

Reflexionen, in didaktische Vorüberlegungen<br />

so wie in detailliert ausgearbeitete Unterrichtsentwürfe.<br />

Man erkennt die Autorenschaft<br />

erfahrener Lehrkräfte.<br />

Alle in den Heften erwähnten Materialien<br />

wie Arbeitsblätter im pdf- und WORD-Format,<br />

Power-Point-Präsentationen, Video-<br />

Clips oder Hörbeispiele sind auf integrierten<br />

CD-ROMS zusammengestellt.<br />

Unverzichtbar für Lehrerinnen und Lehrer,<br />

die jungen Menschen das Thema Menschenrechte<br />

nahebringen wollen.<br />

Starke Frauen braucht die Welt.<br />

Frauenrechte und Gleichberechtigung<br />

hier und anderswo, Religion<br />

erleben. Unterrichtsmaterial, Heft<br />

17 (2009), Bestelladresse: missio<br />

Verlags- und Vertriebsgesellschaf<br />

mbH, 52012 Aachen,<br />

Tel. 0241/7507-350, Fax -336,<br />

bestellungen@missio.de<br />

Von Verfolgten, Verfolgern und<br />

Versöhnern. Das Menschenrecht auf<br />

Religionsfreiheit, Religion erleben.<br />

Unterrichtsmaterial, Heft 19, Bestelladressen:<br />

Für die bayerischen Diözesen: missio<br />

shop, Pettenkoferstraße 26-28,<br />

80336 München, Tel. 089/5162-620,<br />

Fax -626, www.missio-shop.de,<br />

info@missio-shop.de<br />

Für die nichtbayerischen Diözesen:<br />

missio Internationales Katholisches<br />

Missionswerk e. V., Postfach 10 12<br />

53, 52012 Aachen, Tel. 0241/7507-<br />

350, Fax -336, www.missio-onlineshop.de,<br />

bestellungen@missio.de


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

2 9<br />

„Den <strong>Mantel</strong> teilen“ – ein Film von Peter<br />

Wingert: jetzt als DVD erhältlich<br />

Über 600 Kirchengemeinden und Einzelinitiativen<br />

in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

pflegen Partnerschaften<br />

mit Gemeinden von Schwesterkirchen<br />

in aller Welt. Koordiniert wird<br />

dieses Solidaritätsnetzwerk durch die<br />

Hauptabteilung Weltkirche im Bischöflichen<br />

Ordinariat.<br />

Am Beispiel der Beziehungen, die die Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> mit Diözesen,<br />

Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften<br />

in Indien verbindet, stellt der Film<br />

„Den <strong>Mantel</strong> teilen“ Grundsätze, Ziele und<br />

Handlungsfelder der weltkirchlichen Arbeit<br />

des schwäbischen Bistums dar. Daneben<br />

gibt bietet der Film Einblicke in die pastorale<br />

und diakonische Arbeit der katholischen<br />

Kirche in anderen Kontinenten. Szenen<br />

von einem Besuch von Bischof Dr. Gebhard<br />

Fürst in Indien im Jahr 2010 lassen diese<br />

Informationen zu einem lebendigen Erlebnis<br />

werden. Die Kapitel: I. Von der klassischen<br />

Entwicklungshilfe zur Selbständigkeit<br />

der Partner, II. Auch Solidarität kann<br />

Hilfe sein …, III. Katastrophenhilfe – Anstoß<br />

für Fortschritt, IV. Global vernetzt – zur<br />

Bewahrung der Schöpfung.<br />

DVD, 32 Min.; Redaktion: Johannes<br />

Bielefeld und Thomas Broch; Produktion:<br />

wingert-film; © Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>/wingert-film<br />

2010; Unentgeltlich zu beziehen<br />

beim Bischöflichen Ordinariat,<br />

Hauptabteilung Weltkirche, weltkirche@bo-drs.de.


3 0 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Aus der Weltkirchlichen Arbeit von<br />

Kirchengemeinden, Verbänden und Orden.<br />

Die Würde von Frauen in Not achten<br />

25 Jahre FIZ – Weltkirche vor der Haustür<br />

Das ökumenische Fraueninformationszentrum<br />

(FIZ) in <strong>Stuttgart</strong> wurde vor 25<br />

Jahren nach dem Weltgebetstag der<br />

Frauen 1980 gegründet. Frauen aus<br />

Thailand machten auf das Problem des<br />

Sextourismus aufmerksam und forderten<br />

uns in Europa auf, dagegen zu<br />

kämpfen – es waren ja deutsche und<br />

europäische Männer, die in Thailand<br />

die Frauen missbrauchten.<br />

Nach vielen Überlegungen konnte<br />

1987 mit Hilfe des Sozialministeriums<br />

Baden-Württemberg das FIZ eröffnet<br />

werden. Seither können wir ganz konkret<br />

Frauen aus aller Welt helfen,<br />

gleichzeitig aber auch zu Themen wie<br />

Menschenhandel, Heiratshandel oder<br />

Heiratsmigration politisch arbeiten.<br />

FIZ hilft Frauen aus aller Welt …<br />

Zum Beispiel Ivana<br />

Ivana schwankt zwischen Hoffnung und<br />

Perspektivlosigkeit. Die Polizei hat sie aus<br />

den Fängen von Menschenhändlern befreit,<br />

nun kümmern wir vom Fraueninformationszentrum<br />

FIZ in <strong>Stuttgart</strong> uns um<br />

sie. Sie freut sich, erst einmal sicher untergebracht<br />

zu sein, und ebenso über den<br />

Deutsch- und Alphabetisierungskurs, den<br />

sie mit Hilfe von FIZ besuchen kann. Sie<br />

wünscht sich nichts sehnlicher, als eine Zukunft<br />

zu haben, zu arbeiten und Geld zu<br />

verdienen.<br />

Das FIZ will sie dabei unterstützen – doch<br />

nun kommt ihr Freund aus Bulgarien angereist.<br />

Seine Eltern sind vor kurzem gestorben,<br />

seine Oma hat ihn aus dem Haus geworfen,<br />

er findet zuhause keine Arbeit. Also<br />

hat er die letzten Pfennige zusammengekratzt<br />

und ist Ivana nach <strong>Stuttgart</strong> gefolgt.<br />

Doch wovon soll er hier leben, wo<br />

kann er wohnen? Ivana weiß es nicht. Er ist<br />

jung, kräftig, kann ein wenig Englisch und<br />

Türkisch, da wird er doch Arbeit finden?<br />

Und wenn er auf der Straße leben muss, sie<br />

geht mit ihm. Auch wenn sie zur Not zurück<br />

in die Prostitution muss. Denn sie<br />

brauchen Geld. Wir versuchen ihr deutlich<br />

zu machen, dass Zuhälter ihr das meiste<br />

Geld abnehmen werden, sie schlagen werden.<br />

Ganz leise sagt sie: „Geschlagen zu<br />

werden, das bin ich gewohnt …“ Ein paar<br />

Tage später geht Ivana tatsächlich mit ihrem<br />

Freund ins Ungewisse, wir bekommen<br />

keinen Kontakt mehr zu ihr.


