Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

21.12.2013 Aufrufe

• Kenntnisse über die adäquate Entwicklung von Sicherheitsstrategien Orientiert sich der Täter an traditionell patriarchalen Vorstellungen, die Gewalt legitimieren, und/oder lebt die Betroffene in einem entsprechenden Familienverband, ist dies bei der Entwicklung von Sicherheitsstrategien zu berücksichtigen. Expertinnen beobachten u. a. bei türkischen und osteuropäischen gewaltbetroffenen Frauen, dass diese häufig in stark kontrollierenden Familienverhältnissen leben. Hält die Familie zum gewaltverübenden Partner und/oder leben Familienmitglieder im selben Haus bzw. der Wohnung, bieten gängige Interventionen wie Platzverweis oder Wohnungszuweisung kaum Schutz. Das Frauenhaus wird damit oftmals zum einzigen sicheren Zufluchtsort. Wird ein Frauenhausaufenthalt erwogen, sollte geprüft werden, ob das Frauenhaus vor Ort oder eine weiter entfernt gelegene Zufluchtsstätte zu empfehlen ist. Daneben ist eine enge Kooperation mit der Polizei geboten. Die Beratung zu juristischen Interventionen erfordert eine genaue Kenntnis der möglichen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Betroffenen (s. II Kap. 3.3). • Schriftliche Materialien Für die Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund sollten gut aufbereitete Broschüren in der Muttersprache bereit gehalten werden. 74 Beratung von Männern Folgt man ersten vorläufigen Ergebnissen für Deutschland, hat rund jeder fünfte Mann in seinem Leben mindestens einmal gegen sich gerichtete körperliche oder sexualisierte Gewalt in der Partnerschaft erlebt (Walter/Lenz/Puchert 2004: 198). Ein Ergebnis, das auch durch Studien anderer Länder gestützt wird. Im Unterschied zu gewaltbetroffenen Frauen ist die Auftretenshäufigkeit der Gewalt bei männlichen Opfern geringer und die erfahrene Gewalt ist in den meisten Fällen deutlich weniger bedrohlich und schädigend (vgl. I Kap. 1.1). Dies ändert jedoch nichts daran, dass Betroffenen unabhängig von ihrem Geschlecht ein Recht auf verlässliche und qualifizierte Beratung zusteht. Verschiedene Studien und Einschätzungen von Expert(inn)en deuten darauf hin, dass es Männern sehr schwer fällt, Erfahrungen von häuslicher Gewalt oder Nachstellungen öffentlich zu machen und Unterstützung in Anspruch zu nehmen (Rupp 2005b; Gloor/Meier 2003: 541). Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Opferrolle nicht mit dem gängigen Männerbild zu vereinbaren ist. Zudem machen Männer als Opfer von Gewalt im Hilfesystem oftmals negative Erfahrungen: Insbesondere männliche Akteure im Hilfesystem verharmlosen die an Männern begangenen gewalttätigen Übergriffe oder weigern sich, diese überhaupt wahrzunehmen (Lenz 2001: 36 ff; Cizek/Kapella/Pflegerl/Steck 2001). Dennoch wird davon ausgegangen, dass es Männern leichter fällt, sich einer männlichen Fachkraft anzuvertrauen. Allerdings sollte diese über eine einschlägige Qualifikation verfügen. Bislang liegen wenige Kenntnisse darüber vor, welche Unterstützungsbedarfe gewaltbetroffene Männer selbst wahrnehmen und welche Angebote von ihnen als attraktiv eingeschätzt werden. Ausgehend von den vorliegenden Arbeiten lassen sich für die Beratung gewaltbetroffener Männer folgende Hinweise geben: 74 Muttersprachliche Broschüren zu rechtlichen Interventionsmöglichkeiten können abgerufen werden über: www.big-interventionszentrale.de vom 30.11.2005 (in den Sprachen Arabisch, Englisch, Italienisch, Französisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Serbo-Kroatisch, Spanisch, Türkisch und Vietnamesisch erhältlich) oder über www.stmas.bayern.de/gewaltschutz vom 30.11.2005 (in den Sprachen Englisch, Französisch, Hocharabisch, Kroatisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Spanisch, Thai und Türkisch erhältlich). 93

