Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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II Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen für die <strong>Beratung</strong>spraxis<br />
• Umgang mit Verstößen, gegen die sich die Betroffenen nicht explizit zur<br />
Wehr gesetzt haben<br />
Verschiedenste Gründe können dazu führen, dass Verstöße der Antragsgegnerseite <strong>von</strong><br />
den Betroffenen nicht gemeldet werden (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005a: 243 f). Ein häufiger<br />
Gr<strong>und</strong> für gewaltbetroffene Frauen ist, dass sie sich vom Täter unter Druck gesetzt fühlen.<br />
Ein anderer Gr<strong>und</strong> kann sein, dass die/der Betroffene hofft, dass es künftig zu keiner weiteren<br />
Gewalt kommt. Aus juristischer Perspektive können Probleme entstehen, wenn es<br />
nach einer gebilligten Übertretung <strong>von</strong> Anordnungen oder einer Wohnungszuweisung<br />
wieder zu Gewalt kommt <strong>und</strong> die/der Betroffene die erneute Wirksamkeit der Anordnungen<br />
wünscht. Die Rechtslage hierzu wird sehr kontrovers diskutiert. 68 Im Rahmen der fallübergreifenden<br />
<strong>Kooperation</strong> sollte mit den Vertreter(inne)n juristischer Professionen Konsens<br />
darüber hergestellt werden, dass jeder Antrag – unabhängig <strong>von</strong> den Erfahrungen<br />
mit vorangegangenen Anträgen – ernsthaft geprüft werden sollte.<br />
Spezielle Hinweise für die <strong>Beratung</strong> zum Gewaltschutzantrag<br />
<strong>von</strong> Betroffenen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Viele Migrant(inn)en, die <strong>von</strong> häuslicher Gewalt oder Nachstellungen betroffen sind, stehen<br />
vor besonders großen Schwierigkeiten, sich zu schützen. Für Betroffene, die ohne Aufenthaltsgenehmigung<br />
in Deutschland sind, sind diese Probleme nahezu unüberwindbar, da sie<br />
mit einer sofortigen Ausweisung rechnen müssen, wenn sie sich an eine offizielle Stelle<br />
wenden. Aber auch für Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, die sich legal in Deutschland<br />
befinden, weil sie mit einem/einer deutschen Staatsbürger(in) oder einem/einer<br />
Ausländer(in) mit eigener Aufenthaltserlaubnis verheiratet sind, können gerichtliche Schritte<br />
mit weitreichenden negativen Konsequenzen für die Lebenssituation verb<strong>und</strong>en sein:<br />
Liegt die Ehedauer unter zwei Jahren, ist die Aufenthaltsgenehmigung an den Ehestatus geb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> <strong>im</strong> Fall einer Trennung droht die Gefahr einer Ausweisung (s. I Kap. 2.2.4). Daneben<br />
sind Migrant(inn)en oftmals mit weiteren Problemen konfrontiert (s. II Kap. 3.4). Für<br />
die <strong>Beratung</strong> <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> juristischer Interventionen hat dies u. a. folgende Implikationen:<br />
• Die <strong>Beratung</strong> erfordert ein hohes Problembewusstsein hinsichtlich der Auswirkungen <strong>von</strong><br />
polizeilichen <strong>und</strong> richterlichen Interventionen für die Lebenssituation <strong>von</strong> Migrant(inn)en.<br />
Migrant(inn)en, die sich für gerichtliche Schritte entscheiden, sollte in jedem Fall eine anwaltliche<br />
Vertretung empfohlen werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es sich<br />
um eine/einen Fachanwältin/Fachanwalt handelt, die/der über möglichst umfangreiche<br />
praktische Erfahrungen sowohl mit dem Ausländerrecht als auch dem Gewaltschutzgesetz<br />
verfügt.<br />
• Verfügt die/der Betroffene über kein eigenständiges Aufenthaltsrecht, empfiehlt sich ein<br />
Austausch mit der Ausländerbehörde. In begründeten Ausnahmesituationen kann trotz<br />
einer Scheidung ein eigenständiges Aufenthaltsbest<strong>im</strong>mungsrecht ausgesprochen werden.<br />
69 Die Ausländerbehörde entscheidet, ob ein solcher Fall vorliegt. In der <strong>Beratung</strong> ist<br />
es wichtig, die allgemeinen Gepflogenheiten <strong>und</strong> die Kriterien der Ausländerbehörde vor<br />
Ort gut zu kennen.<br />
90<br />
68 Wenn nach Erlass einer gerichtlichen Schutzanordnung <strong>im</strong> Sinne <strong>von</strong> § 1 Abs. 1 GewSchG das Opfer die gewaltverübende Person freiwillig wieder in die<br />
Wohnung aufn<strong>im</strong>mt, dürfte deren Verhalten nach § 4 GewSchG tatsächlich nicht strafbar sein. Nicht generell <strong>von</strong> der Strafverfolgung ausgeschlossen<br />
sind in diesen Fällen jedoch erneute Gewalthandlungen zu Lasten des Opfers. Dieses Verhalten kann dann zwar nicht nach § 4 GewSchG strafrechtlich<br />
sanktioniert werden, jedoch unter Umständen nach den allgemeinen Straftatbeständen des StGB.<br />
69 Für differenzierte Hinweise zu aufenthaltsrechtlichen Fragen s. RIGG 2002, Nr. 5: Handreichung Migrantinnen, S. 5-8. Zugriff über<br />
www.rigg-rlp.de vom 23.11.2005.