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2003/2 IFF Forum für Steuerrecht - IFF - Universität St.Gallen

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<strong>IFF</strong> Institut für Finanzwirtschaft<br />

und Finanzrecht<br />

<strong>IFF</strong><br />

<strong>Forum</strong> für<br />

<strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

Aus dem Inhalt<br />

Dr. Markus Weidmann<br />

Dr. Peter Baumgartner<br />

Daniel de Vries Reilingh,<br />

av., LL.M.<br />

Prof. Dr. Robert Waldburger<br />

Dr. Kurt Arnold<br />

Lic. oec. Kurt <strong>St</strong>alder/<br />

Dr. Ulrich Cavelti<br />

Lic. iur. Rainer Zigerlig/<br />

Lic. iur. Agostino Cozzio/<br />

Eric Hess, Fürsprecher<br />

Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU<br />

auf die Schweiz<br />

Répartitions intercantonales en cas de modification de l’assujettissement en<br />

cours de période fiscale: survol critique de la circulaire n o 17<br />

Zur Remittance Clause im DBA-UK<br />

Toni Hess, Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen<br />

Instrumente sowie deren Anteilsinhaber in der Schweiz<br />

Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

Gesetzgebungs-Agenda <strong>2003</strong>/2<br />

<strong>2003</strong>/2


Impressum<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

Publikation des Instituts für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der<br />

Universität <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong> (<strong>IFF</strong>-HSG)<br />

Herausgeber und Verlag<br />

Institut für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der Universität<br />

<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>, Varnbüelstrasse 19, CH-9000 <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />

Telefon: +41 (0)71 224 25 20<br />

Telefax: +41 (0)71 224 26 70<br />

E-Mail: fstr-iff@unisg.ch<br />

Internet-Website: www.iff.unisg.ch<br />

Redaktion<br />

Leitung: Dr. rer. publ. Ruedi Baumann<br />

<strong>St</strong>ellvertreter: Prof. Dr. oec. et lic. iur. Klaus A. Vallender<br />

Unternehmensteuer: Prof. Dr. oec. Peter Athanas<br />

Einkommensteuer: Dr. iur. Thomas Meister, LL. M. (Tax)<br />

Umsatzsteuer und Verkehrsteuern: Dr. oec. publ. Ivo P. Baumgartner<br />

Internationales <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>: Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger<br />

und Dr. rer. publ. Ruedi Baumann<br />

<strong>St</strong>euerstrafrecht: Alfred Meier, Fürsprecher<br />

<strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s-System: Prof. Dr. oec. et lic. iur. Klaus A. Vallender<br />

Rechtsprechungs-Überblick: Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger<br />

Gesetzgebungs-Agenda: Lic. iur. Rainer Zigerlig<br />

Erscheinungsweise<br />

Pro Jahr erscheinen vier Hefte; Erscheinungsdaten sind jeweils der<br />

15.2., 15.5., 15.8. und 15.11.<br />

Bezugspreis<br />

Jahres-Abonnement: CHF 390.– (<strong>St</strong>udenten: 50 % Rabatt für Neu-Abonnemente),<br />

Mehrfach-Abonnemente: Auskunft beim Verlag, Einzelhefte:<br />

CHF 97.50. In diesen Preisen sind der Jahresordner sowie die Mehrwertsteuer<br />

enthalten. Es werden die effektiven Versandkosten verrechnet.<br />

Die Rechnungsstellung erfolgt jeweils am Jahresanfang.<br />

Bestellungen<br />

Beim Verlag<br />

Abbestellungen<br />

Schriftlich beim Verlag bis spätestens sechs Wochen vor Jahresende<br />

Manuskripte und Rezensions-Exemplare<br />

Bitte an den Verlag<br />

Urheber- und Verlagsrechte<br />

Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und<br />

Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede vom Urheberrechtsgesetz<br />

nicht ausdrücklich zugelassene Verwertung bedarf vorheriger<br />

schriftlicher Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung,<br />

Bearbeitung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Einspeicherung,<br />

Verarbeitung bzw. Wiedergabe in Datenbanken oder anderen<br />

elektronischen Medien und Systemen. Fotokopien dürfen nur als Einzelkopien<br />

für den persönlichen Gebrauch hergestellt werden.<br />

Konzept und Gestaltung<br />

Designalltag Zürich, Ruedi Rüegg, Zürich<br />

Druck<br />

Cavelti AG, Druck und Media, CH-9201 Gossau<br />

Internet-Auftritt<br />

Die Zeitschrift verfügt über eine eigene Abteilung im Website des <strong>IFF</strong><br />

Abkürzungsvorschlag<br />

F<strong>St</strong>R<br />

ISSN 1424-9855<br />

Fortsetzung letzte Innenseite<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


<strong>IFF</strong> Institut für Finanzwirtschaft<br />

und Finanzrecht<br />

<strong>IFF</strong><br />

<strong>Forum</strong> für<br />

<strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

<strong>2003</strong>/2


82<br />

Inhalt<br />

Dr. Markus Weidmann<br />

Dr. Peter Baumgartner<br />

Artikel<br />

Realisation und Zurechnung des Einkommens 83<br />

Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen<br />

von OECD und EU auf die Schweiz 109<br />

Daniel de Vries Reilingh,<br />

av., LL.M.<br />

Prof. Dr. Robert Waldburger<br />

Praxis-<strong>Forum</strong><br />

Répartitions intercantonales en cas de modification de l’assujettissement<br />

en cours de période fiscale: survol critique de la circulaire n o 17 123<br />

Zur Remittance Clause im DBA-UK 136<br />

Dr. Kurt Arnold<br />

Literatur-<strong>Forum</strong><br />

Toni Hess, Die Besteuerung der Anlagefonds und der<br />

anlagefondsähnlichen Instrumente sowie deren Anteilsinhaber<br />

in der Schweiz 144<br />

Lic. oec. Kurt <strong>St</strong>alder/<br />

Dr. Ulrich Cavelti<br />

Lic. iur. Rainer Zigerlig/<br />

Lic. iur. Agostino Cozzio/<br />

Eric Hess, Fürsprecher<br />

Gesetzgebungs-<strong>Forum</strong><br />

Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung 149<br />

Gesetzgebungs-Agenda<br />

Gesetzgebungs-Agenda <strong>2003</strong>/2 156<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


83<br />

Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

Dr. iur. Markus Weidmann<br />

Dr. iur. Markus Weidmann,<br />

Rechtsanwalt und<br />

dipl. <strong>St</strong>euerexperte,<br />

Homburger, Zürich<br />

Inhalt<br />

1 Einleitung<br />

2 Sachlicher Umfang des Einkommens<br />

2.1 Begriff des Einkommens aus wirtschaftlicher Sicht<br />

2.2 Der steuerrechtliche Einkommensbegriff<br />

2.2.1 Rechtsprechung<br />

2.2.2 Markteinkommenstheorie<br />

2.2.3 Zuflusstheorie<br />

2.2.4 Folgerungen<br />

2.3 Sondertatbestände<br />

2.3.1 <strong>St</strong>euerliche Unbeachtlichkeit der privaten<br />

Kapitalgewinne und -verluste<br />

2.3.2 Ausnahmen zur Unbeachtlichkeit der privaten<br />

Kapitalgewinne und -verluste<br />

2.3.2.1 Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken<br />

2.3.2.2 Einkünfte aus Obligationen mit überwiegender<br />

Einmalverzinsung<br />

2.3.3 Beteiligungsertrag<br />

2.3.3.1 Objektbezogene Betrachtungsweise als Grundsatz<br />

2.3.3.2 Bemessung des <strong>St</strong>euerobjektes<br />

2.3.3.3 Primäre Konsequenzen der gesetzlichen Regelung<br />

2.3.3.4 Sekundäre Konsequenzen der gesetzlichen Regelung:<br />

Transponierung und indirekte Teilliquidation<br />

2.3.4 Marchzinsen<br />

2.4 Gesetzlicher Verzicht auf Realisation des<br />

Einkommens<br />

2.4.1 Eigenmietwert der selbstbewohnten Liegenschaft<br />

2.4.2 Tatbestände steuersystematischer Realisation<br />

2.4.3 Aufwertungsgewinne<br />

2.4.4 Eigenleistungen im Geschäft<br />

2.5 <strong>St</strong>euerneutrale Vorgänge<br />

2.5.1 Privatvermögen<br />

2.5.2 Geschäftsvermögen<br />

3 Zeitliche Zurechnung<br />

3.1 Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht<br />

3.3 Die kaufmännische Gewinnermittlung<br />

3.4 Realisation von Einkünften im Bereich des<br />

Privatvermögens<br />

3.4.1 Realisation einer Einkunft<br />

3.4.1.1 Erwerb einer sicheren Forderung<br />

3.4.1.2 Keine Rückgabepflicht<br />

3.4.1.3 Keine besondere Unsicherheit der Erfüllung<br />

3.4.2 Risiken von Schadenersatz- und anderen<br />

Verpflichtungen<br />

4 Persönliche Zurechnung<br />

4.1 Inhaber der wirtschaftlichen Verfügungsmacht<br />

4.2 Zurechnung und Aussonderung<br />

4.2.1 Gesetzestechnik der abweichenden Zurechnung<br />

4.2.2 Auswirkungen<br />

4.2.3 Einzelfälle<br />

4.2.3.1 Einkommen von Kindern unter elterlicher Sorge<br />

4.2.3.2 Erbengemeinschaften bei ungewisser Erbfolge<br />

4.2.3.3 Ausländische Personengesellschaften und andere<br />

ausländische Personengesamtheiten ohne juristische<br />

Persönlichkeit<br />

4.2.3.4 Anlagefonds mit direktem Grundbesitz<br />

4.3 Objektorientierte Besteuerung<br />

4.4 Übertragung latenter <strong>St</strong>euern durch steuerneutrale<br />

Vorgänge<br />

5 Bewertung<br />

5.1 Grundsatz<br />

5.2 Ausnahme bei Eigenmietwert<br />

6 Schlussbetrachtung<br />

Literatur<br />

3.2 Umschreibungen in Literatur und Judikatur<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


84 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

1 Einleitung<br />

Verschiedene Fragen aus dem Bereich der Einkommenssteuer<br />

sind erneut auf verstärktes Interesse gestossen.<br />

Auf politischer Ebene ist die Besteuerung des Eigenmietwertes<br />

schon vor längerer Zeit in Bewegung geraten<br />

und hat auch eine Diskussion ihrer rechtlichen Natur<br />

veranlasst. Nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in<br />

der Öffentlichkeit haben Gerichtsentscheide über die<br />

Besteuerung der Opfer von Anlagebetrügern Beachtung<br />

gefunden. All dies sind Gründe, auf die Grundlagen der<br />

Einkommensbesteuerung zurückzukommen und sie zu<br />

überdenken.<br />

Das gesetzliche Konzept einer für bestimmte Zeitabschnitte<br />

geschuldeten <strong>St</strong>euer auf dem Einkommen eines<br />

einzelnen <strong>St</strong>euerpflichtigen erfordert, das Objekt der<br />

Einkommenssteuer nach folgenden Richtungen hin zu<br />

untersuchen:<br />

1. Sachlicher Umfang: Was gilt als Einkommen für<br />

<strong>St</strong>euerzwecke?<br />

2. Zeitliche Zurechnung: Wann ist dieses Einkommen<br />

steuerlich zu erfassen?<br />

3. Persönliche Zurechnung: Wer ist an diesem Einkommen<br />

berechtigt? Daran schliesst sich die Frage an, ob<br />

der am Einkommen Berechtigte dieses auch in jedem<br />

Fall selbst zu versteuern hat.<br />

4. Bewertung: Welcher Wert ist diesem Einkommen<br />

steuerlich zuzumessen?<br />

2 Sachlicher Umfang des Einkommens<br />

2.1 Begriff des Einkommens aus wirtschaftlicher<br />

Sicht<br />

Die Finanzwissenschaft hat mit einer Reihe von theoretischen<br />

Ansätzen versucht, den Begriff des Einkommens<br />

zu definieren. Die vorliegende Betrachtung muss sich<br />

auf die Theorie des Einkommens als Reinvermögenszugang<br />

beschränken, welche das <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> grund legend<br />

beeinflusst hat 1 . Dieser finanzwissenschaftliche Einkommensbegriff<br />

ist vor allem von Georg Schanz, Robert<br />

M. Haig und Henry C. Simons entwickelt worden 2 . Einkommen<br />

im finanzwissenschaftlichen Sinne ist gemäss<br />

Schanz 3 «Reinvermögenszugang während eines bestimmten<br />

Zeitabschnittes inkl. der Nutzungen und geldwerten<br />

Leistungen Dritter». Diese – sehr abstrakt gehaltene<br />

– Definition erläutert Schanz kasuistisch wie folgt 4 :<br />

«Wir nehmen also zum Einkommen alle Reinerträge<br />

und Nutzungen, geldwerte Leistungen Dritter, alle<br />

Geschenke, Erbschaften, Legate, Lotteriegewinne,<br />

Versicherungskapitalien, Versicherungsrenten, Kon -<br />

junkturengewinne jeder Art, wir rechnen ab alle<br />

Schuldzinsen und Vermögensverluste. Was erübrigt,<br />

steht neu zur Disposition des Empfängers, gehört<br />

nicht zu dem bereits vorhandenen <strong>St</strong>ammvermögen,<br />

tritt erst zu dem bisherigen Vermögen – das natürlich<br />

auch fast Null sein kann – hinzu.»<br />

Haig hat festgehalten, dass nur geldwerte Güter und<br />

Dienstleistungen einkommensrelevant sind (im Gegensatz<br />

etwa zu Vergnügen, Wohlbefinden etc.) 5 . Auf den<br />

Arbeiten von Schanz und Haig aufbauend, hat Simons<br />

den finanzwissenschaftlichen Begriff des Einkommens<br />

wie folgt umschrieben 6 :<br />

«Its calculation [des Einkommens] implies estimate<br />

(a) of the amount by which the value of a person’s<br />

store of property rights would have increased, as be -<br />

tween the beginning and end of the period, if he had<br />

consumed (destroyed) nothing, or (b) of the value of<br />

rights which he might have exercised in consump -<br />

tion without altering the value of his store of rights.<br />

(…) Personal income may be defined as the algebraic<br />

sum of (1) the market value of rights exercised<br />

in consumption and (2) the change in the value of the<br />

store of property rights between the beginning and<br />

end of the period in question.»<br />

Das Einkommen aus finanzwissenschaftlicher Sicht ist<br />

demnach die Summe der in der fraglichen Periode konsumierten<br />

Rechte und der Wertänderung des Vermögensstandes<br />

zwischen Anfang und Ende der Periode. Als Einkommen<br />

gelten zunächst sämtliche Einkünfte, die eine<br />

Person am Markt erzielt, wie namentlich Arbeitslohn,<br />

Mieteinnahmen oder Zinsen. Ob die betreffende Person<br />

diese Einkünfte in Geld oder als Naturalleistungen vereinnahmt,<br />

spielt keine Rolle 7 .<br />

1 Die Quellentheorie wird deshalb nicht näher behandelt. Diese<br />

Theorie stellt auf die Regelmässigkeit des Zuflusses an ökonomischen<br />

Werten aus einer bestimmten, dauernden Erwerbsquelle<br />

ab (Arbeit, Kapital, Unternehmen) und war für<br />

das englische und das preussische Einkommenssteuerrecht<br />

von Bedeutung (ANDEL, Finanzwissenschaft, S. 315; BLUMEN-<br />

STEIN/LOCHER, S. 170 f.; BRÜMMERHOFF, S. 292). Die Quel len -<br />

theorie ist überholt und lässt sich mit dem geltenden Recht<br />

nicht vereinbaren, sieht doch Art. 7 Abs. 1 <strong>St</strong>HG vor, dass insbesondere<br />

auch die einmaligen Einkünfte steuerbar sind<br />

(s. auch OBERSON, § 7 N. 3).<br />

2 ANDEL, S. 335; DERS. S.315; BRÜMMERHOFF, S. 292; ROSEN, S. 339.<br />

3 SCHANZ, S. 5.<br />

4 SCHANZ, S. 24.<br />

5 HAIG, S.54ff., insb. S. 58.<br />

6 SIMONS, S.49f.; s. auch BRÜMMERHOFF, S. 292; ROSEN, S. 339.<br />

7 ANDEL, Einkommensteuer, S. 337 ff.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

85<br />

Die finanzwissenschaftliche Theorie trifft aber auch<br />

keine Unterscheidung danach, ob eine Einkunft durch<br />

Teilnahme am Wirtschaftsverkehr («am Markt») erzielt<br />

worden ist oder nicht. Jegliche geldwerten Zuflüsse sind<br />

einkommenswirksam. Für das Verständnis des theoretischen<br />

Konzeptes des finanzwissenschaftlichen Einkommensbegriffes<br />

sind deshalb die so genannten hinzu -<br />

gerechneten Einkünfte (imputed income) und die Behandlung<br />

der Wertveränderungen von Vermögenswerten<br />

von zentraler Bedeutung. Bei den hinzugerechneten Einkünften<br />

handelt es sich einerseits um die Werte, welche<br />

die betreffende Person durch eigene Arbeit für sich<br />

selbst schafft, und andererseits um die wirtschaftlichen<br />

Vorteile, die sie sich durch Nutzung von ihr gehörenden<br />

Sachen verschafft.<br />

Hätte eine Person die fraglichen, von ihr selbst und für<br />

sich selbst ausgeführten Dienstleistungen einem Dritten<br />

erbracht, hätte sie hierfür ein Entgelt gefordert und erhalten.<br />

Umgekehrt hätte sie für solche Dienstleistungen<br />

bezahlen müssen, wenn sie sie von einem Dritten bezogen<br />

hätte. Eigenleistungen haben demnach einen Geldwert<br />

und bilden beim betreffenden Individuum unter<br />

wirtschaftlichen Gesichtspunkten Einkommen. Als Beispiele<br />

für Eigenleistungen werden in der Literatur der<br />

Friseur genannt, der die Haare seiner Kinder schneidet,<br />

der Freizeitgärtner, der seinen Garten selbst besorgt, und<br />

immer auch die Hausfrau, die sich um die Kinder und<br />

den Haushalt kümmert 8 .<br />

Weitere zugerechnete Einkünfte bilden, wie ausgeführt,<br />

nach dem finanzwissenschaftlichen Verständnis der Eigengebrauch<br />

von Sachen 9 . Wenn eine Person ihr gehörende<br />

Sachen selbst nutzt, erzielt sie Einkünfte in der<br />

Höhe des Markt-Mietpreises der betreffenden Güter.<br />

Solche Sachen sind nicht nur das Wohneigentum, sondern<br />

grundsätzlich alle nutzbaren Gegenstände, beispielsweise<br />

Möbel oder gar Bücher, denn die betreffende<br />

Person hätte ihr Bett oder ihren Diwan und ihre Bücher<br />

an andere für Geld vermieten können oder hätte diese<br />

umgekehrt vom Möbelhändler bzw. in der Leihbibliothek<br />

mieten müssen 10 . Die offenkundigen praktischen<br />

Probleme bei der Umsetzung eines solchen Konzepts 11<br />

haben innerhalb der Finanzwissenschaft zu Vorschlägen<br />

geführt, wonach nur dauerhafte Gebrauchsgüter relevant<br />

sein sollen 12 oder dass ein pauschaler Betrag an zugerechneten<br />

Einkünften anzusetzen sei 13 .<br />

Einkommenswirksam sind sodann sämtliche Wertveränderungen<br />

von Vermögensgegenständen aller Art. Wertverluste,<br />

beispielsweise infolge Abnutzung von Sachgütern<br />

(deren Gebrauch ja einkommenswirksam ist), oder<br />

Verschlechterung der Bonität eines Schuldners, wodurch<br />

sich der Wert der Forderung verringert, mindern das Einkommen.<br />

Die betreffende Person verliert damit auch<br />

wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, weil ihr Vermögensstand<br />

abgenommen hat. Umgekehrt stellen Wertsteigerungen<br />

Einkommen dar, weil sie den Vermögensstand<br />

der betreffenden Person erhöhen. Ohne im Einzelnen auf<br />

die in der Finanzwissenschaft geführten Diskussionen<br />

einzugehen, kann festgehalten werden, dass bereits nicht<br />

realisierte Wertsteigerungen einkommenswirksam sind,<br />

weil schon der blosse Wertzuwachs die Dispositionsfähigkeit<br />

über Güter und Dienstleistungen erhöht. Namentlich<br />

können auch nicht realisierte Wertsteigerungen<br />

durch Schuldaufnahme bzw. Verpfändung mindestens<br />

zum Teil verzehrt werden, ohne dass das bisherige Vermögen<br />

angetastet würde 14 . Aus praktischer Sicht wird<br />

konzediert, dass die Wertsteigerungen erst bei ihrer Realisation<br />

steuerlich zu erfassen sind 15 .<br />

Aus der Sicht des <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>es sind vor allem die folgenden<br />

Punkte des finanzwissenschaftlichen Konzeptes<br />

hervorzuheben:<br />

– Die Dienstleistungen, die eine Person sich selbst<br />

erbringt, sind als Einkommen einzusetzen. Die praktischen<br />

Probleme der Durchsetzung sind offenkundig.<br />

– Die Eigennutzung von Sachgütern ist einkommenswirksam;<br />

diese Feststellung gilt nicht nur für Wohneigentum,<br />

sondern für sämtliche nutzbaren Güter.<br />

Für die konkrete Umsetzung bestehen finanzwissenschaftliche<br />

Vorschläge, die Besteuerung der Eigennutzung<br />

einzugrenzen.<br />

– Wertveränderungen von Vermögensgegenständen<br />

sind ebenfalls einkommenswirksam. Dies gilt sowohl<br />

für Wertsteigerungen als auch für Wertver -<br />

luste. Auf die Realisation der Gewinne oder Verluste<br />

kommt es grundsätzlich nicht an. Für die praktische<br />

Durchführung wird die Besteuerung im Zeitpunkt<br />

der Realisation vorgeschlagen.<br />

8 ANDEL, Einkommensteuer, S. 340; ROSEN, S. 341; ZIMMERMANN/<br />

HENKE, S. 113.<br />

9 ANDEL, Einkommensteuer, S. 340 f.; ROSEN, S. 340; ZIMMER-<br />

MANN/HENKE, S. 113.<br />

10 KLEINWÄCHTER, S.10.<br />

11 ROSEN, S. 341.<br />

12 Vgl. MARSH, S. 520 f.<br />

13 SIMONS, S. 121.<br />

14 ANDEL, Einkommensteuer, S. 346; HAIG, S.61f.; ROSEN, S. 340;<br />

SCHANZ, S. 29, 42; für weitere Hinweise s. WEIDMANN, S. 22.<br />

15 SCHANZ, S. 44; SIMONS, S. 165 ff.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


86 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

2.2 Der steuerrechtliche Einkommensbegriff<br />

2.2.1 Rechtsprechung<br />

Das Bundesgericht umschreibt den steuerlichen Begriff<br />

des Einkommens als die Gesamtheit derjenigen Wirtschaftsgüter,<br />

welche einem Individuum während eines<br />

bestimmten Zeitabschnittes zufliessen und die es ohne<br />

Schmälerung seines Vermögens zur Befriedigung seiner<br />

persönlichen Bedürfnisse und für seine laufende Wirtschaft<br />

verwenden kann 16 . Diese Rechtsprechung lässt<br />

sich weit zurückverfolgen 17 und stimmt mit der von Blumenstein<br />

geprägten Formulierung überein, wonach unter<br />

Einkommen die Summe an solchen Gütern zu verstehen<br />

ist, die einem <strong>St</strong>euersubjekt zur Befriedigung seiner<br />

Bedürfnisse und für die Zwecke seiner laufenden Wirtschaft<br />

während einer bestimmten Periode ohne Schmälerung<br />

seines Vermögens zur Verfügung stehen 18 . Die Definition<br />

von Blumenstein geht auf Schanz zurück 19 . Das<br />

Bundesgericht steht demnach grundsätzlich auf dem Boden<br />

der Reinvermögenszugangstheorie 20 und erblickt in<br />

Art. 16 Abs. 1 DBG, entgegen der Auslegung dieser Bestimmung<br />

durch Ernst Höhn und Robert Waldburger 21 ,<br />

eine einkommenssteuerliche Generalklausel 22 . Indessen<br />

ist zugleich klar, dass die Einkommenssteuer keineswegs<br />

durchgängig dem theoretischen finanzwissenschaftlichen<br />

Konzept der Reinvermögenszugangstheorie<br />

folgt. Dies hat das Bundesgericht in verschiedenen<br />

Zusammenhängen zum Ausdruck gebracht:<br />

Entschädigungen für die Beeinträchtigung in der Hausarbeit<br />

sind nicht steuerbar. Das Bundesgericht hat ausgeführt,<br />

dass die Arbeiten, welche der den Haushalt führen-<br />

de Ehegatte verrichtet, «steuerlich nicht erfassbare Eigenleistungen<br />

des Paares» darstellen 23 . Das Zürcher Verwaltungsgericht<br />

hat diese Rechtsprechung unter dem<br />

harmonisierten kantonalen Recht bestätigt 24 . Die laufend<br />

in der eigenen Vermögenssphäre des <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

verbrauchten Eigenleistungen werden somit steuerlich –<br />

entgegen der finanzwissenschaftlichen Reinvermögenszugangstheorie<br />

– nicht erfasst 25 . Anders ist die Rechts -<br />

lage teilweise nach kantonaler Praxis hingegen dann,<br />

wenn Eigenleistungen an einer Liegenschaft erbracht<br />

worden sind und zu einer Wertsteigerung geführt haben.<br />

Diesfalls können die Eigenleistungen bei der Veräusserung<br />

der Liegenschaft auf Grund der Einkommensgeneralklausel<br />

besteuert werden 26 .<br />

Die Eigennutzung von Sachen wird grundsätzlich nicht<br />

besteuert 27 . Dies mag vor dem Hintergrund der finanz -<br />

wissenschaftlichen Reinvermögenszugangstheorie über -<br />

raschen. Aber in der Tat haben die Nutzung von Automobilen,<br />

der Wohnungseinrichtung usw., soweit ersichtlich,<br />

noch nie Anlass zur Besteuerung entsprechender Einkünfte<br />

gegeben 28 . Die einzige Ausnahme hierzu bildet die<br />

steuerliche Erfassung der Selbstnutzung von Wohneigentum<br />

durch den so genannten Eigenmietwert.<br />

Schliesslich ist die steuerliche Erfassung der Wertveränderungen<br />

von Vermögensteilen zu nennen. Soweit hier<br />

eine Besteuerung in Betracht fällt, sei es im Rahmen der<br />

allgemeinen Einkommenssteuer oder durch die Grundstückgewinnsteuer,<br />

erfolgt sie nicht im Zeitpunkt der<br />

Wertveränderung, sondern bei der Veräusserung des entsprechenden<br />

Gegenstandes.<br />

16 BGE 125 II 113 = ASA 67 (1998/99), S. 644; BGE 117 Ib 1 = ASA<br />

60 (1991/92), S. 352; BGE 114 Ia 221 = ASA 60 (1991/92), S. 71;<br />

BGE 108 Ib 229 = ASA 51 (1982/83), S. 635; BGE 73 I 135.<br />

17 BGE 52 I 214; vgl. auch bereits BGE 45 I 7, 37 I 478 f.<br />

18 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 170.<br />

19 S. dazu die Hinweise bei WEIDMANN, S.59f.<br />

20 BGE 125 II 113 = ASA 67 (1998/99), S. 644; BGE 114 Ia 221 =<br />

ASA 60 (1991/92), S. 71; s. auch die Hinweise bei BÖHI, S. 47.<br />

21 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 13; HÖHN/WALDBURGER machen zu<br />

Recht auf die gesetzliche Inkonsequenz aufmerksam, dass<br />

das DBG keine Generalklausel für Gewinnungskosten enthält.<br />

Die Regelung der Gewinnungskosten in Art.25ff. DBG<br />

darf deshalb nicht als abschliessend angesehen werden<br />

(REICH, Art. 25 DBG N. 12 f.; vgl. auch die Praxis zum früheren<br />

Zürcher <strong>St</strong>euergesetz, bei Vorliegen von Gewinnen aus Spiel<br />

und Wette, die von der einkommenssteuerlichen Generalklausel<br />

erfasst werden, die Spieleinsätze und Verluste zur<br />

Verrechnung zuzulassen; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER und<br />

ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, § 19 Ingress N. 14).<br />

22 BGE 125 II 113 = ASA 67 (1998/99), S. 644.<br />

23 BGE 117 Ib 3 f. = ASA 60 (1991/92), S. 354 f.; BGE 110 Ia 23. Dazu<br />

BÖCKLI, Schatteneinkommen, S. 105; REICH, Ehegattenbesteuerung,<br />

S. 248; LOCHER, Art. 23 N. 29.<br />

24 VGr ZH, 3.7.2002, <strong>St</strong>E 2002 B 26.44 Nr. 8 = <strong>St</strong>R 57 (2002), S. 855<br />

= Z<strong>St</strong>P 2002, S. 297; vgl. auch den Entscheid der Vorinstanz<br />

(RK I ZH, 23.8.2001, Z<strong>St</strong>P 2002, S. 22) und die Bemerkungen<br />

von RUFENER (Urteil vom 3. Juli 2002, S. 859 ff. m.w.H.).<br />

25 LOCHER, Art. 16 N. 51; REICH, Art. 16 DBG N. 28 ff.; RICH NER/<br />

FREI/KAUFMANN, Vorbemerkungen zu §§ 16–37 N. 2–4; WEID-<br />

MANN, S.78f.<br />

26 BGE 108 Ib 230 f. = ASA 51 (1982/83), S. 638 f.; RK IV ZH,<br />

23.10.1996, <strong>St</strong>E 1997 B 26.27 Nr. 4; näher dazu LOCHER (Art. 16<br />

N. 52 f.), der dafür hält, dass Eigenleistungen im Privatvermögen<br />

generell unbesteuert bleiben.<br />

27 BGE 125 I 68; BGE 124 I 193 = ASA 69 (2000/01), S. 373; BGE<br />

112 Ia 242; BÖCKLI, Eigenmiete, S. 17; BOSSHARDT, S. 305 f.;<br />

REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 41 f.; WEIDMANN, S.77f. Im Ergebnis der<br />

gleichen Meinung sind LOCHER (Art. 16 N. 55 ff.) und GURT -<br />

NER/LOCHER (S. 603 ff.), die zwar von der grundsätzlichen <strong>St</strong>euerbarkeit<br />

der Eigennutzung von beweglichen Sachen ausgehen,<br />

aber geltend machen, bei der Nutzung von Mobilien sei<br />

bei der gebotenen Berücksichtigung des Wertverzehrs längerfristig<br />

nicht mit einem positiven Reinvermögenszugang<br />

zu rechnen. Auch sprächen Praktikabilitätsargumente für<br />

diese Lösung.<br />

28 Vgl. auch BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 171 mit Anm. 13a.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

87<br />

Wo nun genau die Trennlinie zwischen dem steuerlichen<br />

Einkommensbegriff und dem finanzwissenschaftlichen<br />

Konzept zu ziehen ist, ist anhand der Judikatur nicht einfach<br />

auszumachen. Es hat sich gezeigt, dass das theoretische<br />

Konzept des finanzwissenschaftlichen Einkommensbegriffes<br />

nicht unbesehen übernommen werden<br />

kann. Abweichungen zwischen der steuerlichen Betrachtungsweise<br />

und dem theoretischen finanzwissenschaftlichen<br />

Ansatz bestehen vor allem bei der Behandlung<br />

der Eigenleistungen und Eigennutzungen sowie bei<br />

der Erfassung der realisierten bzw. nicht realisierten<br />

Wertveränderungen.<br />

In der Literatur stehen sich gegenwärtig zwei <strong>St</strong>andpunkte<br />

gegenüber, die den steuerlichen Einkommensbegriff<br />

genauer fassen wollen.<br />

2.2.2 Markteinkommenstheorie<br />

Teilweise wird versucht, die für steuerliche Zwecke notwendige<br />

Einschränkung des finanzwissenschaftlichen<br />

Einkommenskonzeptes durch eine Anlehnung an die<br />

deutsche Doktrin des Markteinkommens zu erreichen.<br />

Nach der Theorie des Markteinkommens bilden nur die<br />

durch Teilnahme am Markt erzielten Einkünfte steuerbares<br />

Einkommen. Andere, nicht am Markt erzielte Einkünfte<br />

sind nicht steuerbar, sofern nicht das Gesetz solche<br />

Einkünfte ausdrücklich für steuerbar erklärt 29 .<br />

Auch die Markteinkommenstheorie hat ihre Wurzeln,<br />

soweit sie zurückverfolgt werden können, in der Finanz -<br />

wissenschaft. Insbesondere Fritz Neumark hat für<br />

steuerliche Zwecke einen von der Theorie des Gesamtreineinkommens<br />

abweichenden Einkommensbegriff<br />

entwickelt 30 . Gemäss Neumark sollen als Einkommensbestandteile<br />

nur solche Einkünfte erfasst werden, die<br />

erstens Ergebnis einer Teilnahme des Empfängers an der<br />

Bildung des Sozialprodukts sind und zweitens einen aktuellen<br />

(effektiven) Zuwachs an wirtschaftlicher Verfügungsmacht<br />

des fraglichen Wirtschaftssubjektes herbeiführen<br />

31 . In der deutschen steuerrechtlichen Doktrin ist<br />

die Markteinkommenstheorie aufgegriffen worden als<br />

Versuch, einen gemeinsamen Grundgedanken für die im<br />

deutschen Recht erfolgte Auswahl der steuerbaren Einkünfte<br />

zu finden 32 .<br />

Die schweizerischen gesetzlichen Grundlagen lassen<br />

nicht erkennen, dass der Gesetzgeber auf das Markteinkommen<br />

hätte abstellen wollen 33 . Im Gegenteil: Viele und<br />

gerade bedeutende steuerbare Einkünfte werden nicht am<br />

Markt durch Leistungsaustausch erzielt. Es steht ausser<br />

Frage, dass beispielsweise die Einkünfte aus der staatlichen<br />

Altersversicherung, der beruflichen Vorsorge oder<br />

Unterhaltsbeiträge des geschiedenen Ehegatten nicht aus<br />

einem Leistungsaustausch «am Markt» erzielt werden,<br />

jedoch sehr wohl steuerbar sind 34 . Auch muss angesichts<br />

des Umfanges der staatlichen Transferleistungen, namentlich<br />

über die Sozialversicherungen, in Frage gestellt<br />

werden, ob das steuerbare Einkommen quantitativ wirklich<br />

«im Grossen und Ganzen» den am Markt erzielten<br />

Einkünften entspricht, wie hin und wieder der Markteinkommenstheorie<br />

zugute gehalten wird 35 .<br />

Dem Kriterium der Teilnahme am Marktgeschehen<br />

könnte an sich eine wichtige Abgrenzungsfunktion zukommen.<br />

Die so genannten zugerechneten Einkünfte im<br />

Sinne des finanzwissenschaftlichen Einkommensbegriffes<br />

(Eigenleistungen und Eigennutzungen) fielen, weil<br />

sie nicht am Markt erzielt werden, nicht unter den steuerlichen<br />

Einkommensbegriff. Nun müssen aber gemäss<br />

den Vertretern der Markteinkommenstheorie noch weitere<br />

Einkünfte dem Markteinkommen steuerlich zugerechnet<br />

werden, nämlich der Selbstverbrauch von Gütern<br />

oder Dienstleistungen sowie die Eigennutzung dauerhafter<br />

Gebrauchsgüter 36 . Diese Position ist widersprüchlich,<br />

weil sie gerade solche Einkünfte erfassen<br />

will, die vom Kriterium der Teilhabe am Marktgeschehen<br />

von der Bemessungsgrundlage ausgeschlossen werden<br />

37 . Eine Begründung im Rahmen der Markteinkommenstheorie,<br />

weshalb diese zugerechneten Einkünfte<br />

steuerbar sein sollen, ist nicht ersichtlich.<br />

Insgesamt verfehlt die Markteinkommenstheorie ihr<br />

Ziel, die Grenzlinie zwischen dem aus wirtschaftlicher<br />

29 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 171 f. Zur Markteinkommenstheorie<br />

s. auch BÖHI, S.43f.; OBERSON, § 7 N. 5; REICH, Art. 16 DBG<br />

N. 11 f.; SÖHN, S. 344 ff.; STEICHEN, passim; WEIDMANN, S.63ff.<br />

30 S. auch SÖHN, S. 345; STEICHEN, S. 367 ff.; ablehnend aus Sicht<br />

der Finanzwissenschaft äussert sich ANDEL, Finanzwissenschaft,<br />

S. 315 Anm. 1. Ob ROSCHER einen eigentlichen Einkommensbegriff<br />

schaffen wollte, wie dies BLUMENSTEIN/LOCHER<br />

(S. 171) annehmen, ist unklar (dazu WEIDMANN, S.64f.).<br />

31 NEUMARK, S.41ff.<br />

32 Insbesondere RUPPE, S.15f. Das deutsche <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> enthält,<br />

anders als die Schweizer Gesetze, keine einkommenssteuerliche<br />

Generalklausel, wonach alle Einkünfte steuerbar<br />

sind, sondern vielmehr eine enumerative Aufzählung steuerbarer<br />

Einkünfte. Die deutsche Rechtslage ist insofern nicht<br />

mit der schweizerischen vergleichbar. Die Markteinkommenstheorie<br />

ist im deutschen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> keineswegs unbestritten.<br />

Ablehnend, insbesondere auch zum verfassungsrechtlichen<br />

Ansatz von Kirchhof, äussern sich namentlich<br />

SÖHN (S. 346 ff.) und STEICHEN (S. 370 ff.).<br />

33 REICH, Art. 16 DBG N. 12.<br />

34 Art. 22 Abs. 1, Art. 23 lit. f DBG.<br />

35 Vgl. HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 8; REICH, Art. 16 DBG N. 12.<br />

36 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 171 f.<br />

37 OBERSON, § 7 N. 10; REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 15.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


88 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

Sicht umfassenden Einkommensbegriff und dem engeren<br />

steuerrechtlichen Einkommensbegriff zu ziehen, und<br />

ist deshalb abzulehnen.<br />

2.2.3 Zuflusstheorie<br />

Das jüngere Konzept der Zuflusstheorie ergänzt den Einkommensbegriff<br />

für steuerliche Zwecke mit dem Kriterium<br />

des Zuflusses. Danach sind nur diejenigen Einkünfte<br />

im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie steuerbar,<br />

die der <strong>St</strong>euerpflichtige realisiert oder – in einer anderen<br />

Umschreibung – die ihm als so genannt exogene<br />

Einkünfte von aussen zufliessen 38 . In der Vermögenssphäre<br />

des <strong>St</strong>euerpflichtigen entstandene oder von ihm<br />

in der eigenen Vermögenssphäre selbst erarbeitete Einkünfte<br />

(endogene Einkünfte), die er nicht in Zuflüsse<br />

von aussen umwandelt, indem er beispielsweise seine<br />

Dienste gegen Entgelt erbringt, die er mithin nicht realisiert,<br />

sind steuerlich unbeachtlich.<br />

Die Einschränkung des Einkommensbegriffes durch die<br />

Ergänzung des Zuflusskriteriums gründet sich auf eine<br />

Analyse der geltenden <strong>St</strong>euergesetze und steuerlichen<br />

Praxis 39 . Der so gefasste Einkommensbegriff zeitigt die<br />

folgenden Konsequenzen:<br />

– Eigenleistungen werden nicht besteuert, weil sie<br />

keinen Zufluss von ökonomischen Werten von aussen<br />

darstellen. Damit wird deutlich, dass die Hausarbeit,<br />

das Bestellen des eigenen Gartens durch den<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen, die Behandlung der eigenen Kinder<br />

durch den Arzt und alle anderen sich selbst erbrachten<br />

Leistungen steuerlich unbeachtlich sind.<br />

– Ebenfalls nicht erfasst werden grundsätzlich die Eigennutzungen:<br />

Das Betrachten der Bilder in der eigenen<br />

Wohnung ist steuerfrei (der <strong>St</strong>euerpflichtige<br />

muss sich nicht einen steuerlichen Museumseintritt<br />

aufrechnen lassen), die Benützung des eigenen Fahrzeuges<br />

muss nicht als Einkunft deklariert werden<br />

(obwohl gerade für Automobile ein Markt für die<br />

Miete besteht); beim Sitzen auf dem eigenen Sofa<br />

braucht sich der <strong>St</strong>euerpflichtige keine Gedanken<br />

darüber zu machen, was er bei Miete des Möbels<br />

auszulegen hätte.<br />

– Wertsteigerungen werden, wenn überhaupt, erst bei<br />

ihrer Realisation steuerlich erfasst.<br />

Der Ansatz der Zuflusstheorie kann entscheidende Vorteile<br />

für sich beanspruchen. Die eben angeführten Konsequenzen<br />

entsprechen der geltenden und seit langem<br />

geübten steuerrechtlichen Praxis, denn diese erfasst die<br />

endogenen Einkünfte gerade nicht. Mit Hilfe des Zuflusskriteriums<br />

lässt sich diese Rechtslage einheitlich erklären.<br />

Das Zuflusskriterium engt den Einkommens -<br />

begriff so ein, wie er in der Praxis seit jeher – explizit<br />

oder stillschweigend – gehandhabt wird. Es geht nicht<br />

um eine «Ausblendung» ökonomischer Gesichtspunkte<br />

40 , sondern um die sachgerechte Eingrenzung eines für<br />

steuerliche Zwecke unbestrittenermassen zu weiten und<br />

nicht praktikablen Einkommensbegriffes.<br />

Die Beschränkung des steuerbaren Einkommens auf Zuflüsse<br />

von aussen beruht aber auch auf einer Reihe von<br />

weiteren Gründen 41 . Gegen eine Erfassung der nicht realisierten<br />

bzw. endogenen Einkünfte sind zunächst die offenkundigen<br />

praktischen Probleme anzuführen, welche<br />

die konsequente Umsetzung der Reinvermögenszugangstheorie<br />

mit sich brächte. Aus der Diskussion um<br />

die Bemessung des Eigenmietwertes des selbstgenutzten<br />

Wohneigentums sind die Schwierigkeiten, endogene<br />

Einkünfte zu bewerten, allgemein bekannt. Diese Bewertungsprobleme<br />

in einem Massenfallrecht wecken<br />

Bedenken nicht nur hinsichtlich der Praktikabilität, sondern<br />

auch der Gleichmässigkeit und Gesetzmässigkeit<br />

der Besteuerung 42 . Aus erhebungstechnischer Sicht, und<br />

um eine rechtsgleiche Behandlung der <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

zu erreichen, müsste grundsätzlich ihr gesamtes Leben<br />

in den <strong>St</strong>euerakten offengelegt werden, denn endogenes<br />

Einkommen kann jederzeit geschaffen werden. Die Erhebung<br />

der <strong>St</strong>euer hätte deshalb einen schwerwiegenden<br />

Eingriff in das verfassungsmässige Recht auf persönliche<br />

Freiheit zur Folge. Nicht zuletzt dürften auch sozialpolitische<br />

Wertungen eine Rolle spielen. Durch die Besteuerung<br />

endogener Einkünfte, wenn es sie gäbe, würden<br />

untere Einkommensschichten besonders betroffen,<br />

weil der relative Wert der eigenen Arbeit im Haushalt<br />

bzw. der Dienst an der Familie bei steigendem Einkommen<br />

abnimmt 43 .<br />

Für die Beschränkung der Besteuerung auf die Zuflüsse<br />

von aussen spricht weiter der Umstand, dass die <strong>St</strong>euer<br />

dann anfällt, wenn der <strong>St</strong>euerpflichtige über ein disponibles<br />

Gut verfügt. Ein oft beanstandeter Mangel der Besteuerung<br />

des Eigenmietwerts des Wohneigentums besteht<br />

ja gerade darin, dass eine <strong>St</strong>euer zahlbar ist, obwohl<br />

der betreffende <strong>St</strong>euerpflichtige keine Mittelzuflüsse zu<br />

38 BÖHI, S.44f.; REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 16 ff., 42 ff.; RICHNER/FREI/<br />

KAUFMANN, Vorbemerkungen zu §§ 16–37 N. 2 ff.; WEIDMANN,<br />

S. 80 ff.; ZWAHLEN, Art. 21 DBG N. 13. Auf die Zuflusstheorie<br />

Bezug nehmend RK I ZH, 23.8.2001, Z<strong>St</strong>P 2002, S. 22, und diesen<br />

Entscheid bestätigend VGr ZH, 3.7.2002, <strong>St</strong>E 2002 B 26.44<br />

Nr. 8 = <strong>St</strong>R 57 (2002), S. 855 = Z<strong>St</strong>P 2002, S. 297.<br />

39 REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 16 f.; WEIDMANN, S.76ff.<br />

40 So der – unbegründete – Vorwurf an die Zuflusstheorie<br />

(GURT NER/LOCHER, S. 602; LOCHER, Art. 16 N. 13).<br />

41 REICH, Art. 16 DBG N. 17.<br />

42 WEIDMANN, S.97ff., auch zum Folgenden.<br />

43 VGr ZH, 3.7.2002, <strong>St</strong>E 2002 B 26.44 Nr. 8 = <strong>St</strong>R 57 (2002), S. 858<br />

= Z<strong>St</strong>P 2002, S. 297.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

89<br />

verzeichnen hat, woraus er die <strong>St</strong>euer entrichten könnte,<br />

sondern allenfalls auf sein Vermögen zurückgreifen<br />

muss. Die Nichtbesteuerung endogener Einkünfte vermeidet<br />

diese Konsequenz. Die <strong>St</strong>euererhebung ist technisch<br />

einfacher als unter Einbezug endogener Einkünfte,<br />

für den <strong>St</strong>euerpflichtigen schonender und nicht zuletzt<br />

erhebungswirtschaftlicher als eine einigermassen konsequent<br />

umgesetzte finanzwissenschaftliche Reinvermögenszugangstheorie.<br />

Das geltende Recht kennt jedoch eine Ausnahme von der<br />

<strong>St</strong>euerfreiheit der endogenen Einkünfte, nämlich die Besteuerung<br />

des Eigenmietwertes des selbstgenutzten<br />

Wohneigentums. Diese endogenen Einkünfte werden auf<br />

ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage erfasst: Wie sich<br />

beispielsweise aus Art. 21 Abs. 1 lit. b DBG ergibt, ist die<br />

Besteuerung des Eigenmietwertes nicht bereits in der<br />

Generalklausel oder im Begriff der «sonstigen Nutzung»<br />

unbeweglichen Vermögens enthalten 44 . Die Eigenmietwertbesteuerung<br />

als Regel aufzufassen, hingegen die generelle<br />

Nichtbesteuerung des Eigenmietwertes von beweglichen<br />

Sachen mit seiner zweifelhaften fiskalischen<br />

Ergiebigkeit zu begründen, wie dies Peter Locher und<br />

Peter Gurtner tun 45 , erscheint wenig konsequent. Wenn<br />

die Erfassung des Eigenmietwertes von beweglichen Sachen<br />

gefordert wird, dann müssten auch die daraus allenfalls<br />

resultierenden Verluste zur Anrechnung zugelassen<br />

werden. Zuzustimmen ist den Hinweisen von Gurtner<br />

und Locher auf die erhebungstechnischen Schwierigkeiten<br />

und ihrer Forderung, dass bei einer Erfassung des Eigenmietwertes<br />

von beweglichen Sachen auch die Abschreibungen<br />

darauf zuzulassen wären. Plausibilitätsüberlegungen,<br />

auch wenn sie ökonomisch untermauert<br />

sind, genügen indessen nicht, um die <strong>St</strong>euerfreiheit des<br />

Nutzungswertes von beweglichen Sachen zu begründen.<br />

2.2.4 Folgerungen<br />

Der steuerliche Einkommensbegriff folgt weitgehend<br />

dem finanzwissenschaftlichen Konzept des Reinvermögenszugangs.<br />

Das <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> hat indessen jene Theorie<br />

nie unbesehen umgesetzt, sondern gewichtige Einschränkungen<br />

vorgenommen. Die Markteinkommenstheorie<br />

und die Zuflusstheorie ziehen die Trennlinie zwischen<br />

dem Einkommen im Sinne der finanzwissenschaftlichen<br />

Reinvermögenszugangstheorie und dem Einkommen im<br />

steuerrechtlichen Sinne auf unterschiedliche Weise:<br />

– Die Markteinkommenstheorie führt das Kriterium<br />

ein, wonach nur am Markt erzielte Einkünfte steuerbar<br />

sein sollen. Der hauptsächliche Nachteil der<br />

Markteinkommenstheorie besteht darin, dass sie<br />

keine Abgrenzungsfunktion übernehmen kann oder<br />

will, indem die nicht am Markt erzielten Einkünfte<br />

doch wieder steuerbar sein sollen. Die Markteinkommenstheorie<br />

ist deshalb abzulehnen.<br />

– Die Zuflusstheorie ergänzt den Einkommensbegriff<br />

mit dem Zuflusskriterium. Nur von aussen in die<br />

Vermögenssphäre des <strong>St</strong>euerpflichtigen gelangende<br />

Einkünfte sind steuerbar. Endogene Einkünfte sind<br />

deshalb nur dann steuerbar, wenn sie realisiert, das<br />

heisst in Zuflüsse von aussen umgewandelt werden.<br />

Die Zuflusstheorie gibt die geltende Rechtslage wieder<br />

und grenzt den finanzwissenschaftlichen Einkommensbegriff<br />

sachgerecht ein.<br />

2.3 Sondertatbestände<br />

Die harmonisierten <strong>St</strong>euergesetze enthalten eine Reihe<br />

von Bestimmungen, die von der Generalklausel abweichen.<br />

Nachfolgend sollen einige wichtige Sondertatbestände<br />

dargestellt werden, welche im System der Einkommenssteuer<br />

von Bedeutung sind.<br />

2.3.1 <strong>St</strong>euerliche Unbeachtlichkeit der privaten<br />

Kapitalgewinne und -verluste<br />

Die Harmonisierungserlasse halten fest, dass die Kapitalgewinne<br />

aus der Veräusserung von Privatvermögen<br />

steuerfrei sind 46 . Vom Wortlaut werden nur die Kapitalgewinne,<br />

nicht jedoch die Kapitalverluste erfasst. Es ist aber<br />

allgemein anerkannt, dass spiegelbildlich auch die Kapitalverluste<br />

«steuerfrei» sind, das heisst, nicht mit steuerbaren<br />

Einkünften verrechnet werden können. Auch ein<br />

allfälliger Schadenersatz wird nicht besteuert 47 .<br />

Ebenfalls steuerlich unbeachtlich bleiben die nicht rea -<br />

lisierten Wertveränderungen von Gegenständen des<br />

Privatvermögens. Weder kann ein nicht realisierter Kapitalgewinn<br />

steuerlich erfasst werden noch kann ein<br />

<strong>St</strong>euerpflichtiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen<br />

auf Privatvermögen geltend machen.<br />

44 Vgl. dazu auch den Bericht der KOMMISSION EIGEN MIET WERT/<br />

SYSTEMWECHSEL (KES), insb. in dessen Anhang: Bundesamt<br />

für Justiz, Gutachten zum Systemwechsel bei der Besteuerung<br />

des selbstgenutzten Wohneigentums vom 14. Januar<br />

2000, publ. in VPB 65.36, Ziff. 4.3., 5.2.3.; REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG<br />

N. 41 f.; WEIDMANN, S. 82. Der immer noch vom Parlament behandelte<br />

bundesrätliche Vorschlag zur Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung<br />

auf selbstgenutztem Wohneigentum<br />

im Rahmen des «<strong>St</strong>euerpaketes 2001» (Botschaft des<br />

Bundesrates vom 28. Februar 2001, BBl 2001, S. 2983) ist hier<br />

nicht zu behandeln (s. dazu REICH, Furcht vor dem Systemwechsel,<br />

S. 721).<br />

45 GURTNER/LOCHER, S. 605; s. auch oben, Anm. 27.<br />

46 Art. 7 Abs. 4 lit. b <strong>St</strong>HG; Art. 19 Abs. 3 DBG. Auf die schwierige<br />

und streitige Abgrenzung zwischen Privat- und Geschäftsvermögen<br />

ist hier nicht einzutreten.<br />

47 REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 26.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


90 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

2.3.2 Ausnahmen zur Unbeachtlichkeit der<br />

privaten Kapitalgewinne und -verluste<br />

2.3.2.1 Gewinne aus der Veräusserung von<br />

Grundstücken<br />

Während bei der direkten Bundessteuer die privaten Kapitalgewinne<br />

und -verluste auf Grundstücken keine Sonderbehandlung<br />

erfahren und deshalb steuerlich unbeachtlich<br />

sind 48 , erheben die Kantone oder Gemeinden<br />

Grundstückgewinnsteuern. Sie sind hierzu auf Grund<br />

von Art. 12 Abs. 1 <strong>St</strong>HG verpflichtet. Bei der Grundstückgewinnsteuer<br />

handelt es sich um eine Spezialeinkommenssteuer,<br />

die auf einer besonders definierten Einkunft<br />

erhoben wird, nämlich dem Gewinn aus der Veräusserung<br />

eines Grundstückes.<br />

Verluste aus der Veräusserung von Grundstücken können<br />

nur in sehr beschränktem Umfang und regelmässig<br />

höchstens mit Gewinnen aus der Veräusserung anderer<br />

Grundstücke verrechnet werden; eine Verrechnung von<br />

Veräusserungsverlusten mit übrigem Einkommen bei<br />

der Einkommenssteuer findet nicht statt 49 . Es ist aber, soweit<br />

ersichtlich, auch nicht möglich, einen Grundstückgewinn<br />

mit einem Überhang an Abzügen, der bei der<br />

Einkommenssteuer resultiert, zu verrechnen 50 . Diese aus<br />

dem Blickwinkel der Einkommenssteuer inkonsistente<br />

Regelung, die in bestimmten Situationen zu verfassungswidrigen<br />

Resultaten führen kann, lässt sich nur mit<br />

historischen Argumenten erklären. Verbesserungen des<br />

Systems im Sinne der Reineinkommensbesteuerung mögen<br />

einen gewissen legislativen Aufwand bedingen und<br />

auch dadurch gehemmt werden, dass die Erträge aus der<br />

Grundstückgewinnsteuer oftmals alleine den Gemeinden<br />

zukommen, während das Einkommen von Kantonen<br />

und Gemeinden besteuert wird.<br />

2.3.2.2 Einkünfte aus Obligationen mit überwiegender<br />

Einmalverzinsung<br />

Die gesetzlichen Regelungen erklären die Einkünfte aus<br />

der Veräusserung oder Rückzahlung von Obligationen<br />

mit überwiegender Einmalverzinsung als steuerbar 51 . In<br />

diesem beschränkten Bereich werden auch die privaten<br />

Kapitalgewinne von der allgemeinen Einkommens -<br />

steuer erfasst.<br />

Nicht ausdrücklich geregelt wird die Behandlung der<br />

Verluste aus solchen Obligationen. Es ist indessen eine<br />

selbstverständliche Konsequenz der Erfassung der Kapitalgewinne,<br />

dass auch die Verluste steuerlich berücksichtigt<br />

werden müssen. Eine andere Auslegung, welche<br />

Gewinne und Verluste asymmetrisch behandeln würde,<br />

wäre widersprüchlich. Im Grundsatz ist dies denn auch<br />

unbestritten; fraglich ist, womit etwaige Verluste verrechnet<br />

werden können. Nachdem die Gewinne in die<br />

allgemeine Bemessungsgrundlage eingehen, müssen<br />

auch die Verluste mit übrigem Einkommen verrechnet<br />

werden können. Eine gegenteilige Auffassung besteht<br />

allerdings auf Seiten der Eidgenössischen <strong>St</strong>euerverwaltung,<br />

wonach Verluste nur mit Gewinnen aus Obligationen<br />

mit überwiegender Einmalverzinsung verrechenbar<br />

sein sollen 52 . Eine solche Bildung eines Einkünfte-«Korbes»<br />

widerspricht der gesetzlichen Systematik, welche<br />

die Gesamtheit der Einkünfte erfasst, und damit auch<br />

dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit. Nicht zuletzt fehlt eine genügende<br />

gesetzliche Grundlage für eine derartige Einschränkung.<br />

Eine weitere Schwachstelle der gesetzlichen Regelung<br />

besteht darin, dass die Möglichkeit einer periodenübergreifenden<br />

Verlustverrechnung, mithin ein steuerlicher<br />

Verlustvortrag, nicht vorgesehen ist. Angesichts der häufig<br />

aperiodischen Natur solcher Kapitalverluste muss ein<br />

Verlustvortrag in analoger Anwendung der Bestimmungen<br />

zum Verlustvortrag bei Geschäftsvermögen zugestanden<br />

werden. Andernfalls könnte es zu systemwidrigen<br />

Überbesteuerungen kommen 53 .<br />

2.3.3 Beteiligungsertrag<br />

2.3.3.1 Objektbezogene Betrachtungsweise als<br />

Grundsatz<br />

Eine andere und zugleich sehr bedeutsame Sonderregelung<br />

erschliesst sich nicht ohne weiteres aus den Gesetzestexten.<br />

Aus der Erwähnung der Liquidationsüberschüsse<br />

in Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG und den entsprechenden<br />

kantonalen Bestimmungen wird gefolgert, dass im<br />

Bereich der Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften<br />

eine objektmässige Betrachtungsweise aus<br />

48 Vorbehalten bleibt die ausufernde Rechtsprechung zum «gewerbsmässigen»<br />

Liegenschaftenhändler.<br />

49 Beispielsweise können im Kanton Thurgau Grundstückgewinne<br />

mit Grundstückverlusten verrechnet werden, die der<br />

<strong>St</strong>euerpflichtige im Kalenderjahr und in den dem <strong>St</strong>euerjahr<br />

vorausgehenden vier Kalenderjahren erlitten hat (§134 <strong>St</strong>G<br />

TG).<br />

50 Art.12 <strong>St</strong>HG würde einer entsprechenden kantonalen Regelung<br />

wohl nicht entgegenstehen (s. ZWAHLEN, Art.12 <strong>St</strong>HG<br />

N. 2, 8).<br />

51 Art. 20 Abs. 1 lit. b DBG; § 20 Abs. 1 lit. b <strong>St</strong>G ZH.<br />

52 Kreisschreiben Nr. 4 zur <strong>St</strong>euerperiode 1999/2000 der Eidgenössischen<br />

<strong>St</strong>euerverwaltung vom 12. April 1999, ASA 68<br />

(1999/2000), S.30f., Ziff. 3.2.<br />

53 Gemäss dem Kreisschreiben Nr. 4 (Anm. 52), S. 31 Ziff. 3.2,<br />

soll ein Verlustvortrag auf eine spätere <strong>St</strong>euerperiode nicht<br />

möglich sein.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

91<br />

der Sicht der Gesellschaft Platz greift. Jede Ausschüttung<br />

von Gewinnen bildet beim Empfänger, der die Titel<br />

in seinem Privatvermögen hält, eine steuerbare Einkunft.<br />

Zweck dieser Konzeption ist es, die wirtschaftliche<br />

Doppelbesteuerung der Gewinne sicherzustellen, so<br />

dass alle Gewinne der Gesellschaft auch auf der Ebene<br />

der Aktionäre erfasst werden, und zwar spätestens im<br />

Falle der Liquidation der Gesellschaft. Unter der Annahme,<br />

dass die Beteiligungsrechte immer in Privatvermögen<br />

gehalten werden – aber nur in diesem Fall –, gewährleistet<br />

dieses Konzept, dass alle von der Kapitalgesellschaft<br />

erwirtschafteten Gewinne trotz der <strong>St</strong>euerfreiheit<br />

des privaten Veräusserungsgewinnes zu irgend einem<br />

Zeitpunkt auch beim Aktionär besteuert werden.<br />

Die objektmässige Betrachtungsweise führt bei Dividenden,<br />

die aus dem laufenden Geschäftsgewinn gezahlt<br />

werden, zu keinem anderen Ergebnis als die gesetzliche<br />

Generalklausel. Derartige Dividenden steigern die subjektive<br />

wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers<br />

während der laufenden <strong>St</strong>euerperiode und bilden<br />

deshalb Einkommen. Anders präsentieren sich hingegen<br />

die Fälle, wo die Ausschüttungen zu Lasten der Substanz<br />

der Gesellschaft gehen. Aus Sicht des Anteilseigners bilden<br />

Substanzdividenden nur Vermögensumschichtungen.<br />

Die zusätzlichen (Bar-) Mittel, die er erhält, mindern<br />

den Wert seiner Beteiligung. Der Empfänger erfährt<br />

keine <strong>St</strong>eigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

und ist nach der Substanzdividende wirtschaftlich<br />

in der selben Position wie zuvor.<br />

2.3.3.2 Bemessung des <strong>St</strong>euerobjektes<br />

Weiter ist zu definieren, was unter einer Gewinnausschüttung<br />

zu verstehen sei. Das Recht der direkten Bundessteuer<br />

hat hier eine einfache und formale, aber unbefriedigende<br />

Lösung gewählt, indem alle geldwerten<br />

Leistungen der Gesellschaft, die nicht eine Rückzahlung<br />

von Nennwert darstellen, steuerbares Einkommen bilden<br />

54 . Deshalb wird vom «Nennwertprinzip» gesprochen.<br />

Die Herausgabe von Gratisaktien unterliegt, weil<br />

steuerfrei rückzahlbares Nennkapital geschaffen wird,<br />

der direkten Bundessteuer.<br />

Der allgemein bemängelte Bruch im System der objektbezogenen<br />

Betrachtungsweise 55 liegt darin, dass auf diese<br />

Weise auch Rückzahlungen von Kapitaleinlagen der<br />

Aktionäre in die Reserven der Gesellschaft als steuerbares<br />

Einkommen behandelt werden. Werden beispielsweise<br />

bei einer Erhöhung des Aktienkapitals neue Aktien<br />

gegen einen Aufpreis («Agio») ausgegeben, weil der innere<br />

Wert der alten Aktien über ihrem Nennwert liegt,<br />

geht der Aufpreis nicht in das Nennkapital ein. Eine Besteuerung<br />

der Agio-Rückzahlungen lässt sich nicht mit<br />

der objektbezogenen Betrachtungsweise rechtfertigen,<br />

weil diese Mittel aus Sicht der Gesellschaft nicht aus erarbeiteten<br />

Gewinnen stammen und es deshalb keine Sicherung<br />

der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von<br />

Gewinnen der Gesellschaft auf der Ebene der Aktionäre<br />

braucht. Ein weiterer Fall, wo das Nennwertprinzip<br />

selbst innerhalb der objektmässigen Betrachtungsweise<br />

zu einer Überbesteuerung führt, ergibt sich bei Zuschüssen<br />

der Aktionäre. Obwohl die Aktionäre der Gesellschaft<br />

neue Mittel zuführen, welche nicht von der Gesellschaft<br />

erarbeitete Gewinne darstellen, unterwirft das<br />

Nennwertprinzip diese Mittel der latenten Einkommenssteuer.<br />

Ein anderer Weg wird im Kanton Zürich beschritten: Es<br />

wird darauf abgestellt, ob Eigenkapital zurückgezahlt<br />

wird oder ob erarbeitete Gewinne ausgeschüttet werden.<br />

Die Kapitalrückzahlungen, worunter insbesondere auch<br />

die Rückzahlungen von Agio gehören, bleiben steuerlich<br />

unbeachtlich 56 . Diese Praxis, die als Kapitalrückzahlungsprinzip<br />

bezeichnet wird, ist innerhalb der objektbezogenen<br />

Betrachtungsweise sachgerecht.<br />

2.3.3.3 Primäre Konsequenzen der gesetzlichen<br />

Regelung<br />

Die objektbezogene Betrachtungsweise wählt einen<br />

ganz anderen Ansatz als das subjektbezogene Konzept<br />

der Einkommensgeneralklausel und setzt den Einkommensbegriff<br />

für einen Teilbereich des Einkommens -<br />

steuer rechts ausser Kraft. Aus Sicht des Empfängers<br />

können nämlich die Erträge aus Beteiligungen Einkommen<br />

darstellen, müssen aber nicht. Wie bereits erwähnt,<br />

führen die beiden Betrachtungsweisen nur in einem Teilbereich<br />

zum selben Resultat, nämlich dann, wenn die Dividenden<br />

aus Gewinnen ausgeschüttet werden, welche<br />

die Gesellschaft in der Zeitspanne erarbeitet hat, in welcher<br />

der betreffende <strong>St</strong>euerpflichtige die Aktien gehalten<br />

hat.<br />

In anderen Fällen, insbesondere bei Ausschüttungen aus<br />

Reserven, die auf Gewinne zurückgehen, welche vor<br />

dem Erwerb der Aktien durch den <strong>St</strong>euerpflichtigen entstanden<br />

sind, führt die objektmässige Betrachtungsweise<br />

zu dessen Überbesteuerung: Er hat nämlich beim Erwerb<br />

der Titel die latente <strong>St</strong>euerlast des Verkäufers übernommen,<br />

die auf den einbehaltenen Gewinnen lastet. Diese<br />

Überbesteuerung des Erwerbers von Beteiligungsrechten<br />

hängt mit der <strong>St</strong>euerfreiheit der privaten Kapitalgewinne<br />

des Veräusserers zusammen. Die <strong>St</strong>euerfreiheit<br />

54 LOCHER, Art. 20 N 13 f., 76.<br />

55 LOCHER, Art. 20 N. 10 ff. m.w.H.<br />

56 REICH, Vermögensertragsbegriff und Nennwertprinzip, S. 278 ff.;<br />

RICHNER/FREI/KAUFMANN, §20 N. 78, 83 ff.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


