Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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II Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen für die <strong>Beratung</strong>spraxis<br />
der Hauptsache zu beachten, dass diese mit einem anhängigen Scheidungsverfahren<br />
<strong>und</strong>/oder Verfahren zur Regelung <strong>von</strong> Umgang oder Sorge aufeinander abgest<strong>im</strong>mt<br />
werden.<br />
• Welche Rechtsmittel <strong>und</strong> Widerspruchsmöglichkeiten bestehen?<br />
Beiden Parteien steht die Möglichkeit offen, gegen jede gerichtliche Entscheidung Rechtsmittel<br />
einzulegen sowie schriftliche Stellungnahmen zu Eilanordnungen oder <strong>im</strong> Zuge des<br />
Hauptsacheverfahrens abzugeben. Wie bereits oben dargelegt, vertreten Expert(inn)en<br />
die Auffassung, dass eine mündliche Anhörung vor einer einstweiligen Anordnung nach<br />
Möglichkeit unterbleiben sollte. Stattdessen sollte das Hauptsacheverfahren beschleunigt<br />
eingeleitet <strong>und</strong> in diesem Rahmen der Antragsgegnerseite Gehör gewährt werden<br />
(Heinke 2005b, Rn. 57 vor GewSchG).<br />
• Kann es vermieden werden, dass Antragstellende <strong>und</strong> Antragsgegner(innen) in der<br />
mündlichen Verhandlung aufeinandertreffen?<br />
Soweit Betroffenen nicht zuzumuten ist, dass sie <strong>im</strong> Rahmen der mündlichen Hauptsacheverhandlung<br />
mit der gewaltverübenden Person zusammentreffen, kann eine getrennte<br />
Anhörung erfolgen. Dabei wird dem Gr<strong>und</strong>satz der Parteiöffentlichkeit dadurch Rechnung<br />
getragen, dass die Anhörungsniederschrift der jeweils notwendigen mündlichen Anhörung<br />
einer Partei der anderen Seite zur Kenntnis übermittelt wird (Heinke 2005b, Rn. 57<br />
vor GewSchG). Ein entsprechendes Vorgehen sollte die anwaltliche Vertretung oder die<br />
Fachberatung <strong>im</strong> Vorfeld der Verhandlung mit der/dem Richter(in) besprechen.<br />
• Kann ein Antrag zurückgenommen werden?<br />
Die Rücknahme eines Antrags auf einstweilige Anordnung ist jederzeit möglich, dies gilt<br />
auch dann, wenn das Hauptsacheverfahren bereits eingeleitet ist. Von dieser Möglichkeit<br />
macht ein vergleichsweise hoher Anteil <strong>von</strong> Antragstellenden Gebrauch. 67 Rücknahmen<br />
können aus der Perspektive der Betroffenen ein sinnvolles Vorgehen darstellen. So zeigt<br />
sich, dass Betroffene die Antragstellung nutzen, um der gewaltverübenden Person –<br />
meist dem Partner – die Grenzen ihres Handelns aufzuzeigen <strong>und</strong> zu signalisieren, dass<br />
sie gesetzlich verbriefte Rechte in Anspruch nehmen können. Lenkt die/der Täter(in) ein,<br />
erfolgt eine Rücknahme, da die Betroffenen es vorziehen, das weitere Vorgehen auf der<br />
privaten Ebene zu regeln (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005a). Familienrichter(innen), die mit der Gewaltdynamik<br />
in engen sozialen Beziehungen wenig vertraut sind, haben oftmals wenig<br />
Verständnis für Rücknahmen <strong>und</strong> interpretieren dies als Zeichen dafür, dass die Antragstellenden<br />
nicht ernsthaft gefährdet sind bzw. der Verfahrensweg leichtfertig beschritten<br />
wurde. Eine entsprechende Bewertung kann Konsequenzen für einen neuerlichen Antrag<br />
auf Gewaltschutz haben. Die Fachberatung ist vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Situation vor Ort<br />
gefordert, die Betroffenen gegebenenfalls auf diese Implikation aufmerksam zu machen.<br />
Zudem gilt es, <strong>im</strong> Rahmen der fallbezogenen <strong>und</strong> fallübergreifenden Zusammenarbeit<br />
das Verständnis für die Perspektive der Betroffenen bei den jeweiligen Richter(inne)n zu<br />
schärfen. In jedem Fall sollten Betroffene darüber informiert werden, dass eine Antragsrücknahme<br />
mit Kosten verb<strong>und</strong>en sein kann (s. o.).<br />
Hinweise zu Verstößen gegen angeordnete Maßnahmen<br />
Viele Antragstellende sind sich unsicher, welches Verhalten der gewaltverübenden Person<br />
als Verstoß gegen angeordnete Maßnahmen zu werten ist (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005a). Ist beispielsweise<br />
ein Telefonat zur Abklärung <strong>von</strong> Fragen, die die gemeinsamen Kinder betreffen,<br />
ein Verstoß gegen das Kontaktverbot? Wie ist das Verhalten des ehemaligen Partners zu bewerten,<br />
der nach einer Wohnungszuweisung unangemeldet vor der Tür steht <strong>und</strong> einen<br />
88<br />
67 Ein Anteil <strong>von</strong> 24 % aller Verfahren am Familiengericht wird zurückgenommen, der entsprechende Anteil <strong>von</strong> Anträgen am allgemeinen Zivilgericht<br />
beträgt 8 % (Rupp 2005c: 173).