Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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21.12.2013 Aufrufe

Betroffene, die Gewalt durch eine(n) Partner(in) erfahren, ohne dass ein Pflegekontext gegeben ist, leben oftmals seit vielen Jahren in konfliktreichen Beziehungen. Vor diesem Hintergrund ist eine Beratung, die auf eine Beendigung der Gewaltsituation abzielt, meist längerfristig angelegt. Handelt es sich um Gewalt in Pflegebeziehungen, ist in aller Regel davon auszugehen, dass die Gewalthandlungen nicht vorsätzlich oder beabsichtigt erfolgen. Hörl/Spannring (2001) weisen darauf hin, dass sich Pflegende und Gepflegte häufig in einer tragischen Verstrickung befinden. Die Angehörigen setzen sich zumeist mit hohem Engagement für die Pflege des Partners/der Partnerin, der Eltern oder der Verwandten ein und geraten mit der zunehmenden Pflegebedürftigkeit in eine Überforderungssituation. Expertinnen weisen zudem auf die Beobachtung hin, dass einige ältere Menschen ihrerseits die Grenzen ihrer Angehörigen überschreiten, indem sie beispielsweise vorhandene Schuldgefühle bei den pflegenden Angehörigen ausnutzen oder verstärken (Hörl/Spannring 2001: 335). Wird Gewalt gegen ältere Menschen beispielsweise im Rahmen eines pro-aktiven Interventionsansatzes öffentlich, empfiehlt es sich, ein aufsuchendes Beratungsangebot in Erwägung zu ziehen. Der Besuch der Einrichtung fällt vielen Betroffenen aufgrund eingeschränkter Mobilität schwer und eine telefonische Beratung wird oftmals abgelehnt, weil die Betroffenen persönliche Themen nicht am Telefon besprechen wollen oder können. Handelt es sich um häusliche Gewalt im Kontext einer Pflegebeziehung, fühlen sich die Betroffenen in aller Regel in hohem Maß von der gewaltverübenden Person abhängig und befürchten, durch die Inanspruchnahme von Interventionen ihre eigene Situation zu verschlechtern. Diese Ängste sollten ernst genommen werden und es sollten verschiedene Möglichkeiten, wie z. B. gemeinsame Gespräche mit der/dem pflegenden Täter(in) oder Einbezug anderer vermittelnder Personen, erwogen werden. Erscheint eine räumliche Trennung von der gewaltverübenden Person angezeigt, benötigen pflegebedürftige Gewaltbetroffene eine besonders intensive Begleitung bis eine adäquate Unterbringung oder ambulante Pflege sichergestellt werden kann. Ferner sollte berücksichtigt werden, dass oftmals auch die pflegenden Täter(innen) stützende Kriseninterventionen benötigen. Je nach Konzeption der Fachberatung gilt es, die gewaltverübenden Personen an einschlägige psychosoziale Angebote (z. B. Lebensberatung, Angebote für pflegende Angehörige) zu verweisen oder selbst ein Gesprächsangebot zu unterbreiten. Im Rahmen der fallübergreifenden Vernetzung sollten adäquate Hilfsangebote für ältere Menschen, insbesondere pflegebedürftige Betroffene, entwickelt werden. Dabei empfiehlt es sich, eine enge Kooperation mit bestehenden Angeboten aus dem Alten- und Pflegebereich aufzubauen (für weitere Hinweise zum Aufbau niedrigschwelliger Hilfen s. Hörl/Spannring 2001; BMFSFJ 2001). Beratung von homosexuellen Menschen Obwohl sich Homosexuelle innerhalb der vergangenen Jahrzehnte einen sichtbaren Platz in der Gesellschaft erobert haben und viele Diskriminierungen abgebaut wurden, leben Vorurteile bis hin zu homophoben Überzeugungen bei vielen Bürger(inne)n fort (vgl. Schneider/ Rosenkranz/Limmer 1998). Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, dass Schwule und Lesben einer der Gruppen zuzurechnen sind, die ein erhöhtes Risiko tragen, Opfer von Gewalt zu werden. Vorliegende Erfahrungen verweisen darauf, dass Schwule und Lesben deutlich häufiger Opfer von Nachstellungen werden (Ohms 2004; Heiliger et. al 2005). Bei den Täter(inne)n handelt es sich nicht nur um die/den ehemalige(n) Partner(in), sondern besonders häufig um andere Personen aus dem sozialen Umfeld (z. B. Nachbarn, Arbeitskolleg(inn)en). Auslöser für Attacken und Diskriminierungen durch Personen aus dem weiteren sozialen Umfeld sind meist nicht das Verhalten oder individuelle Merkmale des Opfers, sondern es handelt sich um Angriffe, die sich gegen die tatsächliche oder auch vermeintliche homosexuelle Identität der Betroffenen richten (Ohms 2004: 126). Die Stalker sind in aller Regel 95

