Dr. Michael Utsch - Nebenwirkungen und Risiken ... - Sonnenhalde

Dr. Michael Utsch - Nebenwirkungen und Risiken ... - Sonnenhalde Dr. Michael Utsch - Nebenwirkungen und Risiken ... - Sonnenhalde

<strong>Nebenwirkungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiken</strong> der Psychotherapie<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Michael</strong> <strong>Utsch</strong><br />

www.ezw-berlin.de


„Natürlich mache ich auch eine Psychoanalyse, aber erst seit<br />

15 Jahren. Ich gebe meinem Analytiker noch ein Jahr, dann<br />

pilgere ich nach Lourdes!“<br />

Woody Allen, Der Stadtneurotiker (1977)


1. Psychotherapie wird häufig überschätzt<br />

2. <strong>Nebenwirkungen</strong> einer Psychotherapie<br />

3. <strong>Risiken</strong> aus Patienten– <strong>und</strong> Therapeutensicht<br />

4. Kriterien für eine aussichtsreiche Behandlung


Gesellschaftliche Trends<br />

* Wunsch nach Kontrolle über die eigene Seele<br />

* Entzauberung der Außenwelt durch Technik –<br />

Verzauberung der Innenwelt durch Psychologisches<br />

* Psychotherapeuten als säkulare Priester<br />

* Unangefochtene Deutungshoheit der Psychologie


Psychologisierung des Alltags<br />

• alles wird psychologisch erklärt <strong>und</strong> interpretiert<br />

• mit der richtigen Psychologie wird alles möglich<br />

• Psychologie kann zum<br />

Religionsersatz werden


Psychologie in der Krise<br />

• Fehldiagnosen aufgr<strong>und</strong> eines Optimierungswahns<br />

• 40 % der Jugendlichen ängstlich-depressiv: altersspezifisches<br />

Phänomen, nur bei 8% alltagsrelevant<br />

• jeder 4. Mensch wird als psychisch krank eingestuft<br />

„Wenn Ärzte ein Medikament zu Verfügung haben,<br />

diagnostizieren sie entsprechend“ (Ritalin => ADHS)


Zauberwort „Persönlichkeitsentwicklung“<br />

• Wodurch entwickelt sich die Persönlichkeit?<br />

• Wie viel Förderung von außen benötigt sie?<br />

• Hat jede(r) die harte „Arbeit an Charakter“ nötig?<br />

• Was macht eine überzeugende Persönlichkeit aus?<br />

Gefahr uniformer <strong>und</strong> utopischer Ideale


Psychotherapie benötigt Werte<br />

• Wer legt die Behandlungsziele fest?<br />

• Ohne Werte Gefahr ideologischer Vereinnahmung (=> NLP)<br />

• Psychologischen Modellen liegen Menschenbilder zugr<strong>und</strong>e<br />

• Reflexion <strong>und</strong> Transparenz der anthropologischen Setzungen


Warum Psychotherapie boomt<br />

• Zunahme psychischer Erkrankungen<br />

• Individualisierung<br />

Jeder ist seines Glückes Schmied.<br />

• Selbstoptimierung<br />

Der Zwang zur Verwirklichung.<br />

• Gemeinschaftsverlust<br />

Das eigene Selbst als Orientierungsgeber <strong>und</strong> als Objekt der Anbetung<br />

• Sinn- <strong>und</strong> Orientierungssuche<br />

Postmoderne Vielfalt überfordert: Was tut mir gut, was will ich wirklich?


„Wo gehobelt wird, fallen Späne…“<br />

• Jeder 10. Pat. mehr Beschwerden nach Psychotherapie<br />

• Misserfolge in der PT unterschätzt / vernachlässigt<br />

• Optimale Patienten – Therapeuten Passung sehr selten


Überschätzung psychotherapeutischer Möglichkeiten<br />

• 20. „Jahrh<strong>und</strong>ert der Psychologie“<br />

• Laien überschätzen die Möglichkeiten<br />

• Verbreitete Mythen der Psychotherapie


Vier populärpsychologische Irrtümer<br />

• Veränderbarkeit des Charakters<br />

(Persönlichkeitseigenschaften sind relativ stabil)<br />

• Dominanz des Lustprinzips<br />

(auch wertorientierte Ziele motivieren)<br />

• Mythos vom frühen Trauma<br />

(die ersten Lebensjahre entscheiden nicht alles)<br />

• Das Seelenleben ist versteh- <strong>und</strong> steuerbar<br />

(Entwicklungsprozesse sind offen & manchmal erstaunlich!)