92 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

des Veräusserungsgewinnes beim Verkäufer wird kompensiert<br />

bzw. «erkauft» durch die Überbesteuerung des<br />

Erwerbers. Besonders einschneidend kann die Überbesteuerung<br />

bei (Teil-) Liquidationen sein, wenn der Aktionär<br />

die Aktien nicht seit der Gründung der Gesellschaft<br />

besessen hat. Der Liquidationsüberschuss wird<br />

ihm als Einkommen angerechnet, ohne dass es auf seine<br />

Anschaffungskosten ankäme. Der <strong>St</strong>euerpflichtige kann<br />

mit seiner Investition einen Verlust erleiden und trotzdem<br />

für ein «Einkommen» besteuert werden.<br />

Eine weitere und sehr wichtige Schwachstelle des Systems<br />

liegt darin, dass es nur auf Privatvermögen Anwendung<br />

findet. Bei einer Veräusserung aus dem Privatvermögen<br />

in ein Geschäftsvermögen geht die latente <strong>St</strong>euerlast<br />

verloren, weil dort für die Ermittlung eines allfälligen<br />

Veräusserungsgewinnes grundsätzlich die Anschaffungskosten<br />

massgeblich sind. Bei diesem Wechsel<br />

vom Privat- ins Geschäftsvermögen und dem damit einhergehenden<br />

«Verlust» an latenten <strong>St</strong>euern setzen die<br />

Theorien der Transponierung und der indirekten Teilliquidation<br />

an. Dabei muss aber auch erwähnt werden,<br />

dass beim Verkauf aus dem Geschäfts- ins Privatvermögen<br />

neue latente <strong>St</strong>euern geschaffen werden, ohne dass<br />

es zu einem steuerlichen Ausgleich hierfür käme.<br />

2.3.3.4 Sekundäre Konsequenzen der gesetz -<br />

lichen Regelung: Transponierung und indirekte<br />

Teilliquidation<br />

Gemäss der Transponierungstheorie wird Einkommenssteuer<br />

erhoben, wenn Aktien in eine vom Einleger beherrschte<br />

Kapitalgesellschaft eingebracht werden, sei es<br />

als Sacheinlage zur Liberierung von Aktien mit höherem<br />

Nennwert oder sei es gegen Gutschrift auf einem Darlehenskonto<br />

zu Gunsten des Einlegers 57 . Diese <strong>St</strong>euerfolge<br />

wird mit zwei Argumenten begründet. Zum einen soll<br />

der Verkauf an eine selbstbeherrschte Gesellschaft keine<br />

eigentliche Veräusserung sein 58 . Damit wird aber die<br />

konzernrechtliche Betrachtungsweise angewendet, für<br />

die das geltende Recht keine Grundlage bildet 59 . Zum anderen<br />

wird ein steuerbarer Ertrag darin erblickt, dass die<br />

latente <strong>St</strong>euerlast aufgehoben wird 60 . Zum Zeitpunkt der<br />

Einbringung wird aber ein solcher Vorteil nicht realisiert,<br />

sondern bloss eine entsprechende Möglichkeit<br />

geschaffen 61 . Der Vorteil verwirklicht sich, wenn überhaupt,<br />

erst bei einer effektiven Entreicherung der Gesellschaft,<br />

deren Beteiligungsrechte eingebracht worden<br />

sind. Eine solche Entreicherung erfolgt erst bei Liquidation<br />

oder bei Substanzdividenden. Der Einbringungsvorgang<br />

als solcher kann deshalb alleine noch keinen steuerbaren<br />

Ertrag darstellen. Die Transponierungstheorie<br />

wird nahezu einhellig und zu Recht abgelehnt 62 , und es<br />

wird gefordert, die Besteuerung auf Fälle von <strong>St</strong>euerumgehung<br />

zu beschränken 63 .<br />

Ein steuerbarer Beteiligungsertrag soll gemäss der<br />

Theorie der indirekten Teilliquidation auch dann vorliegen,<br />

wenn der Verkäufer auf dem Umweg über den Käufer,<br />

d.h. indirekt, ausschüttbare Mittel aus der verkauften<br />

Gesellschaft zieht, indem der Käufer die Kaufpreiszahlung<br />

aus dem Vermögen der Gesellschaft finanziert. Vorausgesetzt<br />

wird, dass die Beteiligungsrechte aus dem<br />

Privat- in ein Geschäftsvermögen verkauft werden, dass<br />

der Käufer den Kauf aus Mitteln der Gesellschaft finanziert,<br />

dass die Gesellschaft mithin im Zeitpunkt des Verkaufs<br />

über nicht betriebsnotwendige Mittel verfügt und<br />

dass der Verkäufer bei der Finanzierung des Kaufpreises<br />

aus Mitteln der Gesellschaft aktiv mitwirkt 64 . Auch die<br />

Theorie der indirekten Teilliquidation und die entsprechende<br />

Praxis, die immer tiefere Anforderungen an den<br />

Nachweis der einzelnen Voraussetzungen stellt, ist zu<br />

Recht heftiger Kritik ausgesetzt 65 . Die so genannte wirtschaftliche<br />

Auslegung des Begriffes des Beteiligungsertrages<br />

66 geht fehl, denn der Käufer erhält einen Veräusserungserlös.<br />

Die Mittelentnahme ist dem Käufer zuzurechnen;<br />

er hat die etwaige Gewinnausschüttung vereinnahmt.<br />

Im Grunde wird der Veräusserungsbegriff «wirtschaftlich»<br />

ausgelegt und nicht etwa der Begriff des Vermögensertrages.<br />

Eine solche Auslegung müsste aber<br />

mittels der Kriterien der <strong>St</strong>euerumgehung erfolgen.<br />

2.3.4 Marchzinsen<br />

Marchzinsen sind aufgelaufene, aber noch nicht fällige<br />

Zinsforderungen. Bei der Veräusserung eines Zins tragenden<br />

Titels werden die Marchzinsen vom Erwerber<br />

vergütet. Die Vergütung bildet beim Verkäufer formal<br />

57 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 87; LOCHER, Art. 20 N. 112, 114 ff.<br />

58 VGr ZH, 27.10.1987, RB 1987 Nr. 20 = <strong>St</strong>E 1988 B 24.4 Nr. 11;<br />

BGr, 10.11.1998, <strong>St</strong>E 1999 B 24.4 Nr. 52; REICH, Art. 20 DBG<br />

N. 77.<br />

59 LOCHER, Art. 20 N. 117 m.w.H.<br />

60 BGr, 16.6.2000, <strong>St</strong>E 2000 B 24.4 Nr. 55; BGE 115 Ib 238 = ASA<br />

58 (1989/90), S. 689.<br />

61 Das genügt aber bereits gemäss der bundesgerichtlichen<br />

Praxis (BGr, 6.7.1998, ASA 68 [1999/2000], S. 422 = <strong>St</strong>E 1999<br />

B 24.4 Nr. 48); anders die Rechtsprechung zum Zürcher Recht,<br />

wonach die Übertragung einer Minderheitsbeteiligung<br />

grund sätzlich keinen Transponierungstatbestand bildet (VGr<br />

ZH, 5.7.2000, RB 2000 Nr. 117 = <strong>St</strong>E 2001 B 24.4 Nr. 56).<br />

62 LOCHER, Art. 20 N. 117.<br />

63 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 87.<br />

64 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 89 ff.; LOCHER, Art. 20 N. 107 ff.<br />

65 Vgl. die Hinweise bei LOCHER, Art. 20 N. 110.<br />

66 LOCHER, Art. 20 N. 110.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

93<br />

einen Veräusserungserlös für ein anwartschaftliches<br />

Recht. Der Käufer vereinnahmt bei Fälligkeit zwar den<br />

ganzen Zins, hat aber für einen Teil davon Anschaffungskosten<br />

aufgewendet, so dass wirtschaftlich betrachtet<br />

nur der diese Kosten übersteigende Teil des Zinses einkommensbildend<br />

ist.<br />

Ähnlich wie bei den Einkünften aus Beteiligungsrechten,<br />

besteht in der Praxis die Tendenz, dass sämtliche<br />

Zahlungen des Schuldners beim jeweiligen Empfänger<br />

vollständig als Einkommen angerechnet werden, ungeachtet<br />

allfälliger Anschaffungskosten des jeweiligen<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen. Bei der direkten Bundessteuer ist dies<br />

gesetzlich vorgegeben, indem Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG<br />

ohne Einschränkung sämtliche Zinsen aus Guthaben als<br />

steuerbar erklärt. Der Erwerber wird für den gesamten<br />

Zins besteuert, weil alle Leistungen des Schuldners, die<br />

nicht Rückzahlungen der Schuld darstellen, steuerbar<br />

sind 67 . Aus einer subjektiven Sicht, die im Konzept der<br />

Reineinkommensbesteuerung an sich massgebend ist,<br />

bedeutet dies eine Überbesteuerung. Der Erwerber übernimmt<br />

die an sich beim Veräusserer zu erhebende <strong>St</strong>euer.<br />

Die Gründe für diese formale Betrachtungsweise sind<br />

nicht so sehr systematischer, sondern viel mehr praktischer<br />

Natur. Das Bundesgericht hat noch unter dem alten<br />

Recht diese Ordnung geschützt 68 .<br />

Der Kanton Zürich übt eine Praxis, die sich stärker an<br />

den Grundgedanken der Einkommensbesteuerung und<br />

weniger an verwaltungstechnischen Überlegungen orientiert.<br />

<strong>St</strong>euerpflichtige können deshalb verlangen, dass<br />

ihre Zinseinkünfte abgegrenzt werden; diese Abgrenzung<br />

erfolgt konsequenterweise aktiv wie passiv: Einerseits<br />

können die Anschaffungskosten von den empfangenen<br />

Zinsen abgezogen werden, anderseits sind die Veräusserungserlöse<br />

soweit steuerbar, als sie auf Marchzinsen<br />

entfallen 69 . Die Zürcher Praxis ist sicherlich aufwändiger<br />

als die Lösung der direkten Bundessteuer, jener<br />

aber unter dem Aspekt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit überlegen.<br />

2.4 Gesetzlicher Verzicht auf Realisation des<br />

Einkommens<br />

2.4.1 Eigenmietwert der selbstbewohnten<br />

Liegenschaft<br />

Wie oben ausgeführt, bildet die Besteuerung des Eigenmietwertes<br />

die Ausnahme vom Grundsatz, dass die<br />

Eigennutzung von Vermögensgegenständen steuerlich<br />

irrelevant ist. Die Besteuerung des Eigenmietwertes bedarf<br />

einer besonderen, konstitutiv wirkenden gesetzlichen<br />

Grundlage, weil sie nicht schon in der Generalklausel<br />

enthalten ist.<br />

2.4.2 Tatbestände steuersystematischer<br />

Realisation<br />

Im Geschäftsvermögensbereich werden Überführungen<br />

ins Privatvermögen und Überführungen in ausländische<br />

Betriebe Veräusserungen gleichgestellt 70 . Damit soll die<br />

vollständige Erfassung der im Geschäftsvermögen entstandenen<br />

Wertvermehrungen sichergestellt werden. Im<br />

Privatvermögen könnte der Veräusserungsgewinn nicht<br />

mehr besteuert werden, weil private Kapitalgewinne<br />

steuerfrei sind. Im Ausland entginge der Veräusserungsgewinn<br />

der Schweizer <strong>St</strong>euer, auch wenn der veräusserte<br />

Vermögenswert weiterhin Geschäftsvermögen bildet.<br />

Mit einer Realisation von Einkünften haben diese Tatbestände<br />

nichts zu tun; vielmehr wird von Gesetzes wegen<br />

eine Realisation fingiert.<br />

2.4.3 Aufwertungsgewinne<br />

Die im Geschäftsvermögen verbuchten Aufwertungsgewinne<br />

werden besteuert (so genannte «buchmässige<br />

Realisation»). Diese <strong>St</strong>euerfolge ist eine eigentlich<br />

selbstverständliche Konsequenz des Massgeblichkeitsprinzips,<br />

welches unausgesprochen nicht nur für juristische<br />

Personen, sondern auch für selbständig erwerbende<br />

und Buch führende natürliche Personen gilt. Eine steuerliche<br />

Korrekturnorm, welche den handelsrechtlichen<br />

Gewinn um die Aufwertungsgewinne bereinigen würde,<br />

wäre an sich denkbar, ist aber im geltenden Recht nicht<br />

vorgesehen. Die Einführung einer solchen steuerlichen<br />

Korrektur, allenfalls sogar der Übergang zu einer eigenen<br />

steuerlichen Gewinnermittlung, ist aber angesichts<br />

der zunehmenden Bedeutung der internationalen Rechnungslegungsstandards<br />

(IFRS/IAS und US GAAP) und<br />

des Projektes eines Rechnungslegungsgesetzes zu prüfen.<br />

Die in den genannten Regelwerken enthaltenen<br />

Durchbrechungen des Realisationsprinzips widersprechen<br />

dem Grundsatz der Einkommenssteuer, nur das<br />

reali sierte Einkommen zu erfassen 71 .<br />

67 Dies wird zuweilen als «subjektives Herkunftsprinzip» bezeichnet<br />

(LOCHER, Art. 20 N. 7, 21).<br />

68 BGr, 17.12.1992, ASA 63 (1994/95), S.51f. = <strong>St</strong>E 1993 B 24.3<br />

Nr. 4.<br />

70 Art. 8 Abs. 1 <strong>St</strong>HG; Art. 18 Abs. 2 Satz 1 DBG; § 18 Abs. 2 Satz 2<br />

<strong>St</strong>G ZH.<br />

71 Dazu insb. GURTNER, Neue Rechnungslegung, S. 85, 98.<br />

69 REICH, Vermögensertragsbegriff und Realisation, S. 216 f.<br />

m.w.H.; RICHNER/FREI/KAUFMANN, § 20 N. 21.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


94 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

2.4.4 Eigenleistungen im Geschäft<br />

Einen Tatbestand steuersystematischer Realisation sui<br />

generis bildet die Bewertung selbst hergestellter Erzeugnisse<br />

zum Marktpreis gemäss Art. 16 Abs. 2 DBG, soweit<br />

in diesen Erzeugnissen ein Wert der eigenen Arbeit des<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen enthalten ist 72 . Nicht realisierte Eigenleistungen<br />

von Selbständigerwerbenden sind nämlich<br />

steuerlich unbeachtlich. Sodann können Eigenleistungen<br />

nicht privat dem Geschäft entnommen werden, weil<br />

die Arbeitskraft des Selbständigerwerbenden nicht zum<br />

Geschäftsvermögen gehört. Vielmehr bilden seine<br />

Dienstleistungen immaterielle Einlagen in das Geschäft<br />

73 . Deshalb kann es bei Eigenleistungen von Selbständigerwerbenden<br />

höchstens zu einer Aufrechnung jener<br />

Kosten kommen, die dem Geschäft belastet, aber privat<br />

veranlasst sind 74 . Die gegenteilige Auffassung, wonach<br />

der Selbständigerwerbende sein gesamtes Dienstleistungspotential<br />

in das Geschäft einlegt, weshalb bei<br />

privater Verwendung Teile davon wieder entnommen<br />

werden können 75 , überzeugt nicht. Das Dienstleistungspotential<br />

ist höchstpersönlicher Natur, nicht aktivierbar<br />

und weder als Gesamtheit noch teilweise einlagefähig.<br />

Ohnehin ergäben sich schwierige Konsequenzen, ginge<br />

man von einer Einlage des gesamten Dienstleistungspotentiales<br />

aus 76 .<br />

2.5 <strong>St</strong>euerneutrale Vorgänge<br />

In einigen Fällen kommt es trotz eines Mittelzuflusses<br />

von aussen in die Vermögenssphäre des <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

zu keiner Besteuerung zum Zeitpunkt des fraglichen<br />

Vorganges. Eigentliche <strong>St</strong>euerbefreiungen liegen nicht<br />

vor, weil die Nichtbesteuerung nicht definitiv ist. Solche<br />

Tatbestände werden vom Gesetz entweder als <strong>St</strong>eueraufschub<br />

ausgestaltet oder es wird in Anwendung eines<br />

funktionalen Verständnisses der Realisation eine solche<br />

verneint. Diese Aspekte können im Folgenden nur gestreift<br />

werden.<br />

2.5.1 Privatvermögen<br />

Im Privatvermögensbereich kommt es vorab bei der<br />

Grundstückgewinnsteuer vor, dass Einkünfte steuerlich<br />

bei einem anderen <strong>St</strong>euerpflichtigen besteuert werden<br />

als bei demjenigen, bei dem sie wirtschaftlich entstanden<br />

sind. Es geht um den Wertzuwachs auf liegenschaftlichen<br />

Werten, der auf Grund eines <strong>St</strong>eueraufschubstatbestandes<br />

trotz Handänderung nicht besteuert wird. Als<br />

Aufschubstatbestände sind im Wesentlichen die güterrechtliche<br />

Auseinandersetzung bei Trennung, Scheidung<br />

oder Tod sowie der Eigentumsübergang von Todes wegen<br />

zu nennen 77 . Insbesondere bei der güterrechtlichen<br />

Auseinandersetzung sind die mit Grundstücken verbundenen<br />

latenten <strong>St</strong>euerlasten ein wichtiger Aspekt, den es<br />

bei der Beratung zu berücksichtigen gilt.<br />

Bei Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsung<br />

gehen, wie oben ausgeführt, die positiven und negativen<br />

Wertveränderungen auch im Privatvermögensbereich<br />

bei ihrer Realisation durch Veräusserung oder bei Rückzahlung<br />

in die Bemessungsgrundlage ein. Der Eigentumsübergang<br />

solcher Titel bei Erbschaft oder Schenkung<br />

bildet mangels Entgelts keinen Realisationstatbestand,<br />

so dass latente <strong>St</strong>euerlasten und -guthaben über -<br />

gehen 78 .<br />

2.5.2 Geschäftsvermögen<br />

Erbschaft und Schenkung von Geschäftsvermögen stellen<br />

mangels Entgelts keinen Realisationstatbestand<br />

beim Erblasser oder Schenker dar; allerdings ist bei einer<br />

Schenkung zu prüfen, ob eine Privatentnahme vorliegt 79 .<br />

Allfällige stille Reserven werden nicht beim Erblasser<br />

oder beim Schenker besteuert. Vielmehr übernehmen der<br />

Erbe und der Beschenkte die bisher für den Erblasser und<br />

Schenker massgeblichen Einkommenssteuerwerte. Bei<br />

einer späteren Realisation dieser stillen Reserven – soweit<br />

solche Werte noch vorhanden sind – haben der Erbe<br />

und der Beschenkte die <strong>St</strong>euer darauf zu entrichten, obwohl<br />

die Wertsteigerung bereits beim Erblasser oder<br />

Schenker entstanden war und nach dem finanzwissenschaftlichen<br />

Verständnis bei diesem Einkommen bildete.<br />

Zu keiner Realisation stiller Reserven führen Umstrukturierungstatbestände,<br />

wenn die entsprechenden, hier<br />

nicht näher darzustellenden Voraussetzungen der <strong>St</strong>euerneutralität<br />

erfüllt sind. In einer funktionalen Betrachtungsweise,<br />

die hier Platz greift, ist keine Realisation gegeben,<br />

weshalb es auch zu keiner Besteuerung kommt 80 .<br />

72 A. M. LOCHER, Art. 16 N. 35.<br />

73 WEIDMANN, S. 91.<br />

74 REICH, Art. 16 DBG N. 42; WEIDMANN, S. 91.<br />

75 LOCHER, Art. 16 N. 49.<br />

76 Insbesondere wäre das Dienstleistungspotential zu bewerten<br />

und es müsste steuerlich aktiviert werden. Es wären Abschreibungen<br />

zuzulassen und bei Geschäftsaufgabe über<br />

eine Privatentnahme des Potentials abzurechnen.<br />

77 Art. 12 Abs. 3 lit. a und b <strong>St</strong>HG; § 216 Abs. 3 lit. a und b <strong>St</strong>G ZH.<br />

78 In Analogie zu Erbschaft und Schenkung von Geschäftsvermögen,<br />

s. sogleich.<br />

79 LOCHER, Art. 18 N. 84, 108 f.; RK I ZH, 28.9.2001, Z<strong>St</strong>P 2002,<br />

S. 27.<br />

80 Art. 8 Abs. 3 <strong>St</strong>HG; Art. 19 Abs. 1 DBG; § 19 <strong>St</strong>G ZH. Im Einzelnen<br />

dazu namentlich LOCHER Art. 19 N. 11 ff.; REICH, Art. 19<br />

DBG N. 19 ff.; DERS., Unternehmensumstrukturierungen,<br />

S. 31 ff., 192 ff., 251 ff., 303 ff.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

95<br />

Es kann aber zur Übertragung latenter <strong>St</strong>euerlasten kommen,<br />

worauf noch einzutreten ist 81 .<br />

3 Zeitliche Zurechnung<br />

3.1 Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungs -<br />

macht<br />

In einem engeren Sinne geht es bei der zeitlichen Zurechnung<br />

darum, eine einzelne Einkunft einer bestimmten<br />

Zeitperiode zuzuordnen, die in der Regel, aber nicht<br />

notwendigerweise, ein Jahr dauert und zugleich dem Kalenderjahr<br />

entspricht. Diesem Aspekt der Zurechnung<br />

soll im Folgenden nachgegangen werden. In einem weiteren<br />

Sinne kann unter zeitlicher Zurechnung auch das<br />

Verhältnis zwischen Bemessungs- und <strong>St</strong>euerperiode sowie<br />

allenfalls der Veranlagungsperiode verstanden werden.<br />

Diese Beziehung ist hier unbeachtlich.<br />

Der Rechtsbegriff des Einkommens ist wirtschaftlich geprägt,<br />

nicht zivilrechtlich, und öffentlich-rechtlicher Natur.<br />

Eine bestimmte Einkunft ist aus diesem Grund demjenigen<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen zuzurechnen, der die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht darüber erworben hat. Der<br />

Begriff der wirtschaftlichen Verfügungsmacht findet<br />

sich nicht in den Einkommenssteuergesetzen. Er leitet<br />

sich aus dem Einkommensbegriff und seiner Funktion<br />

ab, einen wirtschaftlichen Sachverhalt einer bestimmten<br />

Personen zuzuordnen. Der grundlegende Gedanke bei<br />

der zeitlichen Zurechnung von Einkünften muss deshalb<br />

sein, dass der <strong>St</strong>euerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht<br />

über den betreffenden Einkommensteil erlangt.<br />

Die Einkunft ist jener <strong>St</strong>euerperiode zuzuordnen,<br />

in welcher der <strong>St</strong>euerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht<br />

darüber erwirbt 82 .<br />

Der Begriff der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ist offen<br />

und muss konkretisiert werden. Diese Konkretisierung<br />

folgt über weite <strong>St</strong>recken den zivilrechtlichen und<br />

öffentlich-rechtlichen Gegebenheiten, denn das Zivilund<br />

das anwendbare öffentliche Recht sind der rechtliche<br />

und damit massgebliche Rahmen, in dem die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht erworben wird. Die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht darf deshalb nicht in der<br />

Weise verstanden werden, dass beispielsweise relativ sichere<br />

Erwartungen auf in der Zukunft zu erwartende<br />

Einkünfte darin eingeschlossen wären. So verschafft ein<br />

Auftragsbestand, der noch bearbeitet werden muss, keine<br />

wirtschaftliche Verfügungsmacht über das vereinbarte<br />

Entgelt. Desgleichen gibt die Erwartung eines Bonus,<br />

der aber noch nicht zugesprochen ist, dem Arbeitnehmer<br />

keine wirtschaftliche Verfügungsmacht im hier massgeblichen<br />

Sinne über diesen Lohnbestandteil. Die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht ist noch nicht erworben,<br />

auch wenn solche Sachverhalte die subjektive und objektive<br />

Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zum<br />

Beispiel hinsichtlich der Bonität des betreffenden <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

positiv beeinflussen mögen.<br />

3.2 Umschreibungen in Literatur und<br />

Judikatur<br />

Einkommen ist nach Lehre und Rechtsprechung dann als<br />

realisiert zu betrachten, wenn der <strong>St</strong>euerpflichtige Leistungen<br />

vereinnahmt oder einen festen Rechtsanspruch<br />

darauf erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann 83 .<br />

Ein fester Rechtsanspruch entsteht beispielsweise, wenn<br />

der <strong>St</strong>euerpflichtige für die von ihm erbrachten Leistungen<br />

Rechnung stellt und sie bucht 84 . Blosse Anwartschaften<br />

und bedingte Rechtsansprüche führen beim<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen zu keinem Einkommen, denn sie sind<br />

nur Vorbereitungen für den Erwerb von Ansprüchen 85 .<br />

Eine besondere Unsicherheit der Erfüllung ist in der<br />

Weise zu berücksichtigen, dass auf den Zeitpunkt der tatsächlichen<br />

Erfüllung abgestellt wird 86 .<br />

Genau besehen decken diese Formulierungen zwei verschiedene<br />

Bereiche ab, nämlich den des Geschäfts- und<br />

jenen des Privatvermögens. Wegen der unterschiedlichen<br />

Ausgestaltung der Ermittlung des steuerbaren Einkommens<br />

drängt sich eine gesonderte Betrachtung auf.<br />

3.3 Die kaufmännische Gewinnermittlung<br />

Im Bereich des Geschäftsvermögens gilt das Massgeblichkeitsprinzip:<br />

Für die Bemessung des steuerbaren<br />

Einkommens wird unter dem Vorbehalt steuerlicher Korrekturen<br />

auf das Ergebnis der handelsrechtlichen Erfolgsrechnung<br />

abgestellt. Besondere steuerliche (Korrektur-)<br />

Vorschriften hinsichtlich des Zeitpunktes der<br />

Realisation von Erträgen bestehen nicht. Deshalb sind in<br />

diesem Bereich einzig die Grundsätze der kaufmännischen<br />

Buchführung hinsichtlich des Realisationszeitpunkts<br />

massgebend.<br />

Die Vorschriften zur kaufmännischen Buchführung enthalten<br />

keine ausdrückliche Regelung, in welchem Zeitpunkt<br />

Erträge als realisiert zu gelten haben. Aus dem<br />

81 Unten, Abschn. 4.4.<br />

82 VGr ZH, 25.3.1998, RB 1998 Nr. 148; REICH, Art. 16 DBG N. 25.<br />

83 BGr, 19.7.1993, ASA 64 (1995/96), S. 142 f. = <strong>St</strong>E 1995 B 72.13.22<br />

Nr. 31.<br />

84 BGE 105 Ib 242 = ASA 49 (1980/81), S. 65.<br />

85 LOCHER, Art. 16 N. 22; WEIDMANN, S. 196.<br />

86 BGr, 1.11.1991, ASA 61 (1992/93), S. 669; LOCHER, Art. 16 N. 21;<br />

WEIDMANN, S. 197 f.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


96 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

System der Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung<br />

ist abzuleiten, dass ein Ertrag in dem Zeitpunkt realisiert<br />

ist, wo er nur noch mit solchen Risiken behaftet ist, die<br />

durch Wertberichtigungen oder durch Rückstellungen<br />

erfassbar sind 87 . Damit werden – in anderen Formulierungen<br />

– die Erträge dann realisiert, wenn sie in Form<br />

von Geld oder von Geld-Äquivalenten (wie unbedingten<br />

Forderungen) als wirklich zugegangen zu betrachten<br />

sind 88 bzw. wenn Güter oder Dienstleistungen in eine<br />

durchsetzbare, feste und unentziehbare, dem Erwerb von<br />

Geld gleichzuhaltende Forderung umgewandelt werden<br />

89 . Das Bundesgericht hält dafür, Erträge seien realisiert,<br />

wenn die entsprechenden Leistungen erbracht oder<br />

rechtlich vollstreckbar geschuldet seien 90 . In der Praxis<br />

fällt der Realisationszeitpunkt meist mit der Rechnungsstellung<br />

zusammen 91 . Die Einräumung einer blossen Anwartschaft<br />

und das Bestehen eines noch bedingten Leistungsanspruches<br />

erfüllen die Bedingungen der Einkommensrealisierung<br />

nicht 92 .<br />

Auf die Fälligkeit der Forderung kommt es grundsätzlich<br />

nicht an. Sodann spielt es keine Rolle, ob das konkrete<br />

Geschäft Umlauf- oder Anlagevermögen betrifft 93 .<br />

In der Regel wird ein Ertrag somit nach Vollendung der<br />

eigenen Leistung realisiert 94 . Danach bestehen nur noch<br />

Debitoren- und Gewährleistungsrisiken. Diesen Risiken<br />

ist, soweit erforderlich, durch Wertberichtigung der Forderung<br />

und durch Bildung einer Rückstellung Rechnung<br />

zu tragen.<br />

In Abweichung von diesen Grundsätzen können in der<br />

Praxis nicht buchführungspflichtige Selbständigerwerbende<br />

nach der so genannten Ist-Methode abrechnen 95 .<br />

Diesfalls ist ihr Geschäftseinkommen erst bei Zahlungseingang<br />

realisiert.<br />

3.4 Realisation von Einkünften im Bereich<br />

des Privatvermögens<br />

Im Bereich des Privatvermögens müssen alle Zuflüsse<br />

einzeln danach untersucht werden, ob sie Einkommen im<br />

steuerlichen Sinne bilden. Der Zufluss eines geldwerten<br />

Rechtes bildet für sich alleine noch kein Einkommen,<br />

weshalb das Kriterium des «Zuflusses von aussen» nicht<br />

genügt, um die steuerliche Einkunft zu umschreiben. Es<br />

kommt darauf an, ob der <strong>St</strong>euerpflichtige diesen Zufluss<br />

realisiert hat. Xavier Oberson drückt dies plastisch so<br />

aus 96 : «Cette condition essentielle constitue le fait générateur<br />

de l’imposition du revenue.» Die Realisation umfasst<br />

im Privatvermögensbereich eine positive und zwei<br />

negative Bedingungen: Realisation ist der Erwerb einer<br />

unentziehbaren rechtlichen oder tatsächlichen Position,<br />

ohne dass diese Position mit einer Rückgabepflicht belastet<br />

wäre und ohne dass eine allenfalls noch durch einen<br />

Schuldner zu erbringende Erfüllungshandlung besonders<br />

unsicher wäre.<br />

3.4.1 Realisation einer Einkunft<br />

3.4.1.1 Erwerb einer sicheren Forderung<br />

Als erstes Element der steuerlichen Einkommensrealisation<br />

im Privatvermögensbereich bedarf es des Erwerbs<br />

eines sicheren Anspruchs. Der «sichere Anspruch» lässt<br />

sich nicht auf positive Weise genauer umschreiben. In<br />

Anlehnung an die für das Bilanzrecht gefundene Umschreibung<br />

kann der Erwerb einer Forderung dann als sicher<br />

bezeichnet werden, wenn nur noch Debitoren- oder<br />

Gewährleistungs- bzw. vergleichbare Risiken (wie beispielsweise<br />

Schadenersatzrisiken) bestehen. Der <strong>St</strong>euerpflichtige<br />

muss somit eine unentziehbare Rechtsposition<br />

oder zumindest eine vergleichbare tatsächliche <strong>St</strong>ellung<br />

erworben haben.<br />

3.4.1.2 Keine Rückgabepflicht<br />

Der Erwerb einer «sicheren Forderung» im Rechtsverkehr<br />

oder ein tatsächliches Zufliessen, welches eine<br />

<strong>St</strong>ellung ähnlich einem Eigentümer oder Gläubiger vermittelt,<br />

genügt indessen nicht, um eine Einkunft zu realisieren.<br />

Wenn eine Privatperson ein Darlehen aufnimmt<br />

und einen entsprechenden Vertrag abschliesst, erwirbt<br />

diese Person eine Forderung auf Auszahlung der Darlehenssumme.<br />

Dennoch bildet weder dieser Anspruch auf<br />

Auszahlung noch die Auszahlung selbst Einkommen<br />

87 REICH, Unternehmensumstrukturierungen, S. 26; WEIDMANN,<br />

S. 144 f.; VRK I/1 SG, 1.11.1999, <strong>St</strong>E 2000 B 21.2 Nr. 12.<br />

88 KÄFER, Art. 958 N. 157 f.<br />

89 BÖCKLI, Aktienrecht, N. 832.<br />

90 BGE 116 II 539.<br />

91 Für den Fall einer verzögerten Rechnungsstellung vgl. VGr<br />

ZH, 19.5.1999, RB 1999 Nr. 141.<br />

92 BGr, 4.5.1999, ASA 68 (1999/2000), S. 739; LOCHER, Art. 16<br />

N. 22.<br />

93 REICH, Unternehmensumstrukturierungen, S. 26; WEIDMANN,<br />

S. 147; anders offenbar BGE 105 Ib 238 = ASA 49 (1980/81),<br />

S. 61.<br />

94 Einzelfälle bei LOCHER, Art. 18 N. 67.<br />

95 Buchführungspflichtigen, insbesondere Aktiengesellschaften,<br />

steht diese Möglichkeit nicht offen, weil die Ist-Methode<br />

den buchführungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht<br />

(VGr ZH, 19.12.2001, RB 2001 Nr. 90).<br />

96 OBERSON, § 7 N. 12. Anders in der Wortwahl, aber nicht in der<br />

Sache, REICH (Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 7 f.). Er verwendet den Begriff der<br />

Realisation – aber nicht dessen Gehalt – unnötig eng und will<br />

ihn offenbar auf die Veräusserung von Aktiven des Geschäftsvermögens<br />

beschränken, obwohl das Realisationsprinzip<br />

allein schon im Bilanzrecht einen umfassenderen Anwendungsbereich<br />

hat. OEHRLI meint, die Verwendung des<br />

Realisationsbegriffes im hier behandelten Zusammenhang<br />

verwirre unnötig (S. 6).<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

97<br />

beim Darlehensnehmer, obwohl bei ihm ein Zufluss an<br />

Mitteln zu verzeichnen ist. Der Grund dafür ist offenkundig:<br />

Jene Person ist zur Rückzahlung der Darlehenssumme<br />

verpflichtet. Solange ein Zufluss mit einer korrespondierenden<br />

Verpflichtung zur Rückgabe oder zur<br />

Übertragung eines anderen Vermögenswertes belastet<br />

ist, kann er nicht als Einkommen angesehen werden. Die<br />

Einkunft ist also nur dann realisiert, wenn der <strong>St</strong>euerpflichtige<br />

sie rechtlich oder tatsächlich behalten darf und<br />

damit die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber erlangt<br />

hat 97 . In buchführungsrechtlichen Worten ist eine<br />

Einkunft dann nicht realisiert, wenn sie eine Passivierungspflicht<br />

auslöst. Auch wenn die Verpflichtung auf<br />

eine Rückgabe in einer späteren <strong>St</strong>euerperiode gerichtet<br />

ist, wird kein Einkommen realisiert.<br />

Die Realisation von Einkünften ist in der Regel nicht ein<br />

rein tatsächlicher Vorgang, weil sich die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht und damit deren Erwerb im rechtlichen<br />

Rahmen abspielen 98 . Dies zeigt sich beispielsweise<br />

bei einem scheinbar so einfachen Fall wie dem Fund:<br />

Der tatsächliche Vorgang des Auffindens einer Sache ist<br />

noch kein Fund im Rechtssinne. Um das Eigentum an der<br />

Sache zu erwerben, muss der Finder von ihr Besitz ergreifen,<br />

was subjektiv die Urteilsfähigkeit des Finders<br />

und dessen Willen voraussetzt, Besitz zu begründen 99 .<br />

Unter Umständen genügt indessen der Erwerb einer faktischen<br />

<strong>St</strong>ellung, nämlich dann, wenn der betreffende<br />

<strong>St</strong>euerpflichtige wie ein Eigentümer oder Gläubiger<br />

über das fragliche Recht verfügen kann. Eine solche faktische<br />

<strong>St</strong>ellung darf allerdings nicht leichthin angenommen<br />

werden. Beispielsweise reicht die faktische Verfügungsmacht<br />

des beherrschenden Aktionärs über nicht<br />

deklarierte Konti der Gesellschaft nicht aus, um bei ihm<br />

geldwerte Leistungen aufzurechnen. Vielmehr ist auf die<br />

tatsächliche Entnahme aus den Konti abzustellen 100 .<br />

Aus diesen Gründen sind Einkünfte aus deliktischen<br />

Handlungen steuerbar, es sei denn, es bestehe ein liquider<br />

Anspruch auf Ablieferung, dessen Durchsetzung unmittelbar<br />

bevorsteht 101 . Auf die <strong>St</strong>rafbarkeit kommt es<br />

indessen nach dem oben Gesagten grundsätzlich nicht<br />

an; es liegt auch dann kein Einkommen vor, wenn der<br />

Vermögenszufluss auf eine straflose Handlung zurückgeht<br />

und der <strong>St</strong>euerpflichtige vertraglich oder gesetzlich<br />

zur Rückerstattung verpflichtet ist. Kaum geklärt ist, wie<br />

bei Fällen zu verfahren ist, bei denen ein Zufluss besteuert<br />

worden ist, der aber nachträglich zurückerstattet werden<br />

muss. Um eine periodengerechte Besteuerung nach<br />

der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erreichen,<br />

muss der sich nach der fraglichen <strong>St</strong>euerperiode verwirklichende<br />

Umstand der Rückerstattung, der aber auf<br />

den Zufluss zurückwirkt, durch eine – fristgerecht zu<br />

verlangende – Revision der betreffenden <strong>St</strong>euereinschätzung<br />

berücksichtigt werden 102 . Der gesetzliche Revisionsgrund<br />

der neuen Tatsache ist durch die Rückerstattung<br />

alleine nicht erfüllt, weil diese ein unechtes Novum<br />

bildet. Der rechtliche Zusammenhang mit der in der<br />

fraglichen <strong>St</strong>euerperiode zugeflossenen Einkunft schafft<br />

aber insgesamt eine echte neue Tatsache 103 . Soweit der<br />

Zufluss Anlass für ein Nachsteuerverfahren bildet, sollte<br />

der Berücksichtigung einer Rückerstattung in diesem<br />

Verfahren nichts im Wege stehen 104 . Der Übergang zwischen<br />

den soeben diskutierten Fällen und solchen, wo<br />

Schadenersatzpflichten etc. durch einen Gewinnungskostenabzug<br />

in der späteren Periode zu berücksichtigten<br />

sind, kann fliessend sein.<br />

Mit dem Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht<br />

wird die fragliche Rechtsposition unter Vorbehalt einer<br />

etwaigen besonderen Unsicherheit ihrer Erfüllung Teil<br />

des Privatvermögens. Spätere Wertveränderungen sind<br />

als private Kapitalgewinne und -verluste steuerlich unbeachtlich.<br />

Im Einzelnen wird Arbeitslohn mit der Erbringung der<br />

Leistung des Arbeitnehmers und per Ende der vertraglich<br />

vereinbarten Abrechnungsperiode, in der Regel monatlich<br />

auf den vertraglich vereinbarten <strong>St</strong>ichtag hin,<br />

realisiert. Wann die Arbeit geleistet wurde, ist für die<br />

Realisation des Arbeitslohnes grundsätzlich unerheblich<br />

105 . Der Bonus oder die Erfolgsbeteiligung für das<br />

97 VGr ZH, 25.3.1998, RB 1998 Nr. 148; TRZASKALIK, S. 224 f.<br />

98 In diesem Sinne sind die Ausführungen des VGr ZH vielleicht<br />

missverständlich (25.3.1998, RB 1998 Nr. 148), wonach der<br />

Einkommenszufluss ein faktischer Vorgang sei, der damit abgeschlossen<br />

sei, dass der <strong>St</strong>euerpflichtige die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht über die zugeflossenen Vermögenswerte<br />

innehabe.<br />

99 REY, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum,<br />

Bern 1991, S. 387 f.<br />

100 BGr, 19.7.1993, ASA 64 (1995/96), S. 137.<br />

101 VGr ZH, 25.3.1998, RB 1998 Nr. 148; LOCHER, Art. 16 N. 14;<br />

OBERSON, § 7 N. 11. Dass nur liquide Ansprüche berücksichtigt<br />

werden, mag streng erscheinen und ist primär beweisrechtlich<br />

bedingt. Zu beachten ist, dass in der strafrechtlichen Praxis<br />

häufig keine Rückerstattung verlangt wird, weil das Deliktsgut<br />

ohnehin nicht mehr vorhanden ist und ein Ersatzanspruch<br />

mangels Vermögens nicht durchsetzbar wäre.<br />

102 Gl. M. LOCHER (Art. 16 N. 14) und REICH (Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 33), die<br />

sich auf ein unbegründetes obiter dictum des OG UR berufen<br />

(7.11.1997, <strong>St</strong>E 1998 B 21.1 Nr. 6).<br />

103 Vergleichbare Lösungen mittels Revisionsverfahren bestehen<br />

bei der Grundstückgewinnsteuer (vgl. insb. VGr ZH,<br />

7.5.1992, RB 1992 Nr. 42 = <strong>St</strong>E 1992 B 42.38 Nr. 11).<br />

104 Vgl. REICH, Art. 7 <strong>St</strong>HG N. 33.<br />

105 REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N. 21 der Vorbemerkungen zu<br />

§§ 19–32.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


98 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

Geschäftsjahr wird regelmässig erst im nachfolgenden<br />

Jahr realisiert, weil erst dann Höhe und Bestand feststellbar<br />

sind. Vertraglich nicht geschuldete Leistungen sind<br />

vom Arbeitnehmer erst realisiert, wenn der Arbeitgeber<br />

sie entweder verbindlich zugesprochen oder ausgerichtet<br />

hat 106 .<br />

Mitarbeiteraktien werden mit der Annahme der Zuteilung<br />

realisiert, auch wenn sie gesperrt sind. Potentielle<br />

Rückgabeverpflichtungen, insbesondere bei Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses vor einem bestimmten<br />

Termin, sind unbeachtlich 107 .<br />

Mitarbeiteroptionen sind nach neuerer Rechtsprechung<br />

bei ihrer Zuteilung realisiert 108 . Das Optionsrecht auf Erwerb<br />

von Aktien des Arbeitgebers ist indessen je nach<br />

den Umständen nicht als sicher zu betrachten, wenn es<br />

nur unter Bedingungen eingeräumt worden ist. Dann ist<br />

für die Annahme der Realisation auf den Zeitpunkt abzustellen,<br />

in dem die Bedingungen eingetreten sind 109 . Auf<br />

die aktuellen Vorschläge für eine Neuordnung der Besteuerung<br />

von Mitarbeiteroptionen kann hier nicht eingegangen<br />

werden 110 .<br />

Alterskapital-Leistungen einer Einrichtung der beruflichen<br />

Vorsorge im obligatorischen Bereich fliessen bei<br />

Eintritt des Vorsorgefalles zu, auch wenn der Empfänger<br />

die Auszahlung aufgeschoben hat 111 . Im überobligatorischen<br />

Bereich bestimmt sich der Zeitpunkt des Anspruches<br />

auf Ausrichtung von Altersleistungen auch steuerlich<br />

nach dem anwendbaren Reglement 112 , wobei die<br />

Fälligkeit einer Kapitalleistung frühestens am ersten Tag<br />

nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses gegeben sein<br />

kann 113 .<br />

Die Zinsen für Miete, Pacht und Darlehen sind gemäss<br />

der Rechtsprechung bei ihrer Fälligkeit realisiert 114 . Ein<br />

Vorbehalt ist für die Fälle anzubringen, wo der Mieter,<br />

Pächter oder Darlehensnehmer vorleistungspflichtig ist;<br />

diesfalls ist die Forderung des Vermieters, Verpächters<br />

oder Darlehensgebers noch nicht sicher, weil er ja seine<br />

Leistung – durch vertragskonforme Überlassung der Sache<br />

– noch erbringen muss. Dementsprechend hat die<br />

Oberrekurskommission des Kantons Zürich einen für<br />

zehn Jahre im Voraus bezahlten Mietzins auf die einzelnen<br />

Jahre umgelegt und im Umfang der Erfüllung besteuert<br />

115 .<br />

Dividenden werden mit dem Beschluss der Generalversammlung<br />

realisiert 116 , was auch für so genannte Wahldividenden<br />

zutrifft 117 . Verdeckte Gewinnausschüttungen<br />

gelten nach der Rechtsprechung dann als realisiert, wenn<br />

mit ihrer Rückerstattung an die Gesellschaft nicht mehr<br />

ernstlich zu rechnen ist, was mit der Genehmigung der<br />

Bilanz und Erfolgsrechnung, worin die entsprechenden<br />

Forderungen nicht enthalten sind, anzunehmen ist 118 .<br />

Geht der geldwerte Vorteil an den Hauptaktionär, der zudem<br />

Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Gesellschaft<br />

ist, darf gemäss Zürcher Rechtsprechung davon<br />

ausgegangen werden, dass dieser von Beginn weg die<br />

Gewissheit gehabt habe, die betreffenden Vermögenserträge<br />

nicht zurückerstatten zu müssen 119 . Das Bundesgericht<br />

stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem der Anteilseigner<br />

den eindeutigen Willen äussert, die Mittel der Gesellschaft<br />

zu entziehen bzw. in dem diese Absicht den Behörden<br />

erkennbar wird 120 .<br />

Einkünfte aus öffentlich-rechtlichen Verhältnissen werden<br />

in der Regel erst im Zeitpunkt realisiert, wo über den Anspruch<br />

durch Verfügung entschieden ist, und nicht schon<br />

mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen 121 .<br />

3.4.1.3 Keine besondere Unsicherheit der<br />

Erfüllung<br />

Selbst wenn der Forderungserwerb im obigen Sinne<br />

«sicher» ist, führt dies noch nicht zur Einkommensrealisation,<br />

wenn die Erfüllung dieser Forderung besonders<br />

unsicher erscheint. Bei einer solchen besonderen Unsi-<br />

106 LOCHER, Art. 17 N. 64.<br />

107 BGr, 6.11.1995, ASA 65 (1996/97), S. 733; RK II ZH, 17.5.2002,<br />

Z<strong>St</strong>P 2002, S. 302. Andernfalls wäre eine nutzniessungsähnliche<br />

Rechtsposition an den Aktien anzunehmen und würde<br />

das Einkommen erst bei Wegfall der potentiellen Rückgabeverpflichtungen<br />

realisiert.<br />

108 VGr ZH, 4.7.1995, RB 1995 Nr. 34 = <strong>St</strong>E 1996 B 22.2 Nr. 11.<br />

109 So genanntes vesting; RK II ZH, 14.2.2002, <strong>St</strong>R 57 (2002),<br />

S. 380, bestätigt durch VGr ZH, 20.11.2002, SB.2002.00029.<br />

Kritisch dazu PETER, Zeitpunkt der Besteuerung von Mitarbeiteroptionen,<br />

F<strong>St</strong>R 2002, S. 196.<br />

110 S. dazu RISI, Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen,<br />

S. 213; BAUMGARTNER, S. 223.<br />

111 VGr ZH, 24.11.1999, RB 1999 Nr. 143 = <strong>St</strong>E 2000 B 21.2 Nr. 11.<br />

112 VGr ZH, 19.4.2000, RB 2000 Nr. 126 = <strong>St</strong>E 2001 B 21.2 Nr. 13.<br />

113 BGr, 3.3.2000, <strong>St</strong>E 2001 A 24.35 Nr. 2; s. dazu WALDBURGER,<br />

Rechtsprechung im Jahr 2000, S. 158 ff.<br />

114 BGr, 1.11.1985, <strong>St</strong>E 1986 B 21.2 Nr. 1; VGr ZH, 21.10.1986, RB<br />

1986 Nr. 34; VGr ZH, 22.10.1980, RB 1980 Nr. 46.<br />

115 ORK ZH, 26.10.1955, RB 1955 Nr. 23 = ZBl 57 (1965), S. 85 = ZR<br />

55 (1956) Nr. 17.<br />

116 BGr, 28.6.1968, ASA 38 (1969/70), S. 392.<br />

117 RK II ZH, 20.12.2001, <strong>St</strong>E 2002 B 24.4 Nr. 65.<br />

118 VGr ZH, 18.9.1981, RB 1981 Nr. 50.<br />

119 VGr ZH, 21.10.1990, SB 90/0022.<br />

120 BGr, 13.12.1996, ASA 66 (1997/98), S. 554.<br />

121 VGr ZH, 11.7.1991, RB 1991 Nr. 19 = <strong>St</strong>E 1992 B 21.2 Nr. 4; VGr<br />

LU, 7.3.1991, <strong>St</strong>E 1991 B 26.44 Nr. 4.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

99<br />

cherheit ist vielmehr auf die Erfüllung der Forderung<br />

durch den Schuldner abzustellen. Auf die Besteuerung<br />

wird somit nicht definitiv verzichtet, sondern es wird lediglich<br />

der Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung aufgeschoben,<br />

bis feststeht, dass der <strong>St</strong>euerpflichtige effektiv<br />

einen geldwerten Zufluss realisiert.<br />

Dieser Aufschub des Realisationszeitpunkts übernimmt<br />

diejenige Funktion, welche den Wertberichtigungen im<br />

Bilanzrecht zukommt, nämlich die Berücksichtigung<br />

des Debitorenrisikos. Weil im Bereich des Privatvermögens<br />

keine Möglichkeit besteht, Kapitalverluste in Abzug<br />

zu bringen, muss die Erfüllungsunsicherheit die Einkommensrealisation<br />

als solche verhindern. Die Rechtfertigung<br />

für die Berücksichtigung des Debitorenrisikos<br />

liegt darin, dass der <strong>St</strong>euerpflichtige bei zweifelhafter<br />

Bonität seines Schuldners lediglich einen Nonvaleur<br />

erwirbt. Eine solche, wertlose Forderung erhöht die wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit des <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

nicht, weshalb sie bei ihm nicht als Einkommen besteuert<br />

werden kann. Die Rechtsprechung hat einen Besteuerungsaufschub<br />

anerkannt, wo dem Arbeitnehmer der<br />

Lohn nicht ausbezahlt, sondern wegen wirtschaftlicher<br />

Schwierigkeiten des Arbeitgebers bei ihm auf einem Arbeitnehmerkonto<br />

gutgeschrieben worden ist 122 .<br />

Der Grad der Unsicherheit, der für einen Besteuerungsaufschub<br />

erforderlich ist, wird von der Rechtsprechung<br />

als «besonders unsicher» bezeichnet 123 . Dies ist aber zu<br />

restriktiv. Unter dem Aspekt der Besteuerung nach der<br />

wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss es genügen,<br />

dass eine erhebliche Unsicherheit vorliegt. Andernfalls<br />

besteht die Gefahr einer Überbesteuerung, indem der<br />

<strong>St</strong>euerpflichtige auch steuerlich das Debitorenrisiko zu<br />

tragen hat. Weil der Privatperson die Möglichkeit fehlt,<br />

Wertberichtigungen und Abschreibungen vorzunehmen,<br />

muss der Massstab milder sein als im Bilanzsteuerrecht.<br />

Die steuerliche Praxis hat demgegenüber in einer Reihe<br />

von Fällen eine besondere Unsicherheit der Erfüllung<br />

verneint, obwohl die fraglichen Erträge mindestens zu<br />

einem grossen Teil wertlos waren. Es handelte sich z.B.<br />

um die Gutschriften, die von verschiedenen, nach dem<br />

Schneeball-Prinzip vorgehenden Vermögensverwaltern<br />

ihren Kunden erteilt worden sind. Die Verwaltungspraxis<br />

hat sich auf den <strong>St</strong>andpunkt gestellt, die Gutschriften<br />

auf den Anlegerkonti seien steuerbare Einkünfte gewesen.<br />

Eine besondere Unsicherheit dieser Einkünfte sei<br />

nicht gegeben gewesen, solange die Anlagebetrüger die<br />

Guthaben auf Verlangen von einzelnen Anlegern diesen<br />

ausbezahlt hätten. Diese Meinung ist von den Gerichten<br />

geschützt worden. Das Bundesgericht und die kantonalen<br />

Gerichte haben insbesondere erwogen, dass die Zinsgutschriften<br />

solange nicht gefährdet waren, als sie von<br />

den Anlegern mit Erfolg hätten von den Anlagebetrügern<br />

herausverlangt werden können 124 .<br />

Diese Praxis überzeugt nicht. Auch wenn davon ausgegangen<br />

wird, dass die Ansprüche der Anleger «sicher»<br />

waren im Sinne einer zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit<br />