II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis davon überzeugt, dass ihre Haltung von einem Großteil der Bevölkerung geteilt wird und sie daher nicht mit Sanktionen rechnen müssen. Auch Nachstellungen durch den/die ehemalige(n) Partner(in) einer früheren heterosexuellen Beziehung haben oftmals einen homophoben Hintergrund. Dabei richtet sich die Gewalt nicht nur gegen die/den ehemalige(n) Partner(in), sondern häufig auch gegen die lesbische „Verführerin“ bzw. den schwulen „Verführer“ (vgl. Ohms 2004; Limmer/Mengel 2005b). Was Gewalt innerhalb gleichgeschlechtlicher Partnerschaften betrifft, wird davon ausgegangen, dass das Ausmaß ebenso hoch ist wie in heterosexuellen Partnerschaften (Ohms 2004; Ohms/Stehling 2001). Diese Beziehungsgewalt wird sowohl unter Lesben als auch unter Schwulen oftmals stark tabuisiert und bagatellisiert. Ein Grund hierfür ist, dass in Teilen homosexueller Milieus Gewalt positiv und Opfererfahrungen als Ausdruck persönlicher Schwäche gedeutet werden (Limmer/Mengel 2005b). Bei Lesben steht diese Auffassung vor dem Hintergrund einer bewussten Abgrenzung gegenüber weiblichen Opferklischees und bei Schwulen ist sie Teil einer nicht reflektierten Orientierung am traditionell-patriarchalen Männerbild. Ohms und Stehling (2001) weisen darauf hin, dass mit der Abwertung des Opfers auch die internalisierte gesellschaftliche Abwertung gegenüber der eigenen Lebensweise zum Ausdruck kommen kann. Die in Teilen des homosexuellen Milieus bestehende Bagatellisierung der Gewalt und die Befürchtung der Betroffenen, im Fall einer Veröffentlichung der Gewalt diskriminiert zu werden, führen dazu, dass die Hürden bei der Inanspruchnahme von Hilfen in aller Regel sehr hoch sind. 75 Was das Angebot adäquater Hilfen für homosexuelle Gewaltopfer betrifft, verweisen vorliegende Einschätzungen auf erhebliche Defizite: So werden Homosexuelle, die Hilfe in Anspruch nehmen, bereits vielfach dadurch diskriminiert, dass gleichgeschlechtliche Gewalt schlicht nicht als solche wahrgenommen wird. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn bei einem Polizeieinsatz nicht in Betracht gezogen wird, dass es sich bei der zweiten anwesenden Frau um die Täterin handelt oder der zweite anwesende Mann nicht nur Täter, sondern gleichzeitig Lebensgefährte sein könnte (Limmer/Mengel 2005b). Daneben ist auch das Risiko einer sekundären Viktimisierung erhöht (Ohms/Stehling 2001). So wird beispielsweise Gewalt, die durch eine lesbische Partnerin verübt wird, durch Vertreter(innen) des Hilfesystems oftmals bagatellisiert oder bei Schwulen als „normale“ Folge der homosexuellen Lebensweise bewertet. Verbirgt das Opfer seine homosexuelle Identität, können für die weitere Bereitstellung von Hilfen oder die Entwicklung von Sicherheitsstrategien erhebliche Schwierigkeiten entstehen. Beispielsweise wurden Fälle von Gewalt in lesbischen Beziehungen beobachtet, bei denen die Täterin sich als Opfer ausgab und sich Zugang zum Frauenhaus verschaffte, in dem die Geschädigte Zuflucht gesucht hatte (s. Ohms 2004). Angesichts des erheblichen Unterstützungsbedarfs haben sich in größeren Städten eigene Anlaufstellen für gewaltbetroffene Schwule und Lesben herausgebildet. 76 Grundsätzlich sollten sich die Mitarbeiter(innen) aller Fachberatungsstellen mit der Problematik homosexueller Betroffener auseinandersetzen und sich hierzu fortbilden. Im Rahmen fallübergreifender Zusammenarbeit sollten die Fachkräfte den Blick für diese Betroffenengruppe schärfen und eine Auseinandersetzung mit den spezifischen Bedarfen initiieren. Ziel sollte es sein, auch für diese Gruppe passgenaue Interventionsstandards und Hilfsangebote zu entwickeln. Dabei sollten vorhandene Lesben- und Schwulenberatungsstellen in die Bündnisarbeit integriert werden. 96 75 Für weitere Hinweise zur Gewaltdynamik in lesbischen Beziehungen s. Ohms 2004; Hinweise zur Gewaltdynamik in schwulen Beziehungen s. Ohms/Stehling 2001. 76 Z. B. „broken rainbow“ in Frankfurt (www.broken-rainbow.de vom 30.11.2005) oder die Initiative „Vielfalt statt Gewalt“ in NRW (www.vielfalt-statt-gewalt.de vom 30.11.2005).

