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MOSES UND ARON

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<strong>MOSES</strong> <strong>UND</strong> <strong>ARON</strong><br />

(Arnold Schoenberg)<br />

Oper in drei Akten (von denen der letzte nur textlich vorliegt), Textbuch vom Komponisten.<br />

Originalsprache: Deutsch<br />

Moses – Sprechrolle; Aron, sein Bruder – Tenor; ein junges Mädchen – Sopran; eine Kranke – Alt;<br />

Jünglinge, Männer, Priester, Frauen, Bettler, Greise, Älteste, Tänzer usw.<br />

Ort und Zeit: Am Fusse des Berges Sinai, in biblischer Vorzeit<br />

Handlung: Moses und Aron sind hier als Vertreter zweier entgegen gesetzter Prinzipien geschaut: des<br />

Geistigen und des Sinnlichen. Moses stellt den reinen Glauben dar, Aron dessen körperliches,<br />

sichtbares, sinnfälliges Abbild; Moses den Idealismus, Aron den Materialismus, Moses die<br />

konzessionslose Strenge, das Gesetz, die Gerechtigkeit, Aron die anpassungsfähige<br />

Schmiegsamkeit, die Opportunität, die Demagogie. Die Handlung folgt im grossen und ganzen der<br />

Bibelerzählung. Sie setzt im Augenblick ein, da Moses von Gott aus dem brennenden Dornbusch den<br />

Auftrag erhält, dem Volke Israel Seine Existenz zu verkünden. Vergeblich sucht Moses sich der<br />

schweren Aufgabe zu entziehen: „Meine Zunge ist ungelenk, ich kann denken, aber nicht reden.“ Da<br />

bestimmt Gott Moses’ Bruder Aron zum Verkünder: „Aron will ich erleuchten, er soll dein Mund sein!“<br />

sie sollen also gewissermassen eins sein, ein Gedanke in zwei Persönlichkeiten. In der folgenden<br />

Szene begegnen die Brüder einander in der Wüste. Zwischen dem sprechenden Moses und dem<br />

singenden Aron entwickelt sich ein intensives „Duett“ (wenn diese Bezeichnung hier erlaubt ist); Aron<br />

nimmt die heilige Aufgabe an, versteht sie aber von vorneherein anders als Moses, er muss sich von<br />

Gott ein Bild machen, eine Vorstellung, während er für den Bruder reiner Geist und Gedanke bleibt.<br />

Gemeinsam ziehen die Brüder nun aus, um die Lehre zu verkünden, als deren politischen Teil Aron<br />

auch die Erlösung Israels aus der ägyptischen Gefangenschaft verstehen will. Doch das Volk glaubt<br />

blossen Worten nicht. Es will Bilder, anschauliche Vorstellungen. Mehr: es will Wunder. Denn nur ein<br />

wundertätiger Gott kann den mächtigen Pharao besiegen. Aron verwandelt Moses’ Stab in eine<br />

Schlange; er heilt Aussatz, er verwandelt Wasser in Wein. Nun ist die Masse bereit zu glauben und im<br />

Namen des „ewigen Gottes“ gegen die Unterdrücker aufzustehen. Moses besteigt den Berg Sinai,<br />

wohin Gott ihn zur Besiegelung seines Paktes mit dem Volke Israel berufen hat. Seine Abwesenheit<br />

währt lange. Ein Flüsterchor stellt die Stimmen der Zweifler dar, die nicht mehr an seine Rückkehr<br />

glauben und das Volk aufzuwiegeln suchen. Immer lauter murrt die Menge. Vierzig Tage und Nächte<br />

harrt sie schon am Fusse des geheimnisvoll in Wolken gehüllten Berges. Die Bande der Disziplin<br />

lockern sich, schliesslich bricht eine offene Rebellion gegen den neuen Gott und gegen seine<br />

Verkünder aus. Aron muss weichen: „Euch gemäss sind Götter gegenwärtigen, alltagsnahen Inhalts“,<br />

erkennt er schmerzlich und willigt ein in den Bau eines goldenen Kalbs. In einer Opernszene alten<br />

Stils – mit Massenchören, Massenszenen, Massenbewegung – errichtet das Volk ein Standbild seines<br />

Götzen und beginnt es in frenetischer Orgie zu umtanzen. Sinnlichkeit, Blutopfer, Todesschreie,<br />

Selbstmorde, Verwüstung: das ist das Bild, das Moses vorfindet, der mit den Gesetzestafeln vom<br />

Sinai zurückkehrt. Unter seinem strafenden Arm zerfällt das heidnische Symbol. Es kommt zur<br />

grossen Auseinandersetzung zwischen den Brüdern. Sie sind, beide in Liebe zu ihrem Volk und in<br />

Ehrfurcht vor Gott, unendlich weit voneinander entfernt. Moses zertrümmert die Gesetzestafeln, als<br />

Aron ihm vorhält, auch sie seien ein Abbild Gottes. Aron vollbringt neue Wunder; im Vertrauen auf<br />

eine Feuersäule machen die Kinder Israels sich auf den Weg aus der Knechtschaft. Als es Tag wird,<br />

verwandelt die Feuersäule sich in eine Wolkensäule. Aron jubelt: „Gottes Zeichen wie der glühende<br />