125 , so kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die<br />

Renditeversprechen in keiner Weise mit den ökonomischen<br />

Realitäten in Einklang standen. Die Gutschriften<br />

bestanden wörtlich genommen nur auf dem Papier, soweit<br />

sie nicht effektiv ausgezahlt wurden, denn es fehlte das<br />

Haftungssubstrat. Es wäre abzuklären, welchen Wert die<br />

Gutschriften im Zeitpunkt ihrer Gutschrift gehabt haben<br />

126 . Ob der betrogene Anleger die Auszahlung mit Erfolg<br />

hätte verlangen können, ist das unzutreffende Kriterium.<br />

Wenn er es tatsächlich erfolgreich tat, realisierte er<br />

Einkommen. Liess er die nicht werthaltigen Gutschriften<br />

stehen, realisierte er kein Einkommen, sondern erwarb<br />

höchstens eine wertlose Forderung. Aber selbst wenn die<br />

Gutschrift nicht ohnehin einen Nonvaleur darstellte, wäre<br />

im Rahmen der Bewertung des Einkommens zu prüfen<br />

127 , ob dem Anleger der Nennbetrag der Forderung angerechnet<br />

werden kann oder ob nicht vielmehr ein Bewertungseinschlag<br />

auf dem Nennwert zu gewähren wäre.<br />

3.4.2 Risiken von Schadenersatz- und anderen<br />

Verpflichtungen<br />

Die Risiken, dass ein <strong>St</strong>euerpflichtiger in Zusammenhang<br />

mit einer Einkunft in Anspruch genommen wird,<br />

führen bei ihm allenfalls später zu Mittelabflüssen. Im<br />

gesetzlichen System der Bruttobetrachtung sind solche<br />

Mittelabflüsse somit grundsätzlich unter dem Aspekt der<br />

Abzüge zu beurteilen und haben in der Regel keinen Einfluss<br />

auf die Realisation von Einkünften. In Frage kommen<br />

namentlich die Abzüge für Berufsauslagen und für<br />

122 ORK ZH, 25.1.1946, RB 1946 Nr. 2.<br />

123 BGr, 1.11.1991, ASA 61 (1992/93), S. 669; BGE 105 Ib 242; VGr<br />

ZH, 19.4.2000, <strong>St</strong>E 2001 B 21.3 Nr. 13; VGr ZH, 11.7.1991, <strong>St</strong>E<br />

1992 B 21.2 Nr. 4.<br />

124 BGr, 24.7.2001, <strong>St</strong>E 2001 B 21.1 Nr. 10; VGr ZH, 26.1.2000, RB<br />

2000 Nr. 125 = <strong>St</strong>E 2001 B 21.2 Nr. 14 = Z<strong>St</strong>P 2000, S. 191; BGr,<br />

21.10.1996, ASA 66 (1997/98), S. 377; s. auch die umfassenden<br />

Nachweise der Judikatur bei OEHLER.<br />

125 Dies verneint indessen OEHLER, insb. <strong>St</strong>R 57 (2002), S. 845. In<br />

der Tat wäre als erstes Element zu untersuchen, ob und inwieweit<br />

durchsetzbare Ansprüche der Anleger gegenüber<br />

den Vermögensverwaltern bestanden. Das Bundesgericht<br />

belässt es bei der Feststellung, das Schneeball-System sei<br />

real gewesen (BGr, 27.1.<strong>2003</strong>, <strong>St</strong>E <strong>2003</strong> B 21.1 Nr. 11).<br />

126 WALDBURGER, Rechtsprechung im Jahr 2001, S. 140 f.<br />

127 Zur Bewertung unten, Abschn. 5.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


100 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

die Vermögensverwaltung. Deshalb sind Rückgabeverpflichtungen<br />

in Zusammenhang mit Mitarbeiteraktien<br />

als Berufsauslagen einkommensmindernd zu berücksichtigen<br />

128 . Unter dem Aspekt der Gleichbehandlung<br />

der Bereiche des Privat- und des Geschäftsvermögens –<br />

aber auch aus Gründen der Besteuerung nach der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit – dürfen dabei keine<br />

allzu hohen Ansprüche an die Abzugsfähigkeit gestellt<br />

werden 129 . Ein solcher Gewinnungskostenabzug muss<br />

auch dann gewährt werden, wenn die Einkunft, mit der<br />

die Verpflichtung zusammenhängt, unter die Generalklausel<br />

fällt und deshalb keine ausdrückliche gesetzliche<br />

Grundlage für die Berücksichtigung von Gewinnungskosten<br />

besteht 130 . Eine Verweigerung des Abzuges aus<br />

«moralischen» Gründen wäre fehl am Platz, werden<br />

doch auch unmoralische oder gar widerrechtliche Einkünfte<br />

fiskalisch erfasst 131 .<br />

4 Persönliche Zurechnung<br />

4.1 Inhaber der wirtschaftlichen Verfügungs -<br />

macht<br />

Welche Tatbestände aus steuerlicher Sicht Einkommen<br />

bilden, ergibt sich, wie ausgeführt, aus einer Auslegung<br />

der gesetzlichen Grundlagen unter Berücksichtigung<br />

wirtschaftlicher und vor allem finanzwissenschaftlicher<br />

Überlegungen. Es findet sich in den gesetzlichen Grundlagen<br />

dementsprechend auch kein Hinweis darauf, dass<br />

die Zurechnung des Einkommens auf Grund formaler,<br />

insbesondere rein zivilrechtlicher Kriterien zu erfolgen<br />

hätte. Eine bestimmte Einkunft ist aus diesem Grund<br />

demjenigen <strong>St</strong>euerpflichtigen zuzurechnen, der die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht darüber erworben hat.<br />

Die Tragweite eines wirtschaftlich orientierten Ansatzes<br />

bei der persönlichen Zurechnung darf an sich nicht überschätzt<br />

werden, denn in der Regel stimmen die juristische<br />

Inhaberschaft und die wirtschaftliche Verfügungsmacht<br />

überein. Insofern bilden der Eigentumserwerb an<br />

Sachen und der Forderungserwerb starke Indizien für die<br />

wirtschaftliche Verfügungsmacht: Im Sinne einer widerlegbaren<br />

Vermutung kann regelmässig davon ausgegangen<br />

werden, dass der Erwerber von Eigentum bzw. einer<br />

Forderung auch im steuerlichen Sinne die wirtschaftliche<br />

Verfügungsmacht erworben hat. Indessen erlaubt die<br />

juristische Inhaberschaft nicht zwingend und in jedem<br />

Fall den Schluss auf die wirtschaftliche Verfügungsmacht.<br />

In gewissen Fällen kann es zu Abweichungen<br />

zwischen dem Erwerb der juristischen Inhaberschaft und<br />

der wirtschaftlichen Verfügungsmacht kommen, so dass<br />

das Einkommen nicht beim juristischen Eigentümer besteuert<br />

wird. Solche Konstellationen sind zwar nicht<br />

sehr zahlreich, aber dennoch von einigem Gewicht:<br />

Bei Treuhandverhältnissen ist nicht der Treuhänder, der<br />

im Aussenverhältnis Eigentümer bzw. Forderungsberechtigter<br />

ist, für etwaige Erträge steuerbar, sondern der<br />

Treugeber, dem lediglich ein obligatorischer Herausgabeanspruch<br />

gegenüber dem Treuhänder zusteht 132 .<br />

Im Falle der Nutzniessung hat der Nutzniesser nur ein beschränktes<br />

dingliches Recht am Nutzniessungsgut inne,<br />

während das Eigentum beim Nutzniessungsbelasteten<br />

verbleibt. Schon auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften<br />

sind die dem Nutzniesser anfallenden Erträge<br />

von diesem als Einkommen zu versteuern 133 . Der Grund<br />

für diese Regelung liegt darin, dass der Nutzniesser im<br />

vollen Genuss des Gegenstandes ist und insoweit die<br />

wirtschaftliche Verfügungsmacht hat.<br />

Anders als der Nutzniesser hat der Pfandgläubiger kein<br />

Nutzungsrecht an der Pfandsache, sondern im Gegenteil<br />

gemäss Art. 892 Abs. 2 ZGB etwaige Früchte dem Eigentümer<br />

herauszugeben, sobald sie aufhören, Bestandteil<br />

der Sache zu sein. Weil das Pfandrecht nur darauf gerichtet<br />

ist, dem Pfandgläubiger als Sicherheit zu dienen, hat<br />

der Pfandgläubiger, auch wenn er ähnlich wie der Nutzniesser<br />

ein beschränktes dingliches Recht erwirbt und –<br />

im Falle des Fahrnispfandes – gar im Besitz der Sache<br />

ist, die Erträge aus der Pfandsache nicht als Einkommen<br />

zu versteuern. Das Pfand unterliegt beim Pfandgläubiger<br />

auch nicht der Vermögenssteuer.<br />

Bei der Überlassung von beweglichen Sachen oder<br />

Rechten zur Nutzung mittels Sach- oder Gelddarlehen,<br />

also auf rein schuldrechtlicher Grundlage im Gegensatz<br />

zur dinglich wirkenden Nutzniessung, steht dem Nutzer<br />

(Darlehensnehmer) der Nutzen zu, den die Sache vermittelt<br />

oder welcher durch das Geld erzielt werden kann,<br />

und ist von ihm zu versteuern, soweit er diese Nutzungsmöglichkeit<br />

in einen Zufluss von aussen verwandelt und<br />

daraus eine Einkunft realisiert. Hingegen steht dem Dar-<br />

128 RK II ZH, 17.5.2002, Z<strong>St</strong>P 2002, S. 302.<br />

129 Vgl. REICH, Art. 25 DBG N. 10.<br />

130 Oben, Anm. 21.<br />

131 LOCHER, Art. 16 N. 14; OBERSON, § 7 N. 11.<br />

132 LOCHER, Vorbem. N. 147 ff. m.w.H.<br />

133 Art. 20 Abs. 1 lit. d und Art. 21 Abs. 1 DBG bzw. § 20 Abs. 1 lit.d<br />

und § 21 Abs. 1 lit. a <strong>St</strong>G ZH erklären unter anderem die Nutzniessung<br />

beweglicher Sachen oder nutzbarer Rechte und unbeweglichen<br />

Vermögens für steuerbar. Dementsprechend ist<br />

das Nutzniessungsgut vom Nutzniesser als Vermögen zu versteuern<br />

(§ 38 Abs. 2 <strong>St</strong>G ZH). Diese Vorschriften haben keinen<br />

konstitutiven, sondern bloss erklärenden Charakter.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

101<br />

lehensgeber das Entgelt für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit<br />

zu und ist sie ihm einkommenssteuerlich<br />

zuzurechnen.<br />

Die Zurechnung des Eigenmietwertes des selbstgenutzten<br />

Wohneigentums hat zu einigen Entscheiden Anlass<br />

gegeben. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass der<br />

Eigenmietwert nicht nur bei Eigentümern und dinglich<br />

Nutzungsberechtigten, sondern auch bei Inhabern von<br />

vergleichbaren obligatorischen Nutzungsrechten als<br />

steuerbares Einkommen aus unbeweglichem Vermögen<br />

zu betrachten ist. Vorausgesetzt ist allerdings, dass das<br />

Nutzungsrecht unentgeltlich begründet wurde. Massgebend<br />

ist gemäss Bundesgericht nicht eine zivilrecht -<br />

liche, sondern eine wirtschaftliche Betrachtungs wei -<br />

se 134 . Bei einer unentgeltlichen Überlassung nimmt das<br />

Bundesgericht an, dass dem Eigentümer wegen der<br />

leichten Auflösbarkeit der Gebrauchsüberlassung die<br />

Wohnung nach wie vor zur Verfügung steht, er also deren<br />

Eigenmietwert zu versteuern hat 135 . Demgegenüber bildet<br />

bei einer Überlassung von Wohneigentum an Verwandte<br />

zu einem tieferen als dem Marktmietzins die Differenz<br />

zwischen dem vereinbarten Mietzins und dem<br />

Marktmietzins kein Einkommen 136 . Der Eigentümer realisiert<br />

in diesem Fall das vereinbarte Entgelt; der Tatbestand<br />

des Eigengebrauchs von Wohneigentum ist nicht<br />

erfüllt, so dass eine Aufrechnung der Differenz zwischen<br />

vereinbartem Mietzins und dem Eigenmietwert nicht in<br />

Betracht kommt 137 . Bei unterpreislichen Vermietungen<br />

ist vielmehr beim Mieter zu prüfen, ob eine der Schenkungsteuer<br />

unterliegende Leistung vorliegt. Schliesslich<br />

rechnete das Zürcher Verwaltungsgericht den Eigenmietwert<br />

einem Ehepaar zu, obwohl jene Eheleute noch<br />

nicht zivilrechtliche Eigentümer geworden waren. Allerdings<br />

hatten die Eheleute hinsichtlich der Wohnung, die<br />

ihnen zur Verfügung stand, auf Grund der gesamten Umstände<br />

eine eigentümerähnliche <strong>St</strong>ellung inne 138 .<br />

Eine vergleichbare Funktion, Erträge einem <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

zuzurechnen, nehmen bei der Verrechnungssteuer<br />

der Begriff des Rechts zur Nutzung ein 139 bzw. in<br />

den Doppelbesteuerungsabkommen derjenige des Nutzungsberechtigten<br />

oder beneficial owner 140 . Der Anwendungsbereich<br />

ist indessen auf Kapitalerträge beschränkt.<br />

Der Begriff des Nutzungsberechtigten ist auch enger gefasst<br />

als derjenige der wirtschaftlichen Verfügungsmacht<br />

bei der Einkommenssteuer. Dies lässt sich insbesondere<br />

daran erkennen, dass ein Ertragsgläubiger dann<br />

nicht nutzungsberechtigt ist, wenn er vertraglich zur<br />

Weiterleitung des fraglichen Ertrags verpflichtet ist 141<br />

oder wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände<br />

schliessen lässt, dass ihm der Ertrag nicht effektiv verbleibt<br />

142 . Die persönliche Zurechnung von Kapitalerträgen<br />

kann deshalb bei der Rückerstattung der Verrechnungssteuer<br />

von derjenigen bei der Einkommenssteuer<br />

abweichen.<br />

Einkommen wird von Gesetzes wegen teilweise einem anderen<br />

<strong>St</strong>euersubjekt zugerechnet. Zunächst geht es um<br />

Sachverhalte, wo entweder Einkünfte dem Einkommen<br />

eines anderen <strong>St</strong>euerpflichtigen zugerechnet werden oder<br />

wo für bestimmte ausgesonderte Einkünfte ein besonderes<br />

– neues – <strong>St</strong>euersubjekt geschaffen wird (nachfolgend<br />

Abschn. 4.2). Zurechnungen an andere <strong>St</strong>euersubjekte<br />

kommen bei der objektorientierten Besteuerung vor<br />

(Abschn. 4.3). Schliesslich hat die Übertragung latenter<br />

<strong>St</strong>euerlasten auf Grund steuerneutraler Vorgänge eine abweichende<br />

Zurechnung zur Folge (Abschn. 4.4).<br />

4.2 Zurechnung und Aussonderung<br />

4.2.1 Gesetzestechnik der abweichenden Zurechnung<br />

Gewisse Einkünfte werden nicht bei derjenigen Person<br />

besteuert, die daran die wirtschaftliche Verfügungsmacht<br />

erlangt hat, sondern bei einem anderen <strong>St</strong>euerpflichtigen.<br />

Derartige Verlagerungen der Besteuerung<br />

regelt das Gesetz jeweils ausdrücklich, weil andere als<br />

nach den allgemeinen Regeln bestimmte Personen für<br />

die <strong>St</strong>euer auf den betroffenen Einkünften herangezogen<br />

werden.<br />

134 BGr, 31.1.2002, <strong>St</strong>E 2002 B 25.3 Nr. 28.<br />

135 BGE 115 Ia 331; BGr, 22.12.1978, ASA 48 (1979/80), S. 481.<br />

136 BGE 115 Ia 331 f.; 71 I 128 ff.; s. auch VGr ZH, 14.6.2000, RB<br />

2000 Nr. 127.<br />

137 Daraus ist auch ersichtlich, dass die Eigenmietwertbesteuerung<br />

von Wohneigentum einen Ausnahmetatbestand bildet.<br />

Wenn die Eigennutzung von Sachgütern generell steuerlich<br />

erfasst würde, könnte es nicht darauf ankommen, ob der Gegenstand<br />

selber genutzt oder vermietet wird, und müsste die<br />

Differenz zwischen vereinbartem und Marktmietzins aufgerechnet<br />

werden.<br />

139 Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a V<strong>St</strong>G hat Anspruch auf Rückerstattung<br />

der ihm vom Schuldner abgezogenen Verrechnungssteuer<br />

auf Kapitalerträgen, wer – bei Erfüllung der weiteren<br />

Voraussetzungen gemäss Art. 22–28 V<strong>St</strong>G – bei Fälligkeit der<br />

steuerbaren Leistung das Recht zur Nutzung des den steuerbaren<br />

Ertrag abwerfenden Vermögenswertes besass.<br />

140 Art. 10 Abs. 2 OECD-MA.<br />

141 BGr, 9.7.1992, ASA 62 (1993/94), S. 346.<br />

142 Einlässlich zur Nutzungsberechtigung gemäss Art. 21 Abs.1<br />

lit. a V<strong>St</strong>G: MISTELI, S.97ff., insb. S. 102 f. zur faktischen Weiterleitungsverpflichtung.<br />

138 VGr ZH, 19.5.1999, RB 1999 Nr. 139 = <strong>St</strong>E 2000 B 25.6 Nr. 37.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


102 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

Es können zwei gesetzliche Formen unterschieden werden:<br />

Im ersten Fall werden die Einkünfte einer an sich<br />

steuerpflichtigen Person – ganz oder teilweise – einem<br />

anderen <strong>St</strong>euerpflichtigen steuerlich zugerechnet und<br />

von diesem als <strong>St</strong>euersubstituten versteuert 143 . Diese Zurechnung<br />

ist bei unmündigen Kindern unter elterlicher<br />

Sorge vorgesehen.<br />

Bei der zweiten Ausgestaltung werden für bestimmte Arten<br />

von Einkünften besondere <strong>St</strong>euersubjekte geschaffen.<br />

Die Besteuerung erfolgt bei diesen <strong>St</strong>euersubjekten,<br />

während die Einkünfte bei der eigentlich verfügungsberechtigten<br />

Person von der <strong>St</strong>euer ausgenommen sind.<br />

Anwendungsfälle sind die Erbengemeinschaften bei ungewisser<br />

Erbfolge, gewisse ausländische Personengesellschaften<br />

und andere ausländische Personengesamtheiten<br />

sowie die Anlagefonds mit direktem Grundbesitz.<br />

Die Aussonderung von Einkünften auf besondere <strong>St</strong>euersubjekte<br />

wird oft dogmatisch unter dem Titel der subjektiven<br />

<strong>St</strong>euerpflicht behandelt. Dies ist selbstverständlich<br />

richtig, weil es den formalen Aspekt beleuchtet. Die<br />

Gründe für solche Ausgestaltungen sind nämlich mehrheitlich<br />

erhebungstechnischer Natur, weil die Durch -<br />

setzung des <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>es besonders aufwändig wäre 144 .<br />

4.2.2 Auswirkungen<br />

Abweichende Zurechnungen widersprechen grundsätzlich<br />

dem System der Einkommenssteuer, das eine fiskalische<br />

Belastung nach Massgabe der subjektiven Leistungsfähigkeit<br />

bezweckt. Die Besteuerung der Einkünfte<br />

richtet sich nämlich nicht nach den relevanten wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen der eigentlich Verfügungsberechtigten,<br />

sondern nach den Verhältnissen jener <strong>St</strong>euersubjekte,<br />

denen die Einkünfte zur Versteuerung gesetzlich<br />

zugerechnet werden. Es ist offenkundig, dass dadurch<br />

eine andere <strong>St</strong>euerbelastung resultiert als bei steuerlicher<br />

Zurechnung der Einkünfte auf die Verfügungsberechtigten.<br />

Korrekturmechanismen wie beispiels -<br />

weise <strong>St</strong>euergutschriften sind nicht vorgesehen. Es kann<br />

deshalb sowohl zu Unter- als auch zu Überbesteuerungen<br />

kommen.<br />

Eine Unterbesteuerung kann beispielsweise eintreten,<br />

wenn steuerbare Einkünfte des Kindes mit Geschäftsverlusten<br />

des Inhabers der elterlichen Sorge verrechnet werden<br />

können. Überbesteuerungen entstehen, weil es sich<br />

bei der Aussonderung auf ein neu geschaffenes <strong>St</strong>euersubjekt<br />

im Ergebnis um eine objektbezogene Besteuerung<br />

handelt, so dass die Einkünfte gerade nicht mit den<br />

Abzügen verrechnet werden können. Abgesehen von einem<br />

möglichen Progressionseffekt kann es sogar geschehen,<br />

dass auf bestimmten Einkünften – bei spiels -<br />

weise Einkünften aus einem Anlagefonds mit direktem<br />

Grundbesitz – die <strong>St</strong>euer zu entrichten ist, obwohl das<br />

gesamte Einkommen des an der Einkunft berechtigten<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen negativ ist. Eine generelle Aussage zur<br />

Auswirkung auf die steuerliche Belastung ist deshalb<br />

nicht möglich; in der Tendenz dürften die verschiedenen<br />

abweichenden Zurechnungen eher eine Mehrbesteuerung<br />

zur Folge haben.<br />

Die abweichende steuerliche Zurechnung bestimmter<br />

Einkünfte beruht gewiss auf sachlichen Überlegungen<br />

und ist deshalb auch aus verfassungsrechtlicher Sicht gerechtfertigt.<br />

Indessen kann nicht von vornherein ausgeschlossen<br />

werden, dass im Einzelfall eine verfassungswidrige<br />

Überbesteuerung eintritt. Eine solche liesse sich<br />

angesichts der Verbindlichkeit der Bundesgesetze kaum<br />

beseitigen.<br />

Sollen die neu geschaffenen <strong>St</strong>euersubjekte den Regeln<br />

für die natürlichen oder die juristischen Personen unterworfen<br />

werden, so muss von Fall zu Fall geprüft werden,<br />

ob diese ohne weiteres angewendet werden können. Die<br />

Besteuerung bei einem speziell geschaffenen <strong>St</strong>euersubjekt<br />

soll letztlich die dahinter stehenden <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

belasten. Es drängt sich deshalb auf, die Verweise<br />

auf Besteuerung als natürliche oder juristische Personen<br />

als sinngemässe Anwendbarkeit jener Bestimmungen zu<br />

verstehen.<br />

4.2.3 Einzelfälle<br />

4.2.3.1 Einkommen von Kindern unter elter -<br />

licher Sorge<br />

Unmündige, das heisst Minderjährige und Entmündigte,<br />

sind grundsätzlich selbst steuerpflichtig. Für Kinder, also<br />

Unmündige, die unter elterlicher Sorge stehen 145 , besteht<br />

allerdings eine Sonderregelung, wonach ihr Einkommen<br />

mit Ausnahme des Erwerbseinkommens dem<br />

Inhaber der elterlichen Sorge zugerechnet und somit von<br />

diesem versteuert wird 146 . Das Einkommen wird mithin<br />

nicht bei demjenigen <strong>St</strong>euerpflichtigen besteuert, der es<br />

erzielt hat, sondern bei einem anderen, dem es «zugerechnet»<br />

wird. Ihre Erwerbseinkünfte haben auch Kinder<br />

unter elterlicher Sorge selbständig zu versteuern 147 .<br />

143 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 76.<br />

144 In verfahrensrechtlicher Hinsicht verlagern sich die Mitwirkungspflichten,<br />

aber auch die Mitwirkungsrechte, auf die für<br />

die fraglichen Einkünfte steuerpflichtige Person. Eine Teilnahme<br />

der an sich verfügungsberechtigten Person am<br />

<strong>St</strong>euer verfahren, das – auch – sie betrifft, ist gesetzlich nicht<br />

vorgesehen.<br />

145 Die elterliche Sorge gemäss Art. 296 ff. ZGB wurde früher «elterliche<br />

Gewalt» genannt; der Wortlaut der steuerrechtlichen<br />

Erlasse bezieht sich teilweise noch auf die alte Fassung des<br />

ZGB.<br />

146 Art. 9 Abs. 2 Halbsatz 1 DBG; § 7 Abs. 3 Satz 1 <strong>St</strong>G ZH.<br />

147 Art. 9 Abs. 2 Halbsatz 2 DBG; § 7 Abs. 3 Satz 2 <strong>St</strong>G ZH.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

103<br />

Die Zurechnung des Einkommens von Kindern unter elterlicher<br />

Sorge, ausgenommen ihr Erwerbseinkommen,<br />

zum Einkommen dessen, der die elterliche Sorge inne<br />

hat, lässt sich nicht mit der Familienbesteuerung erklären,<br />

weil das Kindesvermögen nicht an der ehelichen Gemeinschaft<br />

der Mittel teilhat, sondern dem Kind erhalten<br />

bleiben soll 148 . Die Erträge dürfen nur in beschränktem<br />

Masse für die Bedürfnisse des Haushaltes verwendet<br />

werden 149 . Das Kindesvermögen darf weiter nur unter<br />

einschränkenden Voraussetzungen angezehrt werden,<br />

und nur für bestimmte Bedürfnisse des Kindes selbst 150 .<br />

Der Grund für die steuerliche Zurechnung liegt somit darin,<br />

dass die Eltern das Kindesvermögen zu verwalten<br />

haben 151 . Dazu gehört auch, für die Versteuerung Sorge<br />

zu tragen. Die Zurechnung erscheint deshalb vor allem<br />

als erhebungstechnische Massnahme 152 . Im Gegensatz<br />

dazu kann das Kind unter elterlicher Sorge selbst verwalten<br />

und nutzen, was es durch eigene Arbeit erwirbt und<br />

was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung<br />

eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt<br />

153 . Hierfür ist der Unmündige, wie ausgeführt,<br />

selbst steuerpflichtig, und es erfolgt keine Zurechnung<br />

beim Inhaber der elterlichen Sorge.<br />

Die Zurechnung des Einkommens hat wegen des Progressionseffektes<br />

eine höhere <strong>St</strong>euerlast zur Folge, als<br />

wenn das Kind selbständig besteuert würde 154 . In der Regel<br />

dürften allerdings die quantitativen Auswirkungen<br />

eher gering sein. Die Übernahme der <strong>St</strong>euerschulden<br />

durch die Inhaber der elterlichen Sorge ist im Übrigen zivilrechtlich<br />

nicht definitiv. Der Inhaber der elterlichen<br />

Sorge ist berechtigt, die auf das Kind entfallenden <strong>St</strong>euern<br />

dem Kindesvermögen zu belasten 155 .<br />

4.2.3.2 Erbengemeinschaften bei ungewisser<br />

Erbfolge<br />

Grundsätzlich werden Einkommen und Vermögen aus<br />

einem Nachlass den Erben oder Bedachten zugerechnet;<br />

die Erbengemeinschaften sind als solche nicht steuerpflichtig<br />

156 . Das kantonale Recht sieht jedoch teilweise<br />

vor, dass bei ungewisser Erbfolge die Erbengemeinschaften<br />

als Ganzes nach den Bestimmungen über die<br />

natürlichen Personen besteuert werden 157 . Insoweit findet<br />

eine Aussonderung einzelner Faktoren auf ein neu<br />

geschaffenes <strong>St</strong>euersubjekt statt. Anwendbar sind die<br />

Bestimmungen über die Besteuerung von natürlichen<br />

Personen. Die direkte Bundessteuer kennt diese an sich<br />

sinnvolle Lösung nicht 158 . Im interkantonalen Verhältnis<br />

kann die Erbmasse als solche grundsätzlich nicht besteuert<br />

werden; die Faktoren sind vielmehr den Erben zuzurechnen<br />

159 . Eine Ausnahme macht die kantonale Praxis<br />

auch im interkantonalen Verhältnis bei ungewisser Erbfolge<br />

und weist das <strong>St</strong>euerdomzil des unverteilten Nachlasses<br />

bzw. der Erbengemeinschaft bei einer solchen, gesamthaften<br />

Besteuerung dem Ort der amtlichen Verwaltung<br />

der Erbschaft zu 160 . Eine ungewisse Erbfolge liegt<br />

vor, wenn entweder der Kreis der erbberechtigten Personen<br />

nicht feststeht oder die auf die einzelnen Erben entfallenden<br />

Quoten bestritten sind. Die Ungewissheit muss<br />

längere Zeit andauern und damit in den laufenden Einschätzungen<br />

die an sich gebotene Zurechnung des Einkommens<br />

und Vermögens zu den einzelnen Erben verhindern<br />

bzw. über Gebühr verzögern. Die Voraussetzungen<br />

einer einheitlichen Besteuerung sind auch ohne entsprechenden<br />

Antrag von Amtes wegen zu prüfen 161 .<br />

4.2.3.3 Ausländische Personengesellschaften<br />

und andere ausländische Personengesamtheiten<br />

ohne juristische Persön -<br />

lichkeit<br />

Bei ausländischen Handelsgesellschaften und anderen<br />

ausländischen Personengesamtheiten ohne juristische<br />

Persönlichkeit, die auf Grund wirtschaftlicher Zugehörigkeit<br />

in der Schweiz steuerpflichtig sind, müssten die<br />

in der Schweiz steuerbaren Faktoren (Einkommen und<br />

Vermögen bzw. Gewinn und Eigenkapital) den Teilha-<br />

148 Art. 9 Abs. 1 DBG spricht denn auch davon, dass das Einkommen<br />

der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich getrennter<br />

Ehe leben, «zusammengerechnet» wird. Das Einkommen<br />

der Kinder unter elterlicher Sorge wird demgegenüber dem<br />

Inhaber dieser elterlichen Sorge «zugerechnet» (Art. 9 Abs.2<br />

Halbsatz 1 DBG).<br />

149 Gemäss Art. 319 Abs. 1 ZGB dürfen die Eltern die Erträge des<br />

Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung<br />

verwenden, für die Bedürfnisse des Haushaltes aber nur, soweit<br />

es der Billigkeit entspricht.<br />

150 Vgl. Art. 320 ZGB.<br />

151 Art. 318 Abs. 1 ZGB.<br />

152 Gerechtfertigt wird die Zurechnung auch mit einer Missbrauchsgefahr<br />

wegen Übertragung von Einkommensquellen<br />

auf Kinder und mit einer praktischen Undurchführbarkeit<br />

einer Ausscheidung von gebundenem und freiem Kindesvermögen<br />

(s. LOCHER, Art. 9 N. 27).<br />

153 Art. 323 Abs. 1 ZGB.<br />

154 Dies wird denn auch kritisiert (s. die Hinweise bei LOCHER,<br />

Art. 9 N. 27).<br />

155 BREITSCHMID, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas<br />

Geiser (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht,<br />

Zivilgesetzbuch I, Art. 1–456 ZGB, 2. A., Basel etc. 2002,<br />

Art. 318 N. 6 m.w.H.<br />

156 Art. 10 DBG; § 9 Abs. 1 <strong>St</strong>G ZH.<br />

157 § 9 Abs. 2 <strong>St</strong>G ZH.<br />

158 Art. 10 DBG.<br />

159 BGE 118 Ia 41.<br />

160 VGr ZH, 22.10.1997, RB 1997 Nr. 45.<br />

161 RK II ZH, 20.6.1984, <strong>St</strong>E 1984 B 13.2 Nr. 1.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


104 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

bern zugerechnet werden, wenn die allgemeinen Regeln<br />

anwendbar wären 162 . Dementsprechend wären die (ausländischen)<br />

Teilhaber als <strong>St</strong>euerpflichtige zu erfassen.<br />

Aus praktischen Gründen werden nun die ausländischen<br />

Personengesellschaften mit Schweizer <strong>St</strong>euerpflicht wegen<br />

wirtschaftlicher Zugehörigkeit als eigene <strong>St</strong>euersubjekte<br />

erfasst. Diese Gebilde unterstehen den Bestimmungen<br />

über die Besteuerung von juristischen Personen, ohne<br />

dass es darauf ankäme, ob natürliche oder juristische<br />

Personen daran beteiligt sind 163 . Trotz des an sich eindeutigen<br />

Gesetzeswortlautes wird diesen Gebilden in<br />

der Verwaltungspraxis der Beteiligungsabzug verwehrt<br />

mit der Begründung, dass keine wirtschaftliche Dreifachbelastung<br />

vorliege 164 .<br />

4.2.3.4 Anlagefonds mit direktem Grundbesitz<br />

Anlagefonds mit direktem Grundbesitz werden für ihren<br />

direkten Grundbesitz den übrigen juristischen Personen<br />

gleichgestellt 165 . Die Besteuerung der Liegenschaftenerträge<br />

erfolgt auf der Ebene des Anlagefonds; die Einkünfte<br />

sind beim Anteilsinhaber freigestellt.<br />

Für den <strong>St</strong>euertarif wird teilweise immer noch auf denjenigen<br />

für natürliche Personen verwiesen 166 . Dies führt<br />

wegen der Progressionswirkung in aller Regel zu einer<br />

Überbesteuerung und damit auch zu einer Diskriminierung<br />

dieser Anlageform. Bei der direkten Bundessteuer<br />

ist nunmehr der <strong>St</strong>euersatz für die übrigen juristischen<br />

Personen anwendbar 167 , welcher sich als Annäherung an<br />

die durchschnittliche <strong>St</strong>euerbelastung der Anleger eher<br />

rechtfertigen lässt als der Tarif für natürliche Personen.<br />

Problematisch ist die Ansicht, die den gesetzlichen Verweis<br />

auf die Besteuerung als juristische Person unbesehen<br />

übernimmt, weshalb auch die Kapitalgewinne auf<br />

den Grundstücken der direkten Bundessteuer unterliegen<br />

sollen 168 . Im Ergebnis wird dadurch eine Besteuerung<br />

von Kapitalgewinnen auf Privatvermögen eingeführt.<br />

Aus systematischer Sicht lässt sich die Besteuerung<br />

der Kapitalgewinne, solange sich typischerweise<br />

Privatpersonen an solchen Anlagefonds beteiligen, nicht<br />

begründen 169 ; erhebungstechnische Schwierigkeiten<br />

sind auch nicht ersichtlich. Zum selben Resultat führt eine<br />

Auslegung, die sich am Wortlaut des Gesetzes orientiert.<br />

Danach werden die «Erträge» besteuert wie bei<br />

Kapitalgesellschaften; der Begriff des Ertrags steht aber<br />

sowohl im Bereich des Privatvermögens als auch im<br />

Geschäftsvermögensbereich in einem Gegensatz zum<br />

Kapitalgewinn.<br />

4.3 Objektorientierte Besteuerung<br />

Der Beteiligungsertrag und, mit Einschränkungen, Zinseinkünfte<br />

werden, wie oben ausgeführt, objektorientiert<br />

definiert und bei demjenigen besteuert, der diese Erträge<br />

vereinnahmt 170 . Die Einkunft wird ihm steuerlich zugerechnet.<br />

Aus der Sicht des betreffenden <strong>St</strong>euerpflichtigen<br />

kann es sich, muss aber nicht, um Einkommen handeln.<br />

Mit dem Erwerb von Aktien im Besonderen übernimmt<br />

ein <strong>St</strong>euerpflichtiger, der sie in seinem Privatvermögen<br />

hält, in der Regel auch latente <strong>St</strong>euerlasten. Umgekehrt<br />

könnte ein <strong>St</strong>euerpflichtiger höchstens dann einen<br />

latenten <strong>St</strong>euervorteil erwerben, wenn er die Titel<br />

für sein Privatvermögen zu einem Preis kauft, der unter<br />

dem Nennwert der Aktien liegt. Wenn überhaupt relevant,<br />

dürfte es sich um hoch spekulative Titel handeln.<br />

4.4 Übertragung latenter <strong>St</strong>euern durch<br />

steuerneutrale Vorgänge<br />

Wie oben ausgeführt, sind nur die exogenen Vermögenszuflüsse<br />

steuerlich einkommenswirksam. Namentlich<br />

werden Kapitalgewinne, wenn überhaupt, erst bei ihrer<br />

Realisation erfasst, nicht aber bereits bei ihrer Entstehung<br />

durch Wertsteigerung (die der <strong>St</strong>euerpflichtige<br />

noch nicht realisiert hat). Als Konsequenz sind endogene<br />

Einkünfte, wie beispielsweise Wertsteigerungen, nicht<br />

bei ihrer Entstehung, sondern im Falle ihrer späteren<br />

Umwandlung in einen exogenen Zufluss steuerbar. Endogene<br />

Einkünfte sind deshalb latent steuerbelastet.<br />

Bei einer Übertragung von Vermögenswerten von einem<br />

<strong>St</strong>euerpflichtigen, bei dem sie mit stillen Reserven behaftet<br />

sind, auf einen anderen, ohne dass es zu einer steuerlichen<br />

Abrechnung käme, gehen deshalb latente <strong>St</strong>euerlasten<br />

auf den Erwerber über. Im Bereich des Privatvermögens<br />

kommt dies vorab bei der Übertragung von<br />

Grundstücken im Erbgang oder bei güterrechtlicher Auseinandersetzung<br />

vor 171 . Der Erwerber wird bei späterer<br />

Veräusserung auch auf dem Wertzuwachs besteuert, der<br />

zwar noch beim früheren Eigentümer entstanden ist,<br />

aber dem Erwerber zugerechnet wird.<br />

162 Art. 10 DBG; § 8 Abs. 1 <strong>St</strong>G ZH.<br />

163 Art. 20 Abs. 2 <strong>St</strong>HG; Art. 11, 49 Abs. 3 DBG; §§ 8 Abs. 2, 54<br />

Abs. 3 <strong>St</strong>G ZH.<br />

164 AGNER/DIGERONIMO/NEUHAUS/STEINMANN, Art. 69 N. 14.<br />

165 Art. 49 Abs. 2, 66 Abs. 2 DBG; §§ 54 Abs. 2, 69 Abs. 2 <strong>St</strong>G ZH.<br />

166 S. beispielsweise § 77 <strong>St</strong>G ZH.<br />

167 Art. 72 DBG.<br />

168 AGNER/JUNG/STEINMANN, Art. 49 N. 2.<br />

169 S. auch LUTZ, Art. 66 DBG N. 14.<br />

170 Oben, Abschn. 2.3.3 und 2.3.4.<br />

171 Oben, Abschn. 2.5.1.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

105<br />

Die steuerneutralen Vorgänge im Bereich des Geschäftsvermögens<br />

172 präsentieren sich hinsichtlich der Übertragung<br />

von latenten <strong>St</strong>euerlasten uneinheitlich. Beim Zusammenschluss<br />

von Einzelfirmen oder von Personengesellschaften<br />

zu Personengesellschaften kann es im Zuge<br />

der Verschmelzung der Vermögen zu einer Änderung an<br />

der Berechtigung an stillen Reserven kommen, indem<br />

die Inhaber der bisherigen verschiedenen Vermögen neu<br />

zu Inhabern der vereinigten Vermögen werden. Die Inhaberschaft<br />

wechselt dergestalt teilweise; aus der Sicht des<br />

einzelnen Inhabers gibt er einen Teil seiner stiller Reserven<br />

auf, erhält aber dafür einen Anteil an den stillen Reserven<br />

auf den Vermögenswerten, die mit den seinen verschmolzen<br />

werden. In isolierter Betrachtung könnte gesagt<br />

werden, dass derjenige ideelle Teil der stillen Reserven,<br />

der den Inhaber wechselt, eine andere Zurechnung<br />

erfährt und damit eine Übertragung der bzw. Befreiung<br />

von der latenten <strong>St</strong>euerlast bewirkt. Im Ergebnis wirkt<br />

sich dies – unter dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen<br />

– aber nicht aus, weil entsprechende neue Zurechnungen<br />

von stillen Reserven bzw. Übernahmen von latenten<br />

<strong>St</strong>euerlasten der anderen Beteiligten eine solche<br />

Entlastung egalisieren; somit ändert sich in einer gesamthaften<br />

Betrachtungsweise die einkommenssteuerliche<br />

Zurechnung der stillen Reserven nicht.<br />

Im Zuge der Aufteilung von Personengesellschaften in<br />

mehrere Einzelfirmen oder Personengesellschaften wird<br />

die bisherige Berechtigung der Teilhaber an den stillen<br />

Reserven auf dem gesamten Geschäftsvermögen durch<br />

eine Berechtigung an den stillen Reserven auf dem jeweils<br />

übernommenen Vermögensteil abgelöst. Dadurch<br />

wird der Teilhaber teilweise durch Übertragung der stillen<br />

Reserven und damit der latenten <strong>St</strong>euern entlastet.<br />

Dem steht aber wiederum die Übernahme der stillen Reserven<br />

und damit der latenten <strong>St</strong>euern auf dem übernommenen<br />

Vermögensteil gegenüber. Funktional betrachtet,<br />

und Ausgleichsleistungen vorbehalten, werden keine<br />

stillen Reserven realisiert. Zugleich lässt sich festhalten,<br />

dass bei der Aufteilung von Personengesellschaften<br />

funktional betrachtet im Grundsatz keine stillen Reserven<br />

anderen <strong>St</strong>euerpflichtigen zugerechnet werden.<br />

Bei der Umwandlung einer Einzelfirma oder Personengesellschaft<br />

in eine juristische Person wird das Geschäftsvermögen<br />

auf ein anderes <strong>St</strong>euersubjekt übertragen,<br />

wofür der Einleger Anteile an der juristischen Person<br />

erhält. Damit würden an sich allfällige stille Reserven<br />

realisiert. Indessen kann eine solche Umwandlung<br />

unter den bekannten Voraussetzungen der Übertragung<br />

eines Geschäftsbetriebes, dessen unveränderter Weiterführung,<br />

der grundsätzlich gleichbleibenden Beteiligungsverhältnisse,<br />

der Einhaltung der Sperrfrist sowie<br />

der fortbestehenden fiskalischen Verknüpfung steuerneutral<br />

durchgeführt werden 173 . Eine steuerneutrale Umwandlung<br />

einer Einzelfirma oder einer Personengesellschaft<br />

in eine juristische Person führt somit dazu, dass<br />

die Zurechnung stiller Reserven ändert und latente <strong>St</strong>euerlasten<br />

auf ein anderes <strong>St</strong>euersubjekt übergehen. Dieser<br />

Übergang steht während der Sperrfrist unter der Bedingung,<br />

dass die Voraussetzungen der <strong>St</strong>euerneutralität<br />

nach wie vor erfüllt sind. Hernach ist der Übergang definitiv.<br />

5 Bewertung<br />

5.1 Grundsatz<br />

Die Einkünfte werden mit ihrem Verkehrswert erfasst.<br />

Obwohl nicht ausdrücklich in den <strong>St</strong>euergesetzen so vorgesehen,<br />

ist dies unbestritten. Der Grundsatz kann immerhin<br />

indirekt den Bestimmungen über die Besteuerung<br />

des Eigenmietwertes des selbstgenutzten Wohneigentums<br />

entnommen werden. Der Verkehrswert ist auch<br />

bei Privatentnahmen und bei Überführung von Geschäftsvermögen<br />

ins Ausland massgeblich 174 .<br />

Soweit Bareinkünfte vorliegen, ist keine Bewertung erforderlich.<br />

Keine Bareinkünfte sind Geldforderungen<br />

mit reduzierter Kaufkraft; dementsprechend muss ein<br />

Bewertungseinschlag gewährt werden 175 .<br />

Naturaleinkünfte müssen bewertet werden. Es bestehen<br />

keine Vorschriften über die Methodik. Deshalb sind alle<br />

Bewertungsmethoden zulässig und anwendbar, die eine<br />

möglichst zuverlässige, aber auch verwaltungsökono -<br />

mische Bewertung ermöglichen 176 . Es dürfen auch Pau -<br />

scha len verwendet werden, wie sie namentlich bei der<br />

Be wertung von Naturalbezügen von Arbeitnehmern<br />

viel fach vorkommen 177 , aber insbesondere auch bei der<br />

Berücksichtigung der Veräusserungssperre gebundener<br />

Mitarbeiteraktien 178 . Allerdings muss den <strong>St</strong>euerpflich -<br />

tigen der Nachweis eines anderen als des pauschalen<br />

172 Oben, Abschn. 2.5.2.<br />

173 Siehe dazu im Einzelnen LOCHER, Art. 19 N. 18 ff.; REICH, Umstrukturierungen,<br />

S. 203 ff.; BGr, 28.12.1998, ASA 68 (1999/<br />

2000), S. 71.<br />

176 BGr, 8.10.1996, ASA 66 (1997/98), S. 484.<br />

177 Im Einzelnen LOCHER, Art. 18 N. 38 ff.<br />

178 BGr, 6.11.1995, ASA 65 (1996/97), S. 733.<br />

174 LOCHER, Art. 18 N. 103.<br />

175 LOCHER, Art. 18 N. 37 zum so genannten WIR-Geld; dies muss<br />

auch für andere Geld-Äquivalente gelten.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


106 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens<br />

Wertes offen stehen, handelt es sich doch lediglich um<br />

amtliche Schätzungshilfsmittel, nicht aber um eigent -<br />

liche gesetzliche Bewertungsmethoden 179 .<br />

5.2 Ausnahme bei Eigenmietwert<br />

Der Eigenmietwert des selbstgenutzten Wohneigentums<br />

ist nach einzelnen kantonalen Ordnungen nicht auf den<br />

Marktmietzins festzusetzen, sondern auf einen gewissen<br />

Prozentsatz des auf dem Markt erzielbaren Mietzinses<br />

180 . Das Bundesgericht lässt solche kantonalen Regelungen<br />

im Rahmen der Rechtsgleichheit zu, weil das<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierungsgesetz keine Vorschrift über die<br />

Bewertung des Eigenmietwertes enthält. Unter dem<br />

Aspekt des Gleichbehandlungsgebotes muss der Eigenmietwert<br />

gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />

mindestens 60 % des Marktmietwertes betragen<br />

181 . Dass überhaupt ein Bewertungseinschlag gewährt<br />

werden kann, wird mit der geringeren Disponibilität<br />

in der Nutzung des Eigentums begründet sowie damit,<br />

dass die Selbstnutzung anderer Vermögenswerte<br />

nicht besteuert wird 182 . Für die Zulässigkeit eines Bewertungseinschlages<br />

spricht auch das Anliegen, die<br />

Selbstvorsorge durch Eigentumsbildung fiskalisch zu<br />

fördern 183 . Diesen Gründen ist anzufügen, dass die Eigenmietwertbesteuerung<br />

nicht realisiertes Einkommen<br />

erfasst, weshalb den <strong>St</strong>euerpflichtigen keine Mittel zur<br />

Begleichung der <strong>St</strong>euerschuld zufliessen 184 .<br />

6 Schlussbetrachtung<br />

Der Begriff und die Besteuerung des Einkommens weisen<br />

viele Facetten auf und entziehen sich einer einfachen<br />

und eingängigen Darstellung. Gleichwohl ist es möglich,<br />

die mannigfaltigen Einzelaspekte auf einige Grundgedanken<br />

zurückzuführen und in ein System einzufügen.<br />

179 VGr ZH, 19.12.1995, RB 1995 Nr. 39 = <strong>St</strong>E 1996 A 21.12 Nr. 11,<br />

in Zusammenhang mit der Schätzung des Eigenmietwertes.<br />

180 Für die direkte Bundessteuer ist der Marktmietwert mass -<br />

geblich (BGE 123 II 9 = ASA 66 [1997/98], S. 563; LOCHER,<br />

Art. 21 N. 52).<br />

181 BGE 124 I 145.<br />

182 BGE 125 I 65; BGE 124 I 193 = ASA 69 (2000/01), S. 373; BGE<br />

116 Ia 324 f.; s. auch oben, Abschn. 2.2.1.<br />

183 BGE 112 Ia 246 f.<br />

184 S. auch oben, Abschn. 2.2.4.<br />

Es hat sich gezeigt, dass die Realisation ein tragendes<br />

Element der Einkommensbesteuerung darstellt. Einkommen<br />

im steuerlichen Sinne bilden nur die von aussen<br />

in die Vermögenssphäre des <strong>St</strong>euerpflichtigen zufliessenden<br />

Einkünfte. Nur realisierte Einkünfte werden besteuert;<br />

Ausnahmen beruhen stets auf ausdrücklicher gesetzlicher<br />

Regelung. Einkünfte werden derjenigen Person<br />

zugerechnet, welche die wirtschaftliche Verfügungsmacht<br />

darüber erlangt hat, es sei denn, das Gesetz sehe<br />

eine abweichende Zurechnung vor. Der Erwerb der wirtschaftlichen<br />

Verfügungsmacht ist auch wegleitend bei<br />

der periodengerechten Zuteilung der Einkünfte.<br />

Ziel dieses Beitrags ist es gewesen, diese systematischen<br />

Zusammenhänge der Einkommensbesteuerung aufzuzeigen<br />

und dem Rechtsanwender die Instrumente und<br />

Argumente für die Analyse und Beurteilung des Einzelfalles<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

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109<br />

Harmful Tax Practices – Auswirkungen der<br />

Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

Dr. ès sc. pol. Peter Baumgartner<br />

Inhalt<br />

1 Einleitung<br />

2 <strong>St</strong>euern als Teil des <strong>St</strong>andortwettbewerbs<br />

3 Internationale Entwicklungen bis Frühling <strong>2003</strong><br />

3.1 Bestrebungen in der OECD und in der EU<br />

3.1.1 Liste der unkooperativen <strong>St</strong>euerparadiese<br />

3.1.2 Bestrebungen zur Beseitigung des Bankgeheimnisses<br />

3.1.3 Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes<br />

3.1.4 Beseitigung schädlicher <strong>St</strong>euerregimes in den OECD-<br />

<strong>St</strong>aaten<br />

4 Beurteilungskriterien für schädliche Regimes<br />

5 Androhung von Sanktionen<br />

6 Beurteilung der Entwicklungen aus Schweizer Sicht<br />

6.1 Beurteilung potenziell schädlicher schweizerischer<br />

Regimes<br />

6.1.1 Tiefe Besteuerung als Ausgangskriterium<br />

6.1.2 Fehlen eines effektiven Informationsaustausches<br />

6.1.3 Abschottung eines Regimes (sog. Ring Fencing)<br />

6.1.4 Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien<br />

6.1.5 Transparenzerfordernis<br />

6.2 Gefährdete schweizerische Regimes<br />

6.3 Anwendung von Gegenmassnahmen seitens der<br />

OECD<br />

7 Schlussbemerkungen<br />

Literatur und Materialien<br />

Dr. ès sc. pol. Peter Baumgartner,<br />

<strong>St</strong>v. Direktor der Vereinigung<br />

Schweizerischer<br />

Industrie-Holdinggesellschaften<br />

(Industrie-Holding), Bern;<br />

Vorsitzender der Tax Commission<br />

der Internationalen<br />

Handelskammer (ICC), Paris<br />

1 Nicht mobile Aktivitäten, wie z.B. Produktionsstätten, sowie<br />

nichtsteuerliche Investitionsanreize sind vorläufig noch nicht<br />

Gegenstand der OECD-Bestrebungen zur Einschränkung<br />

schädlicher <strong>St</strong>euerpraktiken.<br />

1 Einleitung<br />

Die seit 1997 laufenden Bestrebungen von OECD und<br />

EU zur Einschränkung des sog. schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerbs<br />

stellen für den <strong>St</strong>euerstandort Schweiz eine<br />

echte Herausforderung dar. Sollte es der OECD nämlich<br />

gelingen, im Juni <strong>2003</strong> eine Liste schädlicher <strong>St</strong>euer -<br />

regimes in den OECD-Mitgliedstaaten zu verabschieden,<br />

so wächst die Gefahr, dass andere <strong>St</strong>aaten, einzeln<br />

oder koordiniert, Massnahmen gegen die aufgelisteten<br />

Regimes ergreifen bzw. ihre bereits bestehenden Missbrauchsgesetzgebungen<br />

gezielt verschärfen werden. Die<br />

Schweiz hatte sich von den genannten OECD-Bestrebungen<br />

von Anfang an distanziert, droht aber wegen<br />

Besonderheiten ihrer <strong>St</strong>euerregimes und wegen ihrer<br />

restriktiven Haltung in der Frage des Austausches von<br />

steuerlich relevanten Informationen unter starken internationalen<br />

Druck zu geraten. Von der OECD sind vor<br />

allem die kantonalen Regimes für Holding- und Verwaltungsgesellschaften<br />

(Art. 28 Abs. 2–4 <strong>St</strong>HG) sowie gewisse<br />

Regelungen für Konzernhilfsgesellschaften ins<br />

Visier genommen worden.<br />

Die OECD-Bestrebungen richten sich gegen mobile Geschäftstätigkeiten<br />

(z.B. Finanz- und Dienstleistungsaktivitäten)<br />

in den OECD-<strong>St</strong>aaten, in Nicht-OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

mit Vorzugsregimes und in den sog. <strong>St</strong>euerparadiesen.<br />

Zeitgleich wurden Bestrebungen zur Aufhebung des<br />

Bankgeheimnisses in <strong>St</strong>euersachen eingeleitet, die vor<br />

allem Privatpersonen betreffen dürften. Die EU ging<br />

zwei Schritte weiter: Sie beurteilte die steuerlichen Regimes<br />

für mobile und immobile Geschäftstätigkeiten auf<br />

schädliche Aspekte einerseits und unter dem Blickwinkel<br />

von unerlaubten <strong>St</strong>aatsbeihilfen andererseits. 1<br />

Nachstehend werden die OECD- und die parallel dazu<br />

laufenden EU-Bestrebungen zur Einschränkung des<br />

schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerbs näher ausgeleuchtet. Dabei<br />

geht es vorerst darum, die im Rahmen der OECD festgesetzten,<br />

neuen internationalen <strong>St</strong>andards zur Ausgestaltung<br />

der <strong>St</strong>euersysteme darzustellen und gestützt darauf<br />

das Bedrohungspotential der neuen Regeln für gewisse<br />

schweizerische <strong>St</strong>euerregimes und -praktiken abzuschätzen.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


110 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

2 <strong>St</strong>euern als Teil des <strong>St</strong>andortwettbewerbs<br />

Die Darstellung der laufenden Entwicklungen wäre unvollständig,<br />

wenn nicht auch politische und wirtschaftliche<br />

Faktoren berücksichtigt würden. Die Ausgestaltung<br />

des <strong>St</strong>euersystems ist nämlich immer auch ein politischer<br />

Entscheid, wobei die <strong>St</strong>aaten untereinander in einem<br />

<strong>St</strong>andortwettbewerb stehen. 2 Im Sinne eines liberalen<br />

Wirtschaftsverständnisses sind Unterschiede bei der<br />

Ausgestaltung der vom <strong>St</strong>aat gesetzten Rahmenbedingungen<br />

nicht nur erwünscht, sondern geradezu notwendig.<br />

Nur eine Wettbewerbssituation gibt den Wirtschaftsakteuren<br />

die Freiheit, ihre Ressourcen dort einzusetzen,<br />

wo sie den grössten Nutzen erwarten können. Im<br />

Spannungsfeld zwischen Harmonisierung und Wettbewerb<br />

ist dem Letzteren der Vorzug zu geben, da in den internationalen<br />

Wirtschaftsbeziehungen das Prinzip der<br />

komparativen Wettbewerbsvorteile grundsätzlich als<br />

wohlstandsfördernd gilt. Einschränkungen sind dann gerechtfertigt,<br />

wenn ein offensichtliches Systemversagen<br />

vorliegt oder die globalen <strong>St</strong>abilitäts- oder Effizienzgewinne<br />

erheblich beeinträchtigt werden. 3 Der Wettbewerb<br />

der <strong>St</strong>euerordnungen wirkt sich zudem disziplinierend<br />

auf die Höhe der staatlichen Abgaben und der öffentlichen<br />

Ausgaben aus. 4 Bei einem Ungleichgewicht zwischen<br />

den staatlichen Abgaben und den vom Gemeinwesen<br />

zur Verfügung gestellten staatlichen Leistungen haben<br />

die Wirtschaftsakteure in weitgehend liberalisierten<br />

Märkten die Möglichkeit, mobile Produktionsfaktoren<br />

in ein anderes Land zu verlegen, was im betroffenen<br />

<strong>St</strong>aat wegen den damit verbundenen Wohlstandsverlusten<br />

in aller Regel zu entsprechenden Korrekturen auf politischer<br />

Ebene führt.<br />

Aus der Optik der OECD ist <strong>St</strong>euerwettbewerb dann als<br />

schädlich zu qualifizieren, wenn er einen verzerrenden<br />

Einfluss auf die Ansiedlung von mobilen Produktionsfaktoren<br />

hat. 5 Den im <strong>St</strong>euerausschuss der OECD vertretenen<br />

nationalen <strong>St</strong>euerbehörden schwebt dabei das Ideal<br />

eines «level playing field» vor. Eine solche Optik<br />

klammert die andern <strong>St</strong>andortfaktoren aus. Sie gibt den<br />

<strong>St</strong>euern einen besonderen <strong>St</strong>ellenwert, ganz so, als ob<br />

ein <strong>St</strong>aat bezüglich seiner <strong>St</strong>euereinnahmen eine Monopolstellung<br />

hätte, die es unter allen Umständen zu verteidigen<br />

gilt. Sie beeinträchtigt (unter dem Vorwand schädlicher<br />

Auswirkungen) die Möglichkeiten der Wirtschaftssubjekte,<br />

die internationalen Wirtschaftsbeziehungen<br />

im Rahmen der geltenden (nationalen und internationalen)<br />

Rechtsordnung optimal zu strukturieren. Die<br />

OECD, die sich bei ihrer Gründung offene Märkte und<br />

die Förderung des Austausches von Gütern und Dienstleistungen<br />

auf die Fahne geschrieben hatte, nimmt damit<br />

in Kauf, dass der Wettbewerb im Bereich mobiler Aktivitäten<br />

nicht nur weitgehend ausgeschaltet wird, sondern<br />

dass die staatlichen Abgaben auf diesen Tätigkeiten<br />

künstlich hochgehalten werden können. 6 Den Kriterien,<br />

die seitens der OECD zur Beurteilung der Schädlichkeit<br />

gewisser Regimes und Praktiken herangezogen werden,<br />

ist deshalb besondere Beachtung zu schenken. 7 Zu hinterfragen<br />

sind auch die von der OECD als Rechtfertigung<br />

herangezogenen Begründungen und Schlagworte. 8<br />

3 Internationale Entwicklungen bis<br />

Frühling <strong>2003</strong><br />

Die OECD- und EU-Bestrebungen sind Teil der 1996<br />

von den <strong>St</strong>aaten der G7 beschlossenen Massnahmen zur<br />

Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen in einer<br />

globalisierten Wirtschaft und zur Verstärkung der mul -<br />

tinationalen Zusammenarbeit. <strong>St</strong>ichworte sind Good<br />

2 Der <strong>St</strong>euerwettbewerb kann gegen aussen gerichtet sein, etwa<br />

bei der Schaffung von international attraktiven Regimes für<br />

mobile Produktionsfaktoren. Der Wettbewerb spielt aber auch<br />

im Innern, indem viele <strong>St</strong>aaten bestrebt sind, die <strong>St</strong>euerbelastung,<br />

die <strong>St</strong>euersätze oder aber die Besteuerungsformen den<br />

internationalen Trends anzupassen. Grundsätzlich ist es aber<br />

jedem <strong>St</strong>aat anheim gestellt, wie er seine <strong>St</strong>euerordnung ausgestaltet,<br />

woraus sich bei internationalen Sachverhalten notwendigerweise<br />

Friktionen und Freiräume ergeben.<br />

3 Die Situation in der EU ist etwas anders zu beurteilen, da der<br />

EG-Vertrag hinsichtlich des ökonomischen und fiskalischen<br />

Handelns der Mitgliedstaaten gewisse Grenzen absteckt. Die<br />

OECD hat keine derartigen Rechtsetzungskompetenzen. Vgl.<br />

zum <strong>St</strong>euerwettbewerb auch die grundsätzlichen Überlegungen<br />

von WOLFGANG SCHÖN, <strong>St</strong>euerwettbewerb in Europa, in<br />

ASA 71 (2002/03), S. 337 ff.<br />

4 In der Schweiz, die im <strong>St</strong>euerbereich einen Wettbewerb zwischen<br />

den kantonalen <strong>St</strong>euerordnungen kennt, sind diese Effekte<br />

immer wieder nachzuweisen.<br />

5 OECD HTC Report 1998, Ziff. 8: «If governments can agree<br />

that these location decisions should be driven by economic<br />

considerations and not primarily by tax factors, this will help<br />

move towards the ‹level playing field› which is so essential<br />

to the continued expansion of global economic growth.»<br />

6 Gerade bei mobilen Dienstleistungen und Finanzierungen<br />

besteht in der Regel nur eine unbedeutende Beanspruchung<br />

staatlicher Leistungen, was nach dem Äquivalenzprinzip<br />

auch eine tiefe <strong>St</strong>euerbelastung rechtfertigt.<br />

7 Die aktuellen Bemühungen zur Eindämmung des schädlichen<br />

<strong>St</strong>euerwettbewerbs beschränken sich eben nicht nur auf die<br />

Schaffung von Transparenz und den Austausch von steuerlich<br />

relevanten Informationen, sondern orientieren sich auch<br />

an der Höhe der <strong>St</strong>euern und würden im Endeffekt zu einer<br />

weitgehenden Angleichung der <strong>St</strong>euersysteme führen. Vgl.<br />

dazu auch die Erklärung der Schweiz zum OECD HTC Report<br />

1998, Anhang II.<br />

8 Notwendigkeit der Eindämmung der schädlichen Effekte der<br />

Globalisierung, Verlagerung der <strong>St</strong>euerlast auf die indirekten<br />