Betroffene, die Gewalt durch eine(n) Partner(in) erfahren, ohne dass ein Pflegekontext gegeben<br />

ist, leben oftmals seit vielen Jahren in konfliktreichen Beziehungen. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

ist eine <strong>Beratung</strong>, die auf eine Beendigung der Gewaltsituation abzielt, meist längerfristig<br />

angelegt. Handelt es sich um Gewalt in Pflegebeziehungen, ist in aller Regel da<strong>von</strong><br />

auszugehen, dass die Gewalthandlungen nicht vorsätzlich oder beabsichtigt erfolgen.<br />

Hörl/Spannring (2001) weisen darauf hin, dass sich Pflegende <strong>und</strong> Gepflegte häufig in einer<br />

tragischen Verstrickung befinden. Die Angehörigen setzen sich zumeist mit hohem Engagement<br />

für die Pflege des Partners/der Partnerin, der Eltern oder der Verwandten ein <strong>und</strong> geraten<br />

mit der zunehmenden Pflegebedürftigkeit in eine Überforderungssituation. Expertinnen<br />

weisen zudem auf die Beobachtung hin, dass einige ältere Menschen ihrerseits die Grenzen<br />

ihrer Angehörigen überschreiten, indem sie beispielsweise vorhandene Schuldgefühle bei<br />

den pflegenden Angehörigen ausnutzen oder verstärken (Hörl/Spannring 2001: 335).<br />

Wird Gewalt gegen ältere Menschen beispielsweise <strong>im</strong> Rahmen eines pro-aktiven Interventionsansatzes<br />