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

3 1<br />

… und wirkt politisch gegen Menschenhandel,<br />

Heiratshandel und Heiratsmigration.<br />

Ausbeutung und Menschenhandel<br />

finden auch in Deutschland statt<br />

Weltkirchliche Arbeit vor der eigenen<br />

Haustür<br />

Die Begegnung mit Ivana hat uns sehr bewegt.<br />

Sie macht die Dramatik der Lebensumstände<br />

so vieler Menschen, v. a. in Osteuropa,<br />

deutlich: die Wirtschaftskrise hat<br />

besonders die armen Länder getroffen. Rumänien<br />

und Bulgarien sind die Armenhäuser<br />

der EU. Ivana arbeitete zuvor in Griechenland<br />

und Italien, doch auch dort ist die<br />

Wirtschaft nun am Boden. Also sucht sie<br />

Perspektiven in Deutschland, das wirtschaftlich<br />

gut da steht und als ordentlich<br />

und anständig gilt. Dass es auch hier massive<br />

Arbeitsausbeutung und Menschenhandel<br />

gibt, ist den meisten nicht bewusst.<br />

So wie Ivana kommen Frauen aus aller Welt<br />

hoffnungsvoll nach Deutschland, um ihr<br />

Glück zu suchen. Manchen Frauen aus Nigeria<br />

oder aus Ungarn wurde eine tolle Arbeitsstelle<br />

versprochen, doch dann werden<br />

sie in der Prostitution ausgebeutet. Andere<br />

heiraten einen deutschen Touristen, den<br />

sie zuhause in Thailand, Brasilien oder Kenia<br />

kennen gelernt haben, doch dann erleben<br />

sie Gewalt und Aggression. Wieder<br />

andere aus Rumänien oder Polen haben<br />

vermeintlich Glück, eine Stelle als Betreuerin<br />

alter Menschen oder in der Gastronomie<br />

gefunden zu haben, doch arbeiten sie<br />

oft illegal, ohne Versicherung und für viel<br />

zu wenig Lohn – der ihnen manchmal noch<br />

nicht einmal ausbezahlt wird.<br />

Die Frauen haben viel Mut bewiesen, ihr<br />

Leben in die Hand zu nehmen und im fremden<br />

Deutschland ihr Glück zu versuchen.<br />

Viele scheitern, weil andere aus ihrer Notlage<br />

Profit schlagen. Wir im FIZ hören zu,<br />

trösten, weinen und lachen gemeinsam.<br />

Wir beraten über rechtliche Möglichkeiten<br />

und überlegen, wie es weitergehen kann.<br />

Und natürlich helfen wir bei aller Bürokratie,<br />

begleiten die Frauen zu den Behörden,<br />

kümmern uns um gesundheitliche Probleme,<br />

vermitteln in Deutschkurse, helfen bei<br />

Bewerbungen ... Wenn eine Frau bei Gericht<br />

gegen ihre Menschenhändler aussagt,<br />

vermitteln wir zu RechtsanwältInnen<br />

und begleiten sie bei der Aussage. Wenn<br />

eine Frau in ihr Herkunftsland zurückkehren<br />

will, unterstützen wir sie nach Möglichkeit<br />

bei einem guten Neustart.<br />

Unser Einsatz für Migrantinnen ist ein<br />

Stück weltkirchliche Arbeit vor der eigenen<br />

Haustür. Wir kämpfen gemeinsam für eine<br />

gerechtere Welt, die die Würde aller achtet<br />

– unabhängig von Geschlecht und Herkunftsland.<br />

Doris Köhncke<br />

Für Informationen<br />

oder Unterstützung des FIZ:<br />

Tel. 0711/23941-16,<br />

koehncke@vij-stuttgart.de<br />

www.fiz.vij-stuttgart.de


3 2 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Die Sklaverei ist nicht vorbei<br />

Weltkirchliche Organisationen verpflichten sich zum Kampf gegen Menschenhandel<br />

Mit einem Appell, Menschenhandel<br />

und Sklaverei in ihren modernen Formen<br />

wirksam entgegenzutreten, ist am<br />

29. Mai <strong>2013</strong> in Würzburg die „Jahrestagung<br />

Weltkirche und Mission“ zu Ende<br />

gegangen. 140 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer aus der Deutschen Bischofskonferenz,<br />