<strong>St</strong>euern, «race to the bottom», «free riders», «erosion of national<br />

tax base», «poaching», OECD HTC Report 1998,<br />

Ziff. 20–37. Vgl. auch BIAC, A Business View on Tax Competition,<br />

June 1999.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

111<br />

Governance seitens der <strong>St</strong>aaten, Corporate Governance<br />

seitens der Unternehmen, Bekämpfung der Kriminalität<br />

(vor allem: Geldwäscherei, Korruption, <strong>St</strong>euer- und Börsendelikte),<br />

wobei der OECD eine Vorreiterrolle zugedacht<br />

wurde. 9 In der Folge erarbeitete das Fiskalkomitee<br />

der OECD den von den G7 und vom OECD-Ministerrat<br />

verlangten Bericht «Harmful Tax Competition, An<br />

Emerging Global Issue». 10 Die EU-<strong>St</strong>aaten hatten sich<br />

bereits 1997 im Rahmen des EU-Verhaltenskodexes 11<br />

verpflichtet, Mass nahmen gegen unfairen <strong>St</strong>euerwettbewerb<br />

zu treffen, wobei die EU- und die OECD-Bestrebungen<br />

hinsichtlich <strong>St</strong>ossrichtung, Beurteilungskriterien,<br />

zeitlichem Ablauf und Vorgehen in weiten Teilen<br />

übereinstimmten.<br />

Die Tatsache, dass die damals vereinbarten Massnahmen<br />

– trotz der nachstehend aufgezeigten politischen Widerstände<br />

und gewisser Verzögerungen – bisher über weite<br />

<strong>St</strong>recken und im Sinne der damaligen Beschlüsse umgesetzt<br />

werden konnten, macht deutlich, dass die Einschränkung<br />

des schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerbs von den<br />

beteiligten <strong>St</strong>aaten ernst genommen wurde 12 und dass die<br />

Bestrebungen seitens der potenziell Betroffenen (d.h.<br />

den <strong>St</strong>aaten, die sich nicht einbinden liessen, sowie den<br />

Unternehmen) ernst genommen werden müssen.<br />

3.1 Bestrebungen in der OECD und in der EU<br />

Der vom OECD-Ministerrat im April 1998 verabschiedete<br />

Bericht zum schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerb beginnt<br />

mit einer Analyse des internationalen Umfeldes. Sodann<br />

werden die Faktoren zur Erkennung von <strong>St</strong>euerparadiesen<br />

und schädlichen <strong>St</strong>euerregimes in den OECD- und<br />

Nicht-OECD-<strong>St</strong>aaten dargestellt. Das Kapitel 3 enthält<br />

19 ausführliche Empfehlungen zur Ausgestaltung des internen<br />

<strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s und der Besteuerungspraxis, zu den<br />

DBA und zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwecks<br />

Bekämpfung des schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerbs. 13 Ferner<br />

werden verschiedene Bereiche aufgelistet, die von<br />

der OECD näher ausgeleuchtet werden sollen. 14 Der Bericht<br />

brachte aber auch die Idee von Gegenmassnahmen<br />

ins Spiel, mit denen nicht kooperative <strong>St</strong>euerparadiese<br />

und OECD-Mitgliedstaaten gezwungen werden sollten,<br />

die OECD-<strong>St</strong>andards zu übernehmen. 15 Die Empfehlung<br />

des Ministerrates beauftragte das OECD-Fiskalkomitee<br />

ausdrücklich, ein «<strong>Forum</strong> on Harmful Tax Practices» zu<br />

schaffen. Dieses <strong>Forum</strong> nahm seine Tätigkeit im Herbst<br />

1998 auf und trifft sich seither regelmässig zur Umsetzung<br />

der 1998 beschlossenen Massnahmen.<br />

Die Schweiz und Luxemburg erklärten anlässlich der<br />

Verabschiedung des OECD HTC Report 1998 durch den<br />

Ministerrat, dass sie sich durch die darin enthaltenen<br />

Empfehlungen nicht gebunden fühlten. Sie lehnten den<br />

Bericht jedoch nicht formell ab (ein Veto hätte die weiteren<br />

Arbeiten wegen dem in der OECD geltenden Konsensprinzip<br />

verhindert), sondern enthielten sich der<br />

<strong>St</strong>imme. 16 Eine Folge dieser Enthaltung ist, dass die<br />

Schweiz im neu geschaffenen «<strong>Forum</strong> on Harmful Tax<br />

Practices» (gegen dessen Einsetzung sie sich in ihrer Erklärung<br />

explizit ausgesprochen hat) nicht Mitglied ist,<br />

9 Vgl. Pressemitteilung des Gipfeltreffens der G7 von 1996 in<br />

Lyon: «… globalisation is creating new challenges in the field<br />

of tax policy. (…) We strongly urge the OECD to vigorously<br />

pursue its work in this field, aimed at establishing a multilateral<br />

approach under which countries could operate individually<br />

and collectively to limit the extent of these practices»,<br />

in OECD HTC Report 1998.<br />

10 Der Bericht wurde vom OECD-Ministerrat am 9.3.1998 zusammen<br />

mit einer Empfehlung für das weitere Vorgehen gutgeheissen:<br />

«Recommendation of the Council on Counter -<br />

acting Harmful Tax Competition», «Recommendation and<br />

Guidelines for Dealing with Harmful Tax P ractices», in OECD<br />

HTC Report 1998.<br />

11 ECOFIN-Beschluss vom 1.12.1997 über das sog. Dreierpaket,<br />

das die Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes gegen schädlichen<br />

<strong>St</strong>euerwettbewerb, den Erlass der Richtlinie über die<br />

Zinsbesteuerung sowie der Richtlinie über die Beseitigung<br />

von Quellensteuern auf konzerninternen Zins- und Lizenzzahlungen<br />

vorsah (98/C 2/01).<br />

12 Vor allem auch seitens der EU-<strong>St</strong>aaten, wegen den der Kommission<br />

zur Verfügung stehenden Druckmitteln, vgl. Abschn.<br />

3.1.3.<br />

13 OECD HTC Report 1998, Empfehlungen, vgl. auch Abschn. 5.<br />

14 OECD HTC Report 1998, Kapitel 3 Abschn. V.<br />

15 OECD HTC Report 1998, Ziff. 96. Der recht bedrohliche Begriff<br />

«counteracting measures» wurde im Progress Report von<br />

2000 semantisch verharmlost, und seither ist nur noch von<br />

«defensive measures» die Rede. Desgleichen wurde der Begriff<br />

«harmful tax competition» durch den ordnungspolitisch<br />

unverfänglicheren Ausdruck «harmful tax practices» ersetzt.<br />

16 Vgl. «<strong>St</strong>atement of Switzerland» im Anhang II zum OECD<br />

HTC Report 1998. Um die Position der Schweiz in dieser für<br />

sie wichtigen Frage wurde dem Vernehmen nach verwaltungsintern<br />

gerungen, standen doch verschiedene Empfehlungen<br />

im Widerspruch zur schweizerischen Auffassung<br />

über den <strong>St</strong>euerwettbewerb und zur Ausgestaltung des internen<br />

<strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s und der DBA-Praxis. Als besonders stossend<br />

wurde etwa die Empfehlung 7 über den Zugang zu<br />

Bankinformationen empfunden. Materiell wies die Schweiz<br />

in ihrer Erklärung u.a. darauf hin, dass der Bericht einseitig<br />

und unausgewogen sei, dass die Beschränkung auf mobile<br />

Aktivitäten den Realitäten nicht gerecht werde, dass der Bericht<br />

tendenziell zu einer <strong>St</strong>ärkung der Position der Hochsteuerländer<br />

führe, dass er das Gewicht einseitig auf den Informationsaustausch<br />

und die internationale Zusammenarbeit<br />

lege und Quellensteuerlösungen nicht die nötige Bedeutung<br />

beimesse. Die Schweiz kritisierte schliesslich den selektiven<br />

und repressiven Approach gegenüber <strong>St</strong>euerparadiesen.<br />

Luxemburg führte ähnliche Argumente an, machte aber<br />

auch darauf aufmerksam, dass es sich an den Arbeiten zur<br />

Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes und zur EU-Zinsrichtlinie<br />

beteilige.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


112 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

sondern lediglich Beobachterstatus hat. Sie hat deshalb<br />

keine Möglichkeit, die Ergebnisse der Arbeiten dieses<br />

Gremiums zu beeinflussen und ist aus ihrer Sicht an diese<br />

auch nicht gebunden.<br />

Die Arbeiten des OECD-<strong>Forum</strong>s führten im Juni 2000 zur<br />

Verabschiedung des Folgeberichts «Towards Global Tax<br />

Co-operation» und einer entsprechenden Empfehlung<br />

des Ministerrates. 17 Der OECD-Bericht listete 47 potenziell<br />

schädliche Vorzugsregimes in Mitgliedstaaten auf<br />

(einschliesslich Regimes in der Schweiz) 18 sowie 35 Länder<br />

oder Gebiete, die als potenzielle <strong>St</strong>euerparadiese bezeichnet<br />

werden. Der Bericht stellte aber auch klar, dass<br />

mit den OECD-Bestrebungen keine Harmonisierung der<br />

<strong>St</strong>euersysteme innerhalb und ausserhalb der OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

beabsichtigt war und dass keinem Land «angemessene»<br />

<strong>St</strong>euersätze aufgezwungen werden sollen. Zentral ist<br />

u. E. jedoch die folgende Begründung: «Rather, the project<br />

is about ensuring that the burden of taxation is fairly<br />

shared and that tax should not be the dominant factor in<br />

making capital allocation deci sions.» 19 Damit reagierte<br />

die OECD einerseits auf die heftige Kritik, die dem Projekt<br />

von Anfang an seitens der internationalen Wirtschaft<br />

entgegengebracht worden war. 20 Zum andern legte die<br />

OECD aber auch einen wichtigen Beweggrund auf den<br />

Tisch: Mit den OECD-Bestrebungen soll verhindert werden,<br />

dass namentlich den Hochsteuerländern wegen dem<br />

als schädlich bezeichneten <strong>St</strong>andortwettbewerb <strong>St</strong>euereinnahmen<br />

verloren gehen (sog. «base erosion»). Im Bericht<br />

wurde ferner das weitere Vorgehen explizit dargelegt,<br />

nämlich: Dialog und kollektiver Druck auf die<br />

<strong>St</strong>euer paradiese, Erarbeitung von Kriterien zur Beurteilung<br />

der Schädlichkeit der Regimes in den OECD-<strong>St</strong>aaten,<br />

Kontakte mit Nicht-OECD-Mitgliedern 21 sowie eine<br />

Liste von möglichen Gegenmassnahmen.<br />

Im November 2001 wurde – mit einer kleinen Verzögerung<br />

– ein weiterer Progress Report verabschiedet. 22 Der<br />

Einigung vorangegangen war eine Auseinandersetzung<br />

mit den USA über die von den <strong>St</strong>euerparadiesen zu erfüllenden<br />

Kriterien. Im OECD HTC Report 1998 war nämlich<br />

die Abwesenheit einer substanziellen Tätigkeit für<br />

die <strong>St</strong>euerparadiese als schädliches Kriterium aufgelistet<br />

worden. 23 Die USA, die unter der Bush-Administra -<br />

tion eine politische Richtungsänderung vorgenommen<br />

hatten, wollten dieses Kriterium nicht mehr akzeptieren<br />

und bestanden darauf, dass die Aktivitätsklausel gestrichen<br />

werde und den <strong>St</strong>euerparadiesen zudem seitens der<br />

OECD formell zugesichert werde, dass die Sanktionen<br />

gegen «unkooperative» <strong>St</strong>euerparadiese nur ergriffen<br />

würden, sofern entsprechende Massnahmen auch gegenüber<br />

OECD-Mitgliedern mit schädlichen Vorzugsregimes<br />

zur Anwendung kämen. 24<br />

Wie sich in der Folge zeigen sollte, erwies sich dieser<br />

Einbruch ins ursprüngliche Konzept der OECD als folgenschwer.<br />

Zum einen enthielten sich (neben der<br />

Schweiz und Luxemburg) neu auch Belgien und Portugal<br />

der <strong>St</strong>imme, da den kooperationswilligen <strong>St</strong>euerparadiesen<br />

mit dem Verzicht auf die Aktivitätsklausel eine<br />

Erleichterung gewährt wurde, die für die OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

nicht gelten würde. 25 Ferner vergab sich die OECD mit<br />

der Verknüpfung der Sanktionen gegen <strong>St</strong>euerparadiese<br />

und gegen schädliche Vorzugsregimes in OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

die Möglichkeit, effektiv gegen unkooperative <strong>St</strong>euerpa-<br />

17 OECD Progress Report 2000.<br />

18 Die schädlichen Regimes wurden nach Aktivitätskategorien<br />

gegliedert: Versicherung, Finanzierung und Leasing, Fund<br />

Management, Banking, Headquarters, Distribution Centers,<br />

Service Centers, Shipping, gemischte Aktivitäten. Hinsichtlich<br />

der Holdingregimes wurde im Bericht darauf hingewiesen,<br />

dass im <strong>Forum</strong> noch keine Einigkeit über die schädlichen<br />

Aspekte erzielt werden konnte, doch sollten die Holdingregimes<br />

in zahlreichen <strong>St</strong>aaten (darunter auch die<br />

Schweiz) näher analysiert werden. Für die Schweiz wurden<br />

die Verwaltungs- und Konzerndienstleistungsgesellschaften<br />

als potenziell schädlich aufgelistet, wozu die Schweiz ihre<br />

Zustimmung gab (obwohl sie sich vom OECD-Projekt distanziert<br />

hatte und am <strong>Forum</strong> nur als Beobachterin teilnahm).<br />

19 OECD Progress Report 2000, S. 5.<br />

20 Das BIAC (Business and Industry Advisory Council to the<br />

OECD) kritisierte die OECD-Bestrebungen aufs Heftigste und<br />

wies nachdrücklich daraufhin, dass der <strong>St</strong>euerwettbewerb<br />

erwünscht und notwendig sei und dass keinem souveränen<br />

<strong>St</strong>aat vorgeschrieben werden dürfe, wie er sein <strong>St</strong>euersystem<br />

auszugestalten habe; s. BIAC, A Business View on Tax<br />

Competition, June 1999. Ähnlich reagierte die Internationale<br />

Handelskammer in einem Brief an den Vorsitzenden der UN<br />

Ad Hoc Group of Experts on Co-operation in International<br />

Tax Matters, 10.5.2000. Als Folge davon war die OECD bereit,<br />

mit dem BIAC, das im Vorfeld der Publikation des Berichts<br />

von 1998 nicht einmal konsultiert worden war, den Dialog<br />

aufzunehmen.<br />

21 Diesbezüglich knüpfte die OECD Kontakte mit zahlreichen<br />

Nicht-OECD-<strong>St</strong>aaten und internationalen Organisationen;<br />

vgl. FN 22; OECD Progress Report 2001, S. 7.<br />

22 OECD, The OECD’s Project on Harmful tax practices: The<br />

2001 Progress Report, 14.11.2001.<br />

23 OECD HTC Report 1998, Box 1, Bst. d: Key factors in identifying<br />

tax havens for the purposes of this report.<br />

24 Die <strong>St</strong>euerparadiese hatten sich zuvor vehement für ihre Interessen<br />

eingesetzt. Für sie hätte das Erfordernis einer tatsächlichen<br />

Geschäftstätigkeit nämlich bedeutet, dass sie einen<br />

Grossteil ihrer <strong>St</strong>andortvorteile (reine Sitzgesellschaften)<br />

verloren hätten. Die USA, die ohnehin in erster Linie am<br />

Zugang zu Informationen interessiert waren, setzen sich für<br />

die <strong>St</strong>euerparadiese ein; s. <strong>St</strong>atements des US Secretary of<br />

the Treasury vom 17.2.2001, 10.5.2001 und Brief vom<br />

7.6.2001 an die G7-Finanzminister. Vgl. auch OECD Report<br />

2001, Ziff. 28 und 32.<br />

25 Für OECD-<strong>St</strong>aaten wäre das Kriterium des ring fencing weiterhin<br />

schädlich, womit die Gefahr bestand, dass entsprechende<br />

<strong>St</strong>rukturen in <strong>St</strong>euerparadiese abwandern würden.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

113<br />

Zeitlicher Ablauf der OECD-Bestrebungen zur Einschränkung<br />

des <strong>St</strong>euerwettbewerbs<br />

(bisher und gemäss Zeitplan der OECD)<br />

1996 G7-Beschluss zur Schaffung neuer globaler Rahmenbedingungen<br />

(<strong>St</strong>euern, Geldwäscherei, Korruption,<br />

organisierte Kriminalität)<br />

1997 EU Code of Conduct gegen unfairen <strong>St</strong>euerwettbewerb<br />

1998 OECD Report on Harmful Tax Competi tion<br />

(<strong>St</strong>immenthaltung durch die Schweiz und Luxemburg)<br />

1998 Schaffung des OECD-<strong>Forum</strong>s gegen Harmful Tax<br />

Practices (Schweiz: Be obachterstatus)<br />

2000 OECD-Bankgeheimnisbericht (die Schweiz verpflichtete<br />

sich zu Verbesserungen bei Amtshilfe<br />

für <strong>St</strong>euerbetrug, Prozess zur Anpassung der<br />

DBA-Amtshilfeklauseln)<br />

2000 OECD Progress Report 2000:<br />

– Liste der «potentially harmful tax havens»<br />

– Liste der «potentially harmful regimes in<br />

OECD countries»<br />

– Einigung über Vorgehen zur Umsetzung:<br />

Application Notes zur Beurteilung der Regimes,<br />

Konkretisierung der Massnahmen<br />

gegen unkoopera tive <strong>St</strong>aaten<br />

2000 (Nov.) Revitalisierung des EU-Dreierpakets (Verknüpfung<br />

zwischen Code of Conduct, Sparzinsricht -<br />

linie, Richtlinie über Nullsatz auf Zins- und<br />

Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen)<br />

2001 (Nov.) OECD Progress Report 2001: Bestätigung der<br />

<strong>St</strong>rategie, Verknüpfung der Amtshilfe in «civil<br />

tax matters» für <strong>St</strong>euerparadiese mit der Amtshilfe<br />

zwischen OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

2002 OECD-Musterabkommen betr. Informationsaustausch<br />

in <strong>St</strong>euersachen<br />

2002 (April) Liste unkooperativer <strong>St</strong>euerparadiese (nur noch<br />

7), seither: OECD-Zusammenarbeit mit kooperationswilligen<br />

<strong>St</strong>euerparadiesen zur Umsetzung<br />

der vereinbarten Massnahmen<br />

2002 (Mai) Konkretisierung der Application Notes, Konkretisierung<br />

möglicher Gegen massnahmen<br />

2002 (Herbst) Self review der Vorzugsregimes durch die<br />

OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

2002 (Herbst) Schriftliche peer review der Vorzugsregimes in<br />

OECD-<strong>St</strong>aaten, seither: Evaluation der peer review<br />

durch OECD-<strong>Forum</strong><br />

<strong>2003</strong> (Jan.) EU ECOFIN-Beschluss zum Dreierpaket:<br />

– Übergangsfristen für Beseitigung von bereits<br />

gewährten Vorteilen für gewisse Regimes in<br />

Belgien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden,<br />

Portugal (bis 2010/2011)<br />

– Zusage, dass Belgien, Luxemburg und Österreich<br />

vorläufig unter der EU-Zins richtlinie<br />

nicht zum automatischen Austausch von<br />

Bankinformationen übergehen müssen<br />

<strong>2003</strong> (Juni) Geplante Veröffentlichung der Liste der Vorzugsregimes<br />

in OECD-<strong>St</strong>aaten: Absegnung durch<br />

OECD-Ministerrat<br />

<strong>2003</strong> (Dez.) Geplante Beschlüsse über Massnahmen gegen<br />

unkooperative <strong>St</strong>aaten (OECD-<strong>St</strong>aaten und<br />

<strong>St</strong>euerparadiese)<br />

ab 2006 Beseitigung aller bestehenden schädlichen<br />

<strong>St</strong>euervorteile:<br />

– «Level playing field» für international mobile<br />

Finanz- und Dienstleistungsaktivitäten<br />

– Zugang zu Bankinformationen auch bei blosser<br />

Hinterziehung (in allen <strong>St</strong>aaten, ausser unkooperativen<br />

<strong>St</strong>aaten)<br />

radiese vorzugehen, solange bei einzelnen der OECD-<br />

<strong>St</strong>aaten, die das OECD-Vorhaben mittragen, entsprechende<br />

Ausnahmen geduldet wurden. 26<br />

3.1.1 Liste der unkooperativen <strong>St</strong>euerparadiese<br />

Im Visier der OECD standen von Anfang an zum einen<br />

die sog. <strong>St</strong>euerparadiese, für die die OECD-<strong>St</strong>aaten im<br />

HTC Report 1998 die Beurteilungskriterien festgelegt<br />

hatten. Mit den im Bericht von 2000 als potenzielle <strong>St</strong>euerparadiese<br />

eingestuften <strong>St</strong>aaten 27 wurde seitens der<br />

OECD ein intensiver Dialog gesucht, um sie davon zu<br />

überzeugen, dass eine Annahme der OECD-<strong>St</strong>andards in<br />

ihrem Interesse wäre (OECD-Unterstützung bei der Umsetzung<br />

der Vorgaben, aber auch massiver kollektiver<br />

Druck). Nachdem den <strong>St</strong>euerparadiesen Ende 2001 auf<br />

Drängen der USA die erwähnten Zusicherungen abgegeben<br />

worden waren, erklärten sich bis Ende März 2002<br />

fast alle der aufgelisteten <strong>St</strong>aaten formell zur Umsetzung<br />

der von der OECD geforderten Massnahmen bis Ende<br />

2005 bereit. Mitte April 2002 veröffentlichte die OECD<br />

die angekündigte Liste der «unkooperativen» <strong>St</strong>euerparadiese.<br />

Sie umfasste nur noch Andorra, Liechtenstein,<br />

Liberia, Monaco, die Marshall-Inseln, Nauru und Vanuatu.<br />

Dies ist – wenigstens auf den ersten Blick – ein erstaunlicher<br />

Erfolg, haben sich diese <strong>St</strong>aaten doch verpflichtet,<br />

bis Ende 2005 die von der OECD geforderten<br />

und teils sehr einschneidenden Massnahmen zu treffen,<br />

u.a.: Verbesserung der Transparenz hinsichtlich der Eigentümer<br />

der bei ihnen registrierten Gesellschaften und<br />

Trusts, Gewährung von steuerlicher Amts- und Rechtshilfe<br />

und namentlich auch Offenlegung von Bankkonten<br />

bei blosser <strong>St</strong>euerhinterziehung. Allerdings erfolgten die<br />

Zusagen z. T. unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass<br />

die gleichen Kriterien auch von allen OECD-<strong>St</strong>aaten erfüllt<br />

werden müssten. 28<br />

26 Da sich die Schweiz vom OECD-Vorhaben distanziert hatte,<br />

erstreckt sich die Verknüpfung aus Sicht der OECD nicht auf<br />

die Schweiz und die anderen nicht kooperativen OECD-<strong>St</strong>aaten.<br />

28 Im Zentrum steht dabei die Offenlegung von Bankinformationen,<br />

namentlich auch durch die Schweiz, wobei es sich aber<br />

um einseitige Erklärungen der betreffenden <strong>St</strong>euerparadiese<br />

handelte.<br />

27 Eigenständige <strong>St</strong>aaten und z.T. abhängige oder assoziierte<br />

Gebiete anderer <strong>St</strong>aaten, vgl. Liste im OECD Progress Report<br />

2000.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


114 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

3.1.2 Bestrebungen zur Beseitigung des<br />

Bankgeheimnisses<br />

Die Beschlüsse der G7 von 1996 zielten auch auf die Beseitigung<br />

des Bankgeheimnisses gegenüber den <strong>St</strong>euerbehörden<br />

ab. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Schaffung<br />

von Transparenz und die Offenlegung von <strong>St</strong>euerinformationen<br />

von Anfang an ein zentrales Kriterium der<br />

OECD-Bestrebungen zur Einschränkung des schädlichen<br />

<strong>St</strong>euerwettbewerbs bildeten. Von den <strong>St</strong>euerparadiesen<br />

wurde gefordert, dass sie bis spätestens Ende<br />

2005 die notwendigen Massnahmen treffen, um den<br />

<strong>St</strong>euerbehörden anderer <strong>St</strong>aaten Bankinformationen bei<br />

kriminellen und zivilen <strong>St</strong>euervergehen zur Verfügung<br />

zu stellen. 29<br />

Die OECD veröffentlichte im April 2000 einen Bericht<br />

über die Verbesserung des Zugangs zu Bankinformationen.<br />

Nach einem harten Ringen konnten schliesslich alle<br />

29 OECD-Mitglieder dem Bericht zustimmen (einschliesslich<br />

der Schweiz). 30 Der Bericht bezog sich auf<br />

den Austausch von Bankinformationen auf Anfrage im<br />

Einzelfall. Als Idealziel wurde der Austausch von Bankinformationen<br />

bei allen <strong>St</strong>euerdelikten formuliert, wobei<br />

einzelne <strong>St</strong>aaten die Verpflichtung eingingen, diesbezüglich<br />

weitere Massnahmen zu treffen. 31<br />

Die OECD hatte in der Folge die traditionell der Arbeitsgruppe<br />

Nr. 8 zugeordneten Tätigkeiten über die steuerliche<br />

Amtshilfe 32 im Rahmen eines «Special Project Team»<br />

intensiviert und im Jahr 2002 ein Musterabkommen über<br />

den steuerlichen Informationsaustausch auf Anfrage<br />

veröffentlicht. 33 Dieses (unverbindliche) Musterabkommen<br />

lehnte sich stark an die in jüngster Zeit seitens der<br />

USA mit den <strong>St</strong>euerparadiesen abgeschlossenen bilateralen<br />

Abkommen über den Informa tionsaustausch an. 34 Die<br />

Schweiz hat sich als Folge ihrer Enthaltung vom Projekt<br />

über die schädlichen <strong>St</strong>euerpraktiken auch an diesen Arbeiten<br />

nicht beteiligt und darauf hingeweisen, dass jene<br />

<strong>St</strong>aaten, welche diese Arbeiten unterstützten, die alleinige<br />

Verantwortung dafür zu übernehmen haben, dass von<br />

den <strong>St</strong>euerparadiesen weitergehende Massnahmen verlangt<br />

werden, als die OECD-Mitgliedstaaten dies in Ziffer<br />

21 ihres Bankgeheimnisberichts vom April 2000 vereinbart<br />

hatten.<br />

3.1.3 Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes<br />

Die EU-<strong>St</strong>aaten verpflichteten sich 1997 im Rahmen des<br />

EU-Verhaltenskodexes gegen unfairen <strong>St</strong>euerwettbewerb<br />

zur Beseitigung ihrer als schädlich eingestuften<br />

Regimes. 35 Abgesehen von der Tatsache, dass in der EU<br />

die Regimes für alle Unternehmenstätigkeiten auf<br />

schädliche Aspekte überprüft werden sollten (OECD:<br />

nur mobile Tätigkeiten), bestand zwischen den EU-Bestrebungen<br />

und denjenigen in der OECD eine weitgehende<br />

Übereinstimmung. Ein ganz entscheidender Unterschied<br />

liegt jedoch beim institutionellen Rahmen: In<br />

der EU geht es um die Schaffung eines «level playing<br />

field» in einem aufgrund des EG-Vertrags geschaffenen<br />

gemeinsamen Wirtschaftsraum. 36 Aus Sicht der Kommission<br />

ist der Verhaltenskodex eine zentrale Voraussetzung<br />

für die weitere Harmonisierung im Bereich der Unternehmensbesteuerung.<br />

37 Noch wichtiger ist aber, dass<br />

der Kommission im EG-Vertrag die Möglichkeit eingeräumt<br />

worden ist, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen<br />

gegen die Mitgliedstaaten ein formelles Verfahren<br />

zur Beseitigung von unzulässigen <strong>St</strong>aatsbeihilfen<br />

einzuleiten. <strong>St</strong>euerliche Sonderbehandlungen können<br />

dabei als unerlaubte <strong>St</strong>aatsbeihilfen qualifiziert werden.<br />

38 Die vom ECOFIN eingesetzte High-Level Group<br />

29 DAVID SPENCER, Tax Havens and Harmful Tax Practices – OECD<br />

Update, Journal of International Taxation 2002, S.16f. und<br />

34 ff.<br />

30 OECD Report, Improving Access to Bank Information for Tax<br />

Purposes, OECD Fiscal Affairs Committee, April 2000. Zum<br />

Paragraphen 20 des Berichts hat die Schweiz jedoch einen<br />

Vorbehalt angebracht, in dem sie auf ihren generellen Vorbehalt<br />

zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens (DBA) hingewiesen<br />

hat.<br />

31 Die Schweiz hat in der Folge ihre Amtshilfepraxis unter den<br />

DBA geändert und erklärte sich in Revisionsverhandlungen<br />

mit OECD-<strong>St</strong>aaten bereit, DBA-Amtshilfe auch für Delikte zu<br />

gewähren, die nach schweizerischem Recht als <strong>St</strong>euerbetrug<br />

zu qualifizieren sind, vgl. u.a. DBA-Revision vom 12.3.2002<br />

mit Deutschland.<br />

32 OECD Committee of Fiscal Affairs, Working Party No 8 on Tax<br />

Avoidance and Evasion.<br />

33 OECD Model Agreement on Exchange of Information on Tax<br />

Matters, 18.4.2002, mit einer bilateralen- und einer multilateralen<br />

Version.<br />

34 Gewährung von Amtshilfe auf Anfrage, einschliesslich Offenlegung<br />

von Bankinformationen bei zivilrechtlichen <strong>St</strong>euerdelikten,<br />

vgl. DAVID SPENCER, S.35ff.<br />

35 Rechtlich unverbindliche Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten.<br />

36 Anders als in der OECD waren die EU-<strong>St</strong>aaten ausdrücklich<br />

bereit, zwecks Schaffung der Union einen Teil ihrer Hoheitsrechte<br />

aufzugeben, vgl. dazu auch WOLFGANG SCHÖN.<br />

37 European Commission, Towards an Internal Market without<br />

Tax Obstacles, 23.10.2001, COM(2001)582 final.<br />

38 Der für die Wettbewerbspolitik zuständige Kommissar, Mario<br />

Monti (notabene der Architekt des Dreierpakets von 1997),<br />

hatte bereits im Juli 2001 eine Untersuchung gegen 15 <strong>St</strong>euerregimes<br />

in 12 Mitgliedstaaten wegen eines möglichen Verstosses<br />

gegen das EU-Wettbewerbsrecht angedroht oder<br />

eingeleitet. Ein solches Verfahren kann weitreichende Folgen<br />

haben (u.a. Rückerstattung der Vorteile durch die Begünstigten)<br />

und wird von den betroffenen Mitgliedstaaten sehr ernst<br />

genommen.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

115<br />

(Primarolo Group) identifizierte im Jahr 2000 66 potenziell<br />

schädliche <strong>St</strong>euerregimes der Mitgliedstaaten.<br />

Über diese Regimes und die noch tolerierbaren Praktiken<br />

wurde seither intensiv verhandelt. An der ECOFIN-<br />

Ratstagung vom 21. Januar <strong>2003</strong> einigten sich die EU-<br />

<strong>St</strong>aaten im Prinzip darauf, dass bis Anfang 2004 alle Regimes,<br />

die endgültig als schädlich eingestuft worden waren,<br />

beseitigt werden müssen. Lediglich bei fünf Regimes<br />

wurde für Unternehmen, denen die Vorteile bereits<br />

früher formell zugesichert worden waren, eine<br />

Übergangsfrist bis 2010/11 vorgesehen. 39<br />

3.1.4 Beseitigung schädlicher <strong>St</strong>euerregimes<br />

in den OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

Wie erwähnt, wurde der OECD-Fiskalausschuss 1998<br />

vom Rat beauftragt, bis Juni <strong>2003</strong> eine Liste der schädlichen<br />

<strong>St</strong>euerregimes in den OECD-Mitgliedstaaten zu erstellen.<br />

Ob die Liste zustande kommt und welche Regimes<br />

schlussendlich als schädlich beurteilt werden, ist<br />

derzeit noch offen. Dem Vernehmen nach wird aber im<br />

OECD-<strong>Forum</strong>, gestützt auf eine self review und eine<br />

vom OECD-Sekretariat organisierte peer review, hart<br />

um jedes Einzelne der im Progress Report 2000 als potenziell<br />

schädlich eingestuften Regimes gerungen. Auch<br />

die Schweiz verteidigt ihre Regimes dabei aktiv und beharrt<br />

darauf, dass die OECD Application Notes für sie<br />

nicht verbindlich sein können. 40<br />

4 Beurteilungskriterien für schädliche<br />

Regimes 41<br />

Bei den Kriterien für die Schädlichkeit eines <strong>St</strong>euerregimes<br />

besteht eine weitgehende Übereinstimmung zwischen<br />

dem OECD-Bericht und dem von den EU-<strong>St</strong>aaten<br />

verabschiedeten Verhaltenskodex.<br />

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die Frage, ob<br />

beim betreffenden Regime keine oder eine vergleichsweise<br />

tiefe Besteuerung vorliegt (sog. gateway crite -<br />

rion). 42 Weitere Faktoren sind:<br />

– Abschottung des Regimes (ring fencing), d.h. Ausschluss<br />

von Inländern vom betreffenden Regime<br />

oder Verbot der Ausübung entsprechender Aktivitäten<br />

im Inland; 43<br />

– fehlende Transparenz hinsichtlich eines Regimes<br />

oder hinsichtlich der Anwendung der steuerlichen<br />

Regelungen;<br />

– Fehlen eines effektiven Austausches von Informationen<br />

(unwillingness or inability to exchange information).<br />

Um überhaupt in der Lage zu sein, die OECD-Beurteilungskriterien<br />

im Einzelfall auf die Regimes anzuwenden,<br />

erarbeitete das <strong>Forum</strong> sog. Application Notes. Detailliert<br />

behandelt wurden darin folgende Bereiche:<br />

Transparenz und Informationsaustausch, ring fencing,<br />

Verrechnungspreise, Rulings, Holding- und ähnliche<br />

Regimes, Fund Management und Schifffahrt. Die einzelnen<br />

Bereiche wurden bezüglich der im OECD-Bericht<br />

von 2000 festgelegten Kategorien von potenziell schädlichen<br />

Regimes konkretisiert, wobei auch der Bezug zu<br />

den andern OECD-Beurteilungskriterien hergestellt<br />

wurde. Nach einer Vernehmlassung bei den interessierten<br />

Wirtschaftskreisen 44 wurden die Application Notes in<br />

Form eines konsolidierten Papiers im Herbst 2002 vom<br />

<strong>Forum</strong> für die Beurteilung der Regimes grundsätzlich als<br />

anwendbar erklärt. Dies soll in Form eines «overall assessment»<br />

erfolgen, wobei alle Kriterien der Applica tion<br />

Note erfüllt sein müssen, damit ein Regime nicht als<br />

schädlich beurteilt wird. 45<br />

39 Protokoll der ECOFIN-Tagung vom 21.1.<strong>2003</strong>, Ziff. 7–11. Vorgesehene<br />

Ausnahmeregelungen für Belgien (Co-ordination<br />

Centres), Irland (Foreign Income), Luxemburg (1929 Holding<br />

Companies), die Niederlande (International Financing), Portugal<br />

(Madeira Free Economic Zone), wobei ein weiteres Regime<br />

in Prüfung war und die Frist für Madeira auf Ende 2011<br />

ausgedehnt wurde. Die Wettbewerbsbehörden haben sich im<br />

Prinzip diesem Vorgehen angeschlossen.<br />

40 Quelle: ESTV.<br />

41 OECD Consolidated Application Note, Guidance in Applying<br />

the 1998 Report to Preferential Tax Regimes, Discussion<br />

Draft, 10.7.2002 (nachstehend OECD Application Note).<br />

42 «No or low effective tax rate», wobei erstaunlicherweise bisher<br />

nicht definiert worden ist, was als «low» gelten soll (dies<br />

im Gegensatz zu den Missbrauchsgesetzgebungen in zahlreichen<br />

<strong>St</strong>aaten, bei denen die Höhe des Mindeststeuersatzes<br />

oder der <strong>St</strong>euerbelastung als absoluter oder relativer Wert<br />

festgelegt ist).<br />

43 «Ring fencing» geht somit klar über eine rechtliche Diskriminierung<br />

hinaus, wobei die OECD unter dem Begriff sowohl<br />

den ausdrücklichen als auch einen faktischen Ausschluss<br />

versteht. Die OECD war seitens der internationalen Wirtschaft<br />

immer wieder aufgefordert worden, das unklare und<br />

damit gefährliche Kriterium des ring fencing aufzugeben;<br />

vgl. BIAC, Comments of BIAC to the OECD to OECD Consolidated<br />

Application Note: Guidance in Applying the 1998 Report<br />

to Preferential Tax Regimes, 23.9.2002, Kapitel III.<br />

44 BIAC sowie Nicht-OECD-<strong>St</strong>aaten und internationale Organisationen,<br />

wobei das BIAC in seiner <strong>St</strong>ellungnahme vom<br />

23.9.2002 die OECD-Bestrebungen erneut grundsätzlich in<br />

Frage stellte und namentlich die Anwendung der Verrechnungspreisregeln<br />

und das Konzept des ring fencing als verfehlt<br />

bezeichnete, vgl. BIAC Comments, FN 43.<br />

45 OECD Application Note, Ziff. 11. Die Kriterien gelten grundsätzlich<br />

auch für Vorzugsregimes in Nichtmitgliedstaaten<br />

und (mit Einschränkungen) für <strong>St</strong>euerparadiese, Ziff. 13. Die<br />

Application Note ist noch nicht formell verabschiedet; die<br />

nachstehende Beurteilung erfolgt gestützt auf den Entwurf<br />

vom 10.7.2002.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


116 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

5 Androhung von Sanktionen<br />

In der OECD wie auch in der EU handelt es sich um<br />

Selbstverpflichtungen der <strong>St</strong>aaten. Die inhaltlich und<br />

zeitlich festgelegten Ziele sollen durch kollektiven<br />

Druck erreicht werden. Während die EU aber das griffige<br />

Instrument der EU-Wettbewerbsregeln einsetzen<br />

kann und teilweise bereits eingesetzt hat, droht die<br />

OECD den nicht kooperativen <strong>St</strong>aaten mit einem ganzen<br />

Arsenal von Gegenmassnahmen im <strong>St</strong>euerbereich, die<br />

heute verharmlosend als «defensive measures» bezeichnet<br />

wurden. 46 Der Bericht von 1998 enthielt zum einen<br />

Empfehlungen für Massnahmen, die von den <strong>St</strong>aaten<br />

einseitig in ihrem internen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> getroffen werden<br />

sollen, wie: Einführung von CFC-Regeln, 47 Verzicht auf<br />

die Befreiungsmethode für gewisse Einkünfte, Verschärfung<br />

der Informationspflichten, Offenlegung der Rulings,<br />

strikte Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien,<br />

Zugang zu Bankinformationen. Im Weiteren<br />

wurden Massnahmen empfohlen, die in den bilateralen<br />

DBA umgesetzt werden sollen: Verbesserter Informationsaustausch,<br />

Einschränkung der Abkommensvorteile,<br />

Klarstellung, dass innerstaatliche Missbrauchsvorschriften<br />

mit den DBA vereinbar sein sollen, Beschränkungen<br />

beim Geltungsbereich der DBA, Kündigung von<br />

DBA mit <strong>St</strong>euerparadiesen, verstärkte bilaterale Zusammenarbeit<br />

bei der Anwendung der DBA und beim <strong>St</strong>euereinzug.<br />

Schliesslich Empfehlungen zur Verstärkung<br />

der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere die<br />

Schaffung eines OECD-<strong>Forum</strong>s.<br />

Im Progress Report 2000 werden die einzelnen Massnahmen<br />

bezüglich unkooperativer <strong>St</strong>euerparadiese detailliert<br />

aufgezählt. 48 Sie reichen von der Erhebung zusätzlicher<br />

Quellensteuern auf Transaktionen mit unko -<br />

operativen <strong>St</strong>aaten über die Hinzurechnungsbesteuerung<br />

und Nichtgewährung der <strong>St</strong>eueranrechnung bis hin zum<br />

Verbot des Abzugs von Aufwendungen beim Schuldner.<br />

Im Progress Report 2001 ist bereits von einem «co-ordinated<br />

framework of defensive measures» die Rede, aber<br />

auch davon, dass jeder <strong>St</strong>aat frei sein soll, ob er dabei<br />

mitmachen will. 49<br />

Sehr bedenklich ist das Muster, das sich dabei abzeichnet,<br />

ist die OECD doch eine zwischenstaatliche Organisation,<br />

in der nur die Industriestaaten vertreten sind: Die<br />

OECD beansprucht für sich das Recht, weltweit anwendbare<br />

<strong>St</strong>andards zu erlassen. Sie setzt zur Durchsetzung<br />

ihrer Vorstellungen auf kollektiven Druck und verstärkt<br />

diesen Druck, indem sie den <strong>St</strong>euerparadiesen ganz klar<br />

mit Massnahmen droht, die für deren Volkswirtschaften<br />

z. T. äusserst folgenschwer wären. 50 Da einzelne Sanktionen<br />

nur wirksam sind, wenn sie kollektiv angewendet<br />

werden, regte die OECD an, solche Massnahmen zu koordinieren<br />

(z.B. Kündigung von DBA mit <strong>St</strong>euerparadiesen),<br />

wobei dem OECD-<strong>Forum</strong> eine zentrale Rolle zukommen<br />

soll. Als äusserst einschneidend dürften in der<br />

Praxis ein Verbot des <strong>St</strong>euerabzugs beim Schuldner auf<br />

Zahlungen in gewisse <strong>St</strong>aaten oder die Erhebung von<br />

Quellensteuern sein, da damit die Zahlungsflüsse in<br />

<strong>St</strong>aaten mit schädlichen Regimes sehr rasch zum Erliegen<br />

gebracht werden können.<br />

6 Beurteilung der Entwicklungen<br />

aus Schweizer Sicht<br />

Sowohl in der OECD als auch in der EU sind die Arbeiten<br />

zur Beseitigung schädlicher <strong>St</strong>euerregimes weit fortgeschritten<br />

(Analyse der Regimes, Festlegung der Beurteilungskriterien,<br />

Diskussion von Gegenmassnahmen).<br />

Die EU-<strong>St</strong>aaten nehmen den Verhaltenskodex ernst, da<br />

sonst ein Wettbewerbsverfahren droht. 51 In beiden Gremien<br />

wurde und wird intensiv um allfällige Ausnahmen<br />

gefeilscht. Es muss heute davon ausgegangen werden,<br />

dass in der OECD im Frühsommer <strong>2003</strong> eine Liste der<br />

schädlichen <strong>St</strong>euerregimes in den OECD-<strong>St</strong>aaten vorliegen<br />

wird. Ob die Liste verabschiedet werden kann, ist offen.<br />

Die Schweiz und jedes andere OECD-Mitglied kann<br />

die Verabschiedung der Liste im Fiskalausschuss blockieren<br />

(Vetorecht).<br />

6.1 Beurteilung potenziell schädlicher<br />

schweizerischer Regimes<br />

Als potenziell schädlich waren im OECD-Bericht 2000 und<br />

in den Arbeiten des <strong>Forum</strong>s die folgenden schweizerischen<br />

Regimes beurteilt worden:<br />

– Holdinggesellschaften; 52<br />

46 OECD HTC Report 1998, Kapitel 3. Dieser Begriff wird damit<br />

gerechtfertigt, dass die von schädlichen <strong>St</strong>euerpraktiken betroffenen<br />

<strong>St</strong>aaten ihre <strong>St</strong>euerbasis verteidigen müssen.<br />

47 Controlled Foreign Corporations Rules, Empfehlung 1, OECD<br />

HTC Report 1998.<br />

48 OECD Report 2000, Ziff. 35.<br />

49 OECD Report 2001, Ziff.47ff.<br />

50 OECD Report 2000, Liste der Massnahmen in Ziff. 35.<br />

51 Dies zeigt sich etwa darin, dass die <strong>St</strong>aaten für wichtige Regimes<br />

bis zum Letzten um Ausnahmeregelungen (oder wenigstens<br />

für eine Verlängerung) kämpften (z.B. belgische Koordinationszentren,<br />

wobei Belgien sich noch in der ECOFIN-<br />

Sitzung vom März <strong>2003</strong> vehement für längere Übergangsfristen<br />

einsetzte).<br />

52 Die Beurteilung der Holdingregimes war bei der Veröffentlichung<br />

des Berichts von 2000 noch nicht abgeschlossen. Seither<br />

sind die schweizerischen Holdinggesellschaften aber von<br />

verschiedenen OECD-<strong>St</strong>aaten in den <strong>Forum</strong>sdiskussionen<br />

kritisiert und als schädlich bezeichnet worden, Quelle: ESTV.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

117<br />

– Verwaltungsgesellschaften; 53<br />

– gewisse Dienstleistungsgesellschaften. 54<br />

Gestützt auf die OECD Application Note dürften dabei<br />

vor allem die nachstehenden Aspekte problematisch<br />

sein. Bei dieser Beurteilung ist allerdings zu beachten,<br />

dass die Schweiz – als Folge ihrer Enthaltung zum gesamten<br />

Projekt – die Application Notes nicht als Grundlage<br />

für eine Bewertung akzeptiert. Eine Auseinandersetzung<br />

damit ist jedoch trotzdem angezeigt, weil nicht<br />

ausgeschlossen werden kann, dass gewisse <strong>St</strong>aaten ausserhalb<br />

des OECD-Rahmens entsprechende Bewertungen<br />

auf dieser Grundlage vornehmen und dann – unilateral<br />

oder koordiniert – Gegenmassnahmen ergreifen oder<br />

bereits bestehende Massnahmen verstärken.<br />

6.1.1 Tiefe Besteuerung als Ausgangs -<br />

kriterium<br />

Da das Kriterium der tiefen Besteuerung von der OECD<br />

nicht näher qualifiziert oder gar quantifiziert worden ist,<br />

hat das OECD-<strong>Forum</strong> bei der Anwendung dieses Kriteriums<br />

einen weiten Ermessensspielraum. Das Kriterium<br />

gilt jedoch nur als «gateway criterion» für die weiteren<br />

Abklärungen. Wenn alle andern Kriterien erfüllt sind,<br />

gilt eine tiefe Besteuerung nicht als schädlich. 55 Im Falle<br />

der Schweiz dürften im Jahr 2000 diejenigen Regimes<br />

als potenziell schädlich aufgelistet worden sein, bei denen<br />

die schweizerischen Gewinnsteuern durch eine spezielle<br />

Reduktion der Bemessungsgrundlage herabgesetzt<br />

werden, wobei die DBA-Amtshilfepraxis als zusätzliches<br />

schädliches Element beurteilt worden ist.<br />

Nach Art. 28 Abs. 2 des <strong>St</strong>euerharmonisierungsgesetzes<br />

(<strong>St</strong>HG) sind so genannte Holdinggesellschaften, die<br />

keine Geschäftstätigkeit in der Schweiz ausüben, unter<br />

gewissen Bedingungen für ihre Erträge 56 von den kantonalen<br />

Gewinnsteuern befreit (nicht aber von der direkten<br />

Bundessteuer). Keine besonderen Regeln gelten für die<br />

Verrechnungssteuer, weshalb die <strong>St</strong>euer von 35 % auf allen<br />

Ausschüttungen geschuldet ist. Bei Verwaltungsgesellschaften<br />

(Art. 28 Abs. 3 <strong>St</strong>HG), die in der Schweiz<br />

keine Geschäftstätigkeit haben dürfen, werden die Erträge<br />

aus dem Ausland im Kanton nur nach Massgabe der<br />

Bedeutung der Verwaltungstätigkeit in der Schweiz besteuert.<br />

Bei Gesellschaften mit überwiegend auslandsbezogener<br />

Geschäftstätigkeit (Art. 28 Abs. 4 <strong>St</strong>HG, sog.<br />

gemischte Gesellschaften) werden die daraus resultierenden<br />

Erträge ebenfalls nur nach Massgabe der Bedeutung<br />

der dar auf bezogenen Tätigkeit in der Schweiz besteuert.<br />

Die von der OECD aufgelisteten Konzern dienst -<br />

leistungs gesellschaften werden in der Regel normal besteuert<br />

oder gelten als Verwaltungsgesellschaften. Sofern<br />

die Bemessungsgrundlage (z.B. der Gewinnaufschlag,<br />

cost-plus) jedoch tief angesetzt wird, kann eine<br />

tiefe <strong>St</strong>euerbelastung resultieren.<br />

6.1.2 Fehlen eines effektiven Informationsaustausches<br />

Dieses Kriterium ist nach der OECD Application Note<br />

ein «key factor», 57 und in der Tat spielt der Informationsaustausch<br />

bei den Bestrebungen der OECD zur Einschränkung<br />

des schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerbs eine<br />

Schlüsselrolle. Von den <strong>St</strong>euerparadiesen werden – nach<br />

der von den USA erzwungenen Einschränkung der massgeblichen<br />

Kriterien – ein weitreichender Informationsaustausch<br />

sowie die Schaffung von Transparenz verlangt.<br />

58 Bezüglich der Regimes in OECD-<strong>St</strong>aaten liegt<br />

der Akzent auf der Sicherstellung eines tatsächlichen Informationsaustausches<br />

auf Anfrage (effective exchange<br />

of information), da die zwischen den OECD-<strong>St</strong>aaten abgeschlossenen<br />

DBA in aller Regel bereits eine Informationsklausel<br />

im Sinne von Art. 26 des OECD-Musterabkommens<br />

enthalten (Austausch von Informationen zur<br />

Anwendung des DBA und des <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s des ersuchenden<br />

<strong>St</strong>aates). 59<br />

Die schweizerische Amtshilfe unter den DBA geht bekanntlich<br />

nicht so weit. Die Schweiz gewährt zwar<br />

Amtshilfe zur Anwendung des DBA (z.B. Reduktion der<br />

Quellensteuern, Bestimmung der Ansässigkeit, Vorliegen<br />

einer Betriebstätte etc.), 60 sie ist aber nicht bereit, Informationen<br />

zur Anwendung des internen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s<br />

53 Unter der Kategorie «Financing and Leasing», OECD Progress<br />

Report 2000, Kapitel III A.<br />

54 Unter der Kategorie «Headquarters regimes», OECD Progress<br />

Report 2000, Kapitel III A.<br />

55 Z. B. Irland, das für Unternehmensgewinne einen <strong>St</strong>euersatz<br />

von 12,5 % anwendet.<br />

56 Erträge aus schweizerischem Grundeigentum sind dagegen<br />

zum ordentlichen Tarif steuerbar (Art. 28 Abs. 2 <strong>St</strong>HG). Ferner<br />

wird eine kantonale Kapitalsteuer erhoben.<br />

57 OECD Application Note, Ziff. 2.<br />

58 Vgl. Abschn. 3.1. Aus Sicht der USA ist dies folgerichtig: Da<br />

sie für sich das Recht beanspruchen, ihre <strong>St</strong>aatsangehörigen<br />

weltweit zu besteuern, müssen sie jedoch in Erfahrung bringen,<br />

ob in einem bestimmten <strong>St</strong>aat steuerpflichtige Einkünfte<br />

generiert werden.<br />

59 Das gleiche Problem stellt sich in der EU, da die EU-<strong>St</strong>aaten<br />

bereits nach den OECD-Amtshilferichtlinien zu einem weitgehenden<br />

Austausch von Informationen (für direkte und indirekte<br />

<strong>St</strong>euern) Hand bieten müssen.<br />

60 Im DBA mit den USA sowie nach der neuen DBA-Amtshilfepolitik<br />

werden auch Auskünfte in Fällen von <strong>St</strong>euerbetrug<br />

(und dgl.) ausgetauscht, d.h. für Tatbestände, für die bis anhin<br />

grundsätzlich Rechtshilfe gewährt worden ist.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


118 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

des ersuchenden <strong>St</strong>aates auszutauschen. Damit unterscheidet<br />

sich die schweizerische Praxis von derjenigen<br />

der andern OECD-<strong>St</strong>aaten und der Regelung in Art. 26<br />

des OECD-Musterabkommens. 61 Seitens der OECD<br />

dürfte die schweizerische Amtshilfepraxis als Fehlen eines<br />

effektiven Informationsaustausches qualifiziert werden.<br />

Unklar war gemäss der Draft Application Note, ob<br />

eine noch weiter gehende Amtshilfe verlangt werden<br />

dürfe, wie sie im neuen OECD-Amtshilfeabkommen<br />

2002 vorgesehen ist (als <strong>St</strong>andard für <strong>St</strong>euerparadiese). 62<br />

Bevor dieser Schritt gemacht wird, muss u. E. das<br />

OECD-Musterabkommen für DBA entsprechend angepasst<br />

und gutgeheissen werden. Zudem dürfte die Frage<br />

der Bankauskünfte durch die Ausnahmeregelungen der<br />

EU bei der Zinsbesteuerung vorläufig an Brisanz verloren<br />

haben. 63<br />

6.1.3 Abschottung eines Regimes (sog. Ring<br />

Fencing)<br />

Das Kriterium des «ring fencing» eines <strong>St</strong>euerregimes<br />

ist ebenso unscharf wie gefährlich, geht es doch nach der<br />

Application Note klar über eine rechtliche Diskriminierung<br />

hinaus (z.B. Inländer/Ausländer) und umfasst sowohl<br />

eine faktische als auch eine ausdrückliche Abschottung<br />

des Regimes vom Inlandmarkt oder den Ausschluss<br />

inländischer <strong>St</strong>euerpflichtiger von gewissen Regimes.<br />

64 Die konzeptionellen Schwächen dieses Ansatzes<br />

können durch die erläuternden Beispiele nicht überdeckt<br />

werden. 65 Diese helfen aber wenigstens zu verstehen,<br />

was tatsächlich gemeint ist. Eine Vorzugsbehandlung<br />

für gewisse Geschäftstätigkeiten gilt nicht als ring<br />

fencing. Wenn aber für die gleiche Tätigkeit im Inland<br />

und im Ausland unterschiedliche Besteuerungsregeln<br />

gelten, die nicht Bestandteil der allgemeinen Regeln des<br />

betreffenden <strong>St</strong>aates zur Beseitigung der Doppelbesteuerung<br />

sind, und wenn inländische Tätigkeiten oder<br />

Inländer dadurch benachteiligt werden, so liegt nach<br />

dem OECD-Konzept ein schädliches ring fencing vor. 66<br />

Näher anzusehen sind diesbezüglich die schweizerischen<br />

Regimes für gemischte Gesellschaften (Art. 28<br />

Abs. 4 <strong>St</strong>HG). Gemäss der in der Unternehmenssteuerreform<br />

1997 eingefügten Bestimmung von Art. 28 Abs. 4 in<br />

Verbindung mit Art. 72a <strong>St</strong>HG (Anpassung der kantonalen<br />

Gesetzgebung) dürften inzwischen alle Kantone auf<br />

eine (früher mögliche) Diskriminierung gestützt auf die<br />

Beherrschung (Sonderstatus nur für ausländisch beherrschte<br />

Gesellschaften) verzichtet haben. Auch<br />

schweizerisch beherrschte Gesellschaften können daher<br />

einen <strong>St</strong>euerstatus im Sinne von Art. 28 Abs. 4 <strong>St</strong>HG beanspruchen.<br />