II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis • Unvoreingenommene Abklärung des Gewaltverhältnisses Wenden sich Männer als Opfer häuslicher Gewalt oder Nachstellungen an die Beratung, gilt es eine unvoreingenommene Abklärung der Gewaltsituation vorzunehmen. Dies setzt voraus, dass die Beratenden dazu in der Lage sind, sich von Opfer-Täter-Klischees zu distanzieren. Erfahrene Fachkräfte berichten davon, dass sich vereinzelt Männer an Opferberatungseinrichtungen wenden würden, deren Partnerin ebenfalls die Einrichtung kontaktiert hätte und sich beide als Opfer von Beziehungsgewalt darstellen würden (Limmer/ Mengel 2005b). In diesen Fällen gilt es besonders sorgfältig zu prüfen, ob das Beratungsangebot strategisch genutzt wird, um verübte Gewalt zu verschleiern oder Informationen über den/die Partner(in) zu erlangen. • Mitgefühl und Wahrnehmung der spezifischen Belastungen Gewaltbetroffene Klienten sollten in der Beratung in gleicher Weise wie Klientinnen Empathie, Akzeptanz und Parteilichkeit erfahren (vgl. Hahn 2000; Helfferich/Kavemann/ Lehmann 2004). Dabei sollten die Berater(innen) einen offenen Blick für die spezifischen Belastungen haben, die für Männer entstehen können, wenn sie Opfer weiblicher Beziehungsgewalt werden. • Entwicklung adäquater Hilfen Bei der Entwicklung passgenauer Sicherheitsstrategien und der Kooperation mit anderen Stellen gilt es, die spezifische gesellschaftliche Bedeutung von Gewalterfahrungen von Männern zu berücksichtigen. Während es beispielsweise für Frauen hilfreich sein kann, Absprachen für den Fall einer Gefahrensituation mit einer Nachbarin zu treffen oder die Polizei zu rufen, können sich diese Strategien für Männer als problematisch erweisen, da sie häufiger auf Unglauben oder Unverständnis stoßen. Es sollte daher geprüft werden, welche Personen wie genau um Unterstützung gebeten werden. Im Kontext fallbezogener und fallübergreifender Kooperationen sollte die Fachberatung dazu beitragen, dass sich die Kooperationspartner kritisch mit gesellschaftlichen Klischees über Opfer und Täter auseinandersetzen und Vorgehensweisen entwickelt werden, die auch männlichen Opfern den Zugang ins Hilfesystem und eine angemessene Unterstützung ermöglichen. Beratung von älteren Menschen Auch im fortgeschrittenen Lebensalter sind Erfahrungen von häuslicher Gewalt oder Nachstellungen weit verbreitet. Gewalterfahrungen treten am häufigsten in der Partnerschaft und in Pflegebeziehungen auf. In Pflegebeziehungen wird die Gewalt ebenfalls häufig durch den/die Partner(in) verübt. Daneben kann es sich bei der gewaltverübenden Person auch um pflegende Angehörige, wie z. B. die eigenen Kinder, handeln. Aufgrund wachsender gesundheitlicher Probleme spielt im Alter, neben Gewalt durch aktives Handeln, Gewalt durch Unterlassungen eine zunehmende Rolle. Dies kann sich in Form passiver Versäumnisse, wie z. B. Mangelernährung, sowie aktiver (z. B. unzureichende Pflege) oder psychischer Vernachlässigung (z. B. Alleinlassen) manifestieren. Eine Repräsentativbefragung kommt zu dem Ergebnis, dass rund 7 % der über 60-Jährigen innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre von körperlicher Gewalt berichten (Wetzels/Greve/Mecklenburg/Blisky/Pfeiffer 1995). Ein Anteil von weiteren rund 1,8 % Befragten berichtet von schwerer körperlicher Gewalt. Angesichts der schwierigen Erreichbarkeit dieser Betroffenengruppe ist davon auszugehen, dass die vorliegenden Daten die Verbreitung von Gewalt im Leben älterer Menschen erheblich unterschätzen. 94

• Kenntnisse über die adäquate Entwicklung <strong>von</strong> Sicherheitsstrategien<br />

Orientiert sich der Täter an traditionell patriarchalen Vorstellungen, die Gewalt legit<strong>im</strong>ieren,<br />

<strong>und</strong>/oder lebt die Betroffene in einem entsprechenden Familienverband, ist dies bei<br />

der Entwicklung <strong>von</strong> Sicherheitsstrategien zu berücksichtigen. Expertinnen beobachten<br />

u. a. bei türkischen <strong>und</strong> osteuropäischen gewaltbetroffenen Frauen, dass diese häufig in<br />

stark kontrollierenden Familienverhältnissen leben. Hält die Familie zum gewaltverübenden<br />