„Psycho-Design“:<br />

• Psychotechniken sollen Wunschträume wahr machen:<br />

Grenzen <strong>und</strong> Scheitern wehren dem Narzissmus<br />

• Machbarkeitsglaube:<br />

Glück ist kein Ergebnis einer gelungenen Therapie !<br />

• Beratungs- <strong>und</strong> Coaching-Boom:<br />

Krisen fördern die Persönlichkeitsentwicklung


Humanistische Psychologie bedarf der Ergänzung<br />

• Unrealistisches Entwicklungskonzept („fully functioning“)<br />

• Ich-Zentriertheit, fehlender Gemeinsinn<br />

• Verleugnung der menschlichen Destruktivität


Grenzen der Psychotherapie<br />

„Nicht alle Probleme sind lösbar.<br />

Es gibt Fragen, auf die man auch durch großes Bemühen keine Antwort findet.<br />

Die Möglichkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten jedes Menschen sind begrenzt.<br />

Alles als sicher Geglaubte kann plötzlich verloren gehen.<br />

Sich selber <strong>und</strong> einen anderen Menschen kann man nie vollkommen verstehen.<br />

Es gibt keine Garantie dafür, dass wir Hilfe erhalten, wenn wir sie brauchen“.<br />

(Irvin Yalom: Schwer zu ertragende Gr<strong>und</strong>wahrheiten des Menschseins, 1995)<br />

Die existenziellen Fragen nach dem Zufall (Warum ich?),<br />

dem Sinn (Wozu?), der Schuld (Warum?) <strong>und</strong> dem Tod<br />

(Wohin?) sind psychologisch nicht zu beantworten.


Spiritualisierung der Psychologie<br />

• Bedarf nach weltanschaulicher Orientierung - Sinngebung<br />

• Folgen: Psychoszene / transpersonale Psychotherapie<br />

• Religiöse Funktionen psychologischer Deutungen:<br />

Selbstvergewisserung, Sinnstiftung, Lebensorientierung<br />

• Angebote der Psychoszene gehen von weltanschaulichen<br />

Glaubensüberzeugungen aus, verwenden Techniken zur<br />

Bewusstseinserweiterung <strong>und</strong> wollen existenzielle<br />

Lebensfragen beantworten.


2. <strong>Nebenwirkungen</strong> einer Psychotherapie<br />

• Das Risiko unvorhersehbarer Komplikationen<br />

• Unerwünschte Phänomene durch die Behandlung<br />

• Behandlungsfehler (Schäden durch falsches Vorgehen)<br />

• Wechselwirkungen mit medizinischen, sozialen <strong>und</strong>/oder<br />

seelsorgerlichen Interventionen


<strong>Risiken</strong> & Schäden einer Psychotherapie<br />

• Jede 5. Therapie wird abgebrochen (Stift. Warentest 2011)<br />

• Chronifizierung vorhandener Phänomene<br />

• Auftreten neuer Symptome<br />

• Instrumentalisierung der Therapie<br />

(nur über Probleme reden anstatt handeln)