Die betreffenden Gesellschaften dürfen auf<br />

dem Inlandmarkt eine untergeordnete Geschäftstätigkeit<br />

ausüben; somit kann auch diesbezüglich nicht von einem<br />

ring fencing gesprochen werden. 67 Das Regime für gemischte<br />

Gesellschaften zielt auf eine <strong>St</strong>euerbemessung<br />

nach Massgabe der Tätigkeit im Inland ab, wobei das<br />

Ziel in der Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung<br />

liegt. Die Befreiung der im Ausland erwirtschafteten<br />

Erträge ist zudem Teil der schweizerischen<br />

<strong>St</strong>euerpraxis (Verzicht auf Besteuerung, etwa beim Vorliegen<br />

einer Betriebstätte). 68 Die Frage, ob die angenommene<br />

Bemessungsgrundlage im Sinne der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien<br />

angemessen sei, ist ferner keine<br />

Frage des ring fencing, sondern der Bewertung der<br />

Funktionen und Risiken, d.h. ein Problem, das in der<br />

Application Note unter dem Titel «Transfer Pricing» behandelt<br />

wird.<br />

6.1.4 Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien<br />

Die 1995 verabschiedeten OECD-Verrechnungspreisrichtlinien<br />

69 sind der unbestrittene Massstab für die<br />

Preisgestaltung zwischen verbundenen Unternehmen.<br />

Sie sind letztlich massgebend für die Beurteilung der<br />

Frage, ob der von einem <strong>St</strong>aat beanspruchte steuerbare<br />

Gewinn ihm nach den im DBA vereinbarten Regeln auch<br />

tatsächlich zusteht. 70 Die OECD geht in den Bestrebungen<br />

zur Eindämmung des <strong>St</strong>euerwettbewerbs aber nicht<br />

nur davon aus, dass keine Gewinnverlagerungen aufgrund<br />

von verfälschten Verrechnungspreisen erfolgen<br />

dürfen. Sie möchte vielmehr die steuerlich motivierte<br />

Verlagerung von Geschäftsaktivitäten einschränken,<br />

was etwas ganz anderes ist. Sie bezeichnet deshalb eine<br />

Situation, in der ein <strong>St</strong>aat auf das ihm eigentlich zustehende<br />

<strong>St</strong>euersubstrat verzichtet, als schädlich, und bemüht<br />

zur Beurteilung der Frage, ob der Empfängerstaat<br />

sein <strong>St</strong>euersubstrat auch voll ausgeschöpft habe, die Kri-<br />

61 Vorbehalt der Schweiz zu Art. 26 OECD-MA.<br />

62 Vgl. FN 33.<br />

63 ECOFIN-Beschluss vom 21.1.<strong>2003</strong>, vgl. Abschn. 6.3.<br />

64 OECD Application Note, Ziff. 67.<br />

65 OECD Application Note, Ziff. 75 und 83.<br />

66 OECD Application Note, Ziff. 85. Die OECD dürfte ferner davon<br />

ausgehen, dass Regimes, bei denen des <strong>St</strong>euersubstrat<br />

der andern <strong>St</strong>aaten nicht geschmälert wird, nicht als schädlich<br />

gelten.<br />

67 OECD Application Note, Ziff. 78.<br />

68 OECD Application Note, Ziff. 73.<br />

69 OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises<br />

and Tax Authorities, Paris, 1996.<br />

70 OECD Arm’s-length-Grundsatz, gemäss Art. 9 OECD-Musterabkommen.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong><br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

119<br />

terien der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien. Seitens<br />

der internationalen Wirtschaft ist diese Betrachtungsweise<br />

auf grosse Kritik gestossen. 71<br />

Nimmt man – im Sinne des (verfehlten) OECD-Ansatzes<br />

– für die Beurteilung des steuerbaren Gewinns die Verrechnungspreisrichtlinien<br />

zum Massstab, so zeigt sich<br />

sofort, dass immer dann, wenn ein <strong>St</strong>aat nicht den gesamten<br />

Gewinn in die Bemessungsgrundlage einbezieht<br />

oder bei einer Cost-plus-Besteuerung die Kosten nur<br />

teilweise erfasst bzw. den Gewinnaufschlag zu tief ansetzt,<br />

aus OECD-Optik von einer schädlichen Praxis gesprochen<br />

werden kann. 72 Die OECD geht gemäss der<br />

Application Note aber noch weiter und erachtet auch<br />

standardisierte Kostenaufschläge, bei denen nicht auf<br />

die Funktionen und Risiken im Einzelfall abgestellt<br />

wird, als schädlich. 73 Derartige Regeln sind in der<br />

Schweiz (wie in andern Ländern) nicht in den <strong>St</strong>euergesetzen<br />

festgeschrieben, sondern in den Anwendungsbestimmungen,<br />

oder sie werden im Einzelfall festgelegt.<br />

Kritisiert werden könnten diesbezüglich etwa die Bestimmungen<br />

des Kreisschreibens Nr. 9 vom 19. Dezember<br />

2001 über die sog. Fifty-Fifty-Praxis. 74<br />

6.1.5 Transparenzerfordernis 75<br />

Die Schaffung von Transparenz dürfte vor allem für die<br />

<strong>St</strong>euerparadiese ein Problem sein. Die OECD verlangt in<br />

der Application Note einerseits Transparenz hinsichtlich<br />

der anwendbaren gesetzlichen Regelungen sowie die Offenlegung<br />

der im Einzelfall gewährten Vorabbescheide<br />

(Rulings). Anderseits verlangt die OECD auch, dass die<br />

<strong>St</strong>aaten über zuverlässige Informationen verfügen bzw.<br />

in der Lage sein müssen, solche auszutauschen. Verlangt<br />

wird Transparenz hinsichtlich der rechtlichen Eigentümer<br />

von Gesellschaften und andern juristischen Personen<br />

(Trusts, <strong>St</strong>iftungen), wobei aber ausdrücklich anerkannt<br />

wird, dass dies im Falle von börsenkotierten Gesellschaften<br />

und Anlagefonds nicht immer möglich sei. 76<br />

Ferner müssen ordentliche Geschäftsbücher geführt<br />

werden.<br />

Hinsichtlich der schweizerischen Gesetzgebung und<br />

Praxis dürfte sich die Frage der Transparenz kaum stellen,<br />

da die entsprechenden Regelungen allgemein zugänglich<br />

sind. Angesichts der Unterschiede bei den kantonalen<br />

Regelungen ist es jedoch nicht immer ganz einfach,<br />

einen vollständigen Überblick zu erhalten. Die Situation<br />

betreffend der Rulings ist weniger klar. Zum einen<br />

gibt es gute Gründe, die im Einzelfall vereinbarten<br />

Lösungen nicht offenzulegen (<strong>St</strong>euergeheimnis). Im Unterschied<br />

zu andern <strong>St</strong>aaten verfolgt die Schweiz diesbezüglich<br />

eine eher zurückhaltende Praxis. Die wichtigen<br />

steuerrechtlichen Entscheide (Rekurskommissionen,<br />

Bundesgericht) werden aber regelmässig publiziert, wobei<br />

auch umstrittene Praktiken offengelegt werden. Auf<br />

der andern Seite führt die Tatsache, dass die Veranlagung<br />

der direkten Bundessteuer ebenfalls durch die kantonalen<br />

Behörden geschieht, zu einer gewissen Kontrolle der<br />

kantonalen Veranlagungspraxis durch die für die direkte<br />

Bundessteuer zuständigen <strong>St</strong>euerinspektoren. Anders als<br />

(bis vor kurzem) etwa die Niederlande, hat die Schweiz<br />

international zudem nicht den Ruf, dass den Unternehmen<br />

in «geheimen» Rulings massgeschneiderte Lösungen<br />

gewährt werden, die von den gesetzlichen Regeln<br />

abweichen.<br />

6.2 Gefährdete schweizerische Regimes<br />

Grundsätzlich könnten alle von der OECD als potenziell<br />

schädlich bezeichneten schweizerischen Regimes wegen<br />

der (behaupteten) relativ tiefen Besteuerung und<br />

dem fehlenden Austausch von Informationen als schädlich<br />

aufgelistet werden. Kritisch dürften aber insbesondere<br />

Regimes und Praktiken sein, bei denen zusätzlich<br />

noch andere schädliche Aspekte nachgewiesen werden<br />

können, wie etwa Herabsetzung der <strong>St</strong>euerbemessungsgrundlage<br />

aufgrund standardisierter Annahmen, oder<br />

wenn gewisse Einkünfte im Kanton nicht zur Besteuerung<br />

gelangen. Auch dabei ist jedoch zu prüfen, unter<br />

welchen der in der OECD Application Note aufgeführten<br />

Kriterien solche Praktiken als schädlich bezeichnet werden<br />

können und ob die Argumentation der OECD auch<br />

tatsächlich schlüssig ist.<br />

Nicht schädlich ist bei den Holding- und Verwaltungsgesellschaften<br />

der Beteiligungsabzug für Dividenden und<br />

Beteiligungsgewinne. Auch der Abzug von Beteiligungsverlusten<br />

ist – entgegen ersten Befürchtungen –<br />

nicht schädlich, sofern eine Pflicht zur Wiederaufwertung<br />

besteht. Das Konzept des ring fencing kann nach<br />

unserer Beurteilung ebenfalls kaum herangezogen werden,<br />

handelt es sich dabei doch um in der Schweiz gebräuchliche<br />

Methoden zur Vermeidung der internationa-<br />

71 BIAC <strong>St</strong>atement, Kapitel IV und V, vgl. FN 43.<br />

72 OECD Application Note, Ziff. 90 und 102.<br />

73 OECD Application Note, Ziff. 147–151.<br />

74 Nach diesem KS können Handelsgesellschaften, die ihre Tätigkeit<br />

ausserhalb der Schweiz und im überwiegenden Interesse<br />

von ausländischen Personen ausüben und die in der<br />

Schweiz keine Infrastruktur unterhalten, im Sinne einer administrativen<br />

Vereinfachung jährlich 50 % ihres Bruttogewinns<br />

als Kommission an Nahestehende oder Dritte weiterleiten,<br />

ohne dass sie die geschäftsmässige Begründetheit<br />

nachweisen müssen.<br />

75 OECD Application Notes, Ziff. 18–35.<br />

76 OECD Application Notes, Ziff. 28.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


120 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

len Doppelbesteuerung (Betriebstättenabzug). Aus Sicht<br />

der andern <strong>St</strong>aaten könnte jedoch die für Holding- und<br />

Verwaltungsgesellschaften vorgesehene Befreiung für<br />

Nicht-Beteiligungserträge aus dem Ausland als nicht<br />

vereinbar mit den Verrechnungspreis-Anforderungen<br />

der Application Note beurteilt werden, soweit es sich effektiv<br />

um Zahlungen von verbundenen Unternehmen<br />

handelt. Die OECD stellt sich wie erwähnt auf den<br />

<strong>St</strong>andpunkt, dass Verrechnungspreismethoden, die dazu<br />

führen, dass die steuerbaren Gewinne zu hoch oder zu<br />

tief ausfallen, als schädlich anzusehen sind. 77 Der erste<br />

Fall, bei dem Gewinne in ein steuergünstiges Spezialregime<br />

verschoben werden, ist jedoch typischerweise ein<br />

Problem des Landes, das die entsprechenden Zahlungen<br />

zulässt. Das Fehlen eines effektiven Informationsaustausches<br />

ist ein Mangel, der beanstandet werden könnte. 78<br />

Ein steuergünstiges Regime ist jedoch in der Regel so<br />

gestaltet, dass der steuerbare Gewinn möglichst tief ausfällt,<br />

indem nicht alle Erträge in die Bemessungsgrundlage<br />

einbezogen oder diese künstlich tief gehalten werden.<br />

Der Empfängerstaat verzichtet dabei auf einen Teil<br />

der ihm zustehenden Erträge. Sofern die Vergütung tatsächlich<br />

at arm’s length ist, aber im Empfängerstaat eine<br />

tiefere Besteuerung der Erträge erfolgt, geht es nicht<br />

mehr um ein Verrechnungspreisproblem, und die Besteuerungsweise<br />

darf von der OECD auch nicht unter<br />

dieses Kriterium subsumiert werden.<br />

Bevor die OECD-<strong>St</strong>aaten gewisse schweizerische <strong>St</strong>euerregimes<br />

definitiv als schädlich auflisten, müssen sie<br />

u. E. nachweisen, dass die in der OECD Application<br />

Note aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt sind. Die<br />

Schweiz hat aus diesem Grunde ein Interesse daran, sich<br />

aktiv in den derzeit im OECD-<strong>Forum</strong> laufenden Prozess<br />

zur Beurteilung der schädlichen Regimes einzuschalten.<br />

6.3 Anwendung von Gegenmassnahmen<br />

seitens der OECD<br />

Die Frage allfälliger Gegenmassnahmen muss ebenfalls<br />

differenziert beurteilt werden. Bezüglich der Offenlegung<br />

von Bankinformationen ist im OECD HTC Report<br />

2001 festgehalten worden, dass von den <strong>St</strong>euerparadiesen<br />

nicht mehr verlangt werden darf als von den OECD-<br />

<strong>St</strong>aaten, die die OECD-Bestrebungen mittragen. Bei der<br />

EU-Zinsbesteuerung dürfte aus heutiger Sicht in der EU<br />

vorgesehen werden, 79 dass die drei EU-Länder Belgien,<br />

Österreich und Luxemburg sowie die Schweiz und andere<br />

Drittstaaten auf absehbare Zeit nicht zum automatischen<br />

Informationsaustausch über Zinszahlungen an in<br />

der EU ansässige natürliche Personen übergehen müssen.<br />

Soweit das Bankgeheimnis in diesen <strong>St</strong>aaten gesetzlich<br />

geschützt ist, müssen bei <strong>St</strong>euerhinterziehung auch<br />

unter den anwendbaren DBA-Regeln (bzw. der EU-<br />

Richtlinie) keine Bankauskünfte übermittelt werden.<br />

Die <strong>St</strong>euerparadiese dürfen sich deshalb auf diese Ausnahme<br />

berufen und können seitens der OECD ab 2006<br />

schwerlich mit Gegenmassnahmen zur Erfüllung der seinerzeit<br />

abgegebenen Zugeständnisse gezwungen werden.<br />

80<br />

Hinsichtlich der Sanktionen gegen OECD-<strong>St</strong>aaten mit<br />

als schädlich beurteilten <strong>St</strong>euerregimes müssen ebenfalls<br />

die Entwicklungen in der EU mitberücksichtigt<br />

werden. Nachdem in der EU für einzelne Regimes recht<br />

lange bemessene Übergangsregelungen vereinbart worden<br />

sind, kann es sich die OECD kaum erlauben, für die<br />

gleichen 81 und ähnliche Regimes in andern OECD-<strong>St</strong>aaten<br />

die Anwendung der vorgesehenen Gegenmassnahmen<br />

zu empfehlen. Allerdings ist genau zu prüfen, wie<br />

die in der EU gewährten Übergangsregelungen schlussendlich<br />

ausgestaltet sind. Die schädlichen Regimes müssen<br />

im Prinzip ab 2004 aufgegeben werden. Einzelne Regimes<br />

können jedoch für <strong>St</strong>euerpflichtige, denen die<br />

Vorteile vor <strong>2003</strong> zugestanden worden sind, bis Ende<br />

2010/11 weitergeführt werden. 82 Es ist zu erwarten, dass<br />

sich die OECD dieser restriktiven Auslegung anschliessen<br />

wird, womit <strong>St</strong>aaten, die nicht bereit sind, ihre<br />

schädlichen Regimes als solche zu beseitigen, weiterhin<br />

Gegenmassnahmen angedroht werden können.<br />

Für die Schweiz ist damit die Gefahr, dass in der OECD<br />

die Idee der koordinierten Gegenmassnahmen weiterhin<br />

aktiv propagiert wird, keineswegs gebannt. Die schweizerischen<br />

Regimes sind wegen der DBA-Amtshilfepraxis<br />

zudem viel exponierter als diejenigen der anderen<br />

OECD-<strong>St</strong>aaten. Selbst wenn die Liste der schädlichen<br />

OECD-Regimes aus den erwähnten Gründen nicht formell<br />

verabschiedet werden kann, könnten einzelne<br />

OECD-<strong>St</strong>aaten von sich aus Massnahmen gegen entsprechende<br />

schweizerische Regimes ergreifen. 83 Es bliebe<br />

der Schweiz dann nichts anderes übrig, als wie bisher im<br />

Wege von bilateralen Verhandlungen eine <strong>St</strong>reichung<br />

von der jeweiligen nationalen Liste zu erwirken oder da-<br />

77 OECD Application Note, Ziff. 90<br />

78 OECD Application Note, Ziff. 93. Der betreffende <strong>St</strong>aat hat es<br />

aber in der Regel in der Hand, eine entsprechende Gewinnaufrechnung<br />

vorzunehmen, gegen die sich der <strong>St</strong>euerpflichtige<br />

durch Vorlage von Zahlen und Fakten wehren kann.<br />

79 ECOFIN-Beschluss vom 21.1.<strong>2003</strong>.<br />

81 Vgl. FN 39. Zumal die Schädlichkeit in der EU und der OECD<br />

aufgrund gleicher oder ähnlicher Kriterien beurteilt wird.<br />

82 ECOFIN-Beschluss vom 21.1.<strong>2003</strong> und Auslegung von seitherigen<br />

Verlautbarungen der Kommission.<br />

83 Italien hat mit den auf Anfang 2002 verschärften CFC- und<br />

Missbrauchsregeln bereits früher diesen Weg beschritten.<br />

80 Vgl. Abschn. 3.1.1.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

121<br />

rauf hinzuwirken, dass die Kriterien nicht allzu breit angewendet<br />

werden. 84 Die Gefahr eines schleichenden Verlustes<br />

von <strong>St</strong>andortvorteilen durch einzelstaatliche<br />

Massnahmen bleibt deshalb eine ernstzunehmende Bedrohung.<br />

7 Schlussbemerkungen<br />

Obwohl die Schweiz die OECD-Bestrebungen gegen<br />

schädlichen <strong>St</strong>euerwettbewerb nicht mitträgt (<strong>St</strong>immenthaltung<br />

der Schweiz bei der Verabschiedung der<br />

OECD HTC Reports, Beobachterstatus im OECD-<strong>Forum</strong>),<br />

ist sie von den genannten Bestrebungen direkt betroffen.<br />

Sie tut deshalb gut daran, sich weiterhin aktiv in<br />

den OECD-Prozess einzuschalten und ihre Regimes und<br />

Praktiken zu verteidigen.<br />

Die bisherigen Entwicklungen in der OECD (<strong>St</strong>euerparadiese,<br />

OECD-<strong>St</strong>aaten) und in der EU (in einem ganz<br />

andern rechtlichen Umfeld) haben gezeigt, dass die<br />

meisten <strong>St</strong>aaten ihre <strong>St</strong>andortvorteile nicht ohne Not<br />

aufgeben. Sie haben diese volkswirtschaftlich bedeutsamen<br />

Vorteile zum Teil während Jahrzehnten aufgebaut.<br />

Die Anpassungen an aufgezwungene neue <strong>St</strong>andards<br />

(OECD oder EU) geschieht selektiv, wobei die betroffenen<br />

<strong>St</strong>aaten nur das aufgeben, was unbedingt notwendig<br />

ist, und dies so spät als möglich (s. z.B. die EU-Übergangsfristen).<br />

Der Prozess des gegenseitigen Aushandelns<br />

der noch zulässigen Massnahmen läuft in der EU<br />

seit 1998. In der OECD ist er im Hinblick auf die Liste<br />

der schädlichen Regimes derzeit im Gange.<br />

Die Schweiz hat die laufenden OECD-Entwicklungen<br />

bisher sehr aufmerksam verfolgt und wo nötig eine gewisse<br />

Bereitschaft zu Konzessionen bekundet (z.B. bei<br />

der Verabschiedung des OECD-Bankgeheimnisberichts<br />

2000). Sie hat dabei aber darauf geachtet, dass wichtige<br />

<strong>St</strong>andortvorteile erhalten geblieben sind. Angesichts der<br />

bisherigen Unsicherheiten hinsichtlich des Erfolgs der<br />

OECD-Bestrebungen hat unser Land in der OECD keine<br />

vorschnellen Zugeständnisse gemacht. Die gleiche <strong>St</strong>rategie<br />

verfolgte es in der Frage der Zinsbesteuerung mit<br />

der EU (konsequentes Festhalten an der doppelten <strong>St</strong>rafbarkeit<br />

bei der Amtshilfe, Verknüpfung der schweizerischen<br />

Zahlstellensteuer mit den EU-Mutter-Tochter-<br />

Richtlinien) sowie in den bisherigen DBA-Verhandlungen<br />

mit den OECD-<strong>St</strong>aaten (erweiterte Amtshilfe bei<br />

<strong>St</strong>euerbetrug gegen Nullsätze bei konzerninternen Dividenden,<br />

Zinsen und Lizenzvergütungen). Im Falle der<br />

USA konnte das vor kurzem gestellte US-Begehren um<br />

Gewährung einer umfassenden Amtshilfe vorläufig zurückgewiesen<br />

werden 85 .<br />

Angesichts der grossen volkswirtschaftlichen Bedeutung<br />

der international tätigen Unternehmen in der<br />

Schweiz sowie der Wichtigkeit der steuerlichen <strong>St</strong>andortfaktoren<br />

für die Ansiedlung und den Verbleib von international<br />

tätigen Zwischengesellschaften muss die<br />

Schweiz weiterhin alles daran setzen, um aus der für sie<br />

schwierigen Situation das Beste zu machen. Dabei hat<br />

sich der Weg bilateraler Verhandlungen bisher als erfolgreiche<br />

<strong>St</strong>rategie erwiesen. Nachdem sich aufgrund der<br />

jüngsten Entwicklungen in der EU und in der OECD in<br />

etwa abzeichnet, in welche Richtung die internationalen<br />

Bestrebungen gehen werden und was künftig im Bereich<br />

der <strong>St</strong>euerordnungen von den <strong>St</strong>aaten verlangt werden<br />

kann, gilt es, die neu entstandene Situation sorgfältig zu<br />

beurteilen, bisherige Praktiken im Sinne einer Interessenabwägung<br />

zu überdenken und sodann eine Gesamtstrategie<br />

zur Erhaltung und Verbesserung der internationalen<br />

Attraktivität des <strong>St</strong>euerstandortes Schweiz zu entwickeln.<br />

86<br />

Literatur und Materialien<br />

BIAC, A Business View on Tax Competition, June 1999<br />

– Input to Application Notes on Holding Companies<br />

in the Context of «Harmful» Tax Competition,<br />

1.12.2000<br />

BIAC, Comments on the OECD Draft Application Notes<br />

on Transfer Pricing and Rulings, 11.1.2002<br />

– Views on the OECD Project on Harmful Tax Practices:<br />

The 2001 Progress Report and Related Issues,<br />

Discussion Paper, 29.1.2002<br />

– Comments of BIAC to the OECD to OECD Consolidated<br />

Application Note: Guidance in Applying the<br />

1998 Report to Preferential Tax Regimes,<br />

23.9.2002<br />

FRITS, Taxation and Competition: The<br />

Realization of the Internal Market, European Taxation,<br />

September 2000, S. 401 ff.<br />

BOLKESTEIN<br />

84 Die Liste entsprechender schweizerischer Bemühungen ist<br />

lang. Zwar konnten in einzelnen Fällen Verbesserungen erwirkt<br />

werden, doch teilen nicht alle <strong>St</strong>aaten die Haltung der<br />

Schweiz, dass innerstaatliche Missbrauchsregeln mit den<br />

DBA vereinbar sein müssen; vgl. OECD Report 1998, Empfehlung<br />

Nr. 10 und Ziff. 121–125.<br />

86 Eine solche Gesamtstrategie muss die Analyse der steuerlichen<br />

und nichtsteuerlichen (z.B. <strong>St</strong>andortförderung) Rahmenbedingungen<br />

umfassen. Dabei sollten alle <strong>St</strong>euern (direkte<br />

<strong>St</strong>euern, Verrechnungssteuer, Mehrwertsteuer, Transaktionssteuern)<br />

auf mögliche <strong>St</strong>andortverbesserungen überprüft<br />

werden.<br />

85 Verständigungsvereinbarung Schweiz–USA vom 23.1.<strong>2003</strong>.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


122 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz<br />

ECOFIN, Beschluss vom 1.12.1997 (98/C 2/01)<br />

– Code of Conduct Group, 26.–27.11.2000<br />

– Outcome of Proceedings, 21 January <strong>2003</strong><br />

(5566/03)<br />

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the European Union, 1.10.1997, COM(97)495 final<br />

– Towards an Internal Market without Tax Obstacles,<br />

23.10.2001, COM(2001)582 final<br />

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LODIN SVEN-OLAF, What Ought to be Taxed and What<br />

Can be Taxed: A New International Dilemma, IBFD<br />

Bulletin, May 2000, S. 210 ff.<br />

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Intertax 26 (1998), S. 230 ff.<br />

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1998<br />

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Bank Information for Tax Purposes, April 2001<br />

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2001 Progress Report, 14.11.2001<br />

– Model Agreement on Exchange of Information on<br />

Tax Matters, 18.4.2002<br />

– Draft Consolidated Application Note, Guidance in<br />

Applying the 1998 Report to Preferential Tax Regimes,<br />

Discussion Draft, 10.7.2002<br />

– Model Tax Convention on Income and on Capital,<br />

Condensed Version, January <strong>2003</strong><br />

SCHÖN WOLFGANG, <strong>St</strong>euerwettbewerb in Europa, ASA<br />

71 (2002/03), S. 337 ff.<br />

SCOTT CORDIA, Low Tax Jurisdictions Press OECD to<br />

Answer Questions on Fairness, Tax Notes International,<br />

14.5.2001, S. 2411 ff.<br />

SPENCER DAVID, Tax Havens and Harmful Tax Practices<br />

– OECD Update, Journal of International Taxation,<br />

April 2002, S. 8 ff.<br />

– OECD Project on Tax Havens and Harmful Tax<br />

Practices, Journal of International Taxation, July<br />

2002, S. 14 ff.<br />

– OECD Proposals: A <strong>St</strong>atus Report, Journal of International<br />

Taxation, April 2002, S. 32 ff.<br />

– OECD Model Agreement is a Major Advance in Exchange<br />

of information, Journal of International Taxation,<br />

October 2002, S. 34 ff.<br />

US TREASURY NEWS, <strong>St</strong>atement of Paul H. O’Neill be -<br />

fore the Senate Committee on Governmental Affairs,<br />

Permanent Subcommittee on Investigations,<br />

OECD Harmful Tax Practices Initiative, Press release,<br />

18.7.2001<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


123<br />

Répartitions intercantonales en cas de modi -<br />

fication de l’assujettissement en cours de période<br />

fiscale: survol critique de la Circulaire n° 17<br />

Quelques questions choisies parmi les recommandations émises par la Conférence suisse des impôts<br />

concernant les personnes morales<br />

Daniel de Vries Reilingh, avocat, LL.M. (Lancaster/GB)*<br />

Sommaire<br />

1 Le contexte<br />

2 La répartition du bénéfice en cas de transfert de<br />

siège (ou de l’administration effective) en cours de<br />

période fiscale<br />

2.1 Le droit fiscal intercantonal avant le 1 er janvier 2001<br />

2.2 La situation depuis le 1 er janvier 2001<br />

2.2.1 La répartition des éléments extraordinaires – l’attribution<br />

prioritaire recommandée par la CSI<br />

2.2.2 La répartition des éléments ordinaires, effectuée pro<br />

rata temporis<br />

2.2.3 Modification importante de l’activité de l’entreprise et<br />

transfert de siège<br />

3 La répartition du bénéfice en cas d’ouverture ou<br />

de fermeture d’un établissement stable en cours de<br />

période fiscale<br />

3.1 Ouverture suivie de la fermeture au cours de la<br />

même période fiscale d’un établissement stable<br />

3.2 Ouverture d’un établissement stable<br />

3.3 Fermeture d’un établissement stable<br />

3.3.1 Introduction<br />

3.3.2 Les méthodes de répartition<br />

4 La répartition du capital<br />

4.1 Transfert de siège<br />

4.2 Modification du rattachement économique dans un<br />

autre canton que celui du siège en cours de période<br />

fiscale: la correction au profit ou à la charge du siège<br />

4.3 Comment déterminer la part au capital de l’établissement<br />

stable fermé en cours de période fiscale?<br />

4.4 Achat ou vente d’un immeuble de placement en<br />

cours de période fiscale<br />

5 Conclusion<br />

Bibliographie<br />

Circulaires, ordonnances et messages<br />

* Expert fiscal diplômé, Lausanne<br />

1 Le contexte<br />

Entrée en vigueur avec effet rétroactif au 1 er janvier<br />

2001, la loi fédérale du 15 décembre 2000 sur la coordination<br />

et la simplification des procédures de taxation des<br />

impôts directs dans les rapports intercantonaux (ciaprès:<br />

loi de coordination) a considérablement modifié<br />

la fiscalité intercantonale 1 , tout particulièrement la manière<br />

de répartir le bénéfice et le capital, respectivement<br />

le revenu et la fortune, entre les cantons. En effet, les<br />

nouvelles dispositions, abolissant une jurisprudence parfois<br />

centenaire, abandonnent le principe de la fragmentation<br />

de la période fiscale en cas de modification des fors<br />

d’imposition en cours de période fiscale au profit de celui<br />

de l’unité de cette période. L’application de ce dernier<br />

principe doit permettre le dépôt d’une seule déclaration<br />

dans les cantons concernés et éviter les difficultés de la<br />

taxation – pour l’autorité comme pour le contribuable –<br />

liées à la fragmentation de la période fiscale. En même<br />

temps, la compétence de taxer l’impôt fédéral direct et<br />

l’impôt cantonal et communal pour la même période fiscale<br />

échoit ainsi à la même autorité. Par ailleurs, les ob -<br />

stacles fiscaux à la mobilité des personnes sont ainsi être<br />

levés 2 .<br />

La Conférence suisse des impôts (ci-après: CSI ou la<br />

Conférence) a édité des circulaires, publiées au 2 ème semestre<br />

2001, présentant sa vision des répartitions inter-<br />

1 JEAN-BLAISE PASCHOUD (Evolution ou révolution du droit fiscal<br />

intercantonal? La loi sur la coordination et la simplification des<br />

procédures de taxation des impôts directs dans les rapports intercantonaux)<br />

constate d’abord, dans sa partie introductive,<br />

que la loi de coordination a pour base non seulement l’art. 129<br />

Cst. relatif à l’harmonisation fiscale, mais aussi l’art. 127 al.3<br />

Cst. interdisant la double imposition intercantonale. Il soutient<br />

qu’«en soi, cette intervention du législateur fédéral dans les relations<br />

intercantonales constitue déjà une petite révolution»<br />

(p. 837). Il estime cependant ensuite, dans sa conclusion, que<br />

la démarche suivie par les cantons et le législateur était «plus<br />

évolutive que révolutionnaire» (p. 853).<br />

2 Ces principes, soit l’unité de la période fiscale, la coordination<br />

des règles d’attribution de compétence, le dépôt d’une<br />

seule déclaration par le contribuable assujetti à l’impôt dans<br />

plusieurs cantons et la levée des obstacles fiscaux à la mobilité<br />

intercantonale, sont brièvement résumés dans le Message<br />

du Conseil fédéral du 24 mai 2000 concernant la coordination<br />

et la simplification des procédures de taxation des impôts<br />

directs dans les rapports intercantonaux (ci-après: Message),<br />

FF 2000 IV 3587 et ss., p. 3591 à 3592.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


124 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

cantonales telles qu’elles devraient être effectuées en<br />

application des nouvelles dispositions. La loi de coordination<br />

ne fixe en effet que les grands principes. Le législateur<br />

a volontairement omis d’arrêter une réglementation<br />

détaillée, y compris même les règles de base pour<br />

les répartitions intercantonales en application des nouveaux<br />

principes. Il s’est contenté de renvoyer à la jurisprudence<br />

du Tribunal fédéral relative à l’interdiction de<br />

la double imposition intercantonale en déclarant que les<br />

règles établies par notre Haute Cour étaient «applicables<br />

par analogie» (cf. art. 22 al. 3 et 68 al. 2, 3 ème<br />

phrase LHID).<br />

S’agissant des personnes morales, la Conférence a publié<br />

en particulier la Circulaire n° 17 qui aborde diverses<br />

questions relatives aux répartitions intercantonales,<br />

notamment les effets du transfert de siège (ou de<br />

l’administration effective) et d’une modification d’un<br />

rattachement économique en cours de période fiscale.<br />

L’objectif du présent article est de passer en revue cette<br />

Circulaire en approfondissant quelques questions choisies<br />

des nouvelles répartitions intercantonales proposées<br />

pour les personnes morales. Nous traiterons en particulier<br />

des règles de répartition du bénéfice en cas de<br />

transfert de siège et en cas d’ouverture ou de fermeture<br />

d’un établissement stable en cours de période fiscale.<br />

Nous examinerons également les règles de répartition<br />

du capital. Notre démarche consistera à présenter les<br />

règles de répartition proposées par la CSI et d’examiner<br />

si elles sont conformes à la jurisprudence du Tribunal<br />

fédéral relative à l’interdiction de la double imposition<br />

intercantonale. Sur certains points, nous proposerons<br />

aussi des répartitions qui correspondent à notre sens<br />

mieux à la jurisprudence précitée.<br />

2 La répartition du bénéfice en<br />

cas de transfert de siège (ou de<br />

l’administration effective) en<br />

cours de période fiscale<br />

2.1 Le droit fiscal intercantonal avant le<br />

1 er janvier 2001<br />

Avant l’entrée en vigueur de la loi de coordination, l’entreprise<br />

devait établir un bilan intermédiaire au moment<br />

du transfert de siège (ou de l’administration effective)<br />

d’un canton vers un autre, de manière à permettre aux<br />

cantons de départ et d’arrivée de la taxer sur la base des<br />

seuls éléments acquis avant, respectivement après le déplacement<br />

du siège. Le canton de départ était en droit<br />

d’imposer notamment les réserves latentes existantes<br />

avant le transfert 3 . Le canton d’arrivée ne pouvait pas<br />

baser sa taxation sur les éléments acquis avant l’arrivée,<br />

mais n’était – par contre – pas non plus obligé de compenser<br />

les éléments réalisés sur son territoire avec les<br />

pertes éventuelles provenant du canton de départ 4,5 .<br />

2.2 La situation depuis le 1 er janvier 2001<br />

Sous la nouvelle loi de coordination, le transfert du<br />

siège (ou de l’administration effective) n’a plus pour effet<br />

de fragmenter la période fiscale et n’entraîne dès<br />

lors plus l’obligation pour la société d’effectuer une<br />

clôture intermédiaire au moment du transfert. En vertu<br />

du principe de l’unité de la période fiscale, la personne<br />

morale est assujettie à l’impôt dans les cantons concernés<br />

pour la période fiscale entière (art. 22 al. 1 LHID).<br />

Les cantons de départ et d’arrivée imposent chacun une<br />

quote-part du bénéfice global de la période fiscale.<br />

Dans sa Circulaire n° 17, la CSI précise qu’«en règle<br />

générale et par souci de simplification, la répartition<br />

peut se faire en fonction de la durée du rattachement<br />

personnel de l’entreprise dans chacun des cantons durant<br />

la période fiscale prise en considération. Le cas<br />

échéant, on tiendra compte dans le cadre de la répartition<br />

du produit global net de la période fiscale de la réalisation,<br />

liée au transfert, de produits ou de pertes extraordinaires.»<br />

6 Ainsi, les produits extraordinaires tirés de<br />

la vente d’actifs lors du départ seront attribués au can-<br />

3 Cf. p. ex. l’art. 55e de la loi vaudoise du 26 novembre 1956<br />

sur les impôts directs cantonaux, en vigueur jusqu’au 31 décembre<br />

2000; IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung<br />

der Veranlagungsverfahren für die direkten <strong>St</strong>euern<br />

im interkantonalen Verhältnis, p. 137, 143, 222, 230 (cité:<br />

Koordination und Vereinfachung); PETER LOCHER, <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

und interkantonales <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>, p. 609, 629.<br />

4 KURT LOCHER, Die Praxis der Bundessteuern, 3 ème partie: la<br />

double imposition intercantonale, § 8, II C, 1b, n° 15, consid.<br />

3a; Archives 48 (1979/80), consid. 2, p. 93-94.<br />

5 A ce sujet, ainsi que concernant les modifications apportées<br />

par la loi de coordination, cf. également IVO P. BAUMGARTNER,<br />

Koordination und Vereinfachung, p. 142; du même auteur,<br />

Verlustverrechnung im interkantonalen Verhältnis, p. 293,<br />

298; CLAUDIA RIHNER BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung<br />

der Veranlagungsverfahren für die direkten <strong>St</strong>euern<br />

im interkantonalen Verhältnis, p. 177 et s., 181 et 187; HANS-<br />

PETER KURZ, Interkantonale Verlustverrechnung neu geregelt,<br />

853-854.<br />

6 Circulaire n o 17, ch. 31 p. 3; cf. également Circulaire n° 15 de<br />

la CSI du 31 août 2001, «Coordination et simplification des<br />

procédures de taxation des impôts dans les rapports intercantonaux»,<br />

ch. 321 p. 7.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

125<br />

ton de départ. Il en va de même de charges extraordinaires<br />

7 . La CSI a repris ces principes de répartition du<br />

Message du Conseil fédéral 8 .<br />

Ces principes sont-ils cependant conformes «aux règles<br />

du droit fédéral relatives à l’interdiction de la double<br />

imposition intercantonale, applicables par analogie»<br />

(art. 22 al. 3 LHID)? Correspondent-ils aux règles applicables<br />

en cas d’assujettissement à l’impôt dans plusieurs<br />

cantons pour la même période, comme l’ont préconisé<br />

certains auteurs? 9 Les principes de répartition<br />

préconisés par la CSI doivent être examinées à la lu -<br />

mière de ces règles.<br />

2.2.1 La répartition des éléments extraordinaires<br />

– l’attribution prioritaire recommandée<br />

par la CSI<br />

Comme nous venons de le voir, la CSI, reprenant le<br />

Message du Conseil fédéral sur ce point, recommande<br />

de tenir compte des éléments extraordinaires (bénéfice<br />

ou perte) réalisés dans le canton de départ. Cette attribution<br />

prioritaire vise à faire coïncider le résultat attribué<br />

au canton avec l’activité effective qui y est exercée.<br />

Force est d’en conclure que les nouvelles règles de répartition<br />

ne s’écartent pas entièrement de la situation<br />

existant avant le 1 er janvier 2001. Or, dans un système<br />

où le bénéfice d’un exercice forme un tout 10 , réparti selon<br />

une clé, il n’y a à notre avis plus de place pour des<br />

attributions prioritaires.<br />

En effet, dans cette méthode fondée sur «l’unité du bénéfice»,<br />

selon le Tribunal fédéral, la répartition du bénéfice<br />

(et du capital) d’une entreprise intercantonale est<br />

effectuée en fonction de quotes-parts 11 entre les différents<br />

fors fiscaux. Le total des différentes quotes-parts<br />

ne peut jamais excéder 100% 12 . Exprimé de manière négative,<br />

aucun canton concerné ne peut imposer la succursale<br />

(ou le siège) située dans son canton de façon<br />

isolée; c’est-à-dire qu’il lui est interdit de n’imposer<br />

que le capital, respectivement le bénéfice réalisés sur<br />

son territoire 13 . Or, c’est justement ce que propose la<br />

CSI: lorsqu’elle recommande d’attribuer de manière<br />

prioritaire au canton de départ le bénéfice extraordi -<br />

naire lié au transfert, ce canton considère l’entreprise<br />

intercantonale non pas comme un ensemble, mais l’impose<br />

de façon isolée, ce qu’interdit la jurisprudence précitée<br />

du Tribunal fédéral.<br />

Pour résumer, en attribuant une part prioritaire à un canton,<br />

le bénéfice – qui forme un tout – n’est plus réparti<br />

par quotes-parts, selon une clé prédéterminée, mais de<br />

façon objective (ou isolée). Le canton de départ, profitant<br />

par exemple de l’attribution prioritaire du bénéfice<br />

extraordinaire réalisé dans son canton, impose plus que<br />

la part lui revenant dans une répartition établie en fonction<br />

de quotes-parts. Pour cette raison, la règle établie<br />

par la Conférence est contraire à l’interdiction constitutionnelle<br />

de la double imposition intercantonale, peu<br />

importe au demeurant que la double imposition ne soit<br />

que virtuelle et non pas effective 14 .<br />

2.2.2 La répartition des éléments ordinaires,<br />

effectuée pro rata temporis<br />

Il est intéressant d’illustrer la répartition des éléments<br />

ordinaires préconisée à l’aide d’un exemple et de la<br />

comparer aux règles établies par le Tribunal fédéral<br />

lorsque l’assujettissement s’étend à plusieurs cantons.<br />

Les règles de répartition en cas de transfert de siège (ré-<br />

7 Circulaire n o 17, ch. 32, les exemples 2 et 3, p. 4 à 5.<br />

8 Cf. le Message aux p. 3597-3598: «S’il y a transfert du siège<br />

d’une entreprise entre deux cantons au cours de la même période,<br />

le bénéfice global de la période sera réparti entre les<br />

cantons de l’ancien et du nouveau sièges. En règle générale,<br />

la répartition des éléments imposables sera effectuée prorata<br />

temporis. Il pourra en aller différemment si les circonstances<br />

le justifient. Tel sera le cas si le bénéfice comporte un<br />

élément extraordinaire (p. ex., une reprise d’amortissements<br />

lors de l’aliénation d’un immeuble d’exploitation) faisant<br />

l’objet, dans le cadre de la répartition du bénéfice global net<br />

de la période, d’une attribution prioritaire au canton concerné.<br />

De même, la méthode de répartition pourra aussi tenir<br />

compte de modifications importantes de l’activité du nouveau<br />

siège liées à une restructuration de l’entreprise. On<br />

pourra également prendre en considération, dans ce cadre,<br />

la création d’un établissement stable dans le canton de départ<br />

simultanément au transfert de siège. La diversité des situations<br />

justifie le renvoi aux principes et critères établis par<br />

le Tribunal fédéral dans une jurisprudence aujourd’hui plus<br />

que centenaire. L’application de ces règles jurisprudentielles<br />

est effectuée «par analogie», puisque le Tribunal fédéral n’a<br />

pas eu jusqu’ici à se prononcer sur la répartition, entre plusieurs<br />

cantons de siège de l’entreprise, des éléments d’une<br />

seule et même période fiscale.»<br />

9 JEAN-BLAISE PASCHOUD, p. 848.<br />

10 Cf. dans ce sens, IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Ver -<br />

einfachung, p. 143; 222-223.<br />

11 KURT LOCHER, § 8, II A, en particulier n° 3, 6, 8,10; les quotesparts<br />

(ou clés de répartition) sont en principe déterminées<br />

soit sur la base de la comptabilité du siège et des différentes<br />

succursales («méthode directe» en matière intercantonale)<br />

soit selon des facteurs auxiliaires (en principe le chiffre d’affaires<br />

ou les facteurs de production «travail» et «capital») internes<br />

à l’entreprise («méthode indirecte» en matière intercantonale)<br />

(PETER LOCHER, Einführung, p. 119-120 et 125-127;<br />

ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, Interkantonales <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>,<br />

p. 396-400; JEAN-PIERRE GUNTER, Pratique de la fiscalité intercantonale:<br />

L’imposition des entreprises, p. 117 et s. ainsi que<br />

201 et s., 122-123).<br />

12 KURT LOCHER, § 8, II C, 1b, n° 9 et 11.<br />

13 PETER LOCHER, Einführung, p. 118; KURT LOCHER, § 8, II C, 1a, en<br />

particulier n° 3, 5, 7 et 8.<br />

14 Sur ces notions, cf. PETER LOCHER, Einführung, p. 33-36<br />

(double imposition effective) et 37-39 (double imposition virtuelle);<br />

ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 36-37.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


126 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

partition pro rata temporis) étant différentes de celles<br />

applicables lorsque l’assujettissement s’étend à plusieurs<br />

cantons (répartition sur la base de la comptabilité<br />

ou selon des facteurs auxiliaires internes à l’entreprise<br />

reflétant son activité économique), les éléments imposables<br />

(bénéfice et capital) dans les cantons concernés<br />

peuvent varier considérablement d’une méthode à<br />

l’autre. Il est frappant – et les exemples l’illustrent –<br />

que la répartition pro rata temporis ne tient pas du tout<br />

compte de l’activité économique déployée par l’entreprise<br />

intercantonale.<br />

Exemple: Une société de commercialisation déplace<br />

son siège le 1 er juillet du canton A dans le<br />

canton B. Elle réalise un chiffre d’affaires de<br />

CHF 900 durant le premier semestre et de CHF<br />

600 pendant la deuxième partie de l’année. Le<br />

bénéfice s’élève à CHF 100. Aucun événement<br />

extraordinaire n’influence ces éléments.<br />

Répartition intercantonale du bénéfice selon les<br />

recommandations de la CSI (répartition pro rata<br />

temporis)<br />

Total Canton A Canton B<br />

Pourcentages 100% 50% 50%<br />

Bénéfice CHF 100 CHF 50 CHF 50<br />

Selon la méthode préconisée par la Conférence, le bénéfice<br />

est réparti par moitié (pro rata temporis) entre les<br />

cantons A et B. Chaque canton impose donc un béné -<br />

fice de CHF 50.<br />

Répartition intercantonale selon le chiffre<br />

d’affaires<br />

Total Canton A Canton B<br />

Chiffre d’affaires 100% 900/1500 600/1500<br />

= 60% = 40%<br />

Bénéfice CHF 100<br />

Préciput 20% (pro rata temporis) 10 10<br />

Répartition de 80 48 32<br />

du solde (selon chiffre d’affaires)<br />

Total 100 58 42<br />

Dans la répartition ci-dessus, le bénéfice n’a pas été<br />

ventilé en fonction de la durée du rattachement personnel,<br />

mais selon le chiffre d’affaires réalisé dans chaque<br />

canton. Seul le préciput a été attribué pro rata temporis.<br />

Dans la mesure où 60% du chiffre d’affaires total a été<br />

réalisé dans le canton A (durant le premier semestre) et<br />

40% dans le canton B (durant le deuxième semestre), le<br />

bénéfice disponible après attribution du préciput a été<br />

ventilé en fonction de cette clé. Ainsi, CHF 32 plus<br />

CHF 10 (préciput), soit au total CHF 42, sont imposables<br />

dans le canton B et CHF 48 plus CHF 10 (préciput),<br />

soit au total CHF 58, sont imposables dans le canton<br />

A.<br />

La comparaison des deux méthodes de répartition<br />

montre que le contribuable subit une double imposition<br />

virtuelle dans le canton B: Ce dernier canton impose un<br />

bénéfice de CHF 50 si la répartition est effectuée selon<br />

la méthode préconisée dans la Circulaire n° 17, alors<br />

que seul un bénéfice de CHF 42 pourrait y être imposé<br />

si la répartition était effectué selon le chiffre d’affaires,<br />

méthode généralement appliquée dans les relations intercantonales<br />

pour le type d’activité exercée par l’entreprise<br />

dans notre exemple.<br />

Si la même entreprise n’avait pas transféré son siège,<br />

mais exercé son activité dans le canton B par le biais d’un<br />

établissement stable pendant toute la période fis cale, la<br />

répartition aurait été effectuée de la manière suivante:<br />

Total Canton A Canton B<br />

Chiffre d’affaires 100% 900/1500 600/1500<br />

= 60% = 40%<br />

Bénéfice CHF 100<br />

Préciput 20% (pro rata temporis) 20<br />

Répartition de 80 48 32<br />

du solde (selon chiffre d’affaires)<br />

Total 100 68 32<br />

La répartition est effectuée en fonction du chiffre d’affaires,<br />

qui sert de clé de répartition du bénéfice, après<br />

l’attribution du préciput de 20% en faveur du siège.<br />

60% du chiffre d’affaires ayant été réalisé dans le canton<br />

A et 40% dans le canton B, le solde du bénéfice<br />

après préciput est ventilé dans ces proportions. Ainsi,<br />

CHF 32 sont imposables dans le canton B et CHF 48<br />

plus CHF 20 (préciput), soit au total CHF 68, sont imposables<br />

dans le canton A.<br />

La comparaison de ces trois répartitions montre que la<br />

répartition préconisée en cas de transfert de siège est effectuée<br />

différemment par rapport à celle admise pour<br />

une entreprise intercantonale dans la même situation.<br />

Est-ce que le simple fait d’avoir transféré le siège – sans<br />

que des modifications de l’activité soient intervenues –<br />

justifie un traitement différent?<br />

La réponse est clairement négative. A notre avis, la position<br />

nouvelle de la CSI est trop simplificatrice, ne<br />

s’appuie sur aucune base légale et est contraire à la jurisprudence<br />

du Tribunal fédéral concernant l’interdiction<br />

de la double imposition intercantonale. Elle est<br />

sans base légale tout d’abord – ou même contraire à la<br />

loi – parce que le renvoi de l’art. 22 al. 3 LHID signifie<br />

que la jurisprudence du Tribunal fédéral doit être re -<br />

prise. Le législateur fédéral n’a pas souhaité la modifier<br />

sur ce point. Si, ensuite, la CSI propose des règles de répartition<br />

différentes, ces dernières sont – l’exemple cidessus<br />

l’a montré – con traires à la jurisprudence en matière<br />

de double imposition intercantonale.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

127<br />

La Conférence introduit un nouveau critère (à savoir le<br />

temps), que le Tribunal fédéral n’a jamais pris en compte<br />

dans sa jurisprudence. En effet, notre Haute Cour a<br />

jugé qu’une entreprise active dans plusieurs cantons<br />

doit, considérée économiquement, être traitée comme<br />

une unité, dont le bénéfice réalisé est réparti par quotesparts<br />

entre les cantons. Ces quotes-parts, qui permettent<br />

de délimiter directement la souveraineté entre les cantons<br />

et à éviter une double imposition, constituent pour<br />

les cantons des règles fédérales de conflits («bundesrechtliche<br />

Kollisionsnormen») contraignantes («verbindliche»)<br />

et indépendantes de leur législation in -<br />

terne 15 . Si ces règles sont contraignantes pour les cantons,<br />

elles ne peuvent être modifiées que par voie législative<br />

ou jurisprudentielle, mais non pas par une circulaire<br />

administrative. D’après l’art. 22 al. 3 LHID, la répartition<br />

par quotes-parts – quotes-parts établies sur la<br />

base de la comptabilité ou selon des facteurs auxiliaires<br />

internes à l’entreprise – est dès lors la seule méthode<br />

entrant en ligne de compte pour effectuer une répartition<br />

intercantonale en cas de transfert de siège. L’application<br />

de cette méthode à une société ayant transféré<br />

son siège (ou son administration effective) assure en<br />

outre le respect du principe de l’égalité de traitement<br />

par rapport à une entreprise exploitant une succursale<br />

dans un autre canton, comme nous venons de l’illustrer.<br />

Pour ces raisons, l’avis exprimé par certains auteurs 16 ,<br />

soutenant que les facteurs fiscaux (bénéfice et capital)<br />

doivent en règle générale être répartis pro rata temporis<br />

en cas de modification du rattachement tant personnel<br />

qu’économique 17 , ne peut être suivi. C’est bien plus<br />

«une application par analogie des règles de répartition<br />

applicables en cas d’assujettissement à l’impôt dans<br />

plusieurs cantons pour la même période», dans le cadre<br />

d’un transfert du siège ou de l’administration effective<br />

en cours de période fiscale qui s’impose, comme Jean-<br />

Blaise Paschoud 18 l’a proposé.<br />

2.2.3 Modification importante de l’activité de<br />

l’entreprise et transfert de siège<br />

La Circulaire n° 17 est muette au sujet des modifications<br />

importantes de l’activité de l’entreprise liées à une<br />

restructuration ayant entraîné le transfert de siège 19 .<br />

L’interdiction constitutionnelle de la double imposition<br />

intercantonale commande cependant à notre avis de les<br />

prendre en considération. En effet, une modification<br />

importante de l’activité peut influencer le mode de répartition<br />

(selon les facteurs de production ou selon le<br />

chiffre d’affaires, p. ex.) et provoquer un changement de<br />

méthode. Dans son Message, le Conseil fédéral a souhaité<br />

qu’il en soit tenu compte, sans toutefois préciser<br />

comment, estimant que la diversité des situations justifiait<br />

le renvoi aux principes et critères établis par le Tribunal<br />

fédéral 20 .<br />

Lorsqu’une entreprise, comme dans l’exemple ci-après,<br />

ayant jusqu’alors exercé des activités de fabrication et<br />

de commercialisation, abandonne la première dans le<br />

cadre d’une restructuration entraînant en même temps<br />

le transfert de son siège, la méthode de répartition de la<br />

période fiscale au cours de laquelle le transfert a lieu<br />

devrait tenir compte de cette particularité.<br />

Exemple: Le 1 er octobre, une entreprise de fabrication<br />

et de commercialisation transfère son<br />

siège du canton A dans le canton B (exercice<br />

commercial = année civile) et abandonne simultanément<br />

la première activité. Seule subsiste<br />

l’activité de vente (l’entreprise achète désormais<br />

la marchandise auprès de fournisseurs).<br />

Canton A Canton B<br />

Bénéfice 100 000<br />

Préciput 10 000 Pro rata<br />

canton A: 10% temporis: 9/12 7 500<br />

Préciput 20 000 Pro rata<br />

canton B: 20% temporis: 3/12 5 000<br />

Solde disponible 87 500<br />

Préciput de 43 750 Pro rata<br />

fabrication: 50% temporis: 9/12 32 812,50<br />

Solde disponible 54 687,50<br />

Répartition en Canton A: 82% 44 843,75 9 843,75<br />

fonction du chiffre Canton B: 18%<br />

d’affaires<br />

Total 100 000 85 156,25 14 843,75<br />

Cette répartition a été effectuée selon les étapes suivantes:<br />

1. Attribution du préciput pour le siège:<br />

–Le préciput pour l’entreprise mixte (fabrication et<br />

commercialisation) a été fixé à 10% 21 d’entente<br />

entre les cantons et compte tenu de l’activité déployée<br />

au siège. Du fait de la durée de rattachement<br />

réduite, le préciput a été diminué à 9/12.<br />

15 KURT LOCHER, § 8, II C, 1a, n° 8.<br />

16 IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung, p. 224;<br />

PETER ATHANAS/STEFAN WIDMER, n° 30 ad art. 22 LHID.<br />

17 Bien qu’une telle répartition soit plus simple et plus facile à<br />

mettre en pratique et que bon nombre de contribuables et<br />

d’administrations la préfèrent sans doute, il n’en demeure<br />

pas moins qu’elle ne respecte pas l’interdiction de la double<br />

imposition intercantonale.<br />

18 JEAN-BLAISE PASCHOUD, p. 848.<br />

19 Quant à la Circulaire n° 15 (ch. 321 p. 7), elle contient seulement<br />

l’indication suivante: «De même, la méthode de répartition<br />

peut aussi tenir compte des modifications importantes<br />

de l’activité du nouveau siège liées à une restructuration de<br />

l’entreprise».<br />

20 Message, p. 3597-3598; cf. en outre la phrase figurant dans la<br />

Circulaire n° 15 (ch. 321 p. 7) citée à la note précédente.<br />

21 JEAN-PIERRE GUNTER, p. 123; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 432-<br />

435.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


128 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

–Le préciput pour l’entreprise après le changement<br />

de siège et d’activité (désormais, la société n’exer -<br />

ce plus qu’une activité de commercialisation) est<br />

fixé à 20% 22 . Ce préciput est réduit proportionnellement<br />

à la durée de rattachement durant la pé -<br />

riode.<br />

2. Détermination du préciput de fabrication: par le<br />

passé, compte tenu de l’activité déployée par l’entreprise,<br />

les cantons ont arrêté le préciput de fabrication<br />

à 50% (du solde du bénéfice disponible). Durant<br />

la période en cause, ce préciput est réduit proportionnellement<br />

à la durée de rattachement. Si<br />

l’entreprise disposait de sites de production dans<br />

d’autres cantons, le préciput de fabrication devrait<br />

être réparti entre les cantons concernés selon les<br />

facteurs de production.<br />

3. Répartition du solde disponible en fonction du<br />

chiffre d’affaires réalisé dans chaque canton.<br />

Une telle manière de répartir tient compte du changement<br />

d’activité intervenu en cours de période fiscale. Les clés<br />

de répartition sont établies en fonction de l’activité effective<br />

de l’entreprise et basées sur la contribution de<br />

chaque établissement stable au bénéfice de l’entreprise.<br />

Bien que la méthode choisie ne soit pas la plus simple,<br />

elle est la seule à assurer une répartition conforme à<br />

l’interdiction de la double imposition intercantonale 23 .<br />

3 La répartition du bénéfice en cas<br />

d’ouverture ou de fermeture d’un<br />

établissement stable en cours de<br />

période fiscale<br />

Depuis le 1 er janvier 2001, l’ouverture et la fermeture<br />

d’un établissement stable ne donnent plus lieu à l’établissement<br />

d’un bilan intermédiaire, dès lors que «l’assujettissement<br />

à raison du rattachement économique<br />

fondé sur l’art. 21 al. 1 (LHID), dans un autre canton<br />

que celui du siège ou de l’administration effective,<br />

s’étend à la période fiscale entière, même s’il est créé,<br />

modifié ou supprimé au cours de celle-ci» (art. 22 al.2<br />

LHID). «Le bénéfice et le capital sont répartis entre les<br />

cantons concernés conformément aux règles du droit fédéral<br />

relatives à l’interdiction de la double imposition<br />

intercantonale, applicables par analogie» (art. 22 al.3<br />

LHID). Dans sa Circulaire n° 17, la CSI a exposé comment<br />

la répartition intercantonale devrait être effectuée<br />

en application de ces nouvelles dispositions.<br />

3.1 Ouverture suivie de la fermeture au<br />

cours de la même période fiscale d’un<br />

établissement stable<br />

Dans sa Circulaire n° 17, la Conférence explique au sujet<br />

de l’établissement stable ouvert et fermé au cours de<br />

la même période fiscale qu’ «en principe, la durée très<br />

limitée de l’établissement constitue un obstacle à sa<br />

qualification d’établissement stable. De ce fait, une attribution<br />

d’une quote-part du capital et du bénéfice imposables<br />

au canton dans lequel l’entreprise a ouvert et<br />

fermé un établissement stable dans le cours de la période<br />

fiscale ne se justifie pas. Il convient d’éviter un<br />

émiettement des souverainetés fiscales. Par ailleurs, la<br />

détermination de la quote-part du capital et du bénéfice<br />

de l’établissement ouvert, puis fermé en cours de la<br />

même période fiscale, se heurterait à de grandes difficultés<br />

pratiques.» 24<br />

Est-ce que cette recommandation est conforme à l’interdiction<br />

de la double imposition intercantonale?<br />

Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, «par établissement<br />

stable, il faut entendre toute installation fixe et<br />

permanente dans laquelle s’exerce une partie quantitativement<br />

et qualitativement importante de l’activité technique<br />

ou commerciale de l’entreprise» 25 . D’après cette<br />

définition, les conditions suivantes doivent être remplies<br />

pour qu’une installation constitue un établissement<br />

stable:<br />

(1) une installation fixe et permanente;<br />

(2) dans laquelle s’exerce une partie quantitativement<br />

et qualitativement importante de l’activité;<br />

(3) faisant partie de l’entreprise 26 .<br />

Le premier critère exige que les installations soient en<br />

permanence à disposition de l’entreprise; une utilisation<br />

qui ne serait que temporaire ne suffit pas 27 . Lorsqu’une<br />

succursale est ouverte et fermée durant le même exer -<br />

cice, la question se pose de savoir si ce critère est rempli.<br />

Dans sa jurisprudence concernant les chantiers de<br />

construction, notre Haute Cour a précisé que les critères<br />

pour juger de la durabilité des installations de chantier<br />

ne sont pas tant les limites temporelles, mais bien plus<br />

l’importance économique de la construction et le type et<br />

22 JEAN-PIERRE GUNTER, p. 123; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 432-<br />

435.<br />

23 Il est vrai que pour faciliter la répartition intercantonale, il<br />

serait plus simple soit d’établir un bilan intermédiaire soit de<br />

transférer le siège et de modifier l’exploitation en fin de période<br />

fiscale. Cette dernière manière de faire permettrait en<br />

outre de mieux délimiter les résultats avant et après la modification<br />

intervenue.<br />

24 Circulaire n o 17, ch. 45 p. 12.<br />

25 KURT LOCHER, § 8, I D, 1 n° 10 consid. 3a.<br />

26 PETER LOCHER, Einführung, p. 64; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI,<br />

p. 143.<br />

27 ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 144.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