öffentlich, empfiehlt es sich, ein aufsuchendes <strong>Beratung</strong>sangebot in Erwägung<br />

zu ziehen. Der Besuch der Einrichtung fällt vielen Betroffenen aufgr<strong>und</strong> eingeschränkter Mobilität<br />

schwer <strong>und</strong> eine telefonische <strong>Beratung</strong> wird oftmals abgelehnt, weil die Betroffenen<br />

persönliche Themen nicht am Telefon besprechen wollen oder können.<br />

Handelt es sich um häusliche Gewalt <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> einer Pflegebeziehung, fühlen sich die Betroffenen<br />

in aller Regel in hohem Maß <strong>von</strong> der gewaltverübenden Person abhängig <strong>und</strong> befürchten,<br />

durch die Inanspruchnahme <strong>von</strong> Interventionen ihre eigene Situation zu verschlechtern.<br />

Diese Ängste sollten ernst genommen werden <strong>und</strong> es sollten verschiedene<br />

Möglichkeiten, wie z. B. gemeinsame Gespräche mit der/dem pflegenden Täter(in) oder<br />

Einbezug anderer vermittelnder Personen, erwogen werden. Erscheint eine räumliche Trennung<br />

<strong>von</strong> der gewaltverübenden Person angezeigt, benötigen pflegebedürftige Gewaltbetroffene<br />

eine besonders intensive Begleitung bis eine adäquate Unterbringung oder ambulante<br />

Pflege sichergestellt werden kann. Ferner sollte berücksichtigt werden, dass oftmals<br />

auch die pflegenden Täter(innen) stützende Kriseninterventionen benötigen. Je nach Konzeption<br />

der Fachberatung gilt es, die gewaltverübenden Personen an einschlägige psychosoziale<br />

Angebote (z. B. Lebensberatung, Angebote für pflegende Angehörige) zu verweisen<br />

oder selbst ein Gesprächsangebot zu unterbreiten. Im Rahmen der fallübergreifenden Vernetzung<br />

sollten adäquate Hilfsangebote für ältere Menschen, insbesondere pflegebedürftige<br />

Betroffene, entwickelt werden. Dabei empfiehlt es sich, eine enge <strong>Kooperation</strong> mit bestehenden<br />

Angeboten aus dem Alten- <strong>und</strong> Pflegebereich aufzubauen (für weitere Hinweise<br />

zum Aufbau niedrigschwelliger Hilfen s. Hörl/Spannring 2001; BMFSFJ 2001).<br />

<strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> homosexuellen Menschen<br />

Obwohl sich Homosexuelle innerhalb der vergangenen Jahrzehnte einen sichtbaren Platz in<br />

der Gesellschaft erobert haben <strong>und</strong> viele Diskr<strong>im</strong>inierungen abgebaut wurden, leben Vorurteile<br />

bis hin zu homophoben Überzeugungen bei vielen Bürger(inne)n fort (vgl. Schneider/<br />

Rosenkranz/L<strong>im</strong>mer 1998). Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erklärt es sich, dass Schwule <strong>und</strong> Lesben<br />

einer der Gruppen zuzurechnen sind, die ein erhöhtes Risiko tragen, Opfer <strong>von</strong> Gewalt<br />

zu werden. Vorliegende Erfahrungen verweisen darauf, dass Schwule <strong>und</strong> Lesben deutlich<br />

häufiger Opfer <strong>von</strong> Nachstellungen werden (Ohms 2004; Heiliger et. al 2005). Bei den Täter(inne)n<br />

handelt es sich nicht nur um die/den ehemalige(n) Partner(in), sondern besonders häufig<br />

um andere Personen aus dem sozialen Umfeld (z. B. Nachbarn, Arbeitskolleg(inn)en).<br />

Auslöser für Attacken <strong>und</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungen durch Personen aus dem weiteren sozialen<br />

Umfeld sind meist nicht das Verhalten oder individuelle Merkmale des Opfers, sondern es<br />

handelt sich um Angriffe, die sich gegen die tatsächliche oder auch vermeintliche homosexuelle<br />

Identität der Betroffenen richten (Ohms 2004: 126). Die Stalker sind in aller Regel<br />

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