dem Zentralkomitee<br />

der deutschen Katholiken, den Hilfswerken,<br />

Diözesen und Ordensgemeinschaften<br />

befassten sich mit den komplexen<br />

Zusammenhängen und den dramatischen<br />

Folgen dieser besonders erniedrigenden<br />

Ausbeutung von Menschen.<br />

Sexuelle Ausbeutung und kriminelle<br />

Ausbeutung der Arbeitskraft stehen<br />

dabei im Vordergrund.<br />

Hinter den Opferzahlen stehen Einzelschicksale<br />

Referentinnen aus Osteuropa, Lateinamerika<br />

und Asien berichteten von ihren Erfahrungen<br />

im Kampf gegen die menschenunwürdigen<br />

Praktiken. „Die Opferzahlen, mit<br />

denen wir konfrontiert sind, sind erschreckend.<br />

Aber schlimmer noch: Hinter jeder<br />

Statistik stehen Einzelschicksale“, erklärte<br />

Marita Ishwaran von der indischen Kinderschutzorganisation<br />

NEG-Fire. Najila Chahda,<br />

Direktorin der Caritas Libanon, gab einen<br />

Einblick in die bedrängenden Lebensbedingungen<br />

von Hausangestellten, die oft<br />

sklavenähnlichen Verhältnissen unterworfen<br />

sind.<br />

Die Organisation „Malinowka“ aus Weißrussland<br />

will zur Prävention gegen Menschenhandel<br />

beitragen, indem sie junge<br />

Frauen und Männer über die Anwerbepraktiken<br />

von Menschenhändlern aufklärt.<br />

Partner einer internationalen Bewegung<br />

gegen Menschenhandel und<br />

Versklavung<br />

Veranstalter der Tagung war die „Konferenz<br />

Weltkirche“, in der die o. g. Organisationen<br />

in weltkirchlichen Fragen zusammenarbeiten.<br />

Deutlich wurde, dass die<br />

Hilfswerke und eine Reihe von Orden gemeinsam<br />

mit ihren Partnern wichtige Mitträger<br />

einer internationalen Bewegung gegen<br />

Menschenhandel und Versklavung<br />

sind. Sie sorgen auch für eine Sensbilisierung<br />

für die Problematik innerhalb der<br />

Ortskirchen.<br />

Nach einer Pressemitteilung der Deutschen<br />

Bischofskonferenz vom 29. Mai<br />

<strong>2013</strong>


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

3 3<br />

Abschlusserklärung<br />

der Jahrestagung Weltkirche<br />

und Mission <strong>2013</strong><br />

„<strong>Der</strong> Menschenhandel ist die am weitesten<br />

verbreitete Sklaverei unseres Jahrhunderts.“<br />

(Papst Franziskus in seiner Osterbotschaft<br />

<strong>2013</strong>)<br />

„Die Sklaverei ist nicht vorbei – Menschenhandel<br />

heute bekämpfen“. Zu diesem Thema versammelten<br />

sich vom 27. bis 29. Mai <strong>2013</strong> weltkirchliche<br />

Akteure aus ganz Deutschland in Würzburg.<br />

Als Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben<br />

wir uns mit den komplexen Herausforderungen<br />

des durch den Menschenhandel bedingten<br />

globalen Unrechts befasst. In unserem Engagement<br />

gegen den Menschenhandel sind wir den<br />

Opfern und unseren Partnern weltweit verbunden,<br />

die unter hohen Risiken diesen Menschen<br />

zur Seite stehen.<br />

Erschütternde Berichte über das Leid der Opfer<br />

des Menschenhandels in Mexiko, Indien, Weißrussland,<br />

Libanon, Simbabwe und auch in<br />

Deutschland haben uns eindrucksvoll die unterschiedlichen<br />

Gesichter des Menschenhandels<br />

vor Augen geführt.<br />

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)<br />

geht davon aus, dass allein in der Europäische<br />

Union rund 880.000 Menschen leben, die von<br />

Menschenhandel betroffen sind. Die unter dem<br />

Begriff Menschenhandel zusammengefassten<br />

Phänomene sind vielgestaltig und beziehen sich<br />

auf unterschiedliche Formen krimineller Aktivitäten,<br />

insbesondere zum Zweck der sexuellen<br />

Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung<br />

der Arbeitskraft. Weitere Tatbestände wie<br />

Zwangsverheiratung, erzwungene Betteltätigkeit,<br />

Organhandel und illegale Adoptionen gehören<br />

ebenfalls zu den Erscheinungsformen des<br />

Menschenhandels.<br />

Die „EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels“,<br />

die 2011 verabschiedet wurde,<br />

zielt auf einen besseren Schutz der Opfer, sieht<br />

aber auch eine deutlich schärfere Verfolgung der<br />

Täter vor. Diese EU-Richtlinie sollte bis April <strong>2013</strong><br />

von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht<br />

umgesetzt werden, was bisher aber nur in sechs<br />

Staaten geschehen ist. Auch die Bundesrepublik<br />

Deutschland hat diese Frist verstreichen lassen.<br />

Als Christen sind wir herausgefordert, die Sendung<br />

Jesu Christi fortzuführen. Diese besteht<br />

darin, den Armen die gute Nachricht zu bringen,<br />

den Gefangenen die Entlassung zu verkünden,<br />

den Blinden das Augenlicht und die Zerschlagenen<br />

in Freiheit zu setzen (vgl. Lk 4,18–19). Jesus<br />

war gesandt, allen Menschen das Leben in Fülle<br />

zu verheißen (vgl. Joh 10,10). Diesem Sendungsauftrag<br />

verpflichtet, können wir Christen uns<br />

nicht mit dem himmelschreienden Unrecht des<br />

Menschenhandels abfinden, der Menschen zu<br />

einer reinen Ware degradiert und ihre Würde<br />

missachtet.<br />

Von Papst Franziskus fühlen wir uns ermutigt,<br />

wenn er noch vor seiner Wahl den versammelten<br />

Kardinälen erklärt: „Die Kirche ist aufgerufen,<br />

aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder<br />

zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder,<br />

sondern an die Grenzen der menschlichen<br />

Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des<br />

Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der<br />

Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die<br />

des Denkens, die jeglichen Elends.“<br />

Wir sind uns bewusst geworden, dass wir durch<br />

unseren Konsum und Lebensstil unter Umständen<br />

auch Nutznießer des Menschenhandels<br />

werden können.<br />

Als weltkirchliche Akteure verpflichten wir<br />

uns daher selbst:<br />

m Wir unterstützen unsere Projektpartner<br />

weltweit in ihren Initiativen zur Bekämpfung<br />

des Menschenhandels. Dazu gehören der<br />

Aufbau von Beratungsstrukturen und die<br />

Schaffung von Einrichtungen zum Schutz<br />

und zur Versorgung der Opfer. Im Dialog mit<br />

unseren Partnern entwickeln wir gemeinsam<br />

Sensibilität für Situationen von Ausbeutung<br />

und Menschenhandel und regen<br />

entsprechende Bemühungen an. Wir sind<br />

aufgefordert, gemeinsam die Ursachen und<br />

Bedingungen von Menschenhandel aufzudecken<br />

und zu bekämpfen.<br />

m Wir verstärken Vorhaben der Öffent-lichkeitsund<br />

Bildungsarbeit, um in Deutschland über<br />

die Hintergründe des Menschenhandels und<br />

die damit verbundenen Herausforderungen<br />

zu informieren. Wir fördern ebenso Initiativen<br />

in unseren Partnerländern zur Aufklärung<br />

über Gefährdungen und Ausbeutungsversuche<br />

durch verbrecherische Organisationen<br />

des Menschenhandels.<br />

m Wir suchen Gespräche mit Verantwortungsträgern<br />

in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft,<br />

um auf Phänomene von Menschenhandel<br />

aufmerksam zu machen, den Kampf<br />

gegen das organisierte Verbrechen zu intensivieren<br />

und Gerechtigkeit für die Opfer<br />

des Menschenhandels einzufordern.<br />

Von der Bundesregierung bzw. den Länderregierungen<br />

und den Parlamenten fordern<br />

wir:<br />

m die unverzügliche und vollständige Umsetzung<br />

der „EU-Richtlinie zur Bekämpfung des<br />

Menschenhandels“ in deutsches Recht,<br />

m eine an der Realität orientierte kritische<br />

Überprüfung des Prostitutionsgesetzes vom<br />

Dezember 2001,<br />

m eine kostendeckende Regelfinanzierung für<br />

Fachberatungsstellen und für sichere Unterbringung<br />

der Opfer von Menschenhandel in<br />

geeigneten Schutzunterkünften,<br />

m eine Bleiberechtsregelung für die Opfer des<br />

Menschenhandels, die humanen Anforderungen<br />

genügt und die Strafverfolgung der<br />

Täter erleichtert.<br />

Unsere Anerkennung gebührt den vielen Frauen<br />

und Männern, die sich unermüdlich für die<br />

Rechte der Betroffenen und die Achtung ihrer<br />

Menschenwürde einsetzen. In diesem Bereich ist<br />

eine tatkräftigere Unterstützung durch Männer<br />

erforderlich. Denn das Thema geht uns alle an.


3 4 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Karibuni watoto! – Willkommen Kinder!<br />

Gehörlose Kinder und Jugendliche in Tansania und Deutschland erleben Partnerschaft<br />

Stationen in vier verschiedenen Diözesen<br />

Tansanias mit ihrer Arbeitskraft und mit der<br />

Kraft ihrer Spiritualität im Dienst ihrer Mitmenschen.<br />

Schule mit Internat in Ruhuwiko, einer Vorstadt<br />

von Songea, rund 200 gehörlose und<br />

hörgeschädigte Kinder, die den regulären<br />

Abschluss der Primary School machen können.<br />

Gehörlose Jugendliche bei der Ankunft<br />

in Deutschland …<br />

Acht gehörlose Schülerinnen und Schüler<br />

aus Ruhuwiko in Tansania im Alter<br />

von 13 bis 18 Jahren waren im Sommer<br />

2012 zu Besuch in Schwäbisch Gmünd<br />

und Untermarchtal. Seit 2010 besteht<br />

zwischen der Gehörlosenschule St. Vinzenz<br />

der Barmherzigen Schwestern<br />

vom hl. Vinzenz von Paul und der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> eine Partnerschaft.<br />

Dem Besuch der jungen<br />

Menschen aus Tansania war die Reise<br />

einer deutschen Gruppe nach Ruhuwiko<br />

im Jahr 2010 voraus gegangen. Damals<br />

waren die Partnerschaftsurkunden<br />

unterzeichnet und ausgetauscht<br />

worden. „Gegenseitige Begegnung,<br />

die auch das tiefere Verstehen des gemeinsamen<br />

Glaubens in der anderen<br />

Kultur fördert“ – so heißt es in der Partnerschaftsurkunde.<br />

Wege in ein Leben in Würde und gesellschaftlicher<br />

Teilhabe<br />

Zu den Aufgaben der Vinzentinerinnen gehört<br />

die Arbeit mit gehörlosen Kindern und<br />

Jugendlichen. Ihr Wirken bedeutet für die<br />

jungen Menschen in entscheidender Weise<br />

den Weg zu einem Leben in Würde und gesellschaftlicher<br />

Teilhabe. Diese hatten –<br />

ebenso wenig wie andere junge Menschen<br />

mit Behinderungen – bis zu den 1980er<br />

Jahren im Süden Tansanias keine Chance<br />

auf Schulbildung. Sie wurden verschämt in<br />

Hinterhöfen gehalten und blieben ein Leben<br />

lang an den Rand gedrängt. Heute leben<br />

in der 1988 von MISEREOR erbauten<br />

Die Kinder und Jugendlichen werden in 17<br />

Klassen unterrichtet und gefördert. Sie leben<br />

in fünf Internatsgebäuden und können<br />

sich oft das Fahrgeld nicht leisten, um<br />

zweimal im Jahr in den Ferien zu ihren Eltern<br />

zu fahren. Sie sorgen durch Feld- und<br />

Gartenarbeit, durch Obstanbau und das<br />

Halten von Kleintieren für ihren Unterhalt<br />

mit.<br />

Von alledem bekam die Delegation von Gehörlosen<br />

und Hörenden aus der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> bei ihrem Besuch im<br />

Juli und August 2010 einen bleibenden<br />

Eindruck. Begleitet von den beiden Gehörlosenseelsorgern<br />

Erika Scheurer, Rottweil,<br />

Die Vorgeschichte in Stichworten: Im Jahr<br />

1960 waren vier Untermarchtaler Schwestern<br />

aufgebrochen, um im Südwesten Tansanias<br />

„Christus im Nächsten zu dienen“ –<br />

gemäß dem Leitwort ihrer Kongregation.<br />

Inzwischen ist der Funke auf einheimische<br />

junge Frauen übergesprungen. Heute stehen<br />

200 einheimische Schwestern auf 18<br />

… und beim Unterricht zuhause in Tansania.


