Organ des mährisch-schlesischen Sudeten-Gebirgs-Wereines.
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ALTVATER<br />
<strong>Organ</strong> <strong>des</strong> <strong>mährisch</strong>-<strong>schlesischen</strong> <strong>Sudeten</strong>-<strong>Gebirgs</strong>-<strong>Wereines</strong>.<br />
Redigiert von Adolf Kettner in Freiwaldau.<br />
Für Mitglieder unentgeltlich; für Nichtmitglieder pro Jahr 1 fl. 50 kr. oder 3 Mark.<br />
Nr. 8 der neuen Folge. 12 Nummern bilden einen Band.<br />
Nr. 2. Freiwaldau, 1. März 1890. VIII. Jahrgang.<br />
Die Eisenbahn von Hannsdorf nach<br />
Freiwaldau.<br />
Von Gustav Mi kusch.<br />
(Fortsetzung und Schluss.)<br />
Einige Zeit darauf musste Antonio mit seinem<br />
Herrn abreisen. Am Vorabende <strong>des</strong> zur Abreise bestimmten<br />
Tages wollte er Dorothea noch einmal sehen<br />
und verabredete mit ihr eine Zusammenkunft bei dem<br />
Höhlenstein. Antonio erschien zuerst und bald darauf<br />
Dorothea mit ihrem Bruder.<br />
Das Mädchen zeigte sich diesmal sehr zärtlich<br />
gegen ihren Buhlen und hieß ihn, mit ihr in die<br />
schattige Höhle sich zu begeben. Er that dies, kam<br />
aber nicht wieder heraus. Kaum war er in die Höhle<br />
eingetreten, so stieß ihm Dorothea ein scharfgeschliffe-<br />
nes Messer in den Leib. Sodann eilte sie — ihrer<br />
Sinne nicht mehr mächtig — mit dem blutigen Messer<br />
aus der Höhle auf ihren Bruder zu; doch in demselben<br />
Augenblicke sah sie, wie er zu Fels erstarrte<br />
und so ihr Fluch in Erfüllung gieng.<br />
Sie lief nun nach Goldenstein zu dem Gutsherrn<br />
und klagte sich selbst <strong>des</strong> Mor<strong>des</strong> an Antonio an.<br />
Entsetzt über das Ereignis, ließ Hynek von Würben<br />
den Fall genau untersuchen und als er die Beweggründe<br />
zu der That <strong>des</strong> Mädchens erfuhr, sprach er<br />
dasselbe von aller Schuld los, da es, nach seinem D afürhalten,<br />
bloß seine Ehre an Antonio gerächt hatte.<br />
Nach diesem Abstecher in die Zeit der Romantik<br />
wende ich mich wieder der blühenden, lebensvollen<br />
Gegenwart zu.<br />
Bald nach der Abfahrt von Franzensthal öffnete<br />
sich gegen Osten hin ein von weiten Forsten eingeschlossenes<br />
Seitenthal, durch welches der Rauschbach<br />
sein krystallhelles Wasser, gleich einem glitzernden<br />
Bande auf dunklem Grunde, der Mittelbord zuführt.<br />
Eine Wanderung in diesem Thale aufwärts gegen das<br />
in einer Waldeinsamkeit reizend gelegene Neu-Josefsthal<br />
und von dort nach dem Hochgebirge ist sehr<br />
lohnend.<br />
Die Eisenbahn, welche auf ihrem weiteren Wege<br />
immer mehr Steigung zu überwinden hat, führt uns<br />
an den links gelegenen Graphitwerken (Buhl & Comp,<br />
in Altstadt) vorüber und gelangt durch einen sehr<br />
! tiefen Felseneinschnitt nach Messinghammer. Hier fand<br />
ehemals ein ansehnlicher Bergbau auf Kupfer statt, das<br />
auch dort zu Messing verarbeitet w urde; daher der<br />
Name <strong>des</strong> Ortes.<br />
Anschließend an diesen erhebt sich auf einem<br />
j mächtigen Bergabhange terassenförmig das malerisch<br />
gelegene Städtchen Goldenstein, überragt von einem<br />
I Fürst Liechtenstein’schen Schlosse, über das wieder<br />
J altersgraue Ruinen der einstigen Burg Goldenstein<br />
(altes Schloss) sich erheben.<br />
Der steil abfallende Bergabhang, den Schloss<br />
und Ruine krönen, enthält in seinem oberen, nach<br />
Süden gewandten Theile eine Anlage, die, obgleich in<br />
letzter Zeit vernachlässigt, dennoch von Einheimischen<br />
und Fremden wegen der herrlichen Aussicht in das<br />
Thal der Mittelbord oft und gern besucht w'ird.<br />
Die Ueberreste der Burg, obgleich vom Zahne<br />
der Zeit stark zersetzt, lassen auf deren einstigen<br />
Umfang und auf ihre Festigkeit schließen. — Vorbei<br />
i ist die Zeit der glänzenden Feste, welche ehemals<br />
die Hallen der Veste erfüllten, still und öde ist’s in<br />
den verfallenen Räumen, die jetzt „wilder Stürme<br />
rauhes Bette“ sind. Nur eines ist der denkwürdigen<br />
Stätte geblieben, nämlich: die umfassende und bezaubernde<br />
Fernsicht über Thal und Berg.<br />
Die Erbauung der Burg Goldenstein fällt wahrscheinlich<br />
in die Zeit <strong>des</strong> 12. oder 13. Jahrhunderts.<br />
Der Sage nach lebte im 13. Jahrhunderte ein durch<br />
den Bergbau sehr reich gewordener Italiener, der eine<br />
Tochter Goldine besaß, die durch Anmuth und Schönheit<br />
alle Welt bezauberte und daher von vielen Freiern<br />
umworben ward. Schließlich sollte sie — gegen ihren<br />
Willen — einen dem Stande der Nobili angehörigen<br />
Venezianer heiraten. Ihr Widerstreben, einem Manne<br />
anzugehören, für den sie gar keine Zuneigung empfand,<br />
veranlasste sie, mit mehreren Getreuen das Welschland<br />
zu verlassen und eine Gegend aufzusuchen, wo sie abgeschieden<br />
von der Welt und sicher vor jeder Verfolgung<br />
leben konnte. Nur der Gesang der Vögel und<br />
das Rauschen der <strong>Gebirgs</strong>wässer sollten die Einsamkeit<br />
ihres Aufenthaltes beleben. So gelangte sie mit<br />
ihren Begleitern in die ehemals mit dichten Wäldern<br />
bedeckte Gegend <strong>des</strong> heutigen Goldenstein. Die vom<br />
anhaltenden Regen angeschwollene Mittelbord und der<br />
Schleifrohrbach, die sich am Südfuße eines steilen<br />
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