Partner <strong>und</strong>/oder leben Familienmitglieder <strong>im</strong> selben Haus bzw. der Wohnung, bieten<br />

gängige Interventionen wie Platzverweis oder Wohnungszuweisung kaum Schutz. Das<br />

Frauenhaus wird damit oftmals zum einzigen sicheren Zufluchtsort. Wird ein Frauenhausaufenthalt<br />

erwogen, sollte geprüft werden, ob das Frauenhaus vor Ort oder eine weiter<br />

entfernt gelegene Zufluchtsstätte zu empfehlen ist. Daneben ist eine enge <strong>Kooperation</strong><br />

mit der Polizei geboten.<br />

Die <strong>Beratung</strong> zu juristischen Interventionen erfordert eine genaue Kenntnis der möglichen<br />

Auswirkungen auf die Lebenssituation der Betroffenen (s. II Kap. 3.3).<br />

• Schriftliche Materialien<br />

Für die <strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sollten gut aufbereitete Broschüren<br />

in der Muttersprache bereit gehalten werden. 74<br />

<strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> Männern<br />

Folgt man ersten vorläufigen Ergebnissen für Deutschland, hat r<strong>und</strong> jeder fünfte Mann in<br />

seinem Leben mindestens einmal gegen sich gerichtete körperliche oder sexualisierte Gewalt<br />

in der Partnerschaft erlebt (Walter/Lenz/Puchert 2004: 198). Ein Ergebnis, das auch<br />

durch Studien anderer Länder gestützt wird. Im Unterschied zu gewaltbetroffenen Frauen ist<br />

die Auftretenshäufigkeit der Gewalt bei männlichen Opfern geringer <strong>und</strong> die erfahrene Gewalt<br />

ist in den meisten Fällen deutlich weniger bedrohlich <strong>und</strong> schädigend (vgl. I Kap. 1.1).<br />

Dies ändert jedoch nichts daran, dass Betroffenen unabhängig <strong>von</strong> ihrem Geschlecht ein<br />

Recht auf verlässliche <strong>und</strong> qualifizierte <strong>Beratung</strong> zusteht. Verschiedene Studien <strong>und</strong> Einschätzungen<br />

<strong>von</strong> Expert(inn)en deuten darauf hin, dass es Männern sehr schwer fällt, Erfahrungen<br />

<strong>von</strong> häuslicher Gewalt oder Nachstellungen öffentlich zu machen <strong>und</strong> Unterstützung<br />

in Anspruch zu nehmen (Rupp 2005b; Gloor/Meier 2003: 541). Dies dürfte darauf zurückzuführen<br />

sein, dass die Opferrolle nicht mit dem gängigen Männerbild zu vereinbaren ist. Zudem<br />

machen Männer als Opfer <strong>von</strong> Gewalt <strong>im</strong> Hilfesystem oftmals negative Erfahrungen:<br />

Insbesondere männliche Akteure <strong>im</strong> Hilfesystem verharmlosen die an Männern begangenen<br />

gewalttätigen Übergriffe oder weigern sich, diese überhaupt wahrzunehmen (Lenz 2001:<br />

36 ff; Cizek/Kapella/Pflegerl/Steck 2001). Dennoch wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass es Männern<br />

leichter fällt, sich einer männlichen Fachkraft anzuvertrauen. Allerdings sollte diese<br />

über eine einschlägige Qualifikation verfügen. Bislang liegen wenige Kenntnisse darüber<br />

vor, welche Unterstützungsbedarfe gewaltbetroffene Männer selbst wahrnehmen <strong>und</strong> welche<br />

Angebote <strong>von</strong> ihnen als attraktiv eingeschätzt werden. Ausgehend <strong>von</strong> den vorliegenden<br />

Arbeiten lassen sich für die <strong>Beratung</strong> gewaltbetroffener Männer folgende Hinweise<br />

geben:<br />

74 Muttersprachliche Broschüren zu rechtlichen Interventionsmöglichkeiten können abgerufen werden über: www.big-interventionszentrale.de vom<br />

30.11.2005 (in den Sprachen Arabisch, Englisch, Italienisch, Französisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Serbo-Kroatisch, Spanisch, Türkisch <strong>und</strong><br />

Vietnamesisch erhältlich) oder über www.stmas.bayern.de/gewaltschutz vom 30.11.2005 (in den Sprachen Englisch, Französisch, Hocharabisch,<br />

Kroatisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Spanisch, Thai <strong>und</strong> Türkisch erhältlich).<br />

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