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

3 5<br />

Gastfreundschaft in Untermarchtal …<br />

und Diakon Karl-Josef Arnold, Ingoldingen<br />

bei Biberach, von Msgr. Heinrich Maria Burkard<br />

als Vertreter von Bischof Gebhard<br />

Fürst und vom Ingoldinger Bürgermeister<br />

Karl Zeller waren sie von Dar es salam am<br />

Indischen Ozean aus durch die nach der Regenzeit<br />

grünen, blühenden, wunderschönen<br />

Landschaften bei gelegentlich abenteuerlichem<br />

Straßenzustand und -verkehr<br />

über Iringa nach Songea und Ruhuwiko gefahren<br />

und dort von Kindern und Schwestern<br />

begeistert empfangen worden. „Karibu<br />

sana – herzlich willkommen!“, sangen<br />

die Schwestern und gebärdeten die Kinder.<br />

Offiziell war die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde<br />

das entscheidende Ereignis.<br />

Inoffiziell dürften das Highlight für<br />

die Kinder und Jugendlichen sicher in den<br />

Gastgeschenken bestanden haben: Für die<br />

Fußballmannschaften gab es bunte neue<br />

Kickschuhe, für die Mädchen und ihre Volleyballmannschaft<br />

Sportschuhe und Bälle.<br />

dem Schwerpunkt der Begegnung mit gehörgeschädigten<br />

Menschen der schwäbischen<br />

Diözese. Die Jugendlichen sollten erfahren,<br />

wie Hörgeschädigte in Deutschland<br />

leben und ihren Alltag meistern.<br />

Die erste Woche verbrachte die Gruppe in<br />

Begleitung ihrer Schulleiterin, Sr. Ernesta,<br />

und Lehrer Lucius, ihrem Stellvertreter, an<br />

der Schule für Hörgeschädigte St. Josef in<br />

Schwäbisch Gmünd und nahm dort an Unterrichts-<br />

und anderen Veranstaltungen<br />

teil, besuchte u. a. aber auch die Justusvon-Liebig-Schule,<br />

die die Schule in Ruhuwiko<br />

seit Jahren unterstützt. Als Highlight<br />

dieser Schwäbisch-Gmünder Woche wurden<br />

die jungen Leute mit Hörgeräten ausgestattet,<br />

die den meisten von ihnen eine<br />

erbesserte Hörleistung ermöglicht.<br />

Ort der zweiten Besuchsphase war das<br />

Mutterhaus in Untermarchtal. Neben persönlichen<br />

Begegnungen mit deutschen Jugendlichen<br />

und Erwachsenen mit und ohne<br />

Sinnesbehinderung standen das Hör-<br />

Sprachzentrum Wilhelmsdorf, Sinnwelt in<br />

Biberach, Hochseilgarten oder der Zirkus<br />

Krone auf dem Programm vielfältiger Erlebnisse.<br />

Gemeinsame Kommunikation<br />

über die ethnischen Grenzen hinweg<br />

machte die Gebärdensprache möglich. Besonders<br />

beeindruckt waren die jungen Leute<br />

aus Tansania von den weiten Feldern<br />

und den großen landwirtschaftlichen Maschinen,<br />

die sie in Oberschwaben sahen.<br />

Kloster Untermarchtal /<br />

Thomas Broch<br />

Für die Besucher aus Deutschland war der<br />

Besuch der Gehörlosenschule ein besonderes<br />

Erlebnis: zu sehen, wie mit welch einfachen<br />

Mitteln hier gelebt und gearbeitet<br />

werden muss – und wie dies der Zufriedenheit<br />

und Lebensfreude doch keinerlei Abbruch<br />

tut.<br />

Hochseilgarten, Zirkus Krone und andere<br />

Überraschungen für die Gäste<br />

aus Tansania<br />

<strong>Der</strong> Gegenbesuch der tansanischen Gäste<br />

im Juli und August 2012 stand ganz unter<br />

… und herzliches Willkommen in Ruhuwiko.


3 6 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

JADCAWACS<br />

Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

Ein Kredit von JADCAWACS hilft den Frauen …<br />

des Katholischen Frauenbunds in der Diözese Jasikan<br />

Wie hat alles angefangen? Was war die<br />

Motivation, eine Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

für den und mit dem Katholischen<br />

Frauenbund der Diözese Jasikan<br />

in Ghana (Catholic Women Organisation<br />

– CWA) ins Leben zu rufen?<br />

Zwischen 2001 und 2009 hat Resi Bokmeier<br />

jedes Jahr für einige Monate mit dem Katholischen<br />

Frauenbund in der ghanaischen<br />

Diözese Jasikan gearbeitet. <strong>Der</strong> Bischof der<br />

Diözese, Gabriel Mante, mit guten und<br />

langjährigen Beziehungen nach <strong>Stuttgart</strong><br />

und zu Pfarrer Kofi Appiah, fragte Resi Bokmeier<br />

nach ihrem Ausscheiden als Referentin<br />

für Frauenbildung und Alleinerziehendenarbeit<br />

in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>,<br />

ob sie nicht zu ihm kommen wolle,<br />

um zusammen mit dem dortigen Frauenbund<br />

die Verbandsstrukturen zu festigen<br />

und Erwachsenenbildung zu etablieren.<br />

Und sie hat sich dieser Herausforderung<br />

gestellt.<br />

Die Diözese Jasikan liegt in einer ländlichen<br />

Region, wo die Menschen von Subsistenzwirtschaft<br />

leben. Sie haben kleine Felder,<br />

pflanzen Yams, Maniok (Kassava), Tomaten,<br />

Mais und Reis und anderes an, um der<br />

Familie das Überleben zu sichern. Viele<br />

Frauen haben als Näherinnen, Friseurinnen<br />

und Händlerinnen einen kleinen Laden<br />

oder eine Werkstatt. Die Einkommen aus<br />

diesen Tätigkeiten sind gering und gerade<br />

genug zum Überleben.<br />

Frauen sind oft die einzigen Ernährerinnen<br />

der Familie<br />

Frauen spielen eine große Rolle in der Familie,<br />

ja in der ganzen Gesellschaft. Oft<br />

sind sie die einzigen Ernährerinnen der Familie.<br />

Die Väter und Männer sind weg, um<br />

in anderen Regionen zu arbeiten. Viele sind<br />

arbeitslos, haben zum Teil noch eine andere<br />

Familie mit zu versorgen. Allein erziehend<br />

zu sein ist für viele Frauen Alltag – das<br />

heißt: alleine für die Familie aufzukommen,<br />

für die Schulbildung der Kinder zu<br />

sorgen, nach Ausbildungsplätzen für die<br />

Jugendlichen zu suchen. Es bedeutet eine<br />

riesige Mehrfachbelastung für die Frauen,<br />

Haushalt, Kindererziehung, Feldarbeit,<br />

Verkauf von Produkten auf dem Markt, auf<br />

der Straße oder im Laden unter einen Hut<br />

zu bekommen.<br />

Die Verdienstmöglichkeiten sind gering,<br />

viele bewegen sich an der Armutsgrenze,<br />

oft ist es ein Leben von der Hand in den<br />

Mund.<br />

Was kann hier Entwicklung als Hilfe<br />

zur Selbsthilfe bedeuten?<br />

Vor diesem Hintergrund fragten wir uns,<br />

was Entwicklung als Hilfe zur Selbsthilfe<br />

bedeuten könnte. Folgende Überlegungen<br />

leiteten Resi Bokmeier und die Verantwortlichen:<br />

m Es sollte kein Strohfeuerprojekt entstehen,<br />

das schnell aufflammt und dann<br />

wieder erloschen ist. Es musste etwas<br />

sein, das Frauen die Chance gibt, selbst<br />

an der Verbesserung ihrer Situation<br />

mitbeteiligt zu sein.<br />

m Es sollte kein Projekt sein, das die Frauen<br />

in Abhängigkeit bringt – zum Beispiel<br />

gegenüber Banken oder privaten<br />

Geldgebern. Das könnte leicht in eine<br />

Schuldenfalle führen, aus der sie<br />

schlecht wieder herauskommen<br />

würden.<br />

m Es sollte ein Projekt sein, das Gruppencharakter<br />

hat: mit einander etwas tun,<br />

gemeinsam<br />

Verantwortung<br />

übernehmen, den festen Willen zur<br />

Veränderung und Verbesserung der<br />

Lebenssituation haben.<br />

m Ziel sollte es sein, die Armut zu reduzieren<br />

und mehr Lebensqualität zu<br />

erreichen.<br />

… zum Beispiel einen Laden zu betreiben.<br />

Besonders befinden sich die Frauen in den<br />

kleinen, abgeschiedenen Dörfern in dieser<br />

prekären Situation. Die mangelnde Infrastruktur<br />

im ländlichen Raum trägt ebenfalls<br />

dazu bei, dass sich die wirtschaftliche Situation<br />

kaum verbessern kann.<br />

<strong>Der</strong> Weg: eine Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