129<br />

l’organisation des installations sur place 28 . Vu cette définition,<br />

la qualité d’établissement stable d’une installation<br />

ouverte, puis fermée au cours de la même période<br />

fiscale ne sera généralement pas donnée dans la mesure<br />

où tant le type que l’organisation des installations ne seront<br />

en principe que de caractère provisoire 29 et l’importance<br />

économique sera secondaire 30 .<br />

Par ailleurs, compte tenu de l’importance économique<br />

accessoire justement, l’installation ici examinée ne<br />

remplira la plupart du temps pas non plus le 2 ème critère<br />

(à savoir l’exercice d’une partie quantitativement et<br />

qualitativement importante de l’activité).<br />

Dans son principe, la recommandation de la Conférence<br />

nous paraît donc tout à fait juste. Il faut toutefois réserver<br />

les cas particuliers où un établissement stable devrait<br />

néanmoins être reconnu, même s’il a été ouvert et<br />

fermé au cours de la même période fiscale. Tel est notamment<br />

le cas lorsque l’entreprise intercantonale a<br />

acheté et vendu en cours d’année un immeuble d’exploitation<br />

où elle a exercé (pour un temps très limité)<br />

son activité. Dans ce cas, il serait difficile de refuser au<br />

canton concerné le droit d’imposer un éventuel gain de<br />

plus-value réalisé sur cet immeuble, ce qui revient à reconnaître<br />

– ne serait-ce que de manière implicite –<br />

l’existence d’un établissement stable dans le canton. En<br />

effet, si l’immeuble en cause constituait un immeuble<br />

de placement, constitutif d’un for spécial, et non pas un<br />

immeuble d’exploitation, le gain immobilier devrait<br />

être attribué de façon objective au canton concerné sans<br />

tenir compte du résultat d’exploitation 31 . Il nous semble<br />

cependant qu’une telle qualification de l’immeuble, impliquant<br />

une répartition objective, n’entre pas en ligne<br />

de compte dans un tel cas.<br />

3.2 Ouverture d’un établissement stable<br />

La CSI recommande d’effectuer la répartition intercantonale<br />

du bénéfice global de l’entreprise, pour la période<br />

fiscale au cours de laquelle l’établissement stable<br />

a été ouvert, selon la méthode de répartition directe ou<br />

indirecte 32 . Lorsque l’entreprise intercantonale réalise<br />

certains actifs attribués au canton du siège ou à un canton<br />

d’un établissement stable en vue de l’ouverture d’un<br />

nouvel établissement stable, la Conférence préconise<br />

d’inclure le produit de réalisation de ces actifs (mobiliers)<br />

dans le bénéfice global à répartir entre tous les<br />

cantons (y compris celui du nouvel établissement<br />

stable). Elle relativise cette règle en précisant qu’«exceptionnellement,<br />

on tiendra compte dans le cadre de la<br />

répartition du produit global net de la période fiscale de<br />

la réalisation, liée à l’ouverture d’un établissement<br />

stable, de produits ou de pertes extraordinaires» 33 .<br />

28 KURT LOCHER, § 8, I D, 2, n° 15, consid 4c. Dans cet arrêt, le Tribunal<br />

fédéral a précisé ce qui suit: «Handelt es sich dabei nicht<br />

bloss um die üblichen mobilen Anlagen, die eine leistungsfähige<br />

Bauunternehmung vorübergehend auf ihren Baustellen<br />

einzusetzen pflegt (wie z.B. Kranen und Kranbahnen, Zementsilos,<br />

Garderobe-, Material- und Baubürobaracken u.ä.), sondern<br />

um mehrere Jahre bestehende und womöglich für die Unternehmung<br />

errichtete Zufahrtstrassen, Seilbahnen, Aufbereitungsanlagen,<br />

Kantinen, Werkspitäler, Maschinenparks, Reparaturwerkstätten<br />

und Bauleitungsbüros, die eine Zusammen -<br />

arbeit mehrerer Bauunternehmungen nahelegen, so rechtfertigt<br />

es sich, von «ständigen» und nicht bloss provisorischen<br />

Anlagen und Einrichtungen und somit von einer die <strong>St</strong>euer -<br />

pflicht im Kanton begründenden Betriebsstätte der beteiligten<br />

Bauunternehmungen zu sprechen». En traduction libre: S’il ne<br />

s’agit pas seulement d’installations mobiles habituelles<br />

qu’une grande entreprise de construction installe d’ordinaire<br />

(comme par exemple des grues et des grues sur rail, des silos<br />

de béton, des baraquements pour le personnel, le matériel et<br />

les bureaux de construction, etc.), mais également de routes<br />

d’accès, de monte-charges, d’installations de conditionnement,<br />

de cantines, d’hôpitaux de chantiers, de parcs de machines,<br />

d’ateliers de réparation et de bureaux de direction de<br />

chantiers existants pendant plusieurs années et érigés pour<br />

l’exploitation, indiquant la collaboration de plusieurs entreprises<br />

de construction, il se justifie de les considérer comme<br />

des installations «permanentes» et non seulement provisoires,<br />

soit d’admettre un établissement stable constitutif d’un<br />

assujettissement fiscal de l’entreprise de construction dans le<br />

canton concerné.<br />

29 On aura généralement tendance à estimer que les installations<br />

n’étaient dès le départ pas faites pour durer, surtout si<br />

la situation est examinée après la fermeture.<br />

30 En effet, la contribution au chiffre d’affaires et au bénéfice de<br />

l’entreprise d’une installation ouverte et fermée au cours de<br />

la même période fiscale sera généralement faible, tant en<br />

termes relatifs (par rapport à l’ensemble de l’entreprise)<br />

qu’en termes absolus (considérée de façon isolée).<br />

31 Au sujet des règles de répartition applicables aux immeubles<br />

de placement cf. ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, § 28, p. 495-540;<br />

PETER LOCHER, Einführung, p. 110-113 et 127-128 et les références<br />

citées.<br />

32 Au sujet de ces notions (répartitions directe et indirecte) cf.<br />

notre note 11.<br />

33 Cf. Circulaire n o 17 (ch. 421 p. 6-7) dont le contenu est le suivant:<br />

«Le canton du siège et le canton de l’établissement<br />

stable se basent sur l’état du capital à la fin de la période fiscale.<br />

L’ouverture de l’établissement stable ne donne pas lieu<br />

à l’établissement d’un bilan intermédiaire. L’assujettissement<br />

à l’impôt vaut pour la période fiscale entière dans le<br />

canton du siège et dans celui de l’établissement stable. Il<br />

convient toutefois de tenir compte de la durée réduite du rattachement<br />

au for secondaire de l’établissement stable. Le<br />

bénéfice global de l’entreprise de la période fiscale au cours<br />

de laquelle l’établissement stable a été ouvert est réparti<br />

entre les cantons concernés (siège et établissement stable),<br />

selon une méthode de répartition directe ou indirecte. En vue<br />

de l’ouverture d’un nouvel établissement stable, l’entreprise<br />

intercantonale peut réaliser certains actifs attribués au canton<br />

du siège ou à un canton d’établissement stable. En règle<br />

générale, le produit de la réalisation d’actifs mobiliers fait<br />

partie du bénéfice global de la période fiscale réparti par<br />

quotes-parts entre tous les cantons, y compris le canton du<br />

nouvel établissement stable. Exceptionnellement, on tiendra<br />

compte dans le cadre de la répartition du produit global net<br />

de la période fiscale de la réalisation, liée à l’ouverture d’un<br />

établissement stable, de produits ou de pertes extraordinaires.<br />

Si les actifs aliénés sont immobiliers, les règles du<br />

droit intercantonal concernant l’attribution du droit d’imposer<br />

le produit de leur réalisation sont alors applicables.»<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


130 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

Cette exception à la règle n’est pas seulement malheureuse,<br />

mais aussi difficile à mettre en pratique.<br />

Malheureuse tout d’abord, parce qu’elle admet des dérogations<br />

au principe de «l’unité du bénéfice» (selon lequel<br />

le bénéfice de l’entreprise forme un tout), qui doit<br />

être réparti entre les cantons de manière directe ou indirecte.<br />

L’attribution prioritaire d’un produit extraordinaire,<br />

lié à l’ouverture d’un établissement stable, à un<br />

canton ne se justifie a priori pas dès lors que les amortissements<br />

sur les actifs réalisés n’ont pas non plus été<br />

attribués de manière prioritaire à ce canton. Le produit<br />

de réalisation d’un actif doit en toute logique suivre le<br />

même sort que les amortissements effectués sur le<br />

même actif. Difficile à mettre en pratique ensuite, car la<br />

Conférence omet de préciser quels sont ces situations<br />

exceptionnelles qui justifieraient une attribution prioritaire<br />

d’un produit ou d’une charge extraordinaire lié à<br />

l’ouverture d’un établissement stable.<br />

Par ailleurs, comme on verra ci-après (cf. ch. 3.3 cidessous),<br />

en cas de fermeture d’un établissement<br />

stable, il n’y a pas d’attribution prioritaire d’éléments<br />

extraordinaires (à l’exception d’un gain de plus-value<br />

immobilière) au canton où s’est trouvé l’établissement<br />

stable fermé. Dans un souci de cohérence (soit de symétrie<br />

des règles), il nous semblerait logique d’y renoncer<br />

également en cas d’ouverture d’un établissement<br />

stable.<br />

En définitive, la règle en cause, ouvrant la porte à l’attribution<br />

prioritaire d’éléments à un certain canton,<br />

semble provenir de la pratique en vigueur avant le<br />

1 er janvier 2001. Sous ce régime, l’établissement d’un<br />

bilan intermédiaire au moment de l’ouverture de l’établissement<br />

stable a permis d’attribuer les produits et les<br />

charges extraordinaires aux cantons concernés. Le législateur<br />

a voulu abolir cette pratique, dans le but notamment<br />

de simplifier les répartitions intercantonales.<br />

Le bénéfice global de l’entreprise formant désormais un<br />

tout, indépendamment des modifications de rattachement<br />

économique intervenues durant la période, il doit<br />

être réparti entre les cantons en fonction des critères<br />

établis par la jurisprudence (en général selon le chiffre<br />

d’affaires ou selon les facteurs de production, si la répartition<br />

est effectue selon la méthode indirecte). Il n’y<br />

a plus de place pour des attributions prioritaires dans un<br />

tel système, puisqu’elles sont même, à notre avis,<br />

contraires à la jurisprudence en matière de double imposition<br />

intercantonale comme nous l’avons démontré<br />

ci-dessus (cf. ch. 2.2.1 au sujet du transfert de siège).<br />

Il faut bien entendu réserver les cas de réalisation<br />

d’actifs immobiliers (immeubles d’exploitation et immeubles<br />

de placement), comme le fait à juste titre la<br />

CSI 34 . Ce domaine n’étant pas encore (entièrement)<br />

harmonisé, des divergences entre cantons peuvent subsister<br />

et subsistent. En effet, le bénéfice réalisé lors de<br />

la vente d’un immeuble d’exploitation doit être scindé,<br />

d’une part, en une «plus-value immobilière», attribuée<br />

exclusivement au canton de situation, et, d’autre part,<br />

en une «reprise d’amortissements», à savoir le bénéfice<br />

comptable, réparti par quotes-parts et inclus dans la<br />

répartition du bénéfice d’exploitation 35 . Alors que les<br />

cantons monistes sont en droit d’imposer la plus-value<br />

immobilière séparément, dans un système dualiste, ce<br />

bénéfice est rajouté à la quote-part d’exploitation cantonale<br />

36 .<br />

3.3 Fermeture d’un établissement stable<br />

3.3.1 Introduction<br />

En cas de fermeture d’un établissement stable, la<br />

Conférence propose de répartir le bénéfice sans attribuer<br />

les éléments extraordinaires à un des cantons touchés,<br />

le bénéfice global étant partagé selon les règles<br />

établies par la jurisprudence du Tribunal fédéral 37 .<br />

Dans la mesure où le bénéfice de l’entreprise forme un<br />

tout, cette solution est à notre sens correcte. Contrairement<br />

au cas d’ouverture d’un établissement stable examiné<br />

ci-dessus, la CSI ne propose à juste titre pas d’attribution<br />

prioritaire d’éléments au canton de l’établissement<br />

stable fermé.<br />

3.3.2 Les méthodes de répartition<br />

La répartition du bénéfice effectuée selon la méthode<br />

dite directe ne pose pas de problème particulier. Il en va<br />

de même de la répartition (indirecte) faite en fonction<br />

du chiffre d’affaires.<br />

Par contre, lorsque la répartition (indirecte) est basée<br />

sur les facteurs de production (travail et capital), la détermination<br />

du facteur capital peut poser des difficultés,<br />

dès lors que les actifs ayant servi à l’obtention du bénéfice<br />

n’existent plus à la fin de la période fiscale dans le<br />

canton de l’établissement stable ayant fermé. La CSI<br />

propose dans ces cas de tenir compte, pour l’établisse-<br />

34 Circulaire n o 17, ch. 421 p. 7.<br />

35 PETER LOCHER, Einführung, p. 127-128 et les références citées;<br />

ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 521-522.<br />

36 PETER LOCHER, Einführung, p. 128; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI,<br />

p. 521-522 ainsi que p. 511.<br />

37 Circulaire n o 17 (ch. 431 p. 9): «Le canton où se trouvait l’établissement<br />

stable fermé ne peut prétendre imposer seul<br />

d’éventuels gains en capital réalisés lors de la fermeture. Est<br />

réservée l’attribution prioritaire d’un gain de plus-value immobilière.»<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

131<br />

ment stable fermé, des actifs existant à la fin de la pé -<br />

riode précédente, la valeur de ces actifs étant alors réduite<br />

proportionnellement à la durée de rattachement 38 .<br />

Cette solution pragmatique est-elle conforme à la jurisprudence<br />

en matière de double imposition intercanto -<br />

nale?<br />

D’abord, de manière générale, les actifs localisés peuvent<br />

varier fortement d’une période à l’autre, de sorte<br />

qu’il est problématique (voire contraire à la jurisprudence<br />

en matière de double imposition intercantonale)<br />

de se baser sur l’actif existant à la fin de la période précédente,<br />

que ce soit d’ailleurs pour un établissement<br />

stable fermé en cours de période fiscale ou pour celui<br />

fermé à la fin de cette période. Ensuite, dans le cas particulier<br />

où l’établissement stable a été fermé en cours de<br />

période fiscale, on ne peut en général attribuer aucun<br />

actif au dit établissement au moment de sa fermeture,<br />

les actifs localisés ayant été réalisés ou transférés dans<br />

un autre canton 39 .<br />

Pour résoudre ces problèmes, il suffirait d’attribuer exceptionnellement<br />

(une part) des comptes mobiles représentant<br />

une part équitable de l’actif ayant existé avant la<br />

fermeture de la succursale à ce canton. Cette solution<br />

pragmatique permettrait de traiter de manière similaire<br />

l’entreprise intercantonale qui a fermé son établissement<br />

stable en cours de période fiscale et celle qui l’a fermée à<br />

la fin de cette période. En effet, le problème (de détermination<br />

de l’actif localisé) est identique dans les deux situations,<br />

de sorte qu’un traitement similaire s’impose.<br />

Par ailleurs, un traitement identique de la répartition du<br />

bénéfice (selon les facteurs de production) et de la répartition<br />

du capital serait ainsi assuré, comme nous le<br />

verrons ci-après lorsque nous traiterons de la répartition<br />

du capital en cas de fermeture d’un établissement stable<br />

en cours de période fiscale (cf. ch. 4.3 ci-après).<br />

L’exemple chiffré figurant dans cette partie de notre exposé<br />

illustre les différences – notables – entre les différentes<br />

méthodes.<br />

4 La répartition du capital<br />

4.1 Transfert de siège<br />

Le transfert de siège ne présente pas de difficulté particulière<br />

pour la répartition du capital. Le capital existant<br />

à la fin de la période fiscale (art. 31 al. 4 LHID) est réparti<br />

entre le nouveau et l’ancien canton de siège en<br />

fonction de la durée de rattachement. Bien que le Tribunal<br />

fédéral n’ait jamais jugé que le critère temporel pouvait<br />

entrer en ligne de compte, celui-ci semble bien le<br />

seul à même de partager équitablement la matière imposable<br />

entre les cantons concernés dans un système qui<br />

prône l’unité de la période fiscale. Cette manière de répartir<br />

paraît aller de soi, au point que la CSI ne l’a guère<br />

mentionnée. Elle ressort par contre clairement des<br />

exemples figurant dans la Circulaire n° 17 40 .<br />

4.2. Modification du rattachement économique<br />

dans un autre canton que celui<br />

du siège en cours de période fiscale: la<br />

correction au profit ou à la charge du<br />

siège<br />

En cas de modification du rattachement économique<br />

(for secondaire ou for spécial) en cours de période fiscale,<br />

le principe général – qui concerne aussi bien les<br />

personnes physiques 41 que les personnes morales – établi<br />

par la Conférence consiste à réduire les éléments attribués<br />

au canton où l’assujettissement limité a été créé<br />

ou supprimé en cours de période 42 . La réduction est effectuée<br />

pro rata temporis. La CSI a précisé qu’«en règle<br />

38 Cf. Circulaire n o 17, ch. 431 p. 9, dont la teneur est la suivante:<br />

«Lorsque la méthode de répartition du bénéfice prend en<br />

compte les facteurs de production, le facteur travail peut être<br />

déterminé sur la base des données de l’exercice au cours duquel<br />

l’établissement stable est fermé. S’agissant du facteur<br />

capital, on pourra par souci de simplification retenir pour<br />

l’établissement stable fermé la répartition des actifs telle<br />

qu’elle existait à la clôture de l’exercice précédent, la valeur<br />

de ces actifs étant alors réduite proportionnellement à la durée<br />

du rattachement.» Cf. également Circulaire n o 17, ch. 432<br />

exemple 6 p. 10-11.<br />

39 Dans cette perspective, tenir compte des actifs existant à la<br />

fin de la période fiscale signifie concrètement retenir le facteur<br />

zéro pour l’établissement stable fermé (aucun actif<br />

n’existe à cet endroit). Cette manière de faire ne serait sans<br />

doute pas conforme aux circonstances ayant permis de réaliser<br />

le bénéfice, dès lors qu’il n’est pas possible économiquement<br />

de réaliser un chiffre d’affaires, et par conséquent un<br />

bénéfice, sans actifs. La CSI a tenté de tenir compte de cette<br />

difficulté en réduisant la valeur des actifs existant à la fin de<br />

la période précédente (= début de la période au cours de laquelle<br />

l’établissement stable a fermé) proportionnellement à<br />

la durée de rattachement. Cette dernière approche n’est à<br />

notre avis pas appropriée, sachant justement que les actifs<br />

peuvent varier fortement d’une période à l’autre.<br />

40 Circulaire n o 17, ch. 32 exemple 1 p. 4.<br />

41 Pour les personnes physiques, cf. la Circulaire n° 18 de la CSI<br />

du 27 novembre 2001, «Répartitions intercantonales en cas<br />

de modification de l’assujettissement en cours de période<br />

fiscale dans le système de la taxation annuelle postnumerando<br />

(personnes physiques)», ch. 31 p. 4-5 ainsi que ch. 341<br />

p. 15.<br />

42 Ce principe, qui veut que la durée réduite de rattachement<br />

soit prise en compte par une réduction appropriée de la quote-part<br />

du capital attribué au canton du for secondaire ou<br />

spécial, figure déjà dans le Message du Conseil fédéral<br />

(p. 3598).<br />

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132 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

générale, cette correction est effectuée au profit ou à la<br />

charge du canton du siège. Il s’agit là d’une mesure de<br />

simplification qui fait abstraction des conditions<br />

exactes de financement de la modification du rattachement<br />

économique.» 43<br />

Ainsi, en cas d’ouverture d’un établissement stable en<br />

cours de période fiscale, si ce n’est pas le canton de<br />

siège qui l’a financé, mais que des actifs provenant d’un<br />

autre canton ont été utilisés pour acquérir les nouveaux<br />

éléments nécessaires à l’exploitation dudit établissement,<br />

la Conférence souhaite que la correction se fasse<br />

néanmoins en faveur du canton du siège.<br />

Une telle schématisation, quels que soient ses aspects<br />

pratiques, ne trouve pas sa source dans la jurisprudence<br />

du Tribunal fédéral, comme l’imposerait le texte légal<br />

(cf. art. 22 al. 3 LHID). Elle ne peut à notre avis être<br />

mise en œuvre que lorsque l’entreprise n’est pas en me -<br />

sure de fournir les informations nécessaires pour déterminer<br />

quels sont les actifs transférés d’un canton à<br />

l’autre. Concrètement, le canton du siège, canton «leader»<br />

44 , doit requérir du contribuable les informations<br />

sur le financement du nouvel établissement stable (ou<br />

sur le transfert des actifs en cas de fermeture d’établissement<br />

stable) afin d’effectuer la correction à charge,<br />

respec tivement en faveur, du canton l’ayant financé<br />

(respectivement ayant bénéficié de nouveaux actifs<br />

transférés du canton où l’établissement stable a été fermé).<br />

Lorsque le financement, respectivement le transfert<br />

des actifs, ne peut pas être déterminé, et dans ce cas<br />

seulement, la simplification administrative de la CSI<br />

peut être appliquée. En effet, toute base légale pour privilégier,<br />

respectivement pénaliser, systématiquement le<br />

canton du siège faisant défaut, il n’y a en principe pas<br />

de raison que le Tribunal fédéral soutienne une décision<br />

cantonale effectuant la correction, de manière tout à fait<br />

arbitraire 45 , au profit ou à la charge du canton de siège.<br />

Par ailleurs, le respect de l’interdiction de double imposition<br />

intercantonale (art. 127 al. 3 Cst.), selon laquelle<br />

«une imposition portant sur une part plus étendue de la<br />

fortune constitue un empiétement sur la souveraineté<br />

fiscale des autres cantons» 46 , n’est plus garanti dans<br />

tous les cas si la méthode préconisée par la CSI est appliquée<br />

sans réserve.<br />

La difficulté à délimiter correctement les souverainetés<br />

fiscales cantonales n’est au demeurant pas nouvelle. Elle<br />

se pose par exemple lorsqu’il s’agit de ventiler les<br />

comptes mobiles. Ces derniers sont attribués au for qu’ils<br />

servent exclusivement ou de manière prépondérante 47 . La<br />

répartition est ainsi généralement effectuée en fonction<br />

des actifs localisés sur le territoire de chaque canton. Il<br />

aurait donc été judicieux de s’inspirer des solutions aux<br />

problèmes existants pour trouver une règle équitable,<br />

respectant les souverainetés fiscales cantonales.<br />

La recommandation simplificatrice de la Conférence est<br />

un raccourci d’autant plus regrettable que la simple précision<br />

selon laquelle la correction est en principe effectuée<br />

au profit du canton ayant financé l’acquisition des<br />

éléments du nouvel établissement stable ou for secondaire<br />

(respectivement à la charge du canton ayant bénéficié<br />

du transfert d’actifs en cas de fermeture d’une succursale<br />

ou de vente de l’immeuble de placement) et<br />

qu’à défaut d’indications permettant d’effectuer cette<br />

correction, cette dernière se fait dans le canton du siège,<br />

aurait suffi pour écarter tout risque de double imposition<br />

intercantonale.<br />

4.3 Comment déterminer la part au capital<br />

de l’établissement stable fermé en<br />

cours de période fiscale?<br />

Le canton dont l’établissement stable a été fermé en<br />

cours de période fiscale ne figure plus parmi les cantons<br />

avec lesquels l’entreprise a un rattachement en fin de<br />

période, mais il peut néanmoins imposer une part au capital,<br />

conformément à l’art. 22 al. 2 LHID. La CSI indique<br />

qu’«en principe, cette quote-part devrait être déterminée<br />

sur la base des actifs de l’établissement stable<br />

au moment de sa fermeture, actifs dont la valeur serait<br />

réduite proportionnellement à la durée du rattachement.<br />

Toutefois, par souci de simplification, cette part peut<br />

équivaloir à la quote-part du canton de l’établissement<br />

stable à la fin de la période fiscale précédente, réduite<br />

proportionnellement à la durée du rattachement économique.»<br />

48<br />

43 Circulaire n o 17, ch. 41 p. 6. A noter que la règle selon laquelle<br />

la réduction est effectuée au profit ou à la charge du canton<br />

du siège n’est pas mentionnée dans le Message du<br />

Conseil fédéral.<br />

44 Circulaire n° 16 de la Conférence suisse des impôts du 31<br />

août 2001, «L’ordonnance du Conseil fédéral du 9 mars 2001<br />

sur l’application de la loi fédérale sur l’harmonisation des<br />

impôts directs dans les rapports intercantonaux», ch. 22 p. 3-<br />

4. Le rôle du canton du siège a été renforcé par l’adoption de<br />

l’Ordonnance du Conseil fédéral du 9 mars 2001 sur l’application<br />

de la loi fédérale sur l’harmonisation des impôts directs<br />

dans les rapports intercantonaux (OLHID; cf. également<br />

le Message, au ch. 1.3.3 p. 3592 et JEAN-BLAISE PASCHOUD,<br />

p. 843-844).<br />

45 Sur cette notion, cf. ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL<br />

HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Vol. II, Berne 2000,<br />

n° 1085 et s., p. 529, et au sujet de la protection judiciaire,<br />

n° 1109-1114, p. 538- 540.<br />

46 KURT LOCHER, § 8, II B, 1, n° 7.<br />

47 KURT LOCHER, § 8, II B, 1, n° 4.<br />

48 Circulaire n o 17, ch. 431, p. 8-9.<br />

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Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

133<br />

Cette solution est à notre avis contraire à la loi, qui prescrit<br />

que le capital propre imposable est fixé sur la base de<br />

son état à la fin de la période fiscale (art. 31 al. 4 LHID),<br />

et non pas au début de cette période, comme le veut la<br />

Conférence. Même si le rattachement avec un canton<br />

dont l’établissement stable a été fermé n’existe plus à la<br />

fin de la période fiscale, il y a néanmoins lieu de lui attribuer<br />

une part. Cette part doit à notre avis être fixée sur la<br />

base des actifs existant au moment de la fermeture de<br />

l’établissement stable 49 , bien que la détermination de ces<br />

actifs soulève des difficultés pratiques. L’actif existant<br />

au début de la période fiscale (qui équivaut à la fin de la<br />

période fiscale précédente) ne peut pas être pris en<br />

compte, dès lors que ce moment n’est pas déterminant<br />

pour l’imposition (cf. art. 31 al. 4 LHID) 50 .<br />

Par ailleurs, la comparaison – illustrée à l’aide des<br />

exemples ci-après – entre une entreprise ayant fermé<br />

son établissement stable à la fin de période fiscale et<br />

celle l’ayant fermé en cours de cette période démontre<br />

que les deux situations sont traitées différemment si la<br />

solution souhaitée par la CSI est appliquée.<br />

1 er exemple: Une entreprise ayant son siège<br />

dans le canton A et une succursale dans le canton<br />

B ferme cette dernière le 1 er janvier N+1. La<br />

répartition du capital pour l’année N (exercice<br />

commercial = année civile) se présente comme<br />

suit:<br />

Total Canton A Canton B<br />

Actifs en fin de période 150 120 30<br />

Pourcentages 100% 80% 20%<br />

Capital imposable 50 40 10<br />

Au 31 décembre, l’actif localisé (avant la fermeture) situé<br />

dans le canton B représente 20% des actifs totaux, le<br />

solde des actifs, soit 80%, se trouvé dans le canton A.<br />

Le capital imposable est réparti dans ces proportions.<br />

2 ème exemple: Une entreprise ayant son siège<br />

dans le canton A et une succursale dans le canton<br />

B ferme cette dernière le 30 novembre de<br />

l’année N (exercice commercial = année civile).<br />

La répartition du capital est effectuée comme<br />

suit:<br />

Solution CSI<br />

Total Canton A Canton B<br />

Actifs en fin<br />

de période 150 150 0<br />

Actifs au début<br />

de la période 100 60 = 60% 40 = 40%<br />

Répartition des 100 60%+1/12x40% 11/12x40%<br />

actifs en % = 63,3% = 36,6%<br />

Capital imposable 50 31,6 18,3<br />

A la fin de l’année N, tous les actifs sont situés dans la<br />

canton A. Au début de cette année, 40% des actifs<br />

étaient situés dans le canton B (succursale) et 60% dans<br />

le canton A (siège). Le pourcentage du canton B doit<br />

être réduit à 11/12 (durée de rattachement dans le canton<br />

B). La correction correspondante est effectuée en<br />

faveur du canton du siège (attribution d’1/12 de la part<br />

du canton B au canton A). Le capital imposable est réparti<br />

en fonction de cette clé.<br />

Solution proposée<br />

Total Canton A Canton B<br />

Actifs en fin<br />

de période 150 150 0<br />

Actifs à la<br />

fermeture de la succ. 150 120 = 80% 30 = 20%<br />

Répartition des<br />

actifs en % 100 11/12x20% 80%+1/12x20%<br />

= 81,6% = 18,3%<br />

Capital imposable 50 40,83 9,16<br />

L’actif existant juste avant la fermeture de la succursale<br />

dans le canton B représente 20% des actifs totaux. Ce<br />

pourcentage est réduit proportionnellement à la durée<br />

de rattachement dans ce canton (à 11/12). La correction<br />

est effectuée en faveur du canton du siège (canton A).<br />

Le capital imposable est réparti en fonction de cette clé<br />

de répartition.<br />

La comparaison montre que la solution consistant à tenir<br />

compte de l’actif au moment de la fermeture de<br />

l’établissement stable est plus conforme à la réalité<br />

(plutôt que de se baser sur l’actif existant au début de la<br />

période fiscale). En effet, toutes choses étant égales, il<br />

n’est pas logique que la part au capital imposable de la<br />

succursale ayant été fermée soit plus élevée lorsque la<br />

fermeture a lieu en cours d’année que lorsque celle-ci se<br />

situe à la fin de la période.<br />

49 JEAN-BLAISE PASCHOUD (p. 850) semble partager notre avis<br />

puisqu’il précise que «c’est en principe la valeur des actifs au<br />

moment de la fermeture de l’établissement stable, ou celle<br />

de l’établissement stable au moment de la clôture des<br />

comptes, réduite proportionnellement à la durée de rattachement<br />

par rapport à celle de la période fiscale, qui permettra<br />

la détermination de la quote-part».<br />

50 IVO P. BAUMGARTNER (Koordination und Vereinfachung, p. 225)<br />

préconise la même solution que la CSI. Il la relativise cependant<br />

en précisant que les circonstances de la période fiscale<br />

doivent être comparables à celle de la période précédente et<br />

que des corrections doivent être apportées si des modifications<br />

structurelles dans la répartition de l’activité commerciale<br />

aux différents endroits sont intervenues entre-temps. Il<br />

reconnaît ainsi – implicitement – que la solution consistant à<br />

se baser sur la période fiscale précédente est un échappa -<br />

toire, mais n’apporte pas d’argument juridique convaincant<br />

plaidant en sa faveur.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


134 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

La solution de la CSI introduit un élément étranger dans<br />

la répartition du capital (soit la détermination du capital<br />

sur la base des actifs existants au début de la période<br />

fiscale). Dans la mesure où l’actif peut varier fortement<br />

d’une période à l’autre (en particulier lorsqu’une succursale<br />

est fermée), la pratique voulue par la Confé -<br />

rence permet de «déplacer» le capital imposable d’un<br />

canton à l’autre. Un tel «déplacement» est clairement<br />

contraire à l’interdiction de la double imposition intercantonale,<br />

dès lors qu’un canton pourrait être amené à<br />

imposer une part plus importante du capital que la part<br />

de l’actif total située sur son territoire à la fin de l’année.<br />

La difficulté à déterminer les actifs localisés de la<br />

succursale fermée (en cours de période fiscale) peut être<br />

résolue – comme proposé au ch. 3.3.2 ci-dessus – en attribuant<br />

exceptionnellement les comptes mobiles représentant<br />

une part équitable de l’actif ayant existé avant la<br />

fermeture de l’établissement stable au canton de départ 51 .<br />

4.4 Achat ou vente d’un immeuble de placement<br />

en cours de période fiscale<br />

L’achat d’un immeuble de placement en cours de période<br />

fiscale ne pose pas de problème: pour la répartition<br />

du capital, la réduction proportionnelle (pro rata<br />

temporis) des éléments acquis en cours de période est<br />

une simple opération mathématique.<br />

En ce qui concerne la vente d’un immeuble de placement,<br />

les mêmes difficultés que celles rencontrées lors<br />

de la fermeture d’un établissement stable se posent en<br />

principe également. Il s’agit en particulier de la détermination<br />

du capital à attribuer au for disparu en cours<br />

de période. S’agissant d’un immeuble, cette difficulté<br />

est toutefois plus facile à surmonter dans la mesure où<br />

sa valeur ne varie en principe pas du tout (ou très peu)<br />

sur une courte période. Sa valeur au moment de la disparition<br />

du for spécial peut ainsi être facilement déterminée.<br />

On retiendra généralement la valeur comptable 52<br />

de l’immeuble avant son aliénation, valeur qui doit être<br />

réduite proportionnellement à la durée de rattachement.<br />

Tout comme dans les cas de répartition du capital en cas<br />

de fermeture d’un établissement stable en cours de période<br />

fiscale, la Conférence souhaite reprendre, pour<br />

l’année de la fermeture, la valeur de l’immeuble à la fin<br />

de la période précédente 53 . Cette solution n’est cependant<br />

pas tout à fait correcte si l’entreprise a dû exceptionnellement<br />

effectuer des amortissements ayant diminué<br />

la valeur de l’immeuble entre le début de la période<br />

fiscale et l’aliénation de cet immeuble. Comme exposé<br />

ci-dessus (ch. 4.3), la valeur de l’actif après l’amortissement<br />

doit être prise en compte, dès lors qu’il s’agit là de<br />

la dernière valeur – avant la vente – de l’actif constitutif<br />

du for spécial 54 .<br />

5 Conclusion<br />

La CSI s’est attelée à la tâche difficile de proposer des<br />

solutions pragmatiques et faciles à mettre en pratique<br />

pour concrétiser les nouvelles règles applicables depuis<br />

le 1 er janvier 2001. Le résultat sont des propositions de<br />

répartitions «de compromis» qui, sur certains points,<br />

ont trop privilégié la simplicité et, sur d’autres, ne se<br />

sont pas entièrement détachées de la situation existant<br />

avant la modification législative en cause.<br />

Ainsi, s’agissant de ce dernier point, l’attribution des<br />

éléments extraordinaires en cas de transfert de siège de<br />

même qu’en cas d’ouverture d’un établissement stable<br />

en cours de période fiscale constitue une entorse malheureuse<br />

au système de répartition selon des quotesparts<br />

où des attributions prioritaires n’ont plus de raison<br />

d’être. Quant à l’excès de simplification, les règles de<br />

répartition suivantes en sont une illustration:<br />

– la répartition pro rata temporis du bénéfice en cas<br />

de transfert de siège;<br />

– la correction correspondante, au profit ou à la charge<br />

du canton du siège, de la réduction des éléments<br />

attribués au for créé ou supprimé en cours de période<br />

fiscale pour la répartition du capital;<br />

– la détermination de la quote-part du capital de l’établissement<br />

stable fermé (et de l’immeuble de placement<br />

vendu) en cours de période fiscale sur la base<br />

de la quote-part de l’année précédente; et<br />

– la prise en compte des actifs de la période précédente<br />

pour déterminer le facteur capital de l’établissement<br />

stable fermé lorsque la répartition du bénéfice<br />

est effectuée en fonction des facteurs de production.<br />

51 Il faut reconnaître qu’en pratique, une telle solution peut<br />

conduire au même résultat que celle soutenue par IVO P.<br />

BAUMGARTNER (Koordination und Vereinfachung, p. 225). Le<br />

raisonnement est cependant différent et à notre avis plus<br />

conforme à l’interdiction constitutionnelle de la double imposition<br />

intercantonale.<br />

52 KURT LOCHER, § 8, II B, 1, n° 13 et 15.<br />

53 Circulaire n o 17, ch. 462 exemple 9 p. 15.<br />

54 Il serait à notre sens faux de se baser sur le prix de vente de<br />

l’immeuble au moment de l’aliénation, dès lors que cet élément<br />

(le prix de vente obtenu en échange de l’immeuble) ne<br />

peut (plus) être rattaché au for disparu. Une telle solution<br />

pourrait au demeurant conduire à de grandes distorsions, si<br />

la valeur vénale était sensiblement différente de la valeur<br />

comptable, distorsions d’autant moins justifiées que la plupart<br />

des biens de l’entreprise (les immeubles non vendus notamment)<br />

sont pris pour leur valeur comptable dans la répartition<br />

intercantonale (cf. dans ce sens la jurisprudence citée à<br />

notre note 52).<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire n o 17<br />

135<br />

L’effort fourni est néanmoins louable, dans la mesure<br />

où les circulaires publiées ont permis de clarifier rapidement<br />

la situation et de combler ainsi l’espace d’insécurité<br />

(juridique) ouvert par ladite modification, au demeurant<br />

bienvenue. Elles proposent en outre sur certains<br />

points, et il faut le souligner, des règles de répartition<br />

tout à fait adaptées à la nouvelle situation juridique<br />

créée. Il en va ainsi de la répartition pro rata temporis<br />

du capital en cas de transfert de siège en cours de période<br />

fiscale, de la répartition du bénéfice sans attribution<br />

prioritaire en cas de fermeture de l’établissement<br />

stable en cours de cette période et de la non prise en<br />

compte de l’établissement stable ouvert et fermé au<br />

cours de la même période fiscale dans la répartition intercantonale<br />

du bénéfice et du capital.<br />

Il ne reste maintenant qu’à attendre les arrêts du Tribunal<br />

fédéral pour savoir si ce dernier suivra ou non les<br />

solutions tracées par la Conférence, le cas échéant sur<br />

quels points il s’en écartera.<br />

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de la loi fédérale sur l’harmonisation des<br />

impôts directs dans les rapports intercantonaux»<br />

Circulaire n° 17 de la CSI du 27 novembre 2001, «Répartitions<br />

intercantonales en cas de modification de<br />

l’assujettissement en cours de période fiscale dans<br />

le système de la taxation annuelle postnumerando<br />

(personnes morales)»<br />

Circulaire n° 18 de la CSI du 27 novembre 2001, «Répartitions<br />

intercantonales en cas de modification de<br />

l’assujettissement en cours de période fiscale dans<br />

le système de la taxation annuelle postnumerando<br />

(personnes physiques)»<br />

Ordonnance du Conseil fédéral du 9 mars 2001 sur l’application<br />

de la loi fédérale sur l’harmonisation des<br />

impôts directs dans les rapports intercantonaux<br />

(OLHID; RS 642.141)<br />

Message du Conseil fédéral concernant la coordination<br />

et la simplification des procédures de taxation des<br />

impôts directs dans les rapports intercantonaux du<br />

24 mai 2000, FF 2000 IV 3587 (cité: Message)<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


136<br />

Praxis-<strong>Forum</strong><br />

Zur Remittance Clause im DBA-UK<br />

Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger*<br />

Inhalt<br />

1 Ausgangslage<br />

1.1 Sachverhalt und Rechtsfrage<br />

1.2 Britisches <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

1.3 Schweizerisch-britische Doppelbesteuerungs -<br />

abkommen<br />

2 Problemstellung<br />

2.1 Unterschiedliche Wortlaute von DBA-UK 1954 und<br />

Folgeversionen<br />

2.2 These von <strong>St</strong>euerpflichtigen und Begründungen<br />

3 Auslegung von DBA-UK 27 Abs.1<br />

3.1 Bedeutung der unterschiedlichen Wortlaute<br />

3.2 Bedeutung der Materialien<br />

3.3 Auslegung nach internem Recht<br />

3.3.1 Historische Auslegung<br />

3.3.1.1 Terminologie in den Materialien zu den verschiedenen<br />

Fassungen des DBA-UK<br />

3.3.1.2 Zweck der Abkommensrevision im Jahre 1966<br />

3.3.1.3 Exkurs: Verhältnis zwischen Subject-to-Tax Clauses<br />

und Remittance Clause<br />

3.3.2 Grammatikalische Auslegung<br />

3.3.3 Teleologische Auslegung<br />

3.3.4 Systematische Auslegung<br />

3.3.5 Ergebnis der Auslegung nach internem Recht<br />

3.4 Auslegung gemäss WVK<br />

3.4.1 Auslegung nach Treu und Glauben<br />

3.4.2 Gewöhnliche Bedeutung<br />

3.4.3 Abkommenszusammenhang<br />

3.4.4 Ziel und Zweck des Abkommens<br />

3.4.5 Ergebnis der Auslegung nach WVK<br />

4 Ergebnis der Auslegung von DBA-UK 27 Abs.1<br />

Literatur<br />

Rechtsquellen<br />

1 Ausgangslage<br />

1.1 Sachverhalt und Rechtsfrage<br />

In der letzten Zeit ist es verschiedentlich vorgekommen,<br />

dass ursprünglich in der Schweiz ansässige natürliche<br />

Personen ihren Wohnsitz nach Grossbritannien<br />

verlegt haben und sodann Einkünfte aus schweizerischen<br />

Quellen – namentlich Einkünfte aus unselbständiger<br />

Erwerbstätigkeit und Kapitalabfindungen – erzielt<br />

haben. Diese Personen haben sich gegenüber den<br />

schweizerischen <strong>St</strong>euerbehörden auf den <strong>St</strong>andpunkt<br />

gestellt, dass – sofern die anwendbaren Zuteilungsnormen<br />

des schweizerisch-britischen Doppelbesteuerungsabkommens<br />

(DBA-UK) das Besteuerungsrecht dem<br />

Wohnsitzstaat exklusiv zuweisen – die Schweiz auf ihr<br />

Besteuerungsrecht auch dann verzichten müsse, wenn<br />

die entsprechenden Beträge nicht nach Grossbritannien<br />

überwiesen worden sind.<br />

Würde sich dieser <strong>St</strong>andpunkt als zutreffend erweisen,<br />

ergäbe sich je nach steuerlichem <strong>St</strong>atus der betroffenen<br />

Personen eine Nullbesteuerung für die entsprechenden<br />

Einkommensteile.<br />

Ziel dieses Beitrags ist es zu prüfen, ob das DBA-UK<br />

tatsächlich so auszulegen ist, dass sich eine solche<br />

Nullbesteuerung ergeben kann.<br />

1.2 Britisches <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

Das <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> Grossbritanniens unterscheidet für natürliche<br />

Personen drei verschiedene Arten des steuerlichen<br />

<strong>St</strong>atus’ 1 :<br />

– resident;<br />

– ordinarily resident;<br />

– domiciled.<br />

Personen, die kumulativ resident, ordinarily resident<br />

und domiciled sind, unterliegen mit ihrem weltweiten<br />

Einkommen der <strong>St</strong>euerpflicht in Grossbritannien. Personen<br />

hingegen, die nicht alle diese drei Merkmale er-<br />

* Ordinarius für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> an der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>; der Verfasser<br />

dankt seinem Assistenten Herrn lic. oec. Felix Schalcher<br />

für seine Mitarbeit.<br />

1 Im Weiteren existiert auch der <strong>St</strong>atus des non-resident; dieser<br />

ist jedoch für die in diesem Beitrag behandelte Problemstellung<br />

ohne Bedeutung und wird deshalb im Folgenden ausser<br />

Acht gelassen.<br />

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füllen, sind je nach ihrem <strong>St</strong>atus 2 für bestimmte Einkommensteile<br />

nur dann in Grossbritannien steuerpflichtig,<br />

wenn diese entweder ihre Quelle in Grossbritannien<br />

haben oder wenn sie dorthin überwiesen (engl. remitted)<br />

werden. Diese Besteuerung wird deshalb taxation<br />

on remittance basis genannt 3 .<br />

1.3 Schweizerisch-britische Doppelbesteuerungsabkommen<br />

Sämtliche Fassungen des DBA-UK tragen dem Umstand,<br />

dass gewisse Personen der taxation on remittance<br />

basis unterliegen, Rechnung. Das Ziel der entsprechenden<br />

Bestimmungen besteht darin, dass die Schweiz nur<br />

dann auf einen ihr nach dem DBA-UK entzogenen Besteuerungsanspruch<br />

verzichten soll, wenn die entsprechenden<br />

Einkommensteile auch tatsächlich nach Grossbritannien<br />

überwiesen werden, weil sich nur dann das<br />

Doppelbesteuerungsproblem überhaupt stellt.<br />

Das erste, im Jahr 1954 abgeschlossene DBA-UK<br />

(DBA-UK 1954) enthielt noch verschiedene sog. subject-to-tax<br />

clauses 4 ; d.h., der Quellenstaat musste die<br />

Abkommensvorteile nur dann gewähren, wenn die entsprechenden<br />

Einkommensteile im Ansässigkeitsstaat<br />

auch tatsächlich besteuert wurden.<br />

Bereits das DBA-UK 1954 enthielt darüber hinaus in<br />

Art. II Abs. 2 eine sog. remittance clause; diese besagte,<br />

dass Einkünfte aus schweizerischen Quellen nur dann<br />

und nur insoweit in der Schweiz zu einem ermässigten<br />

Satz besteuert oder befreit werden mussten, als die entsprechenden<br />

Einkommen nach Grossbritannien überwiesen<br />

oder dort bezogen wurden, sofern nach dem<br />

Recht dieses <strong>St</strong>aates die Überweisung bzw. der Bezug<br />

eine Voraussetzung der Besteuerung darstellte.<br />

Im Jahr 1966 haben die Schweiz und Grossbritannien in<br />

einem Protokoll u.a. die subject-to-tax clauses aus dem<br />

Abkommen beseitigt und damit zusammenhängend die<br />

remittance clause neu gefasst.<br />

Im Jahr 1974 wurde wegen der Änderung des internen<br />

britischen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s der Dividendenartikel neu formuliert,<br />

die remittance clause blieb jedoch unverändert.<br />

Im Jahr 1977 wurde sodann das DBA-UK dem OECD-<br />

Musterabkommen angepasst, und der alte Art. II Abs.2<br />

wurde inhaltlich unverändert in den heute noch geltenden<br />

Art. 27 Abs. 1 übergeführt.<br />

Dieser Artikel lautet wie folgt: «<strong>St</strong>ehen nach diesem<br />

Abkommen Einkünfte aus schweizerischen Quellen im<br />

Genuss einer Entlastung von der schweizerischen<br />

<strong>St</strong>euer und wird eine natürliche Person für diese Einkünfte<br />

nach der im Vereinigten Königreich geltenden<br />

Gesetzgebung nicht mit dem vollen Betrag, sondern nur<br />

mit dem Teilbetrag besteuert, der nach dem Vereinigten<br />

Königreich überwiesen oder dort bezogen wird, so findet<br />

die nach dem Abkommen in der Schweiz zu gewährende<br />

<strong>St</strong>euerentlastung nur auf den Teil der Einkünfte<br />

Anwendung, der nach dem Vereinigten Königreich<br />

überwiesen oder dort bezogen wird.»<br />

2 Problemstellung<br />

2.1 Unterschiedliche Wortlaute von DBA-UK<br />

1954 und Folgeversionen<br />

Ein Vergleich des Wortlauts der remittance clause im<br />

DBA-UK 1954 mit jenem der Abkommensversionen<br />

ab dem Jahr 1966 zeigt folgenden Unterschied auf:<br />

Während das DBA-UK 1954 die Überweisung nach<br />

bzw. den Bezug in Grossbritannien als Voraussetzung<br />

für die Gewährung von Abkommensvorteilen durch die<br />

Schweiz aufstellte, wenn Einkünfte aus schweizerischen<br />

Quellen «von der schweizerischen <strong>St</strong>euer befreit»<br />

oder «im Genuss einer Ermässigung dieser <strong>St</strong>euer stehen»,<br />

wird in den nachfolgenden Abkommensversionen<br />

bestimmt, dass diese Voraussetzung gegeben sein muss,<br />

wenn die entsprechenden Einkünfte «im Genuss einer<br />

Entlastung von der schweizerischen <strong>St</strong>euer» stehen.<br />

2.2 These von <strong>St</strong>euerpflichtigen und Begründungen<br />

Aus diesen unterschiedlichen Wortlauten haben nun<br />

<strong>St</strong>euerpflichtige mit Einkünften aus schweizerischen<br />

Quellen, die in Grossbritannien der taxation on remittance<br />

basis unterliegen, abgeleitet, die remittance clause<br />

komme ab 1966 nur dann zur Anwendung, wenn das<br />

Besteuerungsrecht zwischen der Schweiz und Gross -<br />

britannien aufgeteilt wird, nicht jedoch, wenn es dem<br />

Ansässigkeitsstaat Grossbritannien zur ausschliesslichen<br />

Besteuerung zugewiesen wird. Begründet wird<br />

diese These damit, dass ab 1966 im Wortlaut der remittance<br />

clause (heute DBA-UK 27 Abs. 1) die Wendung<br />

«von der schweizerischen <strong>St</strong>euer befreit» nicht mehr<br />

enthalten sei. Konkrete Auswirkung dieser Rechtsauffassung<br />

wäre, dass die Überweisung nach Grossbritannien<br />

nur für Dividenden eine Voraussetzung dafür bil-<br />

2 Es sind die verschiedensten Kombinationen möglich; vgl.<br />

HM TREASURY (<strong>2003</strong>), Box 2.1, S. 5.<br />

3 INLAND REVENUE (1999), Kap. 5.12, S. 28; Kap. 6.2, S. 35;<br />

Kap. 8.8, S. 51.<br />

4 DBA-UK 1954 VI Abs. 1–4; VII Abs. 1; XI Abs. 1–2; XII Abs. 1.<br />

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den würde, dass die Schweiz auf ihr Besteuerungsrecht<br />

teilweise verzichten muss. Für alle anderen Einkommensteile,<br />

für welche das DBA-UK bestehende schweizerische<br />

Besteuerungsrechte vollständig zurückdrängt,<br />

hätte die Schweiz die Abkommensvorteile auch Personen<br />

zu gewähren, welche für die entsprechenden Einkommensteile<br />

in Grossbritannien der taxation on remittance<br />

basis unterliegen – und zwar auch dann, wenn keine<br />

remittance erfolgt. Die <strong>St</strong>euerpflichtigen könnten damit<br />

eine Nullbesteuerung erreichen, indem sie z.B. Kapitalleistungen<br />

oder Einkommen aus unselbständiger<br />

Erwerbstätigkeit aus schweizerischen Quellen, für welche<br />

das DBA-UK das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat<br />

zuweist, nicht nach Grossbritannien überweisen.<br />

Nebst dem unterschiedlichen Wortlaut des DBA-UK<br />

1954 und der nachfolgenden Versionen des Abkommens<br />

wurden auch die Materialien zum DBA-UK 1966 5 herangezogen,<br />

und es wurde geltend gemacht, das DBA-<br />

UK 1954 habe lediglich die effektive Doppelbesteuerung<br />

ausgeschlossen, während ab 1966 auch die virtuelle<br />

Doppelbesteuerung verboten sei.<br />

Nachfolgend wird geprüft, ob diese These mit DBA-UK<br />

27 Abs. 1 vereinbar sei.<br />

3 Auslegung von DBA-UK 27 Abs.1<br />

3.1 Bedeutung der unterschiedlichen Wortlaute<br />

Die oben in Abschn. 2.2 dargestellte These stützt sich<br />

weitestgehend auf den unterschiedlichen Wortlaut der<br />

remittance clause im DBA-UK 1954 einerseits und in<br />

den Folgeversionen dieses Abkommens andererseits. Es<br />

ist deshalb zunächst zu prüfen, ob ein solches, praktisch<br />

alleiniges Abstellen auf den Wortlaut einer DBA-Norm<br />

methodisch zulässig sei.<br />

Doppelbesteuerungsabkommen sind – anders als das interne<br />

Recht der <strong>St</strong>aaten und sofern nicht das Abkommen<br />

selbst eine spezielle, zum Ziel führende Auslegungsregel<br />

enthält 6 –, gemäss den im Wiener Vertrags-Übereinkommen<br />

7 enthaltenen Regeln auszulegen 8 . Dieses Übereinkommen<br />

sieht in Art. 31 vor, dass Verträge:<br />

– nach Treu und Glauben;<br />

– in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren<br />

Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden<br />

Bedeutung; und<br />

– im Lichte ihres Zieles und Zweckes<br />

auszulegen sind.<br />

Aus dieser Norm wird abgeleitet, dass für die Auslegung<br />

der Grundsatz des Vorrangs des Vertragstexts gelte<br />

(sog. Vattelsche Maxime 9 ). Auch das Bundesgericht<br />

hat diesen Grundsatz anerkannt (vgl. z.B. BGE 97 I<br />

359). Vorrang des Vertragstextes heisst jedoch nicht,<br />

dass die andern Auslegungselemente ausser Acht gelassen<br />

werden müssen/dürfen. Das schweizerische Verständnis<br />

von Art. 31–33 der Wiener Konvention kann<br />

der Botschaft des Bundesrats zum Beitritt der Schweiz<br />

zur WVK von 1969 entnommen werden: «Aus den Artikeln<br />

31-33 der Wiener Konvention lässt sich ableiten,<br />

dass die Auslegung dazu dienen soll, dem Vertrag zu<br />

seinem «effet utile», seiner bezweckten Wirkung zu<br />

verhelfen: Diesem Ziel soll die nach Treu und Glauben<br />

als ebenbürtig zu betrachtende wörtliche, systematische<br />

und teleologische Auslegung dienen.» 10<br />

3.2 Bedeutung der Materialien<br />

Grosse Zurückhaltung übt die WVK gegenüber den Materialien<br />

und den ergänzenden Auslegungsmitteln. Diese<br />

sollen in erster Linie dazu herangezogen werden, um<br />

die sich unter Anwendung von WVK 31 ergebende Bedeutung<br />

zu bestätigen. Massgeblich sollen sie jedoch<br />

nur dann sein, wenn die Auslegung nach Art. 31:<br />

– die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt, oder<br />

– zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen<br />

Ergebnis führt (WVK 32).<br />

Allerdings respektiert das Bundesgericht die lediglich<br />

eingeschränkte Bedeutung der Materialien nicht, sondern<br />

zieht diese regelmässig bei. «Es (das Bundesge-<br />

5 BBl 1966 I 1309 ff.<br />

6 Unabhängig von der Bedeutung, welche DBA-UK 3 Abs. 2 zugemessen<br />

wird (vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen<br />

HÖHN (1993), S. 80 ff.), trägt diese Norm für die hier zu behandelnde<br />

Problemstellung nichts bei.<br />

7 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK,<br />

SR 0.111).<br />

8 Gemäss WVK 4 gilt dieses Abkommen lediglich für Verträge,<br />

die nach Inkrafttreten der WVK abgeschlossen worden sind.<br />

Für die Schweiz trat das WVK am 6. Juni 1990, also nach der<br />

letzten Änderung des DBA-UK 1977, in Kraft. Die Frage, ob<br />

die im WVK enthaltenen Auslegungsgrundsätze bereits vor<br />

deren Inkrafttreten zum in der Schweiz anerkannten Völkergewohnheitsrecht<br />

gehörten, ist umstritten. Vgl. WALDBURGER<br />

(1998), S. 65, FN 61. Im Folgenden wird deshalb DBA-UK 27<br />

Abs. 1 sowohl nach den Regeln der WVK als auch nach den<br />

internrechtlichen schweizerischen Auslegungsregeln interpretiert.<br />

9 Die Vattelsche Maxime besagt, «qu’il n’est pas permis d’interpréter<br />

ce qui n’a pas besoin d’interpréter». Vgl. VATTEL<br />

(1758), § 263, zitiert nach BGE 97 I 359, E. 3.<br />

10 BBl 1989 II 776.<br />

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richt) berücksichtigt namentlich die Botschaft des Bundesrates,<br />

wenn diese Auskünfte über den Verhandlungsablauf<br />

(die ‹Umstände des Vertragsabschlusses›) gibt 11 .»<br />

Auch das Bundesgericht hat in verschiedenen Urteilen<br />

dem Wortlaut eine grosse Bedeutung beigemessen.<br />

Im Lichte der WVK und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />

zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen<br />

muss somit Folgendes festgehalten werden:<br />

1. Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen<br />

kann nicht alleine auf den Wortlaut abgestellt werden,<br />

auch wenn diesem eine erhebliche Bedeutung<br />

zukommt.<br />

2. Gemäss WVK kommt den Materialien nur eine eingeschränkte<br />

Bedeutung zu. Ob dies auch für Doppelbesteuerungsabkommen<br />

gilt, die vor dem 6. Juni<br />

1990 abgeschlossen worden sind, ist umstritten.<br />

Das Bundesgericht misst den Materialien – zwar<br />

nicht konsequent – eine Bedeutung zu, die über jene<br />

gemäss WVK 32 hinausgeht 12 .<br />

3. Soll ein Auslegungsergebnis gefunden werden, das<br />

Aussicht auf Bestand bei Überprüfung durch das<br />

Bundesgericht hat, müssen bei der Auslegung eines<br />

Doppelbesteuerungsabkommens in der Schweiz<br />

mangels einer kohärenten Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />

sowohl die Regeln der WVK als auch<br />

jene der Auslegung des internen Rechts angewendet<br />

werden.<br />

3.3 Auslegung nach internem Recht<br />

3.3.1 Historische Auslegung<br />

3.3.1.1 Terminologie in den Materialien zu den<br />

verschiedenen Fassungen des DBA-UK<br />

Die Ausdrücke «Befreiung», «Entlastung», «Ermässigung»,<br />

«Herabsetzung» resp. die daraus abgeleiteten<br />

Verben und Adjektive («befreit» etc.) werden in den<br />

Materialien zum DBA-UK 1954 nicht einheitlich verwendet.<br />

In den Materialien zum Protokoll 1966 zur Änderung<br />

des DBA-UK 1954 sowie zum DBA-UK 1977<br />

hingegen wird konsequent der Begriff «Entlastung» als<br />

Oberbegriff für die Befreiung und die teilweise Ermässigung<br />

gebraucht.<br />

DBA-UK 1954<br />

Die Botschaft zum DBA-UK 1954 spricht ausschliesslich<br />

von «Befreiung» bzw. «befreit» 13 , obwohl das Abkommen<br />

die Wendungen «befreit» und «Ermässigung»<br />

enthält 14 . Es wird auch im Zusammenhang mit DBA-<br />

UK 1954 VII Abs. 1–4 von «Befreiung» gesprochen,<br />

obwohl dort auch Ermässigungen von der schweizerischen<br />

Verrechnungssteuer geregelt werden.<br />

Das Kreisschreiben des Bundesrats zum DBA-UK 1954<br />

macht hingegen die Unterscheidung zwischen «Befreiung»<br />

und «Herabsetzung» 15 .<br />

Protokoll 1966 zur Änderung des DBA-UK 1954 (Abkommensrevision)<br />

In der Botschaft zum Protokoll 1966 16 wird bei den Ausführungen<br />

zu Art. 2 des Protokolls einheitlich von «Entlastungen»<br />

gesprochen, obwohl auch Fälle der <strong>St</strong>euerbefreiung<br />

(Zinsen und Lizenzgebühren) erwähnt werden<br />

17 . Hier wird also der Begriff «Entlastung» als Oberbegriff<br />

für die Befreiung und die teilweise Ermässigung<br />

verwendet.<br />

DBA-UK 1977<br />

Auch in der Botschaft zu diesem Abkommen wird der<br />

Begriff «Entlastung» implizit als Oberbegriff für die<br />

Befreiung und teilweise Ermässigung verwendet. In<br />

BBl 1978 I 221 wird denn auch ausgeführt, dass «gewisse<br />

im Ausland erzielte Einkünfte nur dann und nur<br />

soweit der britischen Einkommensbesteuerung unterworfen<br />

sind…». Im Weiteren wird gesagt, dass – um<br />

Nicht-Besteuerungen zu vermeiden – die «Entlastung»<br />

der schweizerischen Einkünfte von den schweizerischen<br />

<strong>St</strong>euern nur auf dem nach Grossbritannien überwiesenen<br />

Betrag erfolge 18 . Wäre die in Abschn. 2.2 dargestellte<br />

These der <strong>St</strong>euerpflichtigen richtig, hätte die<br />

Botschaft hier nicht generell von schweizerischen Einkünften<br />

sprechen dürfen, sondern einzig von Dividenden,<br />

weil dies die einzige Einkunftskategorie ist, für die<br />

eine teilweise Herabsetzung von der schweizerischen<br />

Verrechnungssteuer vorgesehen ist. Alle anderen Einkünfte,<br />

für welche die Schweiz eine Entlastung gewährt,<br />

sind von den schweizerischen <strong>St</strong>euern befreit.<br />

Ergebnis<br />

Die These, wonach der in DBA-UK 27 Abs. 1 verwendete<br />

Begriff «Entlastung» lediglich die teilweise Ermässigung<br />

von der schweizerischen Verrechnungs -<br />

steuer, nicht jedoch die Befreiung von den <strong>St</strong>euern von<br />

Bund, Kantonen und Gemeinden umfasse, erweist sich<br />

im Lichte der Materialien zu den verschiedenen Fassungen<br />

des DBA-UK als unzutreffend.<br />

11 HÖHN (1993), S. 78.<br />

12 Dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den DBA<br />

nicht hilfreich ist, wurde nachgewiesen von WALDBURGER<br />

(1998), S. 51 ff.<br />

13 BBl 1954 II 712.<br />

14 DBA-UK 1954 II Abs. 2.<br />

15 Kreisschreiben (25.03.1955), S. 593.<br />

16 BBl 1966 I 1309 ff.<br />

17 BBl 1966 I 1310.<br />

18 BBl 1978 I 221.<br />

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140 Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK<br />