Ursachen schädigender Psychotherapie<br />

• Cave: Bei 10 % der Pat. verschlechterte sich ihr Zustand<br />

• Patient <strong>und</strong> Therapeut harmonieren nicht<br />

• Unprofessionelle Durchführung der Behandlung<br />

• Unethisches Verhalten des Behandlers


3. <strong>Risiken</strong> auf Patientenseite<br />

• Es werden keine großen Mühen <strong>und</strong> Probleme erwartet<br />

• Emotionale Anstrengungen werden unterschätzt<br />

• Ausgeprägtes Misstrauen oder Rigidität<br />

• Delegation der Verantwortlichkeit, Abhängigkeit


<strong>Risiken</strong> auf Therapeutenseite<br />

• Mangel an Empathie, negative Gefühle<br />

(Enttäuschung, Ärger, Langeweile, Feindseligkeit)<br />

• Überarbeitung, fehlende Präsenz<br />

• Verfolgung unrealistischer Behandlungsziele<br />

• Eigene Bedürftigkeit: Zu „netter“ bzw. zu „strenger“ Umgang<br />

• Teilweise unzureichende Weiterbildung<br />

• => Bester Schutz: kontinuierliche Reflexion / Supervision


Psychotherapie - <strong>Nebenwirkungen</strong> bei Hochreligiösen<br />

• Hohe Bedeutung des Arbeitsbündnisses<br />

• Unterscheidung heilsamer / schädigender Frömmigkeit<br />

• Behutsame Veränderungen der Gottesbeziehung / Gottesbildes<br />

• Ggf. Austritt aus der bisherigen religiösen Gemeinschaft<br />

• Ggf. Wahl einer neuen religiösen Gemeinschaft


„Beipackzettel“ Psychotherapie<br />

– Forschungsprojekt 2010 Donau-Universität Krems (A)<br />

– Befragung von 2500 Patienten <strong>und</strong> 70 Experten<br />

– Niedrigschwelliges & unabhängiges Informationsangebot<br />

– Befragte Therapeuten berichteten eher die Schwierigkeiten<br />

anderer Verfahren – kaum ehrliche Selbstkritik<br />

– Therapien bei aufgeklärten Patienten verlaufen erfolgreicher!


„Beipackzettel“ Psychotherapie<br />

– Welches Menschenbild liegt der Methode zugr<strong>und</strong>e?<br />

– Welche Veränderungen des Denkens, Fühlens <strong>und</strong><br />

Handelns sind typische Effekte der Methode?<br />

– Welche besonderen Persönlichkeitsmerkmale des<br />

Patienten sollten berücksichtigt werden?<br />

– Was sind typische Auswirkungen auf das soziale Umfeld?


Gefahren vom „Beipackzettel“ Psychotherapie<br />

– Durch die <strong>Risiken</strong> werden Klienten von einer notwendigen<br />

Behandlung abgeschreckt.<br />

– Verstärkung von Krankheitsbildern, insbesondere bei Menschen<br />

mithypochondrischer Selbstbeobachtung<br />

– Beipackzettel können wie selbsterfüllende Prophezeiungen wirken<br />

<strong>und</strong> die Phänomene produzieren, die sie vermeiden sollen.<br />

– Erörterung negativer Effekte kostet Zeit, die zum Aufbau einer<br />

vertrauensvollen Beziehung <strong>und</strong> zur Problemlösung fehlt.


4. Kriterien für eine aussichtsreiche Behandlung<br />

* bewährte Hausmittel helfen nicht mehr (Sport, Natur, Hobby,…)<br />

* Fre<strong>und</strong>e raten zu einem Abklärungsgespräch<br />

* Leidensdruck ist stark ausgeprägt<br />

* Wunsch nach professioneller Hilfe<br />

* Viele Informationen über Psychotherapie sammeln<br />

* sich Zeit nehmen, um einen passenden Therapeuten finden<br />

* bei Hochreligiösen ggf. seelsorgerliche Begleitung


Wirksamkeitsfaktoren einer Psychotherapie<br />

40% außertherapeutische Faktoren<br />

30% die therapeutische Beziehung<br />

15% therapeutische Techniken<br />

15% Erwartungen, Hoffnungen, ”Placebo”<br />

Miller/Duncan/Hubble 2001


Bescheidenheit ist gefragt!<br />

Bausteine eines realistischen Menschenbilds<br />

• Eine „Fehlerkultur“ ist in der Psychotherapie kaum vorhanden.<br />

• Grenzen, Fehler <strong>und</strong> Scheitern macht bescheiden<br />

• Glück <strong>und</strong> Erfolg sind nicht machbar<br />

• Krisen fördern die Persönlichkeitsentwicklung<br />

• Jeder einzelne muss innere Dämonen bändigen <strong>und</strong> Chancen ergreifen<br />

• Zufriedenheit ist auch in engen Spielräumen möglich<br />

• Die menschliche Seele bleibt ein Geheimnis.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Kontakt:<br />

utsch@ezw-berlin.de

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