22.12.2013 Aufrufe

Erfahrungen im Modellversuch zur Neustrukturierung des ...

Erfahrungen im Modellversuch zur Neustrukturierung des ...

Erfahrungen im Modellversuch zur Neustrukturierung des ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

B Voraussetzungen und Verläufe<br />

7 <strong>Modellversuch</strong> Schulanfang<br />

Die Vorgehensweisen der Kollegien waren jedoch in den Projekten sehr unterschiedlich.<br />

Während einige sehr viel Sicherheit benötigten und sich <strong>des</strong>halb noch längere Zeit an bewährten<br />

<strong>Erfahrungen</strong> festhielten, änderten andere ihre pädagogisch-konzeptionellen und die organisationalen<br />

Strukturen gleichzeitig, so wie FAUST-SIEHL{ XE "FAUST-SIEHL" } es empfiehlt (FAUST-<br />

SIEHL{ XE "FAUST-SIEHL" } 1998, 136). KORNMANN{ XE "KORNMANN" } (1998) führt diese<br />

Unterschiede aufgrund seiner <strong>Erfahrungen</strong> <strong>im</strong> hessischen <strong>Modellversuch</strong> auch auf geeignete<br />

Grundhaltungen der Lehrpersonen <strong>zur</strong>ück. So traten dort Probleme bei der neu hinzugekommenen<br />

Aufgabe einer sehr weitgehenden Differenzierung auch <strong>des</strong>halb auf, weil <strong>im</strong>plizite Entwicklungstheorien<br />

einer geeigneten Sicht auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder<br />

<strong>im</strong> Wege standen. Einige Lehrerinnen und Lehrer äußerten in den von mir ausgewerteten Zwischenberichten<br />

ein hohes Maß an Unsicherheit, ob ihre Arbeit tatsächlich alle Kinder angemessen<br />

fördere.<br />

Wie in anderen <strong>Modellversuch</strong>en mit ähnlicher Aufgabenstellung (z.B. <strong>im</strong> hamburgischen<br />

<strong>Modellversuch</strong> "Die integrative Grundschule <strong>im</strong> sozialen Brennpunkt", HINZ{ XE "HINZ" } u.a.<br />

1998) zeigte sich auch <strong>im</strong> niedersächsischen, dass die Integration der Klasse <strong>zur</strong> Lerngemeinschaft<br />

möglichst früh gelingen muss, damit mit verhaltensschwierigen Kindern ein für alle<br />

fruchtbarer Unterricht zustande kommt. Dass hier eine Erhöhung der Heterogenität (nämlich<br />

durch die Jahrgangsmischung) zu einer größeren Integration der Klasse als Lerngemeinschaft<br />

beitragen kann, war für einige Kollegien anfänglich nur schwer zu glauben.<br />

FREINET{ XE "FREINET" }'s geflügeltes Wort "Adler steigen keine Treppen" (FREINET 1996,<br />

295f) gilt nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Kollegien: Dort wo ein geringeres<br />

Sockelniveau (HAENISCH{ XE "HAENISCH" } 1995; HOLTAPPELS{ XE "HOLTAPPELS" }<br />

1998b, 76) an pädagogisch-organisatorischer Erfahrung vorhanden war, schien den Lehrerinnen<br />

und Lehrern ein kleinschrittiges Reformieren offenbar angemessener als der Weg, die Strukturen<br />

und die pädagogischen Vorgehensweisen gleichzeitig zu ändern. Das entspricht allen <strong>Erfahrungen</strong><br />

mit Reformen (Kapitel 2 und 3). Wirksame Reformen, darüber ist man sich international<br />

einig, setzen <strong>im</strong>mer an den Vorerfahrungen und Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an. Auch<br />

die dem Einstieg folgenden Etappen auf dem Weg zu einem weitgesteckten Ziel dürfen die Kollegien<br />

nicht überfordern.<br />

In den <strong>Modellversuch</strong>en waren die Vorgaben so variabel, dass die Schulen sich die konkrete<br />

Ausgestaltung, die Weite <strong>des</strong> Ziels und die Etappen dorthin selbst einrichten konnten. Den<br />

kleinschrittigen Weg zu wählen, stand ihnen also offen. Das bereitete nachträglich betrachtet<br />

trotz mangelnder Vorausplanung <strong>des</strong> Prozesses auch nicht die großen Schwierigkeiten. Es<br />

schien aber in vielen Fällen die Energie nicht aus<strong>zur</strong>eichen, sich ohne Hilfsmittel vom Ausgangspunkt<br />

zu entfernen. Eine allzu lange Gradwanderung zwischen Altem und Neuem steht<br />

nämlich <strong>im</strong>mer in der Gefahr <strong>des</strong> Zurückfallens. Wenn <strong>im</strong> Alten keine Strukturen vorhanden<br />

sind, das auf dem Weg Gelernte transparent und nutzbar zu machen, kann es allzu leicht wieder<br />

verlorengehen. Auch das lehren die <strong>zur</strong>ückliegenden <strong>Erfahrungen</strong> mit Schulreformen. Wie Schulen<br />

dieses Ausbalancieren zwischen "alten" Sicherheiten und "neuen" Herausforderungen teils<br />

mit heftigen Rückschlägen dennoch konkret bewältigen, beschreiben die beiden folgenden Beispiele.<br />

Beispiel 1: Zu konservatives Vorgehen führt zu massiven Widersprüchen256<br />

Eine der Schulen hatte sich von ihrem Antrag auf Genehmigung eines Schulversuchs <strong>zur</strong> "<strong>Neustrukturierung</strong><br />

<strong>des</strong> Schulanfangs" vor allem Hilfe für Verhaltensprobleme nach der Einschulung<br />

versprochen. Ihre anfänglichen "Lerngründe" waren offenbar eher defensiver Art257. Es ging ihnen<br />

weniger darum, etwas ganz neues zu entwickeln, sondern eher darum, Überbelastungen ab-<br />

256 Dem Beispiel liegt die Analyse der <strong>Modellversuch</strong>-Zwischenberichte <strong>des</strong> ersten und <strong>des</strong> beginnenden zweiten<br />

Schulversuchsjahres zugrunde<br />

257 "Defensive" versus "expansive Lerngründe" siehe Holzkamp{ XE "Holzkamp" } 1993, 191; Carle 1995a, 55<br />

247

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!