3.3.1.2 Zweck der Abkommensrevision im<br />

Jahre 1966<br />

Eines der Ziele der Abkommensrevision von 1966 war<br />

es, die sog. subject-to-tax clauses aus dem Abkommen<br />

zu beseitigen.<br />

Hingegen ging es dabei nicht darum, die remittance<br />

clause materiell zu ändern; sie sollte lediglich den Neufassungen<br />

der Artikel über die Dividenden, Zinsen und<br />

Lizenzgebühren angepasst werden. Aus der Botschaft<br />

des Bundesrates 19 geht der Zweck der Beseitigung der<br />

subject-to-tax clauses klar hervor. Es sollte für die Inanspruchnahme<br />

des Abkommens durch z. B. Institutionen<br />

des <strong>St</strong>aates (welche ja steuerbefreit sind) kein konkreter<br />

Besteuerungsnachweis mehr verlangt werden 20 . Aus den<br />

unmittelbar folgenden Ausführungen in der Botschaft<br />

wird ersichtlich, dass an der Voraussetzung der remittance<br />

keine Änderungen vorgenommen werden sollten<br />

(mit Ausnahme der Anpassung an die Artikel über die<br />

Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren). Schon aus<br />

letzterer Ausführung der Botschaft geht klar hervor,<br />

dass die geltend gemachte Einschränkung auf Dividenden<br />

gemäss der in Abschn. 2.2 dargestellten These nicht<br />

erfolgt ist.<br />

Ergebnis<br />

Einziger Zweck der hier relevanten Abkommensänderung<br />

war es, die subject-to-tax clauses aus dem Abkommen<br />

zu entfernen, um die Abkommensvorteile steuerbefreiten<br />

Institutionen zu gewähren. Eine darüber hinausgehende<br />

Änderung der Voraussetzungen zur Inanspruchnahme<br />

– wie sie von den Verfechtern der in<br />

Abschn. 2.2 dargestellten These in diese Fassung des<br />

Abkommens hinein interpretiert wird – kann den Materialien<br />

nicht entnommen werden.<br />

3.3.1.3 Exkurs: Verhältnis zwischen Subject-to-<br />

Tax Clauses und Remittance Clause<br />

Unbestritten ist, dass:<br />

– im Jahr 1966 die subject-to-tax clauses aus dem Abkommen<br />

entfernt wurden, und<br />

– in ein Abkommen nicht eine Voraussetzung der Besteuerung<br />

in einem <strong>St</strong>aat hinein interpretiert werden<br />

darf, weil die Doppelbesteuerungsabkommen –<br />

wenn nicht ausdrücklich etwas anderes festgelegt<br />

ist – sowohl die aktuelle als auch die virtuelle Doppelbesteuerung<br />

vermeiden.<br />

Unzutreffend ist jedoch die Auffassung, wonach das<br />

Entfernen der subject-to-tax clauses, verbunden mit der<br />

Neuformulierung von DBA-UK II Abs. 2 (heute DBA-<br />

UK 27 Abs. 1), zu einer Einschränkung der remittance<br />

base clause auf die <strong>St</strong>euerentlastung bei Dividenden geführt<br />

habe. Insbesondere ist es verfehlt zu argumentieren,<br />

dass in Fällen, in denen das Abkommen im Quellenstaat<br />

Schweiz eine <strong>St</strong>euerbefreiung vorsieht, die<br />

Überweisung nach England deshalb keine Voraussetzung<br />

für die Inanspruchnahme des Abkommens darstelle,<br />

weil das DBA-UK seit 1966 die Bedingung, dass es<br />

in Grossbritannien zu einer effektiven Besteuerung<br />

kommt, nicht mehr kenne.<br />

Abgesehen davon, dass sich mit einer solchen Argumentation<br />

auch bei den Dividenden die Voraussetzung<br />

der Überweisung nach Grossbritannien weg interpretieren<br />

liesse, wird verkannt, dass DBA-UK 27 eine lex<br />

specialis für jene natürlichen Personen darstellt, die in<br />

Grossbritannien einen besonderen <strong>St</strong>euerstatus geniessen.<br />

Für diesen Personenkreis gilt im Ergebnis weiterhin<br />

eine umfassende Bedingung für die Inanspruchnahme<br />

des Doppelbesteuerungsabkommens: Solche Personen<br />

können die Abkommensvorteile nur dann und nur<br />

insoweit in Anspruch nehmen, als sie die entsprechenden<br />

Beträge nach England überweisen oder als diese<br />

dort bezogen werden.<br />

An dieser lex specialis hat sich durch den Umstand,<br />

dass für alle andern Personen – namentlich für steuerbefreite<br />

Institutionen (vgl. oben, Abschn. 3.3.1.2) – unter<br />

dem DBA-UK 1966 keine Voraussetzung der effektiven<br />

Besteuerung mehr gilt, nichts geändert.<br />

3.3.2 Grammatikalische Auslegung<br />

Die zu prüfende These basiert auf der Annahme, der Begriff<br />

der Entlastung in DBA-UK 27 Abs. 1 betreffe nur<br />

Fälle, bei denen das Besteuerungsrecht zwischen der<br />

Schweiz und Grossbritannien aufgeteilt wird, nicht jedoch<br />

Fälle, in denen der Quellenstaat Schweiz gemäss<br />

DBA-UK auf ein Besteuerungsrecht ganz verzichten<br />

muss.<br />

Ein solches Verständnis kann jedoch dem Wortlaut des<br />

Ausdrucks «Entlastung» nicht entnommen werden. Der<br />

Begriff «Entlastung» bedeutet gemäss allgemeinem<br />

Sprachgebrauch «Erleichterung», «Befreiung» 21 . Im<br />

Recht der Doppelbesteuerungsabkommen steht dieser<br />

Begriff für eine gegenüber dem internen Recht der Vertragsstaaten<br />

herabgesetzte <strong>St</strong>euerbelastung. «Entlastung»<br />

enthält jedoch keine Aussage über das Ausmass<br />

der Herabsetzung der <strong>St</strong>euer; diese kann eine teilweise<br />

19 BBl 1966 I 1310 (Ziff. 2).<br />

21 Vgl. PELTZER/NORMANN (2000), S. 244.<br />

20 Ein weiteres – in der Botschaft nicht erwähntes – Beispiel wären<br />

die steuerbefreiten Institutionen wie Pensionskassen etc.<br />

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141<br />

oder eine volle sein. «Entlastung» steht deshalb als<br />

Oberbegriff für eine teilweise oder ganze Herabsetzung<br />

der <strong>St</strong>euer aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens.<br />

Der Begriff schliesst somit auch eine Befreiung<br />

(in Deutschland wird von Freistellung 22 gesprochen)<br />

mit ein.<br />

Dieses Begriffsverständnis wird durch andere von der<br />

Schweiz abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen<br />

bestätigt. So sprechen z.B. Art. 22 des DBA-Belgien<br />

und Art. 23 des DBA-Deutschland von «Entlastungen»<br />

von den <strong>St</strong>euern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren.<br />

Lizenzgebühren werden gemäss diesen<br />

beiden Abkommen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert<br />

(Befreiung); im Verhältnis zu Deutschland gilt dies<br />

auch für Zinsen, während für Zinsen im Verhältnis zu<br />

Belgien und für Dividenden im Verhältnis zu beiden<br />

<strong>St</strong>aaten eine Aufteilung des Besteuerungsrechts Platz<br />

greift. Auch hier wird die Bedeutung des Begriffs der<br />

Entlastung als Oberbegriff für die volle und die teil -<br />

weise Herabsetzung von <strong>St</strong>euern im Quellenstaat bestätigt.<br />

Auch die Eidg. <strong>St</strong>euerverwaltung verwendet den Begriff<br />

der Entlastung sowohl für Fälle, in denen es zu einer<br />

teilweisen, als auch für Fälle, in denen es zu einer<br />

vollständigen Herabsetzung einer <strong>St</strong>euer im Quellenstaat<br />

kommt. So heisst z.B. die Sammlung mit den Formularen<br />

und Erläuterungen für die Inanspruchnahme<br />

von schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen<br />

bezüglich ausländischer <strong>St</strong>euern «<strong>St</strong>euerentlastungen<br />

auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen» bzw.<br />

«Dégrèvements des impôts sur la base des conventions<br />

de double imposition».<br />

Ergebnis<br />

Das in der hier zu prüfenden These dem Begriff der Entlastung<br />

zugedachte Verständnis steht weder im Einklang<br />

mit dem im normalen Sprachgebrauch üblichen<br />

noch mit dem in den Doppelbesteuerungsabkommen<br />

verwendeten Begriffsverständnis. Der Begriff der Entlastung<br />

lässt offen, ob es aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens<br />

zu einer teilweisen oder zu einer<br />

vollständigen (Befreiung) Herabsetzung einer <strong>St</strong>euer<br />

kommt.<br />

3.3.3 Teleologische Auslegung<br />

Die remittance clause im DBA-UK war stets und ist<br />

auch heute auf jenen Personenkreis zugeschnitten, der<br />

in Grossbritannien der taxation on remittance basis unterliegt<br />

23 . Sinn dieser Norm ist es, für Einkommensteile,<br />

die in England nicht besteuert werden, nicht den zusätzlichen<br />

Vorteil der Inanspruchnahme des Doppelbesteuerungsabkommens<br />

zu gewähren. Die Schweiz ist seit<br />

dem ersten Doppelbesteuerungsabkommen aus dem<br />

Jahr 1954 nicht bereit, auf ihr nach internem Recht zustehendes<br />

<strong>St</strong>euersubstrat zu verzichten, wenn eine natürliche<br />

Person in Grossbritannien den beschriebenen<br />

besonderen <strong>St</strong>euerstatus geniesst und dort eine Besteuerung<br />

mangels Überweisung unterbleibt. Es wäre sinnund<br />

zwecklos, den Verzicht auf schweizerisches <strong>St</strong>euersubstrat<br />

nur bezüglich Dividenden, nicht aber bezüglich<br />

anderer Einkunftsteile von den in DBA-UK 27 Abs.1<br />

genannten Bedingungen abhängig zu machen. Die systematische<br />

Gewährung eines doppelten Vorteils –<br />

Nichtbesteuerung in Grossbritannien und Gewährung<br />

der Abkommensvorteile – für alle andern Einkünfte als<br />

für Dividenden würde eine willkürliche Privilegierung<br />

der Empfänger von Renten, Arbeitseinkünften etc. bzw.<br />

eine willkürliche Diskriminierung der Dividendenempfänger<br />

darstellen. Ein solches, sinn- und zweckloses<br />

Verständnis des Begriffs der Entlastung ist abzulehnen.<br />

Ergebnis<br />

Sinn und Zweck von DBA-UK 27 Abs. 1 ist es, Personen,<br />

die in Grossbritannien den besonderen <strong>St</strong>euerstatus der<br />

taxation on remittance basis geniessen, umfassend von<br />

den Abkommensvorteilen auszuschliessen, wenn keine<br />

remittance nach Grossbritannien erfolgt. Eine Einschränkung<br />

dieser Rechtsfolge auf Dividenden wäre mit<br />

Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht vereinbar.<br />

3.3.4 Systematische Auslegung<br />

Aus der systematischen <strong>St</strong>ellung der remittance clause<br />

kann nichts zugunsten der hier zu überprüfenden These<br />

abgeleitet werden. Im Gegenteil: Hätten die Vertragsparteien<br />

im Jahr 1966 und danach die remittance als Voraussetzung<br />

für die Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen<br />

des im DBA-UK umschriebenen Personenkreises<br />

auf Dividenden beschränken wollen, wäre es<br />

aus systematischer Sicht angebracht gewesen, diese Voraussetzung<br />

im jeweiligen Dividendenartikel (heute<br />

DBA-UK 10) und nicht in Art. 27 zu regeln, der unter<br />

dem Titel «Verschiedene Bestimmungen» steht. In diesem<br />

Artikel finden sich einerseits Bestimmungen, die<br />

generell für die Abkommensanwendung gelten (z.B.<br />

DBA-UK 27 Abs. 2 und 3), andererseits Bestimmungen,<br />

die sich auf bestimmte Einkunftsteile beziehen (z.B.<br />

DBA-UK 27 Abs. 6, 7, 8 und 9). DBA-UK 27 Abs. 1 gehört<br />

zur ersten Kategorie und stellt eine lex specialis für<br />

den dort genannten Personenkreis dar. Sollte diese Bestimmung<br />

nur für Dividenden gelten, wäre – alternativ<br />

zur Regelung in DBA-UK 10 selbst – die Erwähnung<br />

22 Vgl. z. B. VOGEL (1996), DBA, Vor Art. 6–22, Rz. 3 ff. 23 Vgl. oben, Abschn. 1.3.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


142 Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK<br />

dieses Artikels in DBA-UK 27 angezeigt gewesen. Ein<br />

solcher Bezug zu DBA-UK 10 findet sich jedoch in<br />

DBA-UK 27 Abs. 1 nicht.<br />

Ergebnis<br />

Aus der systematischen <strong>St</strong>ellung von DBA-UK 27<br />

Abs. 1 ist abzuleiten, dass diese lex specialis für den<br />

dort genannten Personenkreis für den gesamten Geltungsbereich<br />

des Abkommens, und nicht nur für Dividenden,<br />

gilt.<br />

3.3.5 Ergebnis der Auslegung nach internem<br />

Recht<br />

Sämtliche Auslegungselemente sprechen gegen die<br />

These, wonach seit Inkrafttreten des DBA-UK 1966 bei<br />

Personen, die in Grossbritannien der taxation on remittance<br />

basis unterliegen, die Voraussetzung der remittance<br />

für die Inanspruchnahme des DBA-UK für aus der<br />

Schweiz stammende Einkünfte nur für Dividenden gelte.<br />

Vielmehr gilt die Voraussetzung der remittance für<br />

sämtliche Einkünfte, für welche die Schweiz einen Besteuerungsverzicht<br />

– Herabsetzung oder Befreiung –<br />

leisten muss.<br />

3.4.3 Abkommenszusammenhang<br />

Die systematische Auslegung hat zum Ergebnis geführt,<br />

dass aus den unterschiedlichen Wortlauten der remittance<br />

clause des DBA-UK 1954 einerseits und der Folgeversionen<br />

des DBA-UK andererseits keine unterschiedliche<br />

Bedeutung der verwendeten Ausdrücke abgeleitet<br />

werden kann.<br />

3.4.4 Ziel und Zweck des Abkommens<br />

Ziel und Zweck der Doppelbesteuerungsabkommen ist<br />

die Vermeidung von Doppelbesteuerungen. Das nach<br />

den Regeln des internen Rechts und der übrigen Auslegungselemente<br />

gemäss WVK gefundene Auslegungsergebnis<br />

führt nicht zu einer Doppelbesteuerung, sondern<br />

zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung und<br />

stimmt deshalb mit Ziel und Zweck des DBA-UK überein<br />

26 .<br />

3.4.5 Ergebnis der Auslegung nach WVK<br />

Das für das interne Recht gefundene Auslegungsergebnis<br />

wird bei Anwendung der Auslegungsregeln der<br />

WVK bestätigt.<br />

3.4 Auslegung gemäss WVK<br />

3.4.1 Auslegung nach Treu und Glauben<br />

Das nach den Regeln des internen Rechts gefundene<br />

Auslegungsergebnis steht im Einklang mit dem Erfordernis,<br />

<strong>St</strong>aatsverträge nach Treu und Glauben, d.h. nicht<br />

spitzfindig zum Nachteil des Vertragspartners – Grossbritannien<br />

– auszulegen. Grossbritannien ist von diesem<br />

Auslegungsergebnis gar nicht betroffen; sein Besteuerungsrecht<br />

wird durch das gefundene Auslegungsergebnis<br />

in keiner Weise tangiert. Die für die Abkommensanwendung<br />

zuständigen britischen Behörden haben denn<br />

auch bei der Eidg. <strong>St</strong>euerverwaltung nie gegen die Praxis<br />

schweizerischer Veranlagungsbehörden inter ve niert 24 .<br />

3.4.2 Gewöhnliche Bedeutung<br />

Wie oben aufgezeigt worden ist 25 , besteht die gewöhnliche<br />

Bedeutung des Begriffs der Entlastung darin, dass<br />

damit der Obergriff für die Herabsetzung bzw. Befreiung<br />

von einer schweizerischen <strong>St</strong>euer gemeint ist. Das<br />

für das interne Recht gefundene Auslegungsergebnis<br />

steht deshalb mit der gewöhnlichen Bedeutung i.S. von<br />

WVK 31 Abs. 1 in Einklang.<br />

4 Ergebnis der Auslegung von DBA-<br />

UK 27 Abs.1<br />

Die Auslegung von DBA-UK 27 Abs. 1 sowohl nach internem<br />

Recht als auch nach den Regeln der WVK hat<br />

gezeigt, dass die Voraussetzung des Bezugs in Grossbritannien<br />

oder der Überweisung nach Grossbritannien für<br />

die Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen für<br />

Einkünfte aus schweizerischen Quellen nicht nur für<br />

Dividenden, sondern für sämtliche im DBA-UK geregelten<br />

Einkünfte gilt, sofern und soweit eine in Grossbritannien<br />

ansässige natürliche Person dort für die entsprechenden<br />

Einkommensteile den besonderen <strong>St</strong>euerstatus<br />

der taxation on remittance basis geniesst.<br />

Die betreffenden <strong>St</strong>euerpflichtigen bzw. deren Berater<br />

sind gehalten, gegenüber den schweizerischen <strong>St</strong>euerbehörden<br />

die entsprechenden Angaben zu machen, und<br />

Letztere sind dazu aufgerufen, Entlastungsgesuche von<br />

in Grossbritannien ansässigen Personen entsprechend<br />

zu kontrollieren.<br />

24 Quelle: Auskunft zuständiger Sachbearbeiter bei der Eidg.<br />

<strong>St</strong>euerverwaltung.<br />

25 Vgl. oben, Abschn. 3.3.2.<br />

26 Mit dieser Aussage soll nicht einer Auffassung das Wort geredet<br />

werden, wonach eine doppelte Nichtbesteuerung in<br />

keinem Fall resultieren könne. Ergibt sich aus der Anwendung<br />

der übrigen Auslegungsregeln ein solches Ergebnis,<br />

kann nicht mit Referenz auf Ziel und Zweck des DBA ein Ergebnis<br />

konstruiert werden, das zu einer Einmalbesteuerung<br />

führt.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK<br />

143<br />

Literatur<br />

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domicile rules as they affect the taxation of individuals:<br />

a background paper, April <strong>2003</strong> (auf Internet<br />

abrufbar unter: www.inlandrevenue.gov.uk/budget<br />

<strong>2003</strong>/residence_domicile.pdf [<strong>St</strong>and: 22.04.<strong>2003</strong>])<br />

HÖHN ERNST (1993), Begriff, Aufgaben und Rechtsquellen<br />

des Internationalen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s, in: Ernst<br />

Höhn (Hrsg.), Handbuch des Internationalen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s<br />

der Schweiz, 2., überarbeitete und ergänzte<br />

A., Bern, <strong>St</strong>uttgart, Wien, 1993<br />

INLAND REVENUE (1999), Residents and non-residents –<br />

Liability to tax in the United Kingdom, International<br />

Series IR20, 1999 (auf Internet abrufbar unter:<br />

www.inlandrevenue.gov.uk/pdfs/IR20.pdf [<strong>St</strong>and:<br />

22.04.<strong>2003</strong>])<br />

LANG MICHAEL/MÖSSNER JÖRG M./WALDBURGER RO-<br />

BERT (1998), Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen<br />

in der Rechtsprechung der Höchstgerichte<br />

Deutschlands, der Schweiz und Österreichs,<br />

Schriftenreihe zum Internationalen <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>,<br />

Bd. 6, Wien 1998<br />

MÖSSNER JÖRG M., s. Lang Michael/Mössner Jörg M./<br />

Waldburger Robert (1998)<br />

PELTZER KARL/V. NORMANN REINHARD (2000), Das treffende<br />

Wort: Wörterbuch sinnverwandter Ausdrücke,<br />

25. A., Thun 2000<br />

V. NORMANN REINHARD, s. Peltzer Karl/v. Normann<br />

Reinhard (2000)<br />

VATTEL EMER DE (1758), Le droit des gens ou principes<br />

de la loi naturelle appliqués à la conduite aux affaires<br />

des nations et des souverains, Leiden 1758<br />

VOGEL KLAUS (1996), DBA – Doppelbesteuerungsabkommen,<br />

Kommentar, 3. A., München 1996<br />

WALDBURGER ROBERT, s. Lang Michael/Mössner Jörg<br />

M./Waldburger Robert (1998)<br />

Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet<br />

der <strong>St</strong>euern vom Einkommen, abgeschlossen am<br />

8. Dezember 1977 (SR 0.672.936.712)<br />

Kreisschreiben (25.03.1955): Kreisschreiben des Bundesrates<br />

an die Regierungen der Kantone betreffend<br />

das Abkommen mit Grossbritannien zur Vermeidung<br />

der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der<br />

Einkommenssteuern (vom 25. März 1955), BBl<br />

1955 I, S. 585–601<br />

Protokoll 1966: Protokoll zwischen der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich<br />

von Grossbritannien und Nordirland zur<br />

Änderung des am 30. September 1954 in London<br />

unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der<br />

Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der <strong>St</strong>euern<br />

vom Einkommen, BBl 1966 I, S. 1316–1325<br />

WVK: Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge,<br />

abgeschlossen in Wien am 23. Mai 1969<br />

(SR 0.111)<br />

Rechtsquellen<br />

DBA-UK 1954: Abkommen zwischen der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich<br />

von Grossbritannien und Nordirland zur<br />

Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete<br />

der <strong>St</strong>euern vom Einkommen, abgeschlossen<br />

am 30. September 1954 (SR 0.672.936.711)<br />

DBA-UK 1977: Abkommen zwischen der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich<br />

von Grossbritannien und Nordirland zur<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


144<br />

Literatur-<strong>Forum</strong><br />

Toni Hess,<br />

Die Besteuerung der Anlagefonds und der<br />

anlagefondsähnlichen Instrumente sowie deren<br />

Anteilsinhaber in der Schweiz<br />

Diss. Universität Zürich, Zürich 2001<br />

Rezensent: Dr. oec. HSG Kurt Arnold*<br />

Inhalt<br />

1 Einleitung<br />

2 Aufbau und inhaltliche Schwerpunkte<br />

2.1 Grundsätzliches und steuerliche Grundlagen<br />

2.2 Die Besteuerung der Anlagefonds<br />

2.3 Die Besteuerung der Anteilsinhaber von<br />

Ausschüttungsfonds<br />

2.4 Die Besteuerung der Anteilsinhaber von Thesaurierungsfonds<br />

2.5 Die anlagefondsähnlichen Instrumente und<br />

besondere steuerrechtliche Probleme<br />

2.6 Die Entlastung von der schweizerischen<br />

Verrechnungssteuer und den ausländischen<br />

Quellensteuern<br />

2.7 Anregungen<br />

3 Würdigung<br />

1 Einleitung<br />

Seit der Publikation der <strong>St</strong>.Galler Dissertation von Carla<br />

Wassmer zur Besteuerung der Anlagefonds im Jahre<br />

1982 1 hat sich das Fondsgeschäft enorm entwickelt. Die<br />

in Anlagefonds investierten Vermögen haben sich weltweit<br />

vervielfacht. Durch das revidierte Anlagefonds -<br />

gesetz vom 18. März 1994, das <strong>St</strong>euerharmonisierungsgesetz,<br />

das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer<br />

sowie verschiedene Kreisschreiben der Eidgenössischen<br />

<strong>St</strong>euerverwaltung haben auch die rechtlichen und<br />

steuerlichen Rahmenbedingungen tief greifende Ände -<br />

rungen erfahren. So ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern<br />

überaus verdienstvoll, dass sich Toni Hess dieser<br />

deutlich komplexer gewordenen Materie erneut angenommen<br />

hat.<br />

Um es vorwegzunehmen: Toni Hess hat sich nicht mit<br />

einer aktualisierten Version der Arbeit von Carla Wassmer<br />

zufrieden gegeben. Vielmehr ist eine sehr eigenständige<br />

und in jeder Hinsicht umfassende Schrift von<br />

über 620 Seiten entstanden. Angesichts der Fülle der<br />

bearbeiteten Sachfragen und der vielen Facetten, die in<br />

der Dissertation angesprochen werden, fällt es dem Rezensenten<br />

nicht leicht, auf knappem Raum die Arbeit<br />

vorzustellen und zu würdigen.<br />

2 Aufbau und inhaltliche Schwerpunkte<br />

* <strong>St</strong>euerkonsulent bei der Credit Suisse Group, Zürich<br />

1 Carla Wassmer, Die Besteuerung der Anlagefonds und deren<br />

Anleger, Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanzrecht,<br />

Bd. 33, Bern 1982.<br />

2.1 Grundsätzliches und steuerliche Grundlagen<br />

In einem ersten Teil beschreibt Toni Hess die allgemeinen<br />

rechtlichen Grundlagen des Fondsgeschäftes sowie<br />

deren Organisationsformen und grenzt den Anlagefonds<br />

von den übrigen Formen kollektiver Kapitalanlage ab. In<br />

einem zweiten Teil widmet er sich den für die Anlagefonds<br />

und ihre Investoren massgeblichen steuerrechtlichen<br />

Grundlagen. Er beleuchtet dabei schwergewichtig<br />

die direkten <strong>St</strong>euern von Bund, Kantonen und Gemeinden,<br />

befasst sich aber auch mit der Verrechnungssteuer,<br />

den <strong>St</strong>empelabgaben sowie den Handänderungssteuern.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente<br />

145<br />

Er setzt sich dabei mit verschiedenen Fragen auseinander,<br />

die über die eigentliche Besteuerung der Anlagefonds<br />

und ihrer Anteilsinhaber hinausgehen und die Besteuerung<br />

der Erträge und Gewinne aus Vermögen ganz<br />

generell betreffen. Zu erwähnen ist etwa die sorgfältige<br />

Untersuchung von Lehre und Rechtsprechung zur Abgrenzung<br />

zwischen Privat- und Geschäftsvermögen sowie<br />

der Judikatur zum kontroversen Thema des sogenannten<br />

gewerbsmässigen Wertpapierhändlers.<br />

Breiten Raum widmet Toni Hess den zahlreichen Problemen,<br />

die mit der Abgrenzung von steuerfreiem Kapitalgewinn<br />

und steuerbarem Kapitalertrag zusammenhängen,<br />

und geht beispielsweise der Frage nach, inwiefern<br />

das strenge Nennwertprinzip bei der Besteuerung von<br />

Liquidationsüberschüssen angewendet werden dürfe. Er<br />

kommt – eigentlich nicht überraschend – zum Ergebnis,<br />

dass de lege lata statt dessen dem Kapitalrückzahlungsprinzip<br />

der Vorzug gebührt. Er vertritt auch die Position,<br />

dass sich erhaltene Marchzinsen in allen Fällen (und<br />

nicht bloss bei Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsung)<br />

als Vermögensertrag qualifizieren.<br />

2.2 Die Besteuerung der Anlagefonds<br />

Im dritten und fünften Teil der Dissertation befasst sich<br />

Toni Hess mit der Besteuerung der Anlagefonds. Er<br />

gliedert seine Ausführungen nach der durch das Anlagefondsgesetz<br />

vorgenommenen Einteilung in Effektenfonds<br />

und übrige Fonds einerseits und Immobilienfonds<br />

anderseits. Bei den Immobilienfonds unterscheidet er<br />

zwischen solchen mit direktem und solchen mit indirektem<br />

Grundbesitz.<br />

Bezüglich der Besteuerung der Effektenfonds sieht der<br />

Verfasser bei den direkten <strong>St</strong>euern kaum Probleme, weil<br />

die Fondsleitung das Fondsvermögen lediglich treuhänderisch<br />

für die Anteilsinhaber hält. Nicht der Fonds<br />

selbst, sondern die Anteilsinhaber sind für das Fondsvermögen<br />

und die daraus fliessenden Erträge steuerpflichtig.<br />

Interessante Erkenntnisse sind der Arbeit zur<br />

Verrechnungssteuer zu entnehmen. Sie betreffen steuerrechtliche<br />

Qualifikationsfragen, Verbuchungsmodalitäten<br />

bei Sonderfällen – wie etwa Obligationen mit überwiegender<br />

Einmalverzinsung oder Gratisaktien – sowie<br />

die unterschiedliche Besteuerung von ausschüttenden<br />

und thesaurierenden Fonds.<br />

Einlässlich setzt sich Toni Hess sodann mit den Immobilienfonds<br />

auseinander. Im Gegensatz zu den Effektenfonds<br />

unterliegen Immobilienfonds mit direktem Grundbesitz<br />

als eigenständige <strong>St</strong>euersubjekte den direkten<br />

<strong>St</strong>euern von Bund und Kantonen (Art. 66 Abs. 3 DBG,<br />

Art. 26 Abs. 3 <strong>St</strong>HG). Hier geht der Verfasser vertieft<br />

der Frage nach, was bei richtiger Auslegung unter<br />

«Ertrag» zu subsumieren sei: nur die Mietzinseinnahmen<br />

oder auch Grundstückgewinne? Er kommt dabei<br />

sehr schlüssig zum Ergebnis, dass trotz gleichem Wortlaut<br />

DBG und <strong>St</strong>HG unterschiedlich auszulegen sind:<br />

Bei der direkten Bundessteuer fallen nur die Vermögenserträge,<br />

im <strong>St</strong>HG jedoch zusätzlich auch die Kapitalgewinne<br />

unter den Ertragsbegriff. Dieses Ergebnis<br />

erscheint Hess zwingend, wenn man den Anlagefonds<br />

als transparentes Vehikel zu akzeptieren bereit ist und<br />

der unterschiedlichen Besteuerung von privaten Grundstückgewinnen<br />

beim Bund und in den Kantonen Rechnung<br />

tragen will. Bemerkenswert sind weiter auch die<br />

Ausführungen zur Frage, ob Immobilienfonds mit direktem<br />

Grundbesitz, an welchen sich ausschliesslich<br />

steuerbefreite Einrichtungen der beruflichen Vorsorge<br />

beteiligen, für ihren Ertrag von der <strong>St</strong>euerpflicht ausgenommen<br />

werden können. Obgleich aufgrund des Gesetzeswortlautes<br />

(Art. 49 Abs. 2 DBG, Art. 201 <strong>St</strong>HG) sich<br />

dieser Schluss a priori nicht aufdrängt, kommt Toni<br />

Hess mittels einer „teleologischen Reduktion» zur Auffassung,<br />

dass sich dies aus der Ratio der Bestimmung<br />

ergibt. Daher unterlägen die Immobilienfonds mit steuerbefreiten<br />

Einrichtungen der beruflichen Vorsorge als<br />

Anteilsinhaber nicht der Besteuerung. In neuerer Zeit<br />

ist diese Doktrin durch die Veranlagungspraxis offenbar<br />

übernommen worden (vgl. z.B. den Anlagefonds Credit<br />

Suisse 1a Immo PK).<br />

Anders als bei den Immobilienfonds mit direktem<br />

Grundbesitz sind die Immobilienfonds mit indirektem<br />

Grundbesitz, d.h. jene, welche über Immobiliengesellschaften<br />

in Grundeigentum investieren, nicht Subjekt<br />

der Gewinn- und Kapitalsteuern. Trotzdem entsteht eine<br />

zusätzliche Besteuerungsebene, indem sowohl die Immobiliengesellschaften<br />

als auch die Anteilsinhaber für<br />

ihre Erträge/Einkommen und ihr Kapital/Vermögen<br />

steuerpflichtig sind. Die verschiedenen spezifischen<br />

Probleme, die sich den Fonds und ihren Immobiliengesellschaften<br />

daraus stellen, sind in der Dissertation von<br />

Toni Hess sorgfältig dargestellt. Es sind dies z.B. Fragen<br />

des verdeckten Eigenkapitals, der wirtschaftlichen<br />

Handänderung, die Bedeutung des Belegenheitsprinzips<br />

für die Grundstückgewinnsteuer usw…<br />

Schliesslich befasst sich der Autor in diesem Zusammenhang<br />

auch mit <strong>St</strong>euerfragen, die sich aus der Überführung<br />

von Liegenschaften vom indirekten in den<br />

direkten Grundbesitz und umgekehrt ergeben. Er hält<br />

die gesetzliche Lösung von Artikel 207 DBG, der den<br />

Wechsel vom indirekten zum direkten Grundbesitz<br />

erleichtern wollte, für völlig verunglückt. Die Tatsache,<br />

dass trotz den gesetzlich angebotenen Erleichterungen<br />

kaum Überführungen in den direkten Grundbesitz stattgefunden<br />

haben, scheint Toni Hess Recht zu geben.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


146 Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente<br />

2.3 Die Besteuerung der Anteilsinhaber von<br />

Ausschüttungsfonds<br />

Im vierten Teil der Dissertation beleuchtet Toni Hess<br />

die <strong>St</strong>euerfolgen beim Anteilsinhaber, und zwar getrennt<br />

nach Effektenfonds und Immobilienfonds mit direktem<br />

bzw. indirektem Grundbesitz. Entsprechend dem «Lebenszyklus»<br />

einer Investition in einen Anlagefonds untersucht<br />

er die <strong>St</strong>euerfolgen beim Kauf der Anteile,<br />

während der Besitzdauer, beim Verkauf an Dritte, beim<br />

Verkauf an die Fondsleitung und bei der Auflösung des<br />

Fonds. Toni Hess legt gleich zu Beginn dieses Teils<br />

seiner Dissertation überzeugend dar, dass aus der professionellen<br />

Verwaltung des Fondsvermögens durch<br />

die Fondsleitung keinesfalls tel quel auf einen gewerbsmässigen<br />

Wertschriftenhandel des Anteilsinhabers<br />

ge schlos sen werden dürfe. In der in der Schweiz<br />

nach wie vor kontrovers diskutierten Frage der steuerlichen<br />

Behandlung der an körperschaftlich organisierten<br />

(ausländischen) Anlagefonds Beteiligten ist Toni<br />

Hess der dezidierten Auffassung, dass die Anteilsinhaber<br />

wie Aktionäre zu besteuern seien. Er setzt sich damit<br />

in Widerspruch zu der von der Eidgenössischen<br />

<strong>St</strong>euerverwalt ung und einer Mehrzahl der Kantone gehandhabten<br />

Praxis, wonach z.B. die Beteiligten luxemburgischer<br />

SICAV wie Anteilsinhaber vertraglicher<br />

Fonds besteuert werden.<br />

Mit dem Kreisschreiben vom 6. Mai 1994 ordnete die<br />

Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung an, dass das schon erwähnte<br />

Kreisschreiben vom 23. November 1989 betreffend<br />

die Besteuerung der zurückbehaltenen Erträge vertraglicher<br />

Thesaurierungsfonds sinngemäss auch auf<br />

die körperschaftlichen Fonds, wie z.B. die luxemburgischen<br />

SICAV, angewendet werden muss. Hier kann der<br />

Autor der Eidgenössischen <strong>St</strong>euerverwaltung nun nicht<br />

mehr folgen. Er legt überzeugend dar, dass die 1994<br />

eingeführte Praxisänderung zum einen gegen Art. 49<br />

Abs. 3 DBG verstösst und zum andern rechtsdogmatisch<br />

nicht haltbar ist, weil sie die körperschaftliche <strong>St</strong>ruktur<br />

der SICAV einfach negiert.<br />

Im Weiteren kritisiert Toni Hess die Praxis jener Kan -<br />

tone, welche die körperschaftliche <strong>St</strong>ruktur der SICAV<br />

zwar anerkennen, bei der Rückgabe der Anteile an die<br />

SICAV aber strikt das Nennwertprinzip anwenden. Da<br />

die SICAV keinen Nennwert aufweisen, führt dies<br />

regelmässig dazu, dass in derartigen Fällen der gesamte<br />

Erlös als steuerbares Einkommen erfasst wird. Toni<br />

Hess lehnt die Anwendung des integralen Nennwertprinzips<br />

beim SICAV mangels einer ausreichenden<br />

Rechtsgrundlage kategorisch ab und postuliert, die<br />

seiner Ansicht nach bestehende Lücke sei durch<br />

die Anwendung des Kapitalrückzahlungsprinzips zu<br />

schliessen.<br />

2.4 Die Besteuerung der Anteilsinhaber von<br />

Thesaurierungsfonds<br />

In einem sechsten Teil seiner Arbeit setzt sich Hess vor<br />

allem mit zwei Kreisschreiben der Eidgenössischen<br />

<strong>St</strong>euerverwaltung auseinander, die die Fondsbesteuerung<br />

massgeblich beeinflusst haben. Zunächst geht es<br />

um das Kreisschreiben vom 23. November 1989, in<br />

welchem die Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung die auf<br />

<strong>St</strong>ufe des thesaurierenden Fonds erzielten Vermögens -<br />

er träge als durch den Anteilsinhaber realisiert bezeichnet.<br />

Nach sorgfältiger Analyse dieses Kreisschreibens<br />

kommt Toni Hess zum Ergebnis, dass die thesaurierten<br />

Vermögenserträge den Anteilsinhabern rechtlich, wirtschaftlich<br />

und steuerlich zuzuordnen sind. Er hält das<br />

Kreisschreiben daher für richtig. Er schliesst sich auch<br />

hinsichtlich der Behandlung der Marchzinsen im Ergebnis<br />

der Eidgenössischen <strong>St</strong>euerverwaltung an, indem<br />

er deren Nichtbesteuerung beim Veräusserer der<br />

Fondsanteile für vertretbar erachtet. Während die Eidgenössische<br />

<strong>St</strong>euerverwaltung und das Bundesgericht<br />

jedoch Marchzinsen auf periodisch fälligen Erträgen<br />

als Kapitalgewinne qualifizieren, beurteilt sie Toni<br />

Hess grundsätzlich als steuerbaren Kapitalertrag, der<br />

nur wegen des unpraktikablen Vollzuges nicht erfasst<br />

werden soll.<br />

2.5 Die anlagefondsähnlichen Instrumente<br />

und besondere steuerrechtliche<br />

Probleme<br />

Im siebten Teil seiner Dissertation unternimmt Toni<br />

Hess Exkurse in die den Anlagefonds ähnlichen Investitionsformen<br />

und grenzt sie untereinander ab. Er untersucht<br />

dabei vor allem die Besteuerung von bankinternen<br />

Sondervermögen, Investment-Klubs, Anlagestiftungen,<br />

Investmentgesellschaften, Hedge Funds sowie<br />

Index-, Regionen- und Basketzertifikaten. Teils teilen<br />

diese Instrumente ihr steuerliches Los mit den Anlagefonds,<br />

teils unterliegen sie aber auch eigenen Regeln.<br />

Der achte Teil der Arbeit ist hauptsächlich einigen<br />

besonderen Erscheinungsformen von Anlagefonds gewidmet,<br />

wie den Umbrellafonds oder den Funds of<br />

Funds (Dachfonds). Bei den Funds of Funds ist von<br />

besonderer Bedeutung, ob sie entsprechend der Konzeption<br />

des Kreisschreibens vom 23. November 1989<br />

als steuerlich transparent angesehen werden und somit<br />

alle Einkünfte der in der Regel ausländischen Anlage -<br />

instrumente in Kapitalerträge und Kapitalgewinne aufgeteilt<br />

werden müssen. Toni Hess unterstützt ausdrücklich<br />

die durch die Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung getroffene<br />

pragmatische Zweiteilung bei der Besteuerung<br />

der Einkünfte aus Funds of Funds: Funds, welche aus-<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente<br />

147<br />

schliesslich kapitalgewinnorientiert investieren, gelten<br />

als nicht transparent; die übrigen Fonds werden nach<br />

den Kriterien des Kreisschreibens vom 23. November<br />

1989 besteuert, d.h., die in den Subfonds erzielten Vermögenserträge<br />

sind beim Anteilsinhaber steuerbar, Kapitalgewinne<br />

bleiben beim privaten Anleger steuerfrei.<br />

2.6 Die Entlastung von der schweizerischen<br />

Verrechnungssteuer und den ausländischen<br />

Quellensteuern<br />

Grosses Gewicht misst Toni Hess in einem neunten Teil<br />

den Problemen bei, die sich im Zusammenhang mit den<br />

in- und ausländischen Quellensteuern ergeben, die entweder<br />

bei Auszahlungen an Fonds oder deren Anteilsinhaber<br />

anfallen. Die Materie erweist sich als ausserordentlich<br />

komplex. Anschauliche Schemata und Diagramme<br />

ermöglichen es aber dem Leser, den Überblick<br />

doch einigermassen zu behalten.<br />

Hinsichtlich der Entlastung von an den Fonds ausgeschütteten<br />

Erträgen stellt sich vor allem die Frage, inwieweit<br />

dem Anteilsinhaber selbst ein Anspruch auf<br />

Entlastung zusteht. Toni Hess bejaht in gewissen<br />

Konstellationen einen derartigen Anspruch aus rechtlicher<br />

Sicht ausdrücklich, muss dann angesichts der sich<br />

aus diesem Lösungsansatz ergebenden Vollzugsprobleme<br />

aber doch die Segel wieder streichen. In der Praxis<br />

als vollziehbar erweist sich eigentlich nur die Rückerstattung<br />

an den Fonds, wenn dies dogmatisch auch der<br />

Treuhandkonstruktion vertraglicher Fonds widersprechen<br />

mag. Eine solche sieht Art. 26 V<strong>St</strong>G für inländische<br />

Fonds ausdrücklich vor. <strong>St</strong>aatsvertraglich vereinbart<br />

ist ein gleicher Anspruch der Fonds mit sechs Ländern,<br />

nämlich mit Deutschland, Frankreich, Grossbritannien,<br />

den Niederlanden, Österreich und Schweden.<br />

Anlagefonds mit Erträgen aus anderen Ländern ist die<br />

direkte Rückforderung verwehrt, so dass für manchen<br />

Fonds die schweizerische Verrechnungssteuer oder eine<br />

ausländische Quellensteuer zu einer definitiven Belastung<br />

führt. <strong>St</strong>att eines Rückerstattungsanspruchs gewähren<br />

Australien, Japan und Kanada den Fonds eine<br />

Entlastung schon an der Quelle. Entsprechend der sogenannten<br />

Adressmethode fallen dadurch den schweizerischen<br />

Anlagefonds die Abkommensvorteile automatisch<br />

zu. Ein an die Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung<br />

abzuführender <strong>St</strong>euerrückbehalt im Ausmass der am<br />

Fonds beteiligten ausländischen Investoren stellt sicher,<br />

dass nicht abkommensberechtigte Personen von den<br />

Vorteilen der jeweiligen DBA ausgeschlossen sind.<br />

Toni Hess geht in diesem Zusammenhang auch sehr<br />

gründlich den Problemen nach, die sich den Anlagefonds<br />

mit der Einführung des Qualified Intermediary-Konzepts<br />

(QI) der USA ab 1. Januar 2001 stellen. Die Möglichkeit<br />

des Fonds, nach den «check-the-box rules» als Benefi -<br />

cial Owner zu optieren, entbindet diesen zwar davon, jeden<br />

einzelnen Anteilsinhaber der amerikanischen Depotbank<br />

bzw. der schweizerischen QI-Bank zu melden, berechtigt<br />

aber den Fonds nicht, Abkommensvorteile in<br />

Anspruch zu nehmen. Auch hier ist somit zur Zeit der<br />

über An lagefonds Investierende im Vergleich zum Direktanleger<br />

benachteiligt.<br />

Weniger einschneidende Probleme bieten die Quellensteuern,<br />

die von an Anteilsinhaber ausgeschütteten Erträgen<br />

abgezogen werden. Die Entlastungen richten sich<br />

nach dem Recht des Quellenstaates sowie den einschlägigen<br />

Doppelbesteuerungsabkommen. Lesenswert sind<br />

hier namentlich die Ausführungen zum sogenannten Affidavitverfahren,<br />

das es schweizerischen Fonds erlaubt,<br />

unter gewissen Voraussetzungen Erträge an ausländische<br />

Anteilsinhaber ohne Abzug der Verrechnungssteuer<br />

auszuzahlen. Diese Erträge müssen zu mindestens 80%<br />

aus ausländischen Quellen stammen (Art. 27 V<strong>St</strong>G).<br />

Toni Hess bezeichnet dieses Verfahren, bei dem die Entlastung<br />

nicht auf einem DBA beruht, als einen Systembruch.<br />

Er ist jedoch bereit, diesen im Interesse der Konkurrenzfähigkeit<br />

der Schweiz als <strong>St</strong>andort für Anlagefonds<br />

hinzunehmen.<br />

2.7 Anregungen<br />

In seinem abschliessenden Ausblick spricht sich Toni<br />

Hess für die Zulassung körperschaftlich organisierter<br />

Fonds in der Schweiz aus und regt an, dass mit weiteren<br />

Ländern Abkommen geschlossen werden, die die Geltendmachung<br />

der doppelbesteuerungsrechtlichen Vorteile<br />

durch die Anlagefonds möglich machen. Die ebenfalls<br />

vorgeschlagene Herabsetzung der schweizerischen<br />

Verrechnungssteuer dürfte Wunschtraum bleiben. Ein<br />

wesentlich tieferer Satz würde den Sicherungscharakter<br />

der Verrechnungssteuer schwächen und dadurch Begehren<br />

nach erleichtertem Zugang zu Kundendaten bei<br />

Banken und erweiterten Informationspflichten der<br />

Finanzintermediäre gegenüber in- und ausländischen<br />

<strong>St</strong>euerbehörden Aufwind geben.<br />

3 Würdigung<br />

Toni Hess hat mit seiner Dissertation eine ausserordentlich<br />

umfassende und sorgfältige Abhandlung geschrieben.<br />

Das Schwergewicht liegt, wie der Titel schon sagt, bei den<br />

<strong>St</strong>euerfragen, die sich den Anlagefonds und deren Teilhabern<br />

stellen. Da aber den Fonds grundsätzlich die gleichen<br />

Anlagemöglichkeiten offen stehen wie dem Direktinvestor,<br />

ist seine Arbeit durch ihr weites Spektrum der behandelten<br />

Sachfragen zu einem weiten Teil auch ein Kompendium<br />

für <strong>St</strong>euerprobleme der Kapitalanlagen ganz gene-<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


148 Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente<br />

rell. Damit ist natürlich anderseits auch die grundsätzliche<br />

Frage des Umfangs von Dissertationen angesprochen.<br />

Toni Hess hat sich sehr gründlich, da und dort sogar akribisch<br />

mit dem einschlägigen Schrifttum, der <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>spraxis<br />

und der Judikatur auseinandergesetzt. Er<br />

hat dabei wiederholt eigenständige Positionen bezogen<br />

und diese wissenschaftlich solid abgestützt. Trotz ihrer<br />

strengen Systematik und dem Tiefgang der Argumentationen<br />

ist die Arbeit nicht graue Theorie. Im Gegenteil:<br />

Toni Hess ist bestrebt, wo immer möglich dem Praktiker<br />

Hilfestellungen zu geben, sei es mit Übersichten, Tabellen,<br />

Berechnungs- und Verbuchungsbeispielen oder<br />

Hinweisen auf die im konkreten Fall zu verwendenden<br />

Formulare und einzuschlagenden Verfahrensschritte.<br />

Die Praxistauglichkeit wird durch eine gut lesbare<br />

Sprache unterstrichen. Allerdings bringt es die bis in<br />

fein s te Verästelungen durchgehaltene Dezimalklassi -<br />

fika tion (bis zu 7 <strong>St</strong>ellen) mit sich, dass dem Leser schon<br />

einmal kurzzeitig die Orientierung verloren gehen kann.<br />

Die umfassende Monographie von Toni Hess zu allen<br />

Facetten des Anlagefondsgeschäftes setzt einen Markstein.<br />

Sie ist nicht nur Fondsmanagern, Kapitalanlegern<br />

sowie deren Beratern, sondern auch allen an einer<br />

vertieften rechtlichen Durchdringung dieser Materie<br />

Interessierten wärmstens zur Lektüre empfohlen. Der<br />

Blumensteinpreis 2001 ist einem würdigen Kandidaten<br />

mit einer herausragenden Arbeit zugesprochen worden.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


149<br />

Gesetzgebungs-<strong>Forum</strong><br />

Das Bandbreitenmodell der materiellen<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

Lic. oec. Kurt <strong>St</strong>alder*/Dr. iur. Ulrich Cavelti**<br />

Inhalt<br />

1 Einleitung<br />

2 <strong>St</strong>aatsrechtliche und staatspolitische Überlegungen<br />

zur materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

2.1 Argumente für eine materielle Harmonisierung<br />

2.1.1 Rationalisierungsfunktion<br />

2.1.2 <strong>St</strong>euergerechtigkeit<br />

2.1.3 Verhinderung der <strong>St</strong>euerflucht<br />

2.1.4 Föderalismus<br />

2.1.5 Wettbewerbsneutralität der <strong>St</strong>euern<br />

2.2 Die rechtliche Umsetzung der materiellen<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

2.3 Übergangsrechtliche Problematik<br />

2.4 Fazit aus staatsrechtlicher und staatspolitischer Sicht<br />

3 Auswirkungen auf die Kantons- und Gemeinde -<br />

finanzen<br />

3.1 Gefahr zunehmender Verschuldung von Kantonen<br />

und Gemeinden<br />

3.2 <strong>St</strong>euerpolitik voll in Bundeshand<br />

3.3 <strong>St</strong>euererhöhungen für Pflichtige in unteren<br />

Einkommensschichten<br />

3.4 Anpassungen zur Hauptsache in eine Richtung:<br />

nach oben<br />

3.5 Finanzielle Folgen des Bandbreitenmodells;<br />

Vergleich mit der NFA<br />

3.6 Fazit aus finanzwirtschaftlicher Sicht<br />

1 Einleitung<br />

Die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben<br />

zwischen Bund und Kantonen (NFA) befindet sich<br />

gegenwärtig in parlamentarischer Beratung. Die Volksabstimmung<br />

über die damit verbundenen Verfassungsänderungen<br />

findet voraussichtlich im Frühjahr 2004<br />

statt. Die Vorlage dürfte eine Annäherung der <strong>St</strong>euerbelastungsunterschiede<br />

zwischen den Kantonen um rund<br />

20 Prozent bringen. Einigen Kreisen geht dies zu wenig<br />

weit. So hat die Sozialdemokratische Fraktion der<br />

Bundes versammlung Prof. Hans Schmid (<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>) beauftragt,<br />

eine Kombination von materieller <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

und NFA zu prüfen. Der Beauftragte legte<br />

im Juli 2001 einen Bericht vor, in welchem solche Möglichkeiten<br />

beleuchtet werden. Zudem zeigt er einen<br />

Regelungsvorschlag auf Verfassungsstufe auf. Die SPS<br />

trägt sich mit dem Gedanken, diesen Vorschlag als<br />

Volksinitiative zu lancieren, wenn die NFA nicht eine<br />

starke Annäherung der interkantonalen <strong>St</strong>euerbelastungsunterschiede<br />

bringt.<br />

Der Bericht von Prof. Schmid 1 schlägt ein so genanntes<br />

Bandbreitenmodell für die <strong>St</strong>euerbelastung vor. Aus -<br />

gehend von verschiedenen, durch den Bund festzule -<br />

genden Einheitstarifen (inkl. <strong>St</strong>euerfreibeträgen) für die<br />

Einkommens- und die Vermögenssteuern der natür -<br />

lichen Personen sowie die Gewinn- und die Kapital -<br />

steuern der juristischen Personen würde allen Kantonen<br />

und Gemeinden nur noch eine Differenzierung dieser<br />

Einheits-<strong>St</strong>euertarife um ±20 Prozent erlaubt. Die maximalen<br />

<strong>St</strong>euerbelastungsunterschiede würden sich auf<br />

ein Verhältnis von 1:1,5 reduzieren, wogegen sich heute<br />

im Extremfall zwischen Freienbach/SZ sowie Lauterbrunnen/BE<br />

bei gewissen Einkommensgruppen ein Verhältnis<br />

von 1:4,7 ergibt.<br />

Das Bandbreitenmodell würde für gewisse Kantone und<br />

Gemeinden (mit heute hoher <strong>St</strong>euerbelastung) Einnah-<br />

* Vorsteher der Finanzverwaltung des Kantons Luzern und<br />

Sekretär der Finanzdirektorenkonferenz<br />

** Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong> und<br />

Leiter der Koordinations- und Beratungsstelle der Finanzdirektorenkonferenz<br />

1 Hans Schmid, Materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung und Neuer<br />

Finanzausgleich; Möglichkeiten und Grenzen der Kombination<br />

der beiden Harmonisierungsinstrumente – Regelungsvorschläge<br />

auf Verfassungsstufe; Gutachten im Auftrag der<br />

Sozial demokratischen Fraktion der Bundesversammlung,<br />

<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong> 2001, publiziert auf www.sp-ps.ch.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


150 Kurt <strong>St</strong>alder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

menausfälle zur Folge haben, für gewisse Kantone und<br />

Gemeinden (mit heute tiefer <strong>St</strong>euerbelastung) Mehreinnahmen.<br />

Diese Veränderungen wären über den Finanzausgleich<br />

zu korrigieren, insbesondere über die in der<br />

NFA vorgesehenen Instrumente des Ressourcenausgleichs<br />

und des Lastenausgleichs. Den Kantonen würde<br />

vorgeschrieben, für den innerkantonalen Finanzausgleich<br />

ein analoges System anzuwenden.<br />

Die Auswirkungen dieses Systems der materiellen<br />

<strong>St</strong>euer harmonisierung auf die Kantone und Gemeinden<br />

wären einschneidend. Es wird nachfolgend versucht,<br />

die gravierendsten Folgen aufzuzeigen. In einem ersten<br />

Abschnitt wird auf die staatsrechtlichen und staatspo li -<br />

tischen Konsequenzen hingewiesen. Der zweite Teil<br />

befasst sich mit den Auswirkungen auf die Kantonsund<br />

Gemeindefinanzen, wobei nur auf die Einkommenssteuerbelastung<br />

der natürlichen Personen eingegangen<br />

wird; die Erkenntnisse für die Vermögens -<br />

steuern der natürlichen Personen sowie die Gewinnund<br />

Kapitalsteuern der juristischen Personen wären<br />

ähnlich.<br />

2 <strong>St</strong>aatsrechtliche und staatspolitische<br />

Überlegungen zur materiellen<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

