Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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II Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen für die <strong>Beratung</strong>spraxis<br />
• Beschreibung der verübten Gewalt<br />
Der Gewaltbegriff des Gesetzgebers ist weit gefasst, da es Ziel ist, neben physischer <strong>und</strong><br />
sexueller Gewalt auch best<strong>im</strong>mte Formen psychischer Gewalt zu sanktionieren (s. I Kap.<br />
2.2). Die stattgef<strong>und</strong>ene Gewalt muss konkret mit Zeit, Ort <strong>und</strong> genauem Vorgang beschrieben<br />
werden. In Fällen häuslicher Gewalt kann eine Wohnungszuweisung auch damit<br />
begründet werden, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wobei auch diese Gefährdung<br />
konkret beschrieben werden muss.<br />
• Belege <strong>und</strong> Beweise<br />
Die Anforderungen an die zu erbringenden Nachweise sind <strong>im</strong> Rahmen eines Antrags auf<br />
einstweilige Anordnung <strong>und</strong> eines Hauptsacheantrags unterschiedlich. Dies hängt, wie<br />
oben bereits erwähnt, damit zusammen, dass der Gesetzgeber die einstweilige Anordnung<br />
möglichst niedrigschwellig <strong>im</strong> Sinne des Opferschutzes ausstatten wollte. Im Rahmen<br />
einer einstweiligen Anordnung wird daher lediglich eine Glaubhaftmachung gefordert,<br />
die z. B. durch eine eidesstattliche Erklärung der Betroffenen, erbracht werden kann. 63<br />
Erst <strong>im</strong> Hauptsacheverfahren ist ein Vollbeweis erforderlich <strong>und</strong> es sollten alle verfügbaren<br />
Belege vorgebracht werden (ärztliche Atteste, Polizeiberichte, polizeiliches Formblatt<br />
zum vorgenommenen Platzverweis, Zeugenaussagen etc.). Sollten die/den Richter(in) die<br />
erbrachten Belege nicht überzeugen, gilt am Familiengericht der Amtsermittlungsgr<strong>und</strong>satz.<br />
Am allgemeinen Zivilgericht müssen dagegen alle notwendigen Beweise <strong>von</strong> den<br />
Antragstellenden vorgelegt werden, da hier der Amtsermittlungsgr<strong>und</strong>satz nicht gilt<br />
(s. I Kap. 2.2.3). Unabhängig da<strong>von</strong>, ob die/der Betroffene aktuell ein Verfahren anstrebt,<br />
sollte in der <strong>Beratung</strong> empfohlen werden, Belege für erfahrene Gewalt zu sammeln. 64<br />
Speziell Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, deren Deutschkenntnisse gering sind, befürchten,<br />
dass die Übersetzung <strong>von</strong> Aussagen <strong>und</strong> Belegen für die Antragstellung mit hohen<br />
Kosten verb<strong>und</strong>en ist. Doch stellt der Gesetzgeber <strong>im</strong> Rahmen der einstweiligen Anordnung<br />
keine besonderen Anforderungen an die Qualifikation der Übersetzerin bzw. des<br />
Übersetzers, da hier lediglich eine Glaubhaftmachung erforderlich ist (s. Heinke, persönl.<br />
Mitteilung, 25.11.2005). D. h., diese Leistung kann aus juristischer Perspektive durch jede<br />
zur Verfügung stehende sprachk<strong>und</strong>ige Person geleistet werden. Im Rahmen der Hauptsacheverhandlung<br />
ist es Aufgabe der Familienrichterin bzw. des Familienrichters, für eine<br />
adäquate Übersetzung zu sorgen. 65<br />
• Sanktionen<br />
Es empfiehlt sich <strong>im</strong> Rahmen des Antrags ein Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft für den<br />
Fall eines Verstoßes gegen zugesprochene Anordnungen zu beantragen. Andernfalls<br />
muss die Androhung <strong>von</strong> Ordnungsmitteln nach einem Verstoß gegen Anordnungen erst<br />
eigens beantragt werden.<br />
• Einstweilige Anordnung ohne Anhörung der Antragsgegnerseite<br />
Es kann explizit beantragt werden, über die einstweilige Anordnung ohne Anhörung der<br />
Antragsgegnerseite zu entscheiden. Dies empfiehlt sich in allen Fällen, in denen die Anordnung<br />
der Maßnahmen schnellstmöglich vorgenommen werden sollte.<br />
86<br />
63 Es liegen Hinweise auf ein abweichendes Vorgehen an einigen Gerichten bzw. Rechtsantragstellen vor. So werden laut Auskünften <strong>von</strong> Betroffenen <strong>und</strong><br />
Expertinnen an einigen Gerichten <strong>von</strong>seiten der Richter(innen) <strong>und</strong>/oder der Rechtsantragstellen höhere Anforderungen an die einstweilige Anordnung<br />
gestellt, wie z. B. der Nachweis einer Strafanzeige oder eines Polizeieinsatzes (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005b). Diese Praxis deckt sich jedoch nicht mit den<br />
Zielen des Gesetzgebers, der die einstweilige Anordnung explizit niedrigschwellig ausgestalten wollte.<br />
64 Für Hinweise zur Beweissicherung s. RIGG 2002, Nr. 6: Handreichung Beweissicherung. Zugriff über www.rigg-rlp.de vom 23.11.2005.<br />
65 In allen Verhandlungen vor Gericht gilt, dass unter Beteiligung <strong>von</strong> Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, die/der Richter(in) einen<br />
Dolmetscher beizuziehen hat (s. §§ 8, 9 FGG, 185 ff; GVG: § 185 I 1).