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Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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3.4 Die <strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> Betroffenen in besonderen Konstellationen<br />

Eine Frau zwischen 18 <strong>und</strong> 55 Jahren kommt zur <strong>Beratung</strong>, weil ihr derzeitiger oder ein ehemaliger<br />

Partner Gewalt verübt hat. Sowohl die Betroffene als auch der Täter kommen aus<br />

Deutschland. Diese Fallkonstellation kommt bislang <strong>im</strong> b<strong>und</strong>esweiten Alltag <strong>von</strong> Fachberatungsstellen<br />

fraglos am häufigsten vor (vgl. Smolka/Rupp 2005; WiBIG 2004a). Doch tritt<br />

häusliche Gewalt <strong>und</strong> Stalking in weitaus vielfältigeren <strong>Kontext</strong>en auf. Gewalterfahrungen<br />

sind beispielsweise bei Migrant(inn)en, Männern, behinderten Menschen, älteren <strong>und</strong>/oder<br />

pflegebedürftigen Menschen sowie Homosexuellen ebenfalls weit verbreitet. Es ist da<strong>von</strong><br />

auszugehen, dass das Risiko häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Nachstellungen in „spezifischen Gruppen<br />

<strong>von</strong> Menschen mit besonderen Merkmalen oder in besonderen Lebenssituationen“<br />

sogar erhöht ist (Heiliger/Goldberg/Schröttle/Hermann 2005: 622). Die Gründe dafür, dass<br />

diese Konstellationen an b<strong>und</strong>esdeutschen Fachberatungsstellen – mit Ausnahme <strong>von</strong> Migrantinnen<br />

– bisher eine marginale Rolle spielen, sind vielfältig. So kann beispielsweise das<br />

Zielgruppenprofil, das <strong>im</strong> Rahmen der konzeptionellen Ausrichtung festgelegt wurde, dazu<br />

führen, dass best<strong>im</strong>mte Gruppen nicht angesprochen werden (s. I Kap. 4.1). Daneben ist da<strong>von</strong><br />

auszugehen, dass die Hemmschwelle, Unterstützung <strong>von</strong> außen in Anspruch zu nehmen,<br />

bei diesen Betroffenen sehr hoch ist <strong>und</strong> geeignete Zugangswege zum Hilfesystem erst<br />

geschaffen werden müssen. Mit einer wachsenden gesellschaftlichen Sensibilität gegenüber<br />

der Gewaltthematik <strong>und</strong> <strong>im</strong> Zuge der Weiterentwicklung der Angebotstruktur ist damit<br />

zu rechnen, dass auch der Anteil dieser Gruppen in der Fachberatung wachsen wird. Unabhängig<br />

<strong>von</strong> der konkreten Konstellation gibt es Schnittmengen zwischen den Erfahrungen<br />

aller Gewaltbetroffenen <strong>und</strong> ihren Unterstützungsbedarfen. Doch bringen spezifische Situations-<br />

<strong>und</strong> Personenmerkmale auch besondere Anforderungen für die <strong>Beratung</strong> mit sich, mit<br />

denen sich die Fachkräfte auseinandersetzen sollten. In den folgenden Abschnitten soll auf<br />

die besonderen Anforderungen in einigen ausgewählten <strong>Kontext</strong>en näher eingegangen werden.<br />

Es handelt sich dabei um die <strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> Migrantinnen, Männern, älteren Menschen<br />

<strong>und</strong> homosexuellen Menschen. 70<br />

<strong>Beratung</strong> <strong>von</strong> Frauen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> 71<br />

Bei Frauen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> handelt es sich um eine äußerst vielfältige Gruppe:<br />

Neben den Merkmalen, die auch die Lebenssituation deutscher Frauen differenzieren, wie<br />

z. B. Bildung, Einkommen oder die Familiensituation, treten das Herkunftsland <strong>und</strong> dessen<br />

kulturelle Besonderheiten sowie aufenthaltsrechtliche Fragen als weitere migrationsspezifische<br />

Unterscheidungsmerkmale hinzu. Wie die Repräsentativerhebung des BMFSFJ zeigt,<br />

erleben Frauen, die aus der Türkei oder Osteuropa stammen, häufiger körperliche oder<br />

sexuelle Gewalt als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung ohne Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

(Schröttle/Müller 2004). 72 Expert(inn)en, die <strong>im</strong> Rahmen der Begleitforschung zum Gewaltschutzgesetz<br />

qualitativ befragt wurden, gehen auch für Migrantinnen aus anderen Herkunftsregionen,<br />

wie z. B. Asien oder Afrika, <strong>von</strong> einem erhöhten Risiko <strong>von</strong> häuslicher Gewalt<br />

<strong>und</strong> Stalking aus. Zudem wird <strong>von</strong> einigen Expert(inn)en darauf hingewiesen, dass Migrantinnen<br />

häufiger schwere Formen <strong>von</strong> Gewalt erleben <strong>und</strong> den Übergriffen über einen längeren<br />

Zeitraum ausgesetzt sind (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005b). Die Unterschiede der Verbreitung,<br />

70 Hinweise für die Fachberatung weiterer Betroffenengruppen in besonderen Konstellationen: Behinderte Menschen s. Plaute 2001. Besondere<br />

Anforderungen an das Hilfesystem <strong>im</strong> ländlichen Raum s. Helfferich et al. 2004. Besondere Anforderungen bei der <strong>Beratung</strong> in Konstellationen mit<br />

einem alkoholkranken Täter s. Helfferich et al. 2004.<br />

71 Die Ausführungen konzentrieren sich auf die Situation <strong>von</strong> gewaltbetroffenen Frauen, da zu Merkmalen <strong>und</strong> zur Situation gewaltbetroffener Männer<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> keine empirischen Studien vorliegen. Expert(inn)en weisen darauf hin, dass diese Gruppe in der <strong>Beratung</strong> bislang so gut wie<br />

nicht in Erscheinung tritt (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005b).<br />

72 44 % der Frauen osteuropäischer Herkunft <strong>und</strong> 49 % der Frauen türkischer Herkunft haben seit dem 16. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt<br />

erlebt. Der entsprechende Anteil <strong>von</strong> Frauen deutscher Herkunft beträgt 40 %.<br />

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