Die Idee einer Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

– sie sollte den Namen JADCAWACS<br />

bekommen – schien der Weg zu sein, diese<br />

Vorstellungen anzugehen und zu versu-


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

3 7<br />

chen, sie in die Tat umzusetzen. Das war allerdings<br />

nicht einfach. Die Frauen des Verbandes<br />

mussten mit der Idee vertraut gemacht<br />

werden, überzeugt sein, dass sie dadurch<br />

einen Gewinn für ihr Leben haben<br />

würden.<br />

Grundsätze und Regularien<br />

Im Jahr 2005 konnte der CWA mit der<br />

Umsetzung der Pläne beginnen. Folgende<br />

Grundsätze wurden aufgestellt:<br />

m Mitglieder von CWA konnten Mitglied<br />

der Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

werden<br />

m Sparen mit einem Sparbuch war ein<br />

wichtiges Ziel der Zugehörigkeit zur<br />

Genossenschaft<br />

m Die Gewährung eines Kredits hing von<br />

der Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen<br />

ab.<br />

Die Regularien für die Kreditvergabe<br />

sahen folgende Verwendungsbereiche<br />

vor:<br />

m Auf- und Ausbau eines kleinen Betriebs,<br />

z. B. Friseurladen, Bäckerei, Näherei,<br />

Stoffladen oder Handel<br />

m Erweiterung eines landwirtschaftlichen<br />

Kleinbetriebs, Kauf oder Pacht eines<br />

Stück Feldes, Bau einer Vorratshalle für<br />

Mais, Reise oder andere landwirtschaftliche<br />

Produkte<br />

m in geringerem Umfang Hilfe in akuten<br />

Notfällen (z. B. Krankenaufenthalt oder<br />

Erstattung von Schulgeld)<br />

Unterstützung beim Start<br />

Das größte Problem war natürlich das<br />

Geld. Es gab keinerlei Grundkapital für dieses<br />

Genossenschaft. CWA verfügte über so<br />

gut wie keine Mittel, und auch die damals<br />

neu gegründete Diözese Jasikan konnte<br />

nichts beisteuern.<br />

Das nötige Startkapital kam schließlich<br />

vom Referat Weltkirche, dem Katholischen<br />

Deutschen Frauenbund (KDFB) und der aktion<br />

hoffnung der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<br />

<strong>Stuttgart</strong>. KDFB und aktion hoffnung unterstützen<br />

die Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

bis heute. <strong>Der</strong> KDFB versteht sich als<br />

Schwesterorganisation der CWA, die ideelle<br />

und materielle Hilfe leistet.<br />

Bewältigung schwieriger Anfänge<br />

<strong>Der</strong> Anfang war leicht und schwer. Die<br />

Frauen wurden in großer Zahl Mitglieder,<br />

sehen eine Chance zur Verbesserung ihrer<br />

Lage. Gleichzeitig wurde das Sparen als Voraussetzung<br />

für einen Kredit für manche<br />

Frauen auch eine Belastung. Das niedrige<br />

und unregelmäßige Einkommen und die<br />

geringe Produktivität in den ländlichen Gebieten<br />

macht es schwer, regelmäßig zu<br />

sparen.<br />

Es war und ist bis heute notwendig, eine<br />

kontinuierliche Fort- und Weiterbildung<br />

der Mitglieder auf allen Ebenen zu leisten.<br />

Das Wissen zu fördern, wie Mikrofinanzierung<br />

funktioniert; die Risiken immer wieder<br />

zu verdeutlichen, die in einem Unterfangen<br />

wie Sparen, Kreditvergabe, Rückzahlung<br />

der Zinsen stecken; nicht aufzugeben,<br />

auch wenn es mal Rückschläge gibt<br />

oder die Kredite nur klein sind – das ist eine<br />

Daueraufgabe.<br />

Stabilität für die Zukunft: hauptamtlicher<br />

Manager und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen<br />

Das Fortbestehen der Spar- und Kreditgenossenschaft<br />

JADCAWACS ist nur möglich,<br />

weil ein hauptamtlicher Manager mit<br />

hoher Kompetenz gewonnen werden<br />

konnte.<br />

Neben dem Management der Genossenschaft<br />

sieht er seine Aufgabe darin, Strukturen<br />

aufzubauen, um ehrenamtliche Mitarbeiterinnen<br />

auf lokaler Ebene zu gewinnen<br />

und mit dem notwendigen Wissen<br />

über Finanzen, Buchhaltung, Rückzahlungen<br />

und Zinsen auszustatten.<br />

Diese ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen<br />

(Focal Persons) sind das Rückgrat der Arbeit.<br />

Sie sind vor Ort, klären die Frauen auf,<br />

sammeln das Geld ein und bringen es zur<br />

Bank, führen Buch und halten ständigen<br />

Kontakt zum Koordinator. Noch fehlen in<br />

manchen Gruppen diese Frauen, vor allem<br />

in den sehr armen Gebieten. Es ist oft nicht<br />

einfach, eine Person zu finden, die die notwendigen<br />

Voraussetzungen für diese Aufgaben<br />

erfüllt.<br />

Ein Ziel, für das es sich lohnt weiter<br />

zu arbeiten<br />

Die Hilfe kommt an. Das lässt sich zusammenfassend<br />

sagen, obwohl es in der Kürze<br />

der Zeit noch nicht messbar und eindeutig<br />

ist, wie sich die Lebensbedingungen der<br />

Frauen zum Besseren verändert haben. Soviel<br />

kann aber schon jetzt gesagt werden:<br />

Die Mitglieder haben weiterhin großes Interesse<br />

und halten am Sparkonzept fest.<br />

Seit Beginn der Kreditvergabe wurden etwa<br />

1.130 Kredite ausgegeben. Am Anfang<br />

waren sie klein, doch der Kapitalstock erlaubt<br />

es mittlerweile, auch größere Kredite<br />

zu geben. Erfreulich ist, dass die meisten<br />

Mitglieder termingerecht zurückzahlen, so<br />

dass der Prozess weitergehen kann.<br />

Auf jeden Fall kann man sagen, dass die<br />

Mikrofinanzierung für die Frauen der CWA<br />

ein Weg ist, der zu einer Verbesserung ihrer<br />

Lebenssituation führt, der kein Strohfeuer<br />

ist, der auf Nachhaltigkeit basiert und hoffentlich<br />

mit der Zeit eine starke Organisation<br />

wird, die auf eigenen Beinen stehen<br />

kann und nicht mehr auf Unterstützung<br />

von außen angewiesen ist. Für dieses Ziel<br />

lohnt es sich weiter zu arbeiten.<br />

Resi Bokmeier und Irmtraud Widmayer


3 8 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Geistliche Texte aus den Schwesterkirchen.<br />

Gebet.<br />

O Gott, wir tragen das Abbild deines Gesichts:<br />

Die Farben unserer Haut hast du erdacht,<br />

Und was an Schönheit in unserem Volke ist,<br />

In Mann oder Frau, bestimmst nur du allein.<br />

<strong>Der</strong> du den lebendigen Stoff streiftest um unseren Rahmen<br />

Und allen gabst eine Sprache und einen Namen.<br />

Von Hass sind wir entzweit und gewaltsam zerrissen,<br />

Weil unsere Rasse oder unsere Haut nicht gleich sind,<br />

<strong>Der</strong> Staat uns nicht die gleichen Rechte zugesteht<br />

Und zu Opfern macht, weil wir unseren Namen tragen.<br />

Menschlichkeit wird wenig Wert beigemessen,<br />

Dein lebendiges Gesicht auf der Erde entehrt.<br />

O Gott, wir sind das Ebenbild deines Sohnes,<br />

Sein Fleisch und Blut ist unser Fleisch und Blut,<br />

Ungeachtet der Hautfarbe.<br />

In seiner Menschlichkeit finden wir<br />

Unsere eigene Menschlichkeit<br />

Und in seiner Familie unsere wahren Verwandten.<br />

Christus ist der Bruder, den wir noch immer kreuzigen,<br />

Seine Liebe ist die Sprache, die wir lernen müssen oder sterben.<br />

Shirley Erena Murray (1987)


A u s g a b e 2 0 1 3<br />

3 9<br />

17,6%<br />

35%<br />

8,8%<br />

Im Geist der Partnerschaft.<br />

Jahresbericht 2012 zur Weltkirchlichen Arbeit<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>.<br />

606 Mal Hilfe im Gesamtwert von rund<br />

6 Millionen Euro in 74 Ländern weltweit:<br />

so lautet die Jahresbilanz 2012<br />

der Hauptabteilung Weltkirche. Mit<br />

den bewilligten Geldern wurden Diözesen<br />

und Ordensgemeinschaften in<br />

Afrika, Asien, Lateinamerika, Ozeanien<br />

sowie Mittel- und Osteuropa in ihrer<br />

Pastoral-, Sozial- und Entwicklungsarbeit<br />

unterstützt. 532 Projekte, die<br />

2012 bewilligt wurden, konnten im zurückliegenden<br />

Geschäftsjahr ausgezahlt<br />

werden. Für 74 Projekte mussten<br />

Rückstellungen gebildet werden, da sie<br />

zwar 2012 bewilligt, jedoch im selben<br />

Jahr noch nicht kassenwirksam wurden<br />

Was eingenommen und was ausgegeben<br />

wurde<br />

Rund 0,3 Millionen Euro machte der Verwaltungsaufwand<br />

aus, wie er z. B. auf<br />

Fortbildungsmaßnahmen,<br />

Reisekosten,<br />

Banküberweisungsgebühren und Personalkosten<br />

entfiel. Im Rahmen des Reduzierungsprozesses<br />

2004 bis 2010 „Heute für<br />

morgen das Nötige tun“ wurde dekretiert,<br />

dass Kostenersatz für je zwei Personalstellen<br />

der Hauptabteilung Weltkirche aus<br />

Reverse-Programm für Jugendliche: Weltkirche in<br />

lebendiger Begegnung.<br />

Budgetmitteln bzw. Erträgen der Weltkirchlichen<br />

Stiftungen zu leisten ist.<br />

Etwa 0,8 Millionen Euro wurden im Sinne<br />

der Kapitalstärkung der Freien Rücklage<br />

der Stiftung Weltkirche in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

zugeführt, so dass 2012<br />

insgesamt rund 7,2 Millionen Euro an Aufwendungen<br />

für die Hauptabteilung Weltkirche<br />

zu Buche stehen.<br />

Rund fünf Millionen Euro der Hilfsgelder<br />

stammten aus den im Rahmen der Vorwegausgaben<br />

bereitgestellten Kirchensteuermitteln<br />

für „Mission und Entwicklungshilfe“<br />

sowie für „Hilfe für die Kirchen<br />

Europas“. Weitere Rund 2,2 Millionen Euro<br />

entfielen zu 29 Prozent auf Spendeneinnahmen<br />

und zu 71 Prozent auf Erträge aus<br />

den weltkirchlichen Stiftungen der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>.<br />

