Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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II Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen für die <strong>Beratung</strong>spraxis<br />
Dauer <strong>und</strong> Schwere <strong>von</strong> Gewalt führen die Expertinnen, die als Beraterinnen oder Frauenhausmitarbeiterinnen<br />
über eine mehrjährige Erfahrung in der <strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> gewaltbetroffenen<br />
Migrantinnen verfügen, <strong>im</strong> Wesentlichen auf folgende Gründe zurück (Rupp 2005b;<br />
L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005b): 73<br />
• Ausländerrechtliche <strong>und</strong>/oder familienrechtliche Konsequenzen erschweren die Trennung<br />
vom gewaltverübenden Partner (s. I Kap. 2.2.4).<br />
• Das Gefühl der Abhängigkeit <strong>von</strong> der gewaltverübenden Person spielt unabhängig <strong>von</strong><br />
der Nationalität der Betroffenen eine häufige Rolle dabei, dass Gewaltbeziehungen nicht<br />
verlassen werden. Bei Migrantinnen kann sich diese Abhängigkeit noch verstärken, wenn<br />
sie über keine oder wenige Deutschkenntnisse verfügen. Fehlende Sprachkenntnisse erhöhen<br />
die Gefahr sozialer Isolation <strong>und</strong> verringern somit die Möglichkeit, dass die Gewalt<br />
aufgedeckt wird bzw. die Betroffene einen Zugang zum Hilfesystem findet. Expertinnen<br />
berichten zudem, dass die Betroffenen wenig Vertrauen ins deutsche Hilfesystem haben.<br />
Dies wird u. a. darauf zurückgeführt, dass die Täter die Opfer über die Konsequenzen einer<br />
Flucht oder einer Veröffentlichung der Gewalt gezielt falsch informieren.<br />
• Nach Einschätzung der Expertinnen wird häusliche Gewalt in best<strong>im</strong>mten traditionellpatriarchal<br />
ausgerichteten kulturellen Milieus weniger sanktioniert. Hier besteht nach wie<br />
vor die Auffassung, dass die Art <strong>und</strong> Weise, wie Familien ihr Zusammenleben gestalten –<br />
selbst wenn dabei Gewalt gegen die Frau oder Kinder verübt wird – letztlich Sache des<br />
männlichen Familienoberhauptes ist (Rupp 2005b). Zudem können Eingriffe <strong>von</strong> außen,<br />
wie z. B. polizeiliche oder gerichtliche Interventionen, für Täter aus diesen sozial-kulturellen<br />
Milieus eine massive Kränkung bedeuten. Aus Angst vor den Reaktionen der gewaltverübenden<br />
Person schrecken die Betroffenen vor der Inanspruchnahme juristischer<br />
Schritte zurück.<br />
Aufgr<strong>und</strong> erhöhter <strong>Beratung</strong>sbarrieren, die sich vielen Migrantinnen stellen, profitiert diese<br />
Betroffenengruppe besonders <strong>von</strong> pro-aktiven <strong>Beratung</strong>skonzepten (für weitere Hinweise<br />
hierzu s. Helfferich et al. 2004; WiBIG 2004a). Eine Herausforderung bei der <strong>Beratung</strong> <strong>von</strong><br />
Migrantinnen besteht für die Beratenden zunächst darin, sich <strong>von</strong> pauschalisierenden kulturellen<br />
Vorurteilen zu distanzieren, wie z. B. der Vorstellung, Migrantinnen wären gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
stärker hilfsbedürftig <strong>und</strong> Migranten <strong>im</strong>mer die gefährlicheren Täter (Helfferich et al.<br />
2004: 111). Darüber hinaus stellen sich nicht per se, aber häufig weitere spezifische Anforderungen,<br />
die <strong>im</strong> Folgenden kurz skizziert werden sollen:<br />
• Interkulturelle Kompetenz<br />
In der Fachberatung sind gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse über kulturelle Unterschiede bezüglich<br />
der Traditionen, Werte, Religionen sowie der sozialen Situationen <strong>und</strong> der Bedeutung<br />
z. B. <strong>von</strong> Familie, Geschlechterbeziehungen <strong>und</strong> Gewalt erforderlich (Helfferich et al. 2004:<br />
122). Daneben benötigen die Beratenden auch die Fähigkeit, sich vom allgemeinen Wissen<br />
zu lösen <strong>und</strong> die individuelle Situation der jeweiligen Klientin zu erfassen.<br />
• <strong>Kooperation</strong> zwischen <strong>Beratung</strong>sstellen für Migrant(inn)en <strong>und</strong> Sprachmittler(inne)n<br />
Soweit ein <strong>Beratung</strong>sangebot für Migrant(inn)en in der Region vorhanden ist, sollte eine<br />
enge <strong>Kooperation</strong> aufgebaut werden. Diese Stellen verfügen zumeist auch über Kontakte<br />
zu Sprachmittler(inne)n, die ihre Übersetzungsdienste kostengünstiger zur Verfügung<br />
stellen als professionelle Übersetzer(innen). Fehlt ein derartiges <strong>Beratung</strong>sangebot in der<br />
Region, sollten Kontakte zu Sprachmittler(inne)n aufgebaut werden, die bei Bedarf hinzugezogen<br />
werden können.<br />
92<br />
73 Für weiterführende Hinweise zur besonderen Situation <strong>von</strong> gewaltbetroffenen Migrantinnen s. RIGG 2002, Nr. 5: Handreichung Migrantinnen. Zugriff<br />
über www.ripp-rlp.de vom 23.11.2005.