2.1 Argumente für eine materielle Harmonisierung<br />

2.1.1 Rationalisierungsfunktion<br />

Die Rationalisierungsfunktion spricht die mit der ma -<br />

teriellen <strong>St</strong>euerharmonisierung erhofften Rationali -<br />

sierungsmöglichkeiten für das schweizerische <strong>St</strong>euer -<br />

system und die damit erwartete Effizienzsteigerung der<br />

öffentlichen Verwaltung an.<br />

Zweifellos wird der Gesetzgebungsaufwand minimiert,<br />

wenn anstelle von 27 <strong>St</strong>euerordnungen nur noch eine<br />

Bundessteuerordnung geschaffen werden muss. Die<br />

Praxis zeigt indessen, dass bereits heute die 26 kantonalen<br />

<strong>St</strong>euerordnungen in grossen Teilen auch in materieller<br />

Hinsicht angeglichen sind, ohne dass ein Zwang zur<br />

vollständigen Harmonisierung besteht. Untersuchungen<br />

der Schweizerischen <strong>St</strong>euerkonferenz haben ergeben,<br />

dass in mehreren nicht harmonisierten und nicht ins<br />

<strong>St</strong>HG integrierten Bereichen die Kantone ihre kantonalen<br />

<strong>St</strong>euergesetze untereinander angeglichen haben und<br />

diesbezüglich das DBG die Rolle eines Mustergesetzes<br />

übernommen hat. Bestehende Abweichungen lassen<br />

sich mit kantonalen und regionalen Besonderheiten<br />

erklären, die damit weiterhin berücksichtigt werden<br />

können, ohne dass ein Zwang zur vollständigen Nivellierung<br />

besteht.<br />

2.1.2 <strong>St</strong>euergerechtigkeit<br />

Mit der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung soll für die<br />

ganze Schweiz aufgrund des Gleichmässigkeitsgebots<br />

eine einheitliche <strong>St</strong>euerlast für in wirtschaftlich gleichen<br />

Verhältnissen lebende Bürger geschaffen werden.<br />

Die heutige föderalistische Ausgestaltung der kanto nalen<br />

<strong>St</strong>euergesetze widerspricht der <strong>St</strong>euergerechtigkeit<br />

nicht. Die allgemein anerkannten Grundsätze zur <strong>St</strong>euer -<br />

gerechtigkeit, nämlich die Besteuerung nach der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit sowie die Grundsätze<br />

der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der <strong>St</strong>euer<br />

(Art. 127 Abs. 2 BV), erfüllen auch die kantonalen<br />

<strong>St</strong>euer ordnungen. Diese Grundsätze können nur inner -<br />

halb eines autonomen Gemeinwesens realisiert werden,<br />

nicht aber über die territoriale Hoheit des Souveräns hin -<br />

aus. Mit andern Worten führt das Postulat der materiellen<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierung direkt zu einem Einheitsstaat und<br />

zur Aufgabe des föderalistischen <strong>St</strong>aatsaufbaus. Mit dem<br />

gleichen Argument müsste man eine einheit liche <strong>St</strong>euerordnung<br />

z.B. für ganz Europa fordern.<br />

2.1.3 Verhinderung der <strong>St</strong>euerflucht<br />

Die materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung will die <strong>St</strong>euerflucht<br />

in einen steuergünstigen Kanton oder eine steuergünstige<br />

Gemeinde verhindern.<br />

Dieses Argument unterstellt, dass die Wahrnehmung von<br />

verfassungsmässigen Rechten, wie das Recht auf persönliche<br />

Freiheit (Art. 10 BV) oder die Niederlassungsfreiheit<br />

(Art. 24 BV), zwar legal, aber nicht legitim sei.<br />

Gleichzeitig wird mit dem Blick auf die EU und ihre Bemühungen<br />

zum Ausmerzen von <strong>St</strong>eueroasen eine absolut<br />

gleiche fiskalische Belastung für alle Bürger des EU-<br />

Raums postuliert. Eine derartige, allgemeine Gleichmacherei<br />

kann indessen nicht erstrebenswert sein, wenn<br />

man den Grundsatz der Selbstbestimmung des Individuums<br />

hochhält.<br />

2.1.4 Föderalismus<br />

Aufgrund des Gleichmässigkeitspostulats der materiellen<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierung wird eine <strong>St</strong>ärkung des Föderalismus<br />

unterstellt.<br />

Dieses Argument verkennt vollständig, dass die autonome<br />

Bestimmung über die Finanzen nicht nur bei den<br />

Ausgaben, sondern ebenso sehr bei den Einnahmen entscheidend<br />

ist (siehe Abschn. 2.2 «Die rechtliche Umsetzung<br />

der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung»).<br />

2.1.5 Wettbewerbsneutralität der <strong>St</strong>euern<br />

Die materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung will die Wettbewerbsneutralität<br />

dadurch sicherstellen, dass steuergünstige<br />

Gemeinden keinen <strong>St</strong>andortvorteil mehr besitzen.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Kurt <strong>St</strong>alder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

151<br />

Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des <strong>St</strong>aats<br />

verlangt, dass innerhalb des gleichen Hoheitsgebiets<br />

nicht wettbewerbsverzerrende Vergünstigungen angeboten<br />

werden. Materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung aufgrund<br />

des Postulats der Wettbewerbsneutralität bedeutet somit<br />

automatisch die Aufgabe der Gebietshoheit von Gemeinden<br />

und Kantonen und die Übertragung auf den Bund.<br />

2.2 Die rechtliche Umsetzung der materiellen<br />

<strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

Der Vorschlag verlangt eine materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

aller direkten kantonalen und kommunalen <strong>St</strong>euern,<br />

mit Ausnahme der Kirchensteuern. Die <strong>St</strong>euerbelastungsunterschiede<br />

dürfen eine bestimmte Bandbreite<br />

nicht übersteigen. Diese Schwankungsbreiten wären im<br />

Kanton auf die Kantons- und Gemeindesteuern zu verteilen.<br />

Dies hätte gravierende Auswirkungen auf die<br />

Aufgabenerfüllung.<br />

Die Kantone und Gemeinden haben bestimmte Aufgaben<br />

zu erfüllen. Diese Aufgaben können selbstgewählt<br />

oder vom Bund oder den Kantonen übertragen sein. Die<br />

Finanzierung dieser Aufgaben hat durch das Gemeinwesen<br />

zu erfolgen. Genügen die finanziellen Mittel zur<br />

Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben nicht,<br />

so hat ein anderes Gemeinwesen die fehlenden Mittel zu<br />

ersetzen. Dies setzt voraus, dass das zuschusspflichtige<br />

Gemeinwesen eine Kontrolle über das Gemeinwesen<br />

ausübt, welches die Mittel einverlangt. Nur so kann<br />

sichergestellt werden, dass die Mittelverwendung<br />

zweckmässig und gesetzmässig ist. Mit andern Worten<br />

setzt die Einführung einer verbindlichen Bandbreite voraus,<br />

dass der Bund gegenüber den Kantonen und Gemeinden<br />

eine effiziente Finanzkontrolle einsetzt und tatsächlich<br />

ausübt. Die Budgets von Kantonen und<br />

Gemeinden, die Finanzausgleichsmittel beanspruchen,<br />

sind demzufolge dem Bund zur Genehmigung zu unterbreiten,<br />

ebenso die Rechnungsabschlüsse.<br />

Dieselben Überlegungen gelten auch für gutsituierte<br />

Kantone und Gemeinden, welche den <strong>St</strong>euerfuss senken<br />

wollen. Diese sind ja grundsätzlich verpflichtet,<br />

überschüssige, für die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht<br />

benötigte finanzielle Mittel dem Bund zur Ausgestaltung<br />

des horizontalen Finanzausgleichs abzuliefern.<br />

Auch dies verlangt eine effiziente Mittelverwendung,<br />

und der Bund muss kontrollieren, dass die effektiv<br />

nicht benötigten Mittel abgeführt werden. Demzufolge<br />

haben auch die bestsituierten Kantone und Gemeinden<br />

dem Bund Budget und Rechnung zur Genehmigung zu<br />

unterbreiten.<br />

Das Gutachten Schmid schweigt sich zu dieser Problematik<br />

vollständig aus. Es geht stillschweigend davon<br />

aus, dass die Finanzausgleichsinstrumente, die in den<br />

Kantonen gegenüber den Gemeinden zum Einsatz<br />

kommen, ohne weiteres auf den Bund übertragen werden<br />

können. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass die<br />

Kantone aus der Sicht der Bundesverfassung originäre<br />

Hoheitsträger sind, nicht aber die Gemeinden. Die<br />

Gemeinden sind nur insoweit autonom, als die kantonale<br />

Verfassung bzw. Gesetzgebung dies vorsieht<br />

(Art. 50 Abs. 1 BV). Dies ist ein wesentlicher Unterschied<br />

zur Selbständigkeit der Kantone nach schweizerischem<br />

Verfassungsverständnis. Diesen Unterschieden<br />

wird im Gutachten keinerlei Beachtung geschenkt.<br />

2.3 Übergangsrechtliche Problematik<br />

Die materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung soll innert drei<br />

Jahren realisiert werden. Sofern dies nicht möglich ist,<br />

erlässt der Bundesrat nach Ablauf der drei Jahre auf<br />

dem Verordnungsweg die entsprechenden gesetzesvertretenden<br />

Bestimmungen. Dieser Zeithorizont ist völlig<br />

unrealistisch. Wenn man daran denkt, dass allein die<br />

Verwirklichung der formellen Harmonisierung über<br />

25 Jahre gedauert hat, wird es nicht möglich sein, auf<br />

dem ordentlichen Gesetzgebungsweg innert drei Jahren<br />

eine materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung durchzuführen.<br />

Dabei muss man sich nicht an den 25 Jahren für die formelle<br />

Harmonisierung orientieren, es genügt ein Blick<br />

auf die Komplexität der Materie und die allgemeine<br />

Praxis im Gesetzgebungsprozess.<br />

Die Übergangsregelung macht deutlich, dass das föderalistische<br />

System im Finanzbereich völlig zerschlagen<br />

werden soll. Die vorgesehenen Zeithorizonte<br />

erlauben nicht einmal die Umsetzung auf dem ordentlichen<br />

Gesetzgebungsweg. Es dürfte zudem selbst dem<br />

Bundesrat schwer fallen, innert drei Jahren auf dem<br />

Verordnungsweg ein materiell harmonisiertes <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

zu konzipieren.<br />

2.4 Fazit aus staatsrechtlicher und staatspolitischer<br />

Sicht<br />

Die materielle <strong>St</strong>euerharmonisierung operiert mit verfassungsrechtlichen<br />

Grundsätzen, die nur dann greifen,<br />

wenn man von einem Einheitsstaat ausgeht. Solange<br />

man akzeptiert, dass die Schweiz ein föderalistisches<br />

<strong>St</strong>aatsgebilde mit selbständigen Gebietskörperschaften<br />

und eigenen autonomen Rechtssetzungskompetenzen<br />

ist, finden die aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Postulate<br />

nur innerhalb der autonomen Gebietskörperschaften<br />

Anwendung.<br />

Die unreflektierte Ausdehnung der Grundsätze des<br />

innerkantonalen Finanzausgleichs auf einen interkantonalen<br />

Finanzausgleich übersieht, dass alsdann sowohl<br />

gutsituierte wie schlechtsituierte Gemeinwesen der<br />

Kontrolle des übergeordneten <strong>St</strong>aatswesens unterstellt<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


152 Kurt <strong>St</strong>alder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

werden müssen. Damit wird unmittelbar ein Zentralstaat<br />

geschaffen.<br />

Die vorgeschlagene Übergangsregelung ist zudem unrealistisch<br />

und verstärkt die Tendenz zum Einheitsstaat.<br />

3 Auswirkungen auf die Kantonsund<br />

Gemeindefinanzen<br />

3.1 Gefahr zunehmender Verschuldung von<br />

Kantonen und Gemeinden<br />

Heute ist jeder Kanton autonom, die <strong>St</strong>euersätze und die<br />

<strong>St</strong>euerfreibeträge im <strong>St</strong>euergesetz festzulegen. Auf<br />

deren Basis ergeben sich die <strong>St</strong>euergrundbeträge («einfache<br />

<strong>St</strong>euer»). Durch Multiplikation dieser <strong>St</strong>euergrundbeträge<br />

mit den <strong>St</strong>euerfüssen des Kantons und der Gemeinde<br />

ergibt sich der geschuldete <strong>St</strong>euerbetrag. Die<br />

<strong>St</strong>euerfüsse der Kantone und der Gemeinden spiegeln<br />

unter anderem den Bedarf wider, der sich aus den Präferenzen<br />

der Parlamente und der Bürgerinnen und<br />

Bürger in der Ausgabenpolitik ergibt. Die Festlegung<br />

des <strong>St</strong>euerfusses ist Ausdruck für direkte Demokratie<br />

und Selbstverantwortung. In diesem Sinne ist heute<br />

Deckungsgleichheit zwischen Ausgabe, Kompetenz<br />

und Verantwortung gegeben. Diese Selbstverantwor -<br />

tung wirkt zweifellos ausgabendämmend.<br />

Völlig ungeklärt ist im Bandbreitenmodell das Verhältnis<br />

der <strong>St</strong>eueraufteilung zwischen dem Kanton und<br />

seinen Gemeinden. Die Gemeinden werden noch mehr<br />

als heute vom Kanton abhängig. Der Kanton wird den<br />

Gemeinden die Ausschöpfung des Einheitstarifs vorschreiben<br />

müssen. Die Gemeinden laufen mit dem Modell<br />

auch Gefahr, wegen allfälliger künftiger <strong>St</strong>euererhöhungen<br />

des Kantons finanziell immer mehr eingeschränkt<br />

zu werden, weil die Maxima fixiert sind und<br />

sie <strong>St</strong>euererhöhungen durch die Kantone nicht mit einer<br />

eigenen <strong>St</strong>euererhöhung kompensieren können.<br />

Mit dem Bandbreitenmodell fällt die Möglichkeit, die<br />

Einnahmen entsprechend dem Bedarf zu variieren, zum<br />

grössten Teil weg. Die Zuschläge zu den Einheitstarifen<br />

wären auf 20 Prozent beschränkt. Höhere <strong>St</strong>euern dürften<br />

nicht verlangt werden. Es ist eine offen gelassene<br />

Frage, was passiert, wenn die Ausgaben wegen gesellschaftlicher<br />

Bedürfnisse oder neuer Bundesgesetze<br />

steigen oder wenn Bürgerinnen und Bürger oder Parlamente<br />

zusätzliche laufende Ausgaben oder Investitionen<br />

beschliessen. Die Finanzierung kann beim Bandbreitenmodell<br />

diesem höheren <strong>St</strong>andard nicht angepasst<br />

werden. Die Antwort ist rasch gefunden: Die Verschul -<br />

d ung erhöht sich. Anschauliche Beispiele dafür gibt es<br />

in Deutschland. Die Einnahmen der deutschen Kommunen<br />

sind zu weiten Teilen durch den Bund einheitlich<br />

geregelt. Weil die steigenden Ausgaben nicht mit Einnahmenerhöhungen<br />

aufgefangen werden können, steht<br />

es um die Finanzen der deutschen Kommunen sehr<br />

schlecht.<br />

Folge davon könnte eine zunehmende Aufgabenverlagerung<br />

auf den Bund und damit ein verstärkter Zentralismus<br />

sein. Keine realistische Möglichkeit wäre es, zu<br />

Gunsten der verschuldeten Kantone und Gemeinden laufend<br />

den Umfang des Ressourcenausgleichs zu erhöhen.<br />

Dies würde die Leistungsbereitschaft der Zahlerkantone<br />

und -gemeinden rasch zunichte machen. Auch hier lässt<br />

sich auf das abschreckende deutsche Beispiel des Länderfinanzausgleichs<br />

mit der vollständigen Nivellierung<br />

verweisen. Bekanntlich hat das deutsche Bundesverfassungsgericht<br />

diesen Finanzausgleich auf Klage der Bundesländer<br />

Bayern, Baden-Württemberg und Hessen aufgehoben.<br />

3.2 <strong>St</strong>euerpolitik voll in Bundeshand<br />

Die Regelungskompetenz betreffend die direkten <strong>St</strong>euern,<br />

insbesondere betreffend Tarif, Freibeträge, Progressionsverlauf<br />

und Marginalsätze, liegt heute zum<br />

überwiegenden Teil bei den Kantonen. Die Kantone<br />

legen diese Parameter nach eigenen politischen Bedürfnissen<br />

und nach der <strong>St</strong>ruktur der Kantonsbevölkerung<br />

und des <strong>St</strong>euersubstrats fest. Dabei nehmen die Kantone<br />

auch auf die <strong>St</strong>rukturen ihrer Gemeinden Rücksicht.<br />

Die kantonalen und kommunalen Besonderheiten<br />

werden berücksichtigt, wie Verstädterung, hohe Anteile<br />

an landwirtschaftlicher Bevölkerung, hohe Anteile an<br />

Alleinstehenden, hohe Kinderzahlen, besondere Verhältnisse<br />

bei den Kapitalgesellschaften usw. Grundsätzlich<br />

besitzt heute jeder Kanton das massgeschneiderte<br />

<strong>St</strong>euersystem, das für ihn, seine Gemeinden, seine<br />

Bevölker ung und seine Wirtschaft ein optimales Resultat<br />

bringt.<br />

Der <strong>St</strong>euertarif des Kantons X kann nicht auf den Kanton<br />

Y angewendet werden. Hätte der Kanton Jura beispielsweise<br />

den <strong>St</strong>euertarif des Kantons Genf, verminderten<br />

sich die Einnahmen des Kantons Jura um die<br />

Hälfte.<br />

Mit dem vorgeschlagenen Modell wären – mit Ausnahme<br />

der ± 20-Prozent-Bandbreite – alle <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong>s-Kom -<br />

petenzen in Bundeshand. Insbesondere könnte der<br />

Bundesgesetzgeber die marginale <strong>St</strong>euerbelastung, den<br />

Progressionsverlauf oder die Freigrenzen nach eigenem<br />

Gutdünken ändern. Es ist klar, dass dabei nicht mehr auf<br />

die besonderen <strong>St</strong>rukturen der einzelnen Kantone und<br />

Gemeinden Rücksicht genommen werden könnte. Pe -<br />

riodische Veränderungen bei diesen Parametern würden<br />

damit die einzelnen Kantone finanziell ganz unterschiedlich<br />

treffen, und es wäre ihnen verunmöglicht, die Aus-<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Kurt <strong>St</strong>alder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

153<br />

wirkungen – mit Ausnahme des Ausschöpfens der Bandbreite<br />

von ± 20 Prozent – über den <strong>St</strong>euerfuss zu korrigieren.<br />

Die einzelnen Gemeinden mit ihren kleineren <strong>St</strong>rukturen<br />

wären davon noch in einem viel grösseren Ausmass<br />

betroffen. Auf solche Veränderungen müsste mit einer<br />

Anpassung des Finanzausgleichssystems reagiert werden,<br />

wobei es unmöglich wäre, dabei exakt immer die<br />

richtigen Kantone und Gemeinden zu begünstigen oder<br />

zu belasten.<br />

Es wäre aber auch zu erwarten, dass die <strong>St</strong>euertarife der<br />

direkten Bundessteuer und der harmonisierten Kantonsund<br />

Gemeindesteuern über kurz oder lang gleichgeschaltet<br />

würden, zumal dies eine administrative Vereinfachung<br />

mit sich brächte. Die Anwendung eines solchen<br />

Einheitstarifs könnte für die Kantone und Gemeinden<br />

noch einschneidendere Veränderungen bringen. Wenn<br />

man sich in Richtung des einer Reichtumssteuer ähnlichen<br />

Tarifs der direkten Bundessteuer bewegte, entginge<br />

den meisten Kantonen und Gemeinden ein grosser Teil<br />

ihres <strong>St</strong>euersubstrats. Wenn man sich in Richtung eines<br />

alle Einkommensgruppen umfassenden Tarifs bewegte,<br />

würde sich der Bund am bisherigen <strong>St</strong>euer subs trat der<br />

Kantone und Gemeinden vermehrt bedienen.<br />

Mit einem Einheitstarif würde man sich einem <strong>St</strong>euerverbund-Modell<br />

nach deutschem Muster nähern. In<br />

Deutschland wird heute mühsam versucht, davon wegzukommen,<br />

um für die Finanzpolitik der Länder und<br />

Gemeinden mehr Spielraum und positive Anreize zu<br />

schaffen.<br />

3.3 <strong>St</strong>euererhöhungen für Pflichtige in unteren<br />

Einkommensschichten<br />

In der Öffentlichkeit ist die Ansicht verbreitet, mit der<br />

materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung werde endlich der<br />

<strong>St</strong>euerflucht der Gutsituierten in die so genannten<br />

«<strong>St</strong>eueroasen» ein Riegel geschoben. Dies kann der Fall<br />

sein. Es ist aber zu beachten, dass in diesen Kantonen<br />

und Gemeinden die <strong>St</strong>euerbelastung für die unteren<br />

Einkommenskategorien ebenfalls sehr günstig ist.<br />

Auch breite Kategorien von <strong>St</strong>euerpflichtigen in Kantonen<br />

und Gemeinden mit einem sehr sozialen <strong>St</strong>euertarif<br />

(hohe Freigrenze, spät einsetzende Progression) hätten<br />

mit dem neuen Modell höhere <strong>St</strong>euern zu bezahlen.<br />

Dies soll anhand der Kantone Genf und Zug sowie der<br />

Gemeinde Küsnacht/ZH aufgezeigt werden (s. Grafik 1).<br />

Genf ist ein Kanton mit einer sehr tiefen <strong>St</strong>euerbelastung<br />

in den unteren Kategorien und einer hohen <strong>St</strong>euerbelastung<br />

in den oberen Kategorien, währenddem der Kanton<br />

Zug für alle Kategorien steuergünstig ist. In der Gemeinde<br />

Küsnacht/ZH kommt der soziale Tarif des Kantons<br />

Zürich, kombiniert mit einem tiefen <strong>St</strong>euerfuss, zur Anwendung.<br />

Im Kanton Genf müssten die <strong>St</strong>euern ausschliesslich für<br />

die Einkommenskategorien bis rund Fr.70000.– er höht<br />

werden; für die oberen Einkommenskategorien ergäben<br />

sich keine Veränderungen. In Küsnacht/ZH müssten die<br />

<strong>St</strong>euern für die mittleren Einkommenskategorien erhöht<br />

Grafik 1: Bandbreitenmodell im Vergleich mit <strong>St</strong>euerbelastung 2001 in den Kantonen Zug, Genf<br />

sowie der Gemeinde Küsnacht/ZH (Verheirateter ohne Kinder; <strong>St</strong>aats-, Gemeinde- und<br />

Kirchensteuer); Bandbreite berechnet aufgrund der gesamtschweizerischen <strong>St</strong>euerbelastung<br />

<strong>St</strong>euerbelastung in %<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Gemeinde<br />

Küsnacht/ZH<br />

obere<br />

Bandbreite<br />

untere<br />

Bandbreite<br />

Kanton Zug<br />

10<br />

Kanton Genf<br />

5<br />

0<br />

20000 40000 60000 80000 100000 150000 200000 300000 500000 1000000<br />

Einkommen<br />

Quelle: <strong>St</strong>euerbelastung in der Schweiz, natürliche Personen nach Gemeinden 2001, Bern 2002<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


154 Kurt <strong>St</strong>alder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

werden. Im Kanton Zug müssten die <strong>St</strong>euern für alle<br />

Einkommenskategorien stark erhöht werden, somit<br />

auch für die untersten Einkommenskategorien, welche<br />

mit der heutigen <strong>St</strong>euerersparnis einen Teil der im Kanton<br />

Zug überdurchschnittlichen Lebenshalt ungskosten<br />

(Mieten) decken können.<br />

3.4 Anpassungen zur Hauptsache in eine<br />

Richtung: nach oben<br />

Die <strong>St</strong>euerbelastung klafft heute vor allem im unteren<br />

Einkommensbereich auseinander. Im Bereich hoher<br />

<strong>St</strong>euerbelastungen gibt es (nach dem Gesamtindex der<br />

<strong>St</strong>euerbelastung) nur wenige Kantone, welche die obere<br />

Bandbreite von 120 Prozent übersteigen (vor allem der<br />

Kanton Jura mit einem Gesamtindex von 132 Punkten).<br />

Gegen unten sind die Differenzen bedeutender: Zug<br />

liegt mit einem Gesamtindex von 50,7 Punkten an der<br />

Spitze. Im Kanton Jura würden die <strong>St</strong>euern mit dem<br />

Bandbreitenmodell insgesamt um effektiv 9,1 Prozent<br />

sinken, wogegen die <strong>St</strong>euern in Zug um effektiv 57,8<br />

Prozent angehoben werden müssten. Würde man die<br />

<strong>St</strong>euerbelastungen in den einzelnen Gemeinden betrachten,<br />

wären die Differenzen bedeutender (geringfügig<br />

grössere Differenzen im oberen Bereich und beträchtlich<br />

grössere Differenzen im unteren Bereich).<br />

In der Grafik 2 werden die Progressionskurven aller<br />

Kantone (kantonale Durchschnittsbelastungen) in das<br />

Bandbreitenmodell eingebettet. Zudem sind die Kurven<br />

der landesweit steuergünstigsten (Freienbach/SZ) und<br />

steuerungünstigsten Gemeinde (Lauterbrunnen/BE)<br />

ein gezeichnet. Die Kurven der <strong>St</strong>euerbelastungen in<br />

den übrigen 3000 Gemeinden befinden sich grösstenteils<br />

zwischen diesen beiden Extremen.<br />

Im oberen <strong>St</strong>euerbelastungssegment würde sich relativ<br />

wenig verändern. Die meisten kantonalen <strong>St</strong>euerprogressionskurven<br />

liegen innerhalb der vorgeschriebenen<br />

Bandbreite. Im unteren Segment wären beträchtliche<br />

Auswirkungen zu verzeichnen. In der Gemeinde Freienbach<br />

wären die <strong>St</strong>aats- und Gemeindesteuern je nach<br />

Einkommensklasse zu verdoppeln bis zu verdreifachen.<br />

In Lauterbrunnen würden die <strong>St</strong>aats- und Gemeindesteuern<br />

erst ab einem Einkommen von 50 000 Franken<br />

um rund 10 Prozent sinken.<br />

Mit dem Bandbreitenmodell würde die <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

somit hauptsächlich in der Form einer Angleichung<br />

von unten her erreicht. Insgesamt würden die <strong>St</strong>euern<br />

in den heute steuerwettbewerbsfähigsten Kantonen<br />

und Gemeinden stark angehoben. Die internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz würde geschmälert.<br />

Grafik 2: Bandbreitenmodell im Vergleich mit <strong>St</strong>euerbelastung 2001 in allen Kantonen sowie in<br />

den Gemeinden Lauterbrunnen und Freienbach (Verheirateter ohne Kinder; <strong>St</strong>aats-, Gemeinde- und<br />

Kirchensteuer); Bandbreite berechnet aufgrund der gesamtschweizerischen <strong>St</strong>euerbelastung<br />

<strong>St</strong>euerbelastung in %<br />

35<br />

30<br />

25<br />

Lauterbrunnen<br />

obere Bandbreite<br />

20<br />

untere<br />

Bandbreite<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Freienbach<br />

0<br />

20000 40000 60000 80000 100000 150000 200000 300000 500000 1000000<br />

Einkommen<br />

Quelle: <strong>St</strong>euerbelastung in der Schweiz, natürliche Personen nach Gemeinden 2001, Bern 2002<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Kurt <strong>St</strong>alder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen <strong>St</strong>euerharmonisierung<br />

155<br />

Der Ausgaben hemmende <strong>St</strong>euerdruck in den hochbelasteten<br />

Kantonen und Gemeinden würde nachlassen. Die<br />

<strong>St</strong>euer- und <strong>St</strong>aatsquote würde sich erhöhen. Die Finanzpolitik<br />

würde in den stark tangierten Kantonen und Gemeinden<br />

vollständig verändert; es würde bei der minimal<br />

vorgeschriebenen <strong>St</strong>euerbelastung von 80% nur noch wenig<br />

Anreiz für die Erhöhung des eigenen <strong>St</strong>euersubstrats<br />

bestehen.<br />

3.5 Finanzielle Folgen des Bandbreitenmodells;<br />

Vergleich mit der NFA<br />

Prof. Schmid sieht vor, dass der im Bandbreitenmodell<br />

notwendige finanzielle Ausgleich mittels der Instrumente<br />

der NFA vorzunehmen sei.<br />

In Frage kommt dafür in erster Linie der horizontale<br />

Ressourcenausgleich (direkte Abschöpfungen). Insbesondere<br />

müssten Abschöpfungen in den Kantonen Zug,<br />

Schwyz, Nidwalden, Appenzell Innerrhoden, Tessin<br />

und Genf erfolgen, deren <strong>St</strong>euerbelastungen ganz oder<br />

teilweise unterhalb der unteren Bandbreite liegen (in<br />

den Kantonen Tessin und Genf im unteren Segment, in<br />

den andern Kantonen in allen Segmenten oder im<br />

ober en Segment). Der Gesamtsteuerbelastungsindex<br />

liegt allerdings nur bei Zug, Schwyz und Nidwalden unter<br />

der 80-%-Grenze.<br />

Keine Abschöpfungen wären bei den im NFA-Modell<br />

am Ressourcenausgleich beteiligten Kantonen Zürich,<br />

Basel-<strong>St</strong>adt und Basel-Landschaft vorzunehmen, da<br />

deren <strong>St</strong>euerbelastungskurven innerhalb der Bandbreite<br />

liegen.<br />

Die Kantone müssten ergänzend im innerkantonalen<br />

Finanzausgleich mit Abschöpfungen dafür sorgen, dass<br />

auf Gemeindestufe dieselbe Wirkung erreicht wird. So<br />

müssten beispielsweise im zürcherischen Finanzausgleich<br />

die Abschöpfungen bei den steuergünstigsten<br />

Gemeinden (s. Grafik 1, insbesondere die Belastungskurve<br />

von Küsnacht/ZH) gegenüber heute stark erhöht<br />

werden, und das Geld wäre an die schwächeren zürcherischen<br />

Gemeinden zu verteilen.<br />

Das NFA-Modell des Ressourcenausgleichs funktioniert<br />

anders: Massgebend für den horizontalen Ausgleich<br />

ist das Ressourcenpotential und nicht dessen<br />

Ausschöpfung. Deshalb erbringt der Kanton Zürich im<br />

NFA-Modell wegen seines hohen Ressourcenpotentials<br />

rund die Hälfte des gesamten horizontalen Ausgleichs.<br />

Keinesfalls dürfte man, um die Kantone Zug, Schwyz<br />

und Nidwalden mehr zu belasten, einfach die NFA-Abschöpfung<br />

erhöhen. Der Kanton Zürich müsste Hunderte<br />

von Millionen mehr beisteuern. Der Kanton Schwyz<br />

könnte nur marginal mehr belastet werden, da seine<br />

günstige <strong>St</strong>euerbelastung auf tiefe Ausgaben und nicht<br />

so sehr auf ein hohes Ressourcenpotential zurückgeht.<br />

Bandbreitenmodell und NFA-Modell sind betreffend<br />

Ressourcenausgleich nicht kompatibel. Beim Bandbreitenmodell<br />

dürften ins Gewicht fallende Abschöpfungen<br />

nur bei den Kantonen Zug, Schwyz und Nidwalden vorgenommen<br />

werden. Die maximal mögliche Summe würde<br />

sich auf insgesamt Fr. 536 Mio. belaufen, wobei auf Zug<br />

Fr. 384 Mio. entfielen, auf Schwyz Fr. 142 Mio. und auf<br />

Nidwalden Fr. 10 Mio. Im NFA-Ressourcen ausgleich<br />

betragen die Abschöpfungen für Zug Fr. 135 Mio., für<br />

Schwyz Fr. 25 Mio. und für Nidwalden Fr. 14 Mio.<br />

Die vom Bandbreitenmodell anvisierte Abschöpfung bei<br />

den steuergünstigen Körperschaften ist aber auch grundsätzlich<br />

nicht praktikabel. Da die minimale Besteuerung<br />

auf die untere Bandbreite von 80 Prozent des Einheits -<br />

tarifs festgelegt wäre, existierten nach Einführung dieses<br />

Modells keine über die Spanne von ± 20 Prozent hinaus<br />

gehenden <strong>St</strong>euerbelastungsunterschiede mehr. Wenn<br />

man also die in einem Kanton wie Zug oder in einer<br />

Gemeinde wie Freienbach nicht benötigten Mittel<br />

abschöpfen wollte, müsste dies mittels einer Schatten -<br />

rechn ung (durchgeführt von einer zentralen Aufsichtsstelle<br />

– z.B. durch den Bund?) erfolgen. Man müsste<br />

also dauerhaft errechnen, wie hoch der effektive <strong>St</strong>euerbedarf<br />

dieser Körperschaften ist. Alle Einnahmen und<br />

Ausgaben dieser Körperschaften müssten auf ihre An -<br />

gemessenheit überprüft werden. Die Differenz zwischen<br />

diesem hypothetischen <strong>St</strong>euerbedarf und den 80 Prozent<br />

müsste abgeschöpft werden. Nicht endende Diskussionen<br />

um eine solche Bemessung würden einsetzen. Diese<br />

Körperschaften würden praktisch bevormundet, und sie<br />

könnten beispielsweise nicht mehr autonom entscheiden,<br />

eine Ausgabe im frei bestimmbaren Bereich zu<br />

tätigen oder einen Einnahmenverzicht im Verursacherbereich<br />

(z.B. Abschaffung einer Gebühr) zu beschliessen.<br />

Ein solches Modell wäre unmöglich zu vollziehen<br />

und würde die Auto nomie dieser Körperschaften vollständig<br />

aushöhlen.<br />

3.6 Fazit aus finanzwirtschaftlicher Sicht<br />

Das Bandbreitenmodell weist gravierende Nachteile<br />

auf. Es würde die <strong>St</strong>ruktur der Kantons- und Gemeindefinanzen<br />

vollständig umkrempeln. Der Föderalismus in<br />

der heutigen Form könnte abdanken. Wichtige positive<br />

Anreize des heutigen Systems gingen verloren. Mit den<br />

Instrumenten der NFA, insbesondere mit dem horizontalen<br />

Ressourcenausgleich, ist das Bandbreitenmodell<br />

nicht vereinbar. Der Ressourcenindex der NFA müsste<br />

umgebaut werden. Es müssten wieder Belastungs -<br />

kriterien eingebaut werden, was man im NFA-System<br />

wegen der Fehlanreize und wegen der Möglichkeit der<br />

Beeinflussbarkeit gerade verhindern wollte.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


156<br />

Gesetzgebungs-Agenda <strong>2003</strong>/2<br />

Lic. iur. Rainer Zigerlig*/Lic. iur. Agostino Cozzio**/Eric Hess, Fürsprecher***<br />

Inhalt<br />

1 Bund<br />

1.1 Ehepaar- und Familienbesteuerung<br />

1.2 Wohneigentumsbesteuerung<br />

1.3 Umsatzabgabe<br />

2 Kantone<br />

2.1 Bern<br />

2.2 Basel-Landschaft<br />

2.3 Basel-<strong>St</strong>adt<br />

2.4 Freiburg<br />

2.5 Neuenburg<br />

2.6 Schaffhausen<br />

2.7 Zürich<br />

3 Doppelbesteuerungsabkommen<br />

* Leiter des Kantonalen <strong>St</strong>eueramts <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>, <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />

** Juristischer Mitarbeiter des Kantonalen <strong>St</strong>eueramts <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,<br />

<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />

*** <strong>St</strong>ellvertreter des Chefs der Abteilung für internationales<br />

<strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> und Doppelbesteuerungssachen, Eidg. <strong>St</strong>euerverwaltung,<br />

Bern<br />

1 Bund<br />

1.1 Ehepaar- und Familienbesteuerung<br />

In der Märzsession <strong>2003</strong> wurde das Differenzbereinigungsverfahren<br />

vom <strong>St</strong>änderat fortgeführt. Dabei hielt<br />

dieser im Wesentlichen an seinen ursprünglichen Beschlüssen<br />

fest. So lehnte er es erneut ab, den Kantonen<br />

die Einführung des Splittingsystems in Art. 11 <strong>St</strong>HG vorzuschreiben;<br />

vielmehr soll diese Bestimmung in der Fassung<br />

gemäss geltendem Recht beibehalten bleiben. Damit<br />

bliebe die Wahl des Systems zur Abstufung der Besteuerung<br />

von Alleinstehenden und Verheirateten weiterhin<br />

den kantonalen Gesetzgebern überlassen. Auch<br />

beharrte er darauf, dass Konkubinatspaaren mit Kindern<br />

kein Wahlrecht eingeräumt werde, sich als Familie besteuern<br />

zu lassen. Im Weiteren hielt er bei der direkten<br />

Bundessteuer an einem Kinderabzug in der Höhe von<br />

Fr. 9300 fest (demgegenüber hatte der Nationalrat diesen<br />

in der Dezembersession 2002 erneut auf Fr.11000 [und<br />

zusätzlicher Abzug von Fr. 3000 pro Kind in Ausbildung]<br />

festgelegt). Schliesslich hielt er auch am Gewinnsteuersatz<br />

bei der direkten Bundessteuer für Kapitalgesellschaften<br />

und Genossenschaften in der Höhe von<br />

8,5% gemäss geltendem Recht fest. (In dieser Frage, die<br />

formal in der Vorlage zur Ehepaar- und Familienbesteuerung<br />

enthalten ist, hatte der Nationalrat in der Dezembersession<br />

2002 erneut eine Senkung auf 8% beschlossen.)<br />

Auch soll die Vorlage nach wie vor auf das Jahr<br />

2004 in Kraft gesetzt werden.<br />

Mit diesen Differenzen geht die Vorlage nunmehr wiederum<br />

zurück an den Nationalrat. Dessen Kommission<br />

für Wirtschaft und Abgaben (WAK) hat in der Zwischenzeit<br />

beschlossen, dem Nationalrat in den meisten Fragen<br />

Zustimmung zu den Beschlüssen des <strong>St</strong>änderates zu beantragen.<br />

So befürwortet sie nunmehr einen Verzicht auf<br />

das Wahlrecht für Konkubinatspaare mit Kindern, sich<br />

als Familie besteuern zu lassen, und auf eine Reduktion<br />

der Gewinnsteuer bei der direkten Bundessteuer. Auch<br />

beim Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer beantragt<br />

sie eine Übernahme des Beschlusses des <strong>St</strong>änderates.<br />

Lediglich bei der Frage, ob das Splittingsystem von<br />

den Kantonen zwingend zu übernehmen sei, beantragt<br />

sie Festhalten an ihrem ursprünglichen Beschluss.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Rainer Zigerlig/Agostino Cozzio/Eric Hess, Gesetzgebungs-Agenda <strong>2003</strong>/2<br />

157<br />

1.2 Wohneigentumsbesteuerung<br />

Auch bei der Beratung der Vorlage über den Systemwechsel<br />

bei der Besteuerung des (selbstgenutzten)<br />

Wohneigentums – weiterer Bestandteil des <strong>St</strong>euerpaketes<br />

2001 – hielt der <strong>St</strong>änderat in der Märzsession <strong>2003</strong> im<br />

Wesentlichen an seinen ursprünglichen Beschlüssen<br />

fest. So lehnte er entgegen dem Antrag des Bundesrates<br />

und dem Beschluss des Nationalrates erneut einen Systemwechsel<br />

ab. Nach seiner Auffassung soll am geltenden<br />

System – Besteuerung der Eigenmietwerte, Abzugsmöglichkeit<br />

für Unterhaltskosten und Schuldzinsen –<br />

festgehalten werden. Auch lehnte es der <strong>St</strong>änderat erneut<br />

ab, das Baselbieter Modell des Bausparens einzuführen;<br />

vielmehr soll das Bausparen nur im Rahmen der gebundenen<br />

Selbstvorsorge (Säule 3a) möglich bleiben.<br />

Auch diese Vorlage geht nunmehr wiederum zurück an<br />

den Nationalrat. Dessen Kommission für Wirtschaft und<br />

Abgaben (WAK) hat in der Zwischenzeit beschlossen,<br />

dem Nationalrat erneut zu beantragen, am Systemwechsel<br />

festzuhalten (gänzliche oder teilweise Abschaffung<br />

der Abzüge für Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten<br />

einerseits, Abschaffung des Eigenmietwertes anderseits).<br />

Auch befürwortet sie nach wie vor die Einführung<br />

des Baselbieter Modells des Bausparens.<br />

1.3 Umsatzabgabe<br />

Die Beratung dieser Vorlage, die den dritten Bestandteil<br />

des <strong>St</strong>euerpaketes 2001 bildet, ist bereits in der Wintersession<br />

2002 weitgehend abgeschlossen worden. Materielle<br />

Differenzen stehen hier nicht mehr im Raum.<br />

2 Kantone<br />

2.1 Bern<br />

Im Kanton Bern ist die am 22. Januar <strong>2003</strong> eingereichte<br />

kantonale Volksinitiative für tragbare <strong>St</strong>euern formell<br />

zustande gekommen. Diese von verschiedenen bürgerlichen<br />

Verbänden gestartete Initiative verlangt, dass sämtliche<br />

<strong>St</strong>euerbeträge ab dem Jahr 2005 um 10% gekürzt<br />

werden. Betroffen sind alle <strong>St</strong>euern des Kantons (gemäss<br />

<strong>St</strong>euergesetz), also neben den Einkommens- und Vermögenssteuern,<br />

den Quellensteuern, den Gewinn- und Kapitalsteuern<br />

auch die Grundstückgewinnsteuer sowie die<br />

<strong>St</strong>euern für Holding- und Domizilgesellschaften. Nicht<br />

betroffen sind die Erbschafts- und Schenkungssteuern,<br />

die Handänderungssteuer und die Motorfahrzeugsteuer.<br />

Ausdrücklich von der Initiative ausgenommen sind sodann<br />

die Gemeindesteuern.<br />

Der Regierungsrat hat die Initiative zur Kenntnis genommen,<br />

jedoch noch nicht entschieden, welche Anträge<br />

er dazu stellen wird. Nach Berechnungen der Ver -<br />

waltung würde die Umsetzung der Initiative die <strong>St</strong>euererträge<br />

des Kantons um etwa Fr. 400 Mio. vermindern.<br />

2.2 Basel-Landschaft<br />

Unter Federführung des Hauseigentümerverbandes sind<br />

zu Beginn des Jahres <strong>2003</strong> drei Volksinitiativen mit<br />

steuerlichen Auswirkungen eingereicht worden. Die<br />

erste Initiative verlangt die Verankerung der Wohneigentumsförderung<br />

sowie die Festlegung eines steuerlichen<br />

Ausgleichs zugunsten der Mieter als Grundsätze in<br />

der Kantonsverfassung. Mit der zweiten Initiative soll<br />

die steuerliche Gleichbehandlung von Mietern und<br />

Wohneigentümern wieder hergestellt werden. Dazu sind<br />

insbesondere zwei steuerliche Massnahmen vorgesehen:<br />

Einerseits soll der Mietkostenabzug von derzeit<br />

Fr.1000 auf neu Fr. 1500 pro Person erhöht, anderseits<br />

sollen die kantonalen Eigenmietwerte generell um 8%<br />

angehoben werden. Die dritte Initiative will mit dem<br />

Wechsel zurück zum Kinderabzug vom <strong>St</strong>euerbetrag<br />

anstatt vom steuerbaren Einkommen eine Entlastung für<br />

Familien in bescheidenen Einkommensverhältnissen<br />

herbeiführen.<br />

2.3 Basel-<strong>St</strong>adt<br />

Am 9. Februar <strong>2003</strong> ist in der Volksabstimmung die<br />

Volksinitiative «für eine familienfreundliche Erbschaftssteuer»<br />

gutgeheissen worden, welche die Abschaffung<br />

der Erbschafts- und Schenkungssteuer für<br />

Nachkommen vorsieht.<br />

Verschiedene parlamentarische Vorstösse (Anzüge, Motionen)<br />

sind beim Regierungsrat oder bei der Grossratskommission<br />

WAK in Bearbeitung:<br />

– Einführung des Vollsplittings bei der Ehegattenbesteuerung;<br />

– steuerliche Entlastungen für Elternpaare mit Kindern;<br />

– Abzug für Zuwendungen an politische Parteien;<br />

– <strong>St</strong>raffung der Einkommens- bzw. Vermögenssteuertarife;<br />

– tarifliche Besserstellung der hetero- und homosexuellen<br />

Konkubinatspaare bei der Erbschafts- und<br />

Schenkungssteuer;<br />

– bei zunehmendem Einkommen degressiver Kinderbetreuungskostenabzug.<br />

2.4 Freiburg<br />

Verschiedene parlamentarische Vorstösse mit den unten<br />

angeführten <strong>St</strong>ossrichtungen sind gegenwärtig beim<br />

<strong>St</strong>aatsrat (Regierung) in Bearbeitung:<br />

– Senkung des <strong>St</strong>euersatzes für die Vermögenssteuer<br />

und Einführung einer Bestimmung zum Ausgleich<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


158 Rainer Zigerlig/Agostino Cozzio/Eric Hess, Gesetzgebungs-Agenda <strong>2003</strong>/2<br />

der Folgen der kalten Progression bei der Vermögenssteuer;<br />

– Erhöhung der Kinderabzüge;<br />

– Einführung eines Doppeltarifs für die Einkommenssteuer;<br />

– Besteuerung der Ehegatten: Änderung des Splittingsatzes<br />

und der Solidarhaftung unter Ehegatten;<br />

– Kinderabzug direkt vom <strong>St</strong>euerbetrag.<br />

2.5 Neuenburg<br />

Eine von der Handels- und Industriekammer des Kantons<br />

Neuenburg lancierte Volksinitiative verlangt die<br />

Reduktion der Einkommenssteuern der natürlichen Personen<br />

um 12% (in drei Jahresschritten von je 4%) und<br />

eine Reduktion der Gewinnsteuern der juristischen Personen<br />

um 25%.<br />

Die Regierung empfiehlt die Initiative zur Ablehnung<br />

und will keinen Gegenvorschlag unterbreiten. Der Grosse<br />

Rat wird voraussichtlich im Frühling <strong>2003</strong> darüber befinden.<br />

2.6 Schaffhausen<br />

Der Kanton Schaffhausen plant eine Teilrevision des<br />

<strong>St</strong>euergesetzes per 1. Januar 2004. Die entsprechende<br />

Vorlage wurde am 25. März <strong>2003</strong> vom Regierungsrat zuhanden<br />

des Kantonsrats verabschiedet. Geplant sind im<br />

Wesentlichen folgende Änderungen:<br />

– Reduktion der Grenzsteuerbelastung für natürliche<br />

Personen mit einem steuerpflichtigen Einkommen<br />

von mehr als Fr. 500 000 bzw. einem steuerpflichtigen<br />

Vermögen von mehr als Fr. 10 Mio. (Änderung<br />

<strong>St</strong>euertarif);<br />

– Reduktion der wirtschaftlichen Doppelbelastung<br />

Anteilsinhaber/Unternehmung bei massgeblichen<br />

Beteiligungen: Satzreduktion für ausgeschüttete Gewinne<br />

auf 50% bei der Einkommenssteuer und für<br />

die entsprechende Beteiligung auf zwei Drittel bei<br />

der Vermögenssteuer;<br />

– Satzreduktion bei der Holdingbesteuerung von<br />

0,05‰ des steuerpflichtigen Eigenkapitals auf neu<br />

0,025‰;<br />

– Zulassung von <strong>St</strong>reubesitz bei Holdinggesellschaften;<br />

– Ermöglichung unterschiedlicher <strong>St</strong>euerfüsse für natürliche<br />

und juristische Personen beim Kanton und<br />

den Gemeinden;<br />

– Reduktion des Quellensteuersatzes für die Besteuerung<br />

ausländischer Verwaltungsräte von 30% auf<br />

25%;<br />

– Erhöhung des maximalen Kinderfremdbetreuungsabzugs<br />

von Fr. 2000 auf Fr. 9000;<br />

– Einführung eines Sozialabzuges beim Vermögen pro<br />

minderjähriges Kind von Fr.30000;<br />

– Erhöhung des Kinderabzugs von Fr. 4800 auf<br />

Fr. 5800.<br />

2.7 Zürich<br />

Der Kantonsrat hat in der Zwischenzeit die Vorlage zu<br />

einer Änderung des <strong>St</strong>euergesetzes im Bereiche der<br />

juristischen Personen verabschiedet. Sie beinhaltet für<br />

Kapitalgesellschaften und Genossenschaften den Übergang<br />

vom renditeabhängigen Dreistufentarif zu einem<br />

proportionalen Gewinnsteuersatz von 8% (einfache<br />

<strong>St</strong>aatssteuer), unter Halbierung der Kapitalsteuer. Derzeit<br />

läuft die Referendumsfrist. Die Inkraftsetzung ist<br />

auf 1. Januar 2005 vorgesehen.<br />

Im Zusammenhang mit den hängigen Vorstössen zum<br />

Grundsteuerrecht lehnt der Regierungsrat bei der Besteuerung<br />

der Grundstückgewinne einen Übergang zum<br />

dualistischen System ab, da dies mit zu grossen Ausfällen<br />

für die Gemeinden verbunden wäre. (Im Kanton Zürich<br />

wird die Grundstückgewinnsteuer ausschliesslich<br />

als <strong>St</strong>euer der politischen Gemeinden erhoben.) Zudem<br />

lehnt der Regierungsrat die Abschaffung der Handänderungssteuer<br />

ab (auch diese wird als <strong>St</strong>euer der politischen<br />

Gemeinden erhoben).<br />

Ein von der Regierung ausgearbeitetes <strong>St</strong>euerpaket für<br />

natürliche Personen sieht einen Ausgleich der kalten<br />

Progression, eine Erhöhung der persönlichen und der<br />

Kinderabzüge sowie die Abschaffung der obersten Progressionsstufe<br />

vor. Mit der Teilrevision des <strong>St</strong>euergesetzes,<br />

die gegenwärtig vom Kantonsrat beraten wird, sollen<br />

die Forderungen verschiedener pendenter Vorstösse<br />

ins Gesetz aufgenommen werden. Beantragt werden:<br />

– Anhebung der Progressionsstufen im Einkommensund<br />

Vermögenssteuertarif sowie der Abzüge und<br />

steuerfreien Beträge um 4,5%;<br />

– Erhöhung des persönlichen Abzugs für Alleinstehende<br />

auf Fr. 6200 (+ Fr.700), für Verheiratete auf<br />

Fr.12400 (+ Fr.1400);<br />

– Erhöhung des Kinderabzugs auf Fr. 6100 (+ Fr. 700);<br />

– <strong>St</strong>reichung der obersten Progressionsstufe von 13%<br />

(einfache <strong>St</strong>aatssteuer). Nach Ausgleich der kalten<br />

Progression und Erhöhung der persönlichen Abzüge<br />

würde die höchste <strong>St</strong>ufe von 12% bei Einkommen ab<br />

Fr. 173 900 (Alleinstehende) bzw. ab Fr. 262 500<br />

(Verheiratete) einsetzen.<br />

3 Doppelbesteuerungsabkommen<br />

Artikel 26 des Doppelbesteuerungsabkommens vom<br />

2. Oktober 1996 mit den USA sieht vor, dass die Vertragsstaaten<br />

untereinander diejenigen Auskünfte austauschen,<br />

die notwendig sind für die Durchführung der Be-<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Rainer Zigerlig/Agostino Cozzio/Eric Hess, Gesetzgebungs-Agenda <strong>2003</strong>/2<br />

159<br />

stimmungen des Abkommens sowie für die Verhütung<br />

von Betrugsdelikten und dergleichen im Zusammenhang<br />

mit einer unter das Abkommen fallenden <strong>St</strong>euer. Am<br />

23. Januar <strong>2003</strong> haben die zuständigen Behörden der<br />

Schweiz (Eidg. <strong>St</strong>euerverwaltung) einerseits und der<br />

USA (U.S. Treasury sowie Internal Revenue Service) anderseits,<br />

gestützt auf Artikel 25 des Abkommens, eine<br />

allgemein verbindliche Verständigungslösung über die<br />

Auslegung des im Artikel 26 enthaltenen Begriffs «Betrugsdelikte<br />

und dergleichen» unterzeichnet. In dieser<br />

Vereinbarung, die einen Anhang mit 14 Fallbeispielen<br />

enthält, werden Kriterien aufgeführt, aufgrund derer der<br />

Vertragsstaat, der vom anderen Vertragsstaat ein Amtshilfebegehren<br />

erhält, zu beurteilen hat, ob das dem ins<br />

Verfahren einbezogenen <strong>St</strong>euerpflichtigen vorgeworfene<br />

Verhalten ein Betrugsdelikt und dergleichen darstellt.<br />

Dabei konnte das der schweizerischen Politik der internationalen<br />

Zusammenarbeit in <strong>St</strong>euersachen zugrunde<br />

liegende Prinzip der beidseitigen <strong>St</strong>rafbarkeit im Wesentlichen<br />

gewahrt werden. Insbesondere bewirkt die<br />

Vereinbarung keine generelle Ausweitung der Amtshilfe<br />

auf Widerhandlungen, die nach schweizerischem Recht<br />

als <strong>St</strong>euerhinterziehung zu qualifizieren sind.<br />

Die im Oktober 2002 aufgenommenen Verhandlungen<br />

über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens<br />

mit Bangladesh wurden im Februar <strong>2003</strong> weitergeführt.<br />

Dabei gelang es, in allen noch offenen Punkten eine<br />

Einigung zu erzielen. Im Anschluss an diese Verhandlungsrunde<br />

wurde ein Abkommensentwurf paraphiert.<br />

Aus Kreisen der schweizerischen Wirtschaft wird seit<br />

längerer Zeit der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens<br />

mit Taiwan gewünscht. Auch von taiwanesischer<br />

Seite besteht ein entsprechendes Interesse. Die<br />

Problematik besteht darin, dass die Schweiz, wie die<br />

meisten anderen <strong>St</strong>aaten auch, mit der Anerkennung der<br />

Volksrepublik China ihre diplomatischen Beziehungen<br />

zu Taiwan abgebrochen hat. Einzelne europäische <strong>St</strong>aaten,<br />

die Taiwan ebenfalls nicht anerkennen (z. B. Grossbritannien,<br />

die Niederlande und Schweden), haben vor<br />

kurzem mit Taiwan ein Doppelbesteuerungsabkommen<br />

abgeschlossen, wobei formal die Handelsvertretungen<br />

als Vertragsparteien auftraten. Verwaltungsintern wird<br />

zur Zeit geprüft, welches Vorgehen für die Schweiz angesichts<br />

der besonderen politischen Gegebenheiten<br />

gangbar wäre. Im März <strong>2003</strong> fanden erste technische<br />

Vorgespräche mit einer taiwanesischen Delegation statt.<br />

Falls für die formalen Schwierigkeiten eine für beide<br />

Seiten annehmbare Lösung gefunden werden kann, dürfte<br />

es materiell nicht ausgeschlossen sein, ein Doppelbesteuerungsabkommen<br />

im Rahmen der schweizerischen<br />

Abkommenspolitik zu vereinbaren.<br />

Die Ratifikationsurkunden betreffend das am 12. März<br />

2002 unterzeichnete Protokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen<br />

mit Deutschland (vgl. Gesetzgebungs-<br />

Agenden 2002/2, S.157; <strong>2003</strong>/1, S. 80) wurden am<br />

24. März <strong>2003</strong> in Berlin ausgetauscht. Dieses Protokoll<br />

ist damit gleichentags in Kraft getreten. Dessen Bestimmungen<br />

finden grundsätzlich ab dem Jahre 2004 Anwendung.<br />

Die Quellensteuerbefreiung für Dividenden aus<br />

Beteiligungen von mindestens 20% gilt indessen rückwirkend<br />

für die ab 1.Januar 2002 fällig gewordenen Erträge.<br />

Wurde noch keine Entlastung beantragt, kann ab<br />

sofort die volle Entlastung verlangt werden. Wurde bereits<br />

eine Teilfreistellung oder eine Erstattung der 5%<br />

übersteigenden Quellensteuer gewährt, kann die verbliebene<br />

Sockelsteuer von 5% nachträglich mit einem zusätzlichen<br />

Antrag zurückgefordert werden. – Ziffer 1 des<br />

Verhandlungsprotokolls vom 7. Dezember 2001 sieht<br />

vor, dass für Dividendenfälligkeiten ab 1. Januar des auf<br />

das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres die Entlastung<br />

in beiden <strong>St</strong>aaten direkt an der Quelle gewährt wird.<br />

Dieses Verfahren, das von schweizerischen Unternehmen<br />

für die Quellensteuerentlastung von Dividenden aus<br />

Beteiligungen an deutschen Gesellschaften bereits seit<br />

1992 verlangt werden konnte (Teilfreistellung), wird für<br />

Dividendenausschüttungen schweizerischer Gesellschaften<br />

bereits auf den 1.Juli <strong>2003</strong> eingeführt werden.<br />

<strong>IFF</strong> <strong>Forum</strong> für <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong> <strong>2003</strong>


Impressum (Fortsetzung)<br />

<strong>IFF</strong> Beirat <strong><strong>St</strong>euerrecht</strong><br />

Dr. Kurt Arnold<br />

Prof. Dr. Peter Athanas<br />

Dr. Ruedi Baumann<br />

Dr. Ivo P. Baumgartner<br />

Dr. Ulrich Cavelti<br />

Yvon de Coulon, tit. brevet avocat<br />

Dr. Marco Duss<br />

Lic. iur. Urs Hartmann<br />

Dr. Walter Jakob<br />

Dr. Heinz Keller<br />

Dr. Urs Landolf<br />

Alfred Meier, Fürsprecher<br />

Dr. Thomas Meister<br />

Prof. Dr. Xavier Oberson<br />

Prof. Dr. Markus Reich<br />

Dr. Alfred <strong>St</strong>orck<br />

Prof. Dr. Klaus A. Vallender<br />

Prof. Dr. Robert Waldburger<br />

Lic. iur. Rainer Zigerlig<br />

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