Diesen eigenen finanziellen Vergabemitteln<br />

ist noch der 8,5 prozentige Anteil der<br />

Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> an der Um-


4 0 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

lage zum Verband der Diözesen Deutschlands<br />

(VDD) hinzuzurechnen. Da der auf<br />

den Bereich „Mission und Entwicklung“ im<br />

VDD-Haushalt entfallende Anteil 2012 bei<br />

64.256.460 Euro lag, kommen nach dem<br />

Umlageschlüssel mithin weitere rund 5,5<br />

Millionen Euro hinzu, die von der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> für die Förderung<br />

weltkirchlicher Projekte im Jahr 2012 zur<br />

Verfügung gestellt wurden.<br />

Aufgabenbereiche, die gefördert wurden<br />

Während 2012 insgesamt 3,6 Millionen<br />

Euro oder 60 Prozent der Aufwendungen<br />

für die Unterstützung der Pastoralarbeit<br />

von Schwesterkirchen getätigt wurden,<br />

summierten sich die Zuschüsse für Projekte<br />

der Entwicklungszusammenarbeit in Trägerschaft<br />

von Orden und Ortskirchen auf<br />

2,4 Millionen Euro, also 40 Prozent der Beihilfen.<br />

Die Förderung der Seelsorge in den Partnerkirchen<br />

betraf insbesondere die Errichtung<br />

kirchlicher Infrastruktur wie Kirchen,<br />

Pfarrhäuser, Gemeinde- und Pastoralzentren<br />

sowie von Gebäuden für Ordensgemeinschaften<br />

oder Stätten der Aus- und<br />

Fortbildung, zu einem guten Teil jedoch<br />

auch die Finanzierung solcher Bildungsmaßnahmen<br />

selber. Auch die im Rahmen<br />

der Solidaritätsaktion „Priester helfen einander<br />

in der Mission“ (PRIM) für die Unterstützung<br />

des Klerus in Äthiopien, Eritrea<br />

und dem Sudan aufgewendeten Mittel<br />

sind hier ebenso einzurechnen wie diejenigen,<br />

die in Kooperation mit der Adveniat-<br />

Patenschaftsaktion für die Ausbildung des<br />

Priesternachwuchses in Guatemala und El<br />

Salvador aufwendet wurden.<br />

Die im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

gewährten Zuschüsse von 2,4<br />

Millionen konzentrierten sich etwa zur<br />

Hälfte auf die Bildungsarbeit, und zu einem<br />

Viertel auf Maßnahmen im Gesundheitsund<br />

Sozialsektor. Ein weiteres Viertel entfiel<br />

auf die Sicherung von Grundbedürfnissen<br />

(Nahrung, sauberes Trinkwasser,<br />

Wohnraum) sowie auf Not- und Katastrophenhilfe,<br />

vornehmlich für von der Öffentlichkeit<br />

nicht beachtete Desaster.<br />

Eine Zwitterstellung nehmen Motorisierungsprojekte<br />

ein, denen bei der flächenmäßigen<br />

Ausdehnung überseeischer Gemeinden<br />

und Diözesen eine Schlüsselrolle<br />

zukommt. Ohne Kraftfahrzeuge können<br />

Pfarrer, Ordensgeistliche, Schwestern und<br />

Katechisten ihren jeweiligen Auftrag auf<br />

den Feldern der Sozial, Gesundheits- oder<br />

Seelsorgearbeit kaum sinnvoll wahrnehmen.<br />

Dafür wurden 2012 knapp etwa<br />

neun Prozent der Zuschüsse vergeben.<br />

Hilfen – über die Kontinente verteilt<br />

Die eingesetzten Mittel entfielen auf die Bereiche<br />

Entwicklungsvorhaben 7,7%<br />

Sonstiges 4,8%<br />

Not- und<br />

Kathastrophenhilfe 3,5%<br />

Existenzsicherung<br />

von einheimischem<br />

Personal<br />

Nutz- und<br />

Personenfahrzeuge<br />

Gesundheits- und Sozialarbeit<br />

8,9%<br />

8,8%<br />

17,6%<br />

<strong>Der</strong> schwarze Kontinent lag auch 2012<br />

wieder vorn mit rund 40,9 Prozent aller bewilligten<br />

Hilfsgelder. Länder in Asien erhielten<br />

32,7 Prozent Lateinamerika profitierte<br />

zu etwa 13 Prozent, Europa mit 12,4 Prozent,<br />

und ein Prozent ging nach Ozeanien,<br />

genauer auf die Salomonen.<br />

Hauptempfängerländer waren Indien, gefolgt<br />

von Uganda, Guatemala, der Ukraine,<br />

Vietnam, Burkina Faso, der Demokratischen<br />

Republik Kongo und Brasilien.<br />

In einer Jahresbilanz der finanziellen Zusammenarbeit<br />

darf allerdings auch nicht<br />

unerwähnt bleiben, dass 564 beantragte<br />

Projekte, mithin fast die Hälfte aller erhaltenen<br />

Hilfsgesuche, nicht berücksichtigt<br />

werden konnten. Nur zu einem geringen<br />

Teil lagen die Ablehnungen jedoch an mangelnden<br />

Fördermitteln.<br />

Hilfen haben Namen und Gesicht<br />

Auch wenn die Zahlen der Missionskräfte,<br />

die aus der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

stammen und weltweit im Einsatz sind,<br />

weiter rückläufig sind, so waren 2012 doch<br />

noch insgesamt 174 Missionarinnen, Missionare<br />

und Entwicklungsfachkräfte in 41<br />

Ländern in Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika<br />

und Ozeanien tätig. Darunter waren<br />

auch vier Fidei Donum-Priester unserer<br />

Diözese in Argentinien und Bolivien.<br />

Weiterhin hoher Beliebtheit erfreut sich der<br />

Weltkirchliche Friedensdienst der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> von BDKJ und HA<br />

Weltkirche, der am 1. Juli 2012 in Trägerschaft<br />

der neu gegründeten gGmbH Freiwilligendienste<br />

überging. So konnten in<br />

Zusammenarbeit mit dem Weltwärts-Programm<br />

der Bundesregierung im Jahrgang<br />

2011/2012 insgesamt 20 junge Männer<br />

und Frauen für einen mindestens 12-mo-<br />

36,0%<br />

Erneuerbare Energien 2,0%<br />

19,3%<br />

Bildungsarbeit<br />

Kirchliche<br />

Infrastrukturmaßnahmen


A u s g a b e 2 0 1 3 4 1<br />

natigen Dienst nach Brasilien, Chile, Mexiko,<br />

Südafrika und Thailand entsendet werden.<br />

40,9%<br />

Von Seiten der mittlerweile auch bei der<br />

gGMbH Freiwilligendienste untergebrachten<br />

Servicestelle für Weltkirchliche Freiwilligendienste<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

konnten ebensolche Weltwärts-Einsätze<br />

vermittelt werden für junge Menschen<br />

aus Pfarrgemeinden mit weltkirchlichen<br />

Partnerschaften, über Ordensgemeinschaften<br />

im Rahmen von deren Missionar-auf-Zeit-Programmen<br />

oder über die<br />

Katholische Schulstiftung und deren Partnerschaft<br />

zum katholischen Schulwerk der<br />

nordwestargentinischen Diözese Santiago<br />

del Estero. Über diese Schiene gingen im<br />

Jahrgang 2011/2012 insgesamt 17 junge<br />

Leute nach Argentinien, Bolivien, Peru, Indien<br />

und Tansania.<br />

Im Jahrgang 2012/<strong>2013</strong>, der nach dem<br />

Schulabschluss im August/September des<br />

Jahres ausreiste, waren die Verhältnisse<br />

dann umgekehrt. Während im Rahmen des<br />

Weltkirchlichen Friedensdienstes 17 junge<br />

Frauen und Männer ausreisten, waren es<br />

Von den 5,62 Millionen Euro entfielen auf<br />

Europa 0,67 Mio. Euro<br />

11,0%<br />

Ozeanien 0,06 Mio. Euro<br />

1,0%<br />

Asien 1,98 Mio. Euro<br />

32,7%<br />

dagegen bei der Servicestelle im selben<br />

Jahrgang 20 junge Laienmissionskräfte.<br />

Heraus aus der Einbahnstraße<br />

Erstmals konnten im Jahr 2012 auch aus lateinamerikanischen<br />

Partnerdiözesen in Argentinien,<br />

Brasilien und Mexiko jeweils<br />

zwei Freiwillige, insgesamt drei junge Frauen<br />

und drei junge Männer, für ein sogenanntes<br />

Reverse-Programm in der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> willkommen geheißen<br />