Dornbusch. Darin zeigt der Ewige nicht sich, aber den Weg zu sich und den Weg ins gelobte Land!“<br />

Moses aber verzweifelt: „So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht<br />

gesagt werden! O Wort, du Wort, das mir fehlt!“ Hier endet der zweite Akte und damit der von<br />

Schoenberg vertonte Teil. Zu Beginn der dritten Aktes hat Moses den Glauben an seine Sendung und<br />

damit die Macht wieder gewonnen. Aron wird gefesselt vor ihn geführt, doch befiehlt er nicht seine<br />

Hinrichtung, sondern seine Freilassung. Aber Aron fällt, als ihm die Ketten gelöst werden, tot um. In<br />

einer grossen Schlussansprache wendet Moses sich an das Volk: „Immer, wenn ihr euch unter die<br />

Völker mischt und verwendet eure Gaben, die zu besitzen ihr auserwählt seid, um für den<br />

Gottesgedanken zu kämpfen, zu falschen und nichtigen Zwecken, um im Wettbewerb mit fremden<br />

Völkern an ihren niedrigen Freuden teilzunehmen, immer wenn ihr die Wunschlosigkeit der Wüste<br />

verlasst und eure Gaben euch zur höchsten Höhe geführt haben, immer werdet ihr wieder


heruntergestürzt werden vom Erfolg des Missbrauches, zurück in die Wüste.... Aber in der Wüste seid<br />

ihr unüberwindlich und werdet das Ziel erreichen: vereinigt mit Gott.“<br />

Quelle: Das Alte Testament der Bibel<br />

Textbuch: Man muss dieses Libretto als gedankentiefe, wenn auch nicht immer sprachbeherrschte<br />

oder gar –gewandte Dichtung ansprechen. Sie lädt zum Nachdenken ein, kommt aber der Musik<br />

kaum entgegen. Vielleicht ist auch hier, wie bei vielen Werken Schoenbergs, die intellektuelle<br />

Leistung grösser als die künstlerische. Trotzdem ist ein hochbedeutendes Werk entstanden, das<br />

Probleme ständiger Aktualität von einer hohen Warte aus behandelt. Die Verkörperung der Extreme<br />

im menschlichen Leben durch Moses und Aron ist mit grosser geistiger Überlegenheit angepackt.<br />

Musik: Von wirklicher Opernmusik kann nur während der grossen Volksszenen bei den Orgien im<br />

zweiten Akt gesprochen werden. Die philosophisch wichtigsten Stellen zeigen eine äusserst<br />

komplizierte musikalische Struktur, die dem gewöhnlichen Opernbesucher unmöglich klar werden<br />

kann. Das gesamte riesige Werk ist aus einer einzigen Zwölftonreihe heraus entwickelt: eine<br />

imposante geistige Leistung, die aber unhörbar bleibt. Der äussere Aufwand ist gewaltig: ein sehr<br />

grosses Orchester, ein ebensolcher Chor, zahlreiche Solopartien, alles von bislang kaum vorstellbarer<br />

Schwierigkeit. Nur sehr leistungsfähige Häuser können sich, bei langer intensiver Probearbeit auf<br />

dieses Werk einstellen, das künftigen Generationen wohl als wichtiges Dokument der Musik unseres<br />

Jahrhunderts erscheinen wird, aber kaum als lebendiges Musikstück<br />

Geschichte: Schoenberg arbeitete an „Moses und Aron“ von 1930 bis 1932; er konnte zwei Akte<br />

vollenden. Obwohl er noch beinahe zwanzig Jahre lebte, ist er nie mehr auf dieses Werk zurück<br />

gekommen. Der dritte Akt besteht allein aus Text, es sind keine musikalischen Skizzen bekannt<br />

geworden. Diese Tatsache wirft viele Fragen auf. Hielt Schoenberg diese Oper aus irgendeinem<br />

Grunde für unaufführbar? Schoenberg hatte, wie viele seiner Generation viel gelitten; die Emigration<br />

ist auch für prominente Persönlichkeiten oft kein leichtes Los, ein tragischer Zug haftet dieser<br />

Heimatlosigkeit selbst im günstigst gelungenen Falle an. Nur die engsten Freunde scheinen von der<br />

Existenz dieses Torsos gewusst zu haben, dessen Aufführung Schoenberg vor seinem Tode<br />

ausdrücklich autorisierte: ein wohl einmaliger Fall. So kam es am 12. März 1954 zur ersten<br />

konzertanten Aufführung im Norddeutschen Rundfunk Hamburg. Am 6. Juni 1957 wagte Zürichs<br />

Theater sich unter der musikalischen Leitung von Hans Rosbaud an die gewaltige Tat einer<br />

szenischen Premiere, die weltweites Aufsehen erregte.<br />

Auszug aus „OPER DER WELT“ von Prof. Dr. Kurt Pahlen<br />

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