werden. Die jungen Leute absolvieren<br />

ein Freiwilliges Soziales Jahr bis zum Sommer<br />

<strong>2013</strong>. Sie sind in Kirchengemeinden<br />

integriert, leben dort in Gastfamilien und<br />

versehen ihren Dienst in nahegelegenen<br />

gemeinnützigen Einrichtungen wie Kindergärten,<br />

Sozialstationen oder Jugendhäusern.<br />

Wie bei den ins Ausland gehenden jungen<br />

Menschen aus unserer Diözese auch, gehören<br />

zum Reverse-Programm gleichfalls<br />

Sprach- und Einführungskurse, Begleitseminare<br />

und Reflexionsphasen und Anleitung<br />

von Mentoren. Das vom BDKJ, der<br />

Hauptabteilung Weltkirche, der Aktion<br />

Hoffnung und der Aktion GlücksSpirale finanziell<br />

unterstützte Projekt nahm 2012 einen<br />

vielversprechenden Auftakt.<br />

Afrika 2,48 Mio. Euro<br />

40,9%<br />

Inland 0,08 Mio. Euro<br />

1,4%<br />

Lateinamerika 0,79 Mio. Euro<br />

13,0%<br />

Weltkirche hierzulande<br />

Ehemalige Freiwilligendienstler, Rückkehrerinnen<br />

und Rückkehrer aus Weltkirchlichen<br />

Friedensdiensten, spielen auch eine<br />

große Rolle bei der weltkirchlich-missionarischen<br />

Bildungsarbeit, wie sie von der zur<br />

Hauptabteilung Weltkirche gehörenden<br />

missio-Diözesanstelle ausgeht.<br />

So haben zahlreiche ehemalige Freiwillige,<br />

nachdem sie von ihrem Auslandsdienst in<br />

die Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> zurückgekehrt<br />

sind, im Jahr 2012 bei den sogenannten<br />

außerordentlichen missio-Sonntagen<br />

mitgewirkt, und mit ihren Erfahrungen<br />

in den jeweiligen Kirchengemeinden<br />

für die Anliegen der kirchlichen Missionswerke<br />

geworben. Bei der Tournee des<br />

AIDS-Trucks des Internationalen Katholischen<br />

Missionswerks missio durch die Diözese,<br />

unter anderem auch anlässlich der<br />

Messe „Fair Handeln“ im April 2012 in<br />

<strong>Stuttgart</strong>, wirkten ebenso Rückkehrerinnen<br />

und Rückkehrer mit, wie beim missio-<br />

Auftritt auf dem Katholikentag im Mai<br />

2012 in Mannheim.<br />

Die missio-Diözesanstelle konnte darüber<br />

hinaus durch die „Aufbaukurse Weltkirche“<br />

I und II mit 33 bzw. 20 Teilnehmenden<br />

Interessentinnen und Interessenten für<br />

Partnerschaftsarbeit und interkulturellen<br />

Dialog gewinnen. In diesem Zusammenhang<br />

wurde auch eine Studienfahrt zu den<br />

in Aachen ansässigen Hilfswerken missio,<br />

Misereor und dem Kindermissionswerk<br />

durchgeführt.<br />

Verschiedene regionale vorbereitende Veranstaltungen<br />

auf den Monat der Weltmission<br />

und die einwöchige Rundreise des<br />

Gastes, Schwester Hubertine Babe aus Papua<br />

Neuguinea im Weltmissionsmonat Oktober<br />

2012, vermochten es an vielen Orten<br />

der Diözese, Interesse zu wecken für die<br />

Sorgen und Nöte, aber auch für die Errungenschaften<br />

der Christen in fernen Ländern<br />

sowie die katholische Kirche als eine<br />

Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern<br />

im Glauben zu erleben.


4 2 D e r g e t e i l t e M a n t e l<br />

Projekt-Evaluierung und Exposure-<br />

Programme<br />

Die Motivation und Entschlossenheit vieler<br />

württembergischer Katholiken, helfen zu<br />

wollen, sind der Hauptabteilung Weltkirche<br />

in gleichem Maße wie die Bedürftigkeit<br />

und Not derjenigen in aller Welt, die sich<br />

hilfesuchend an die Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<br />

<strong>Stuttgart</strong> wenden, große Verpflichtung, alles<br />

zu geben, um die treuhänderisch zur<br />

Verfügung gestellten Gelder aus Kirchensteuern,<br />

Stiftungserträgen und Spenden so<br />

sinnvoll wie möglich in Projekte in Trägerschaft<br />

der Partnerkirchen umzusetzen.<br />

Die Erfüllung solch hoher Ansprüche kann<br />

jedoch nur gelingen, wenn man die Partner,<br />

welche die Projekte planen und verantworten,<br />

die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen, in die<br />

ihre Vorhaben eingebettet sind, wie auch<br />

die allgemeinen Lebensbedingungen und<br />

grundlegenden Verhältnisse in den jeweiligen<br />

Projektländern aus eigener Anschauung<br />

kennt. Aus dieser Sicht sind Projektreisen<br />

in die Länder der Partner zur Evaluierung<br />

der Projekte unerlässlich.<br />

Dabei ist mit Evaluierung nicht in erster Linie<br />

Inspektion, Kontrolle und Überprüfung<br />

z. B. von Büchern, Rechnungslegung oder<br />

Kosten-Nutzen-Berechnungen gemeint.<br />

Das ist die Mehrheit der Projektpartner sehr<br />

wohl durch eigene Fachleute zu leisten imstande.<br />

Unter dem Stichwort „Evaluierung“<br />

geht es viel mehr darum, gemeinsam<br />

mit den Partnern herauszufinden, bei<br />

welchen Ursachen man ansetzen muss, um<br />

die Probleme lösen oder reduzieren zu können.<br />

Welche Maßnahmen und Projekte,<br />

mit welchen erhofften Wirkungen und Ergebnissen<br />

sollten aus diesen Erkenntnissen<br />

heraus in Angriff genommen werden? Evaluierung<br />

ist die Analyse von Fehlern, um<br />

daraus zu lernen und sie nicht zu wiederholen.<br />

In diesem Sinn war der Leiter Hauptabteilung<br />

Weltkirche, Domkapitular Heinz Detlef<br />

Stäps, 2012 mit verschiedenen Mitar-<br />

„Hort der Liebe“ für junge Menschen mit schweren Behinderungen (s. Bericht auf S. 11).<br />

beiterteams auf Projektreisen in Guatemala,<br />

der Ukraine und in China.<br />

Diakon Klaus-Jürgen Kauß, in der Hauptabteilung<br />

Weltkirche für missionarisches<br />

Personal zuständig, führte im Februar<br />

2012 eine Gruppe von 14 Studierenden<br />

der Katholischen Theologie an der Universität<br />

Tübingen für ein 14-tägiges „Exposure-Programm“<br />

nach Südafrika. Für zukünftige<br />

pastorale Mitarbeiter der Diözese wird<br />

es nämlich als wichtig angesehen, dass sie<br />

sich wenigstens einmal während ihres Studiums<br />

Situationen aussetzen (= engl. „to<br />

expose“), in denen sie persönliche und prägende<br />

interreligiöse und interkulturelle Erfahrungen<br />

machen können.<br />

Gleiches gilt auch für diejenigen, die sich<br />

ehrenamtlich in Sachausschüssen der Kirchengemeinden,<br />

in Dekanaten oder auf<br />

Diözesanebene für Weltkirche und Mission<br />

oder für Partnerschaften engagieren. Dieser<br />

Zielgruppe galt eine zweite von Diakon<br />

Kauß angeführte Reise, die 16 hochmotivierte<br />

Frauen und Männer aus verschiedenen<br />

Regionen der Diözese im Oktober nach<br />

Indien in den westlichen Bundesstaat Maharashtra<br />

und dessen Millionenmetropole<br />

Mumbai (Bombay) brachte. Mitverantwortet<br />

und begleitet wurde diese Reise von Brigitte<br />

Willbold-Mulach, der Vorsitzenden<br />

des Diözesanratsausschusses „Eine Welt“.<br />

Diese regelmäßig in zweijährigem Turnus<br />

von der Hauptabteilung angebotene Möglichkeit,<br />

an Exposure-Reisen teilnehmen zu<br />

können,<br />

wird allgemein sehr geschätzt<br />

und nachgefragt. Das damit verbundene<br />

Lernprogramm, gewissermaßen das Fremde<br />

als Fremdes zu verstehen und die eigenen<br />

gewohnten Maßstäbe relativieren zu<br />

lernen, bringt bei den Teilnehmern im Resultat<br />

eine Mischung aus tiefer Betroffenheit<br />

und leidenschaftlicher Begeisterung<br />

für die weltkirchliche Arbeit hervor.<br />

Johannes Bielefeld<br />

Die Ergebnisse der Sammlungen und Kollekten für die Weltkirche*<br />

* Stand 25. Juni <strong>2013</strong><br />

** ohne Direktspenden an Adveniat<br />

2012 2011<br />

ro in Euro in Euro in Euro<br />

Afrikakollekte 138.146,00 119.204,51<br />

Fastenopfer der Kinder 36.300,16 42.888,66<br />

Misereor 3.230.805,17 3.853.293,59<br />

Hl. Grab und Hl. Land 219.744,49 218.936,09<br />

Missio-Kollekte 327.256,77 454.149,17<br />

Adveniat** 1.672.269,51 1.830.379,02<br />

Krippenopfer der Kinder<br />

für die Missionen 134.350,73 147.184,40<br />

Adveniat-Patenschaften 49.697,53 53.206,27<br />

Miteinander teilen 52.000,00 47.000,00<br />

Sternsingeraktion 4.547.048,46 4.500.759,13<br />

Verschiedene Missionszwecke 151.746,55 113.262,81<br />

Katechisten im Sudan 2.100,00 2.410,00<br />

Opferbeckensammlung für die<br />

Priesterausbildung in Osteuropa 49.870,24 53.650,44<br />

Prim 291.974,47 301.707,07<br />

Summe 11.232.744,67 12.062.744,26


A u s g a b e 2 0 1 3 4 3<br />

BEI DEN<br />

Menschen<br />

SEIN<br />

Schenken Sie Hoffnung für Menschen in Krisenregionen,<br />

für Waisen und Straßenkinder oder für HIV-Infizierte.<br />

Jede Spende hilft!<br />

Stiftung Weltkirche<br />

Johannes Bielefeld<br />

Telefon 07472 169-291<br />

E-Mail weltkirche@bo.drs.de<br />

www.weltkirchlich-engagiert.de<br />

Spendenkonto 64 98 280<br />

LIGA-Bank · BLZ 750 903 00<br />

Stichwort: GM - Stiftung Weltkirche<br />

STIFTUNG WELTKIRCHE<br />

Stiftung Weltkirche in der<br />

Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

BEI DEN<br />

MENSCHEN<br />

SEIN


Die Autoren<br />

Johannes Bielefeld, Geschäftsführer der<br />

Hauptabteilung Weltkirche, <strong>Rottenburg</strong><br />

a. N.<br />

Resi Bokmeier, Frauenbildungsreferentin<br />

a. D., viele Jahre tätig als Consultant<br />

beim Katholischen Frauenbund der Diözese<br />

Jasikan, Ghana; Mitarbeiterin im<br />

Arbeitskreis EINE WELT des Katholischen<br />

Deutschen Frauenbundes (KDFB) – Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>, <strong>Stuttgart</strong><br />

Thomas Broch, Dr. theol., Pressesprecher<br />

i. R., Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>, Pfaffenweiler<br />

i. Br.<br />

Hermine Burger, Gemeindereferentin<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>, arbeitet<br />

seit 2010 als Entwicklungsfachkraft<br />

bei der Caritas Angola in Luanda<br />

Bruder Hans Eigner MCCJ, Comboni-<br />

Missionar, Ellwangen/Jagst<br />

Klaus-Jürgen Kauß, Diakon, Dipl.-Pädagoge,<br />

Mitarbeiter der Hauptabteilung<br />

Weltkirche der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

und Gemeindeseelsorger, <strong>Rottenburg</strong><br />

a. N.-Schwalldorf<br />

Klaus Kießling, Prof. Dr. Dr., Prof. für<br />

Religionspädagogik, Pastoralpsychologie<br />

und Psychologie, Phil.-Theol. Hochschule<br />

St. Georgen, Präsident des Internationalen<br />

Diakonatszentrums, Frankfurt a. M.<br />

Doris Köhncke, Leiterin des Fraueninformationszentrums<br />

FIZ, Diakonie – Verein<br />

für Internationale Jugendarbeit e. V.,<br />

<strong>Stuttgart</strong><br />

Clemens Mendonca, Prof. Dr. theol.,<br />

Geschäftsführende Direktorin des Institute<br />

for the Study of Religion in Pune/Indien<br />

und Beraterin für ökumenische und<br />

interreligiöse Fragen in der Asiatischen<br />

Bischofskonferenz (FABC-OEIA)<br />

Odilo Metzler, Dipl.-Theol., Pastoralreferent<br />

in der Ökumenischen Hochschulgemeinde<br />

<strong>Stuttgart</strong>-Hohenheim, Mitglied<br />

des Leitungsteams des Diözesanverbands<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> von Pax Christi,<br />

<strong>Stuttgart</strong><br />

Adalberto Martins, Mitglied der Bundesstaatsleitung<br />

der Landlosenbewegung<br />

(MST) im Bundesstaat Rio Grande do Sul<br />

in Brasilien<br />

Shirley Erena Murray, Religiöse Lyrikerin,<br />

New-Zealand, neben zahlreichen anderen<br />

Auszeichungen Verleihung der Ehrendoktorwürde<br />

für Literatur durch die<br />

Universität von Otago im Jahr 2009<br />

Sarah Schabert, <strong>Rottenburg</strong>-Oberndorf,<br />

leistete von August 2011 bis August<br />

2012 Freiwilligendienst im Social Centre<br />

der Jesuiten in Ahmenadgar bei Pune im<br />

indischen Bundesstaat Maharashtra<br />

Heinz Detlef Stäps, Msgr., Dr. hist.<br />

eccl., Domkapitular, Leiter der Hauptabteilungen<br />

Weltkirche sowie Glaubensfragen<br />

und Ökumene der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>,<br />

<strong>Rottenburg</strong> a. N.<br />

Irmtraud Widmayer, Vorstandsmitglied<br />

beim Katholischen Deutschen Frauenbund<br />

(KDFB) – Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>,<br />

Leiterin des Referats „Mission-Entwicklung-Frieden“,<br />

Göppingen<br />

m Stiftung Weltkirche in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

Liga Bank eG<br />

IBAN DE90750903000006498280<br />

BIC GENODEF1M05<br />

Stichwort „Stiftung Weltkirche“<br />

Herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat<br />

der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong><br />

Hauptabteilung Weltkirche (X)<br />

Postfach 9<br />

72101 <strong>Rottenburg</strong> am Neckar<br />

www.drs.de<br />

Redaktion: Johannes Bielefeld, Dr. Thomas Broch (Schriftleitung), Bernward Hecke, Klaus-Jürgen<br />

Kauß, Dr. Willi Knecht, Renate Tafferner, Brigitte Willbold-Mulach, Elke Zimmermann<br />

Bilder: Broch (U1), 4 (1,2), 6, 8-10, 12-16, 19, 38; Burger privat: 18; Eigner MCCJ: 22-23;<br />

FIZ/Köhncke: 30-31; Kauß: 39; KDFB Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>: 36; Missionsprokur Kloster<br />

Untermarchtal: 4 (3), 34-35; Mozer: 5; picture-alliance/ASSOCIATED PRESS: 32; picture-alliance/dpa:<br />

25; Ruehlow: 7; Schabert: 20-21; Stiftung Weltkirche in der Diözese <strong>Rottenburg</strong>-<br />

<strong>Stuttgart</strong>: 42; Thümmrich: 24; Stock4B GmbH: 39<br />

Gestaltung: www.thuemmrichdesign.de<br />

Druck: Druckerei Maier, <strong>Rottenburg</strong> a. N.<br />

Juli <strong>2013</strong><br />

Gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier<br />

Dieser Ausgabe liegen der Prospekt „Weltweit solidarisch. Missionarische Dienste und<br />

Projekte“, hrsg. von der Hauptabteilung Weltkirche des Bischöflichen Ordinariats<br />

(<strong>2013</strong>), sowie eine Einladung zum 5. Internationalen Partnerschaftstag der Diözese<br />

<strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> am 21. September <strong>2013</strong> in <strong>Stuttgart</strong> bei.

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