Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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• Welche Kosten sind mit einer Antragstellung verbunden? Die Befürchtung, dass gerichtliche Schritte mit hohen Kosten verbunden sind, hält Betroffene oftmals von einer Antragstellung ab (Limmer/Mengel 2005a). Doch sind die Kosten in nahezu allen Fällen überschaubar, zumal Anwalts- und Gerichtskosten bei Bedürftigkeit der Antragstellenden im Rahmen der Prozesskostenhilfe vom Staat getragen werden können. 60 - Gerichtskosten: Die Kosten orientieren sich am so genannten Geschäftswert. Dieser Wert beträgt bei Fällen häuslicher Gewalt in der Regel 3.000 €. In diesem Fall belaufen sich die Gerichtskosten auf 26 € (vgl. Heinke 2005b, Rn. 77 vor GewSchG). - Anwaltskosten: Die einmalige Beratungsgebühr für das klärende Erstgespräch beläuft sich auf maximal 190 € (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 7.7.2005), sie sollte jedoch deutlich unter dieser Grenze liegen. Bei der Terminvereinbarung empfiehlt es sich daher, die konkrete Höhe der Gebühren für die Erstberatung zu erfragen. Übernimmt die Anwältin/der Anwalt das Mandat, bemessen sich die Kosten nach dem Streitwert und dem konkreten Verlauf des Verfahrens. Da diese Berechnungsgrundlage je nach Einzelfall stark variiert, sollte mit dem Anwalt/der Anwältin vereinbart werden, dass diese(r) einen Schätzwert der Kosten berechnet und über mögliche Abweichungen im Verlauf des Mandats informiert. Für die anwaltliche Beratung kann Beratungshilfe beim Amtsgericht beantragt werden. Wird der Antrag genehmigt, 61 betragen die Kosten der Erstberatung unabhängig davon, ob in der Folge ein Verfahren angestrengt wird, maximal 10 €. Nennenswerte Kosten können allerdings dann entstehen, wenn die/der Antragstellende in der Hauptsache unterliegt, wenn sie/er den Antrag zurückzieht oder wenn die Kosten im Falle eines Vergleichs oder einer Vereinbarung zwischen beiden Parteien aufgeteilt werden. Zentrale Inhalte von Anträgen auf Gewaltschutz Die Fachkräfte sollten darüber informiert sein, welche konkreten Inhalte ein Antrag auf Gewaltschutz umfasst. Wurde im Zuge der fallübergreifenden Vernetzung eine Einigung darüber erzielt, dass an Rechtsantragstellen standardisierte Antragsformulare eingesetzt werden, bereiten Fachberatungsstellen Klient(inn)en anhand des konkreten Formulars auf die Antragstellung vor. 62 • Wohnungszuweisung und Schutzanordnungen Im Fall häuslicher Gewalt kann eine Wohnungszuweisung beantragt werden. Ergänzend empfiehlt sich die Beantragung flankierender Schutzanordnungen, wie z. B. Näherungsverbot oder Kontaktverbot. Alle beantragten Anordnungen sollten so präzise wie möglich formuliert werden, damit mögliche Verstöße entsprechend klar benannt werden können. Familienrichter(innen) können Schutzanordnungen, die eine Wohnungszuweisung nach § 1361 b BGB oder § 2 GewSchG flankieren, auch auf der Grundlage der Hausratsverordnung aussprechen. Da diese Anordnungen im Fall eines möglichen Verstoßes nicht als Straftat geahndet werden können, ist es wichtig, Schutzanordnungen explizit auf der Grundlage von § 1 GewSchG zu beantragen. 60 Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe wird vom Gericht geprüft und gewährt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Die Bedürftigkeit der Antragstellenden ist nachgewiesen (eine pauschale Angabe der Bedürftigkeitsgrenze ist nicht möglich, doch ist die Bedürftigkeit vergleichsweise leicht erreichbar). 2. Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg und es erfolgt keine mutwillige Prozessführung. 61 Ausschlaggebend ist analog zur Prozesskostenhilfe die Bedürftigkeit der Antragstellenden. 62 Formulare zur Beantragung zivilrechtlichen Schutzes nach dem Gewaltschutzgesetz (für Frauen und Männer) können unter www.big-interventionszentrale.de und www.bmfsfj.de vom 23.11.2005 abgerufen werden. 85
II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis • Beschreibung der verübten Gewalt Der Gewaltbegriff des Gesetzgebers ist weit gefasst, da es Ziel ist, neben physischer und sexueller Gewalt auch bestimmte Formen psychischer Gewalt zu sanktionieren (s. I Kap. 2.2). Die stattgefundene Gewalt muss konkret mit Zeit, Ort und genauem Vorgang beschrieben werden. In Fällen häuslicher Gewalt kann eine Wohnungszuweisung auch damit begründet werden, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wobei auch diese Gefährdung konkret beschrieben werden muss. • Belege und Beweise Die Anforderungen an die zu erbringenden Nachweise sind im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung und eines Hauptsacheantrags unterschiedlich. Dies hängt, wie oben bereits erwähnt, damit zusammen, dass der Gesetzgeber die einstweilige Anordnung möglichst niedrigschwellig im Sinne des Opferschutzes ausstatten wollte. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung wird daher lediglich eine Glaubhaftmachung gefordert, die z. B. durch eine eidesstattliche Erklärung der Betroffenen, erbracht werden kann. 63 Erst im Hauptsacheverfahren ist ein Vollbeweis erforderlich und es sollten alle verfügbaren Belege vorgebracht werden (ärztliche Atteste, Polizeiberichte, polizeiliches Formblatt zum vorgenommenen Platzverweis, Zeugenaussagen etc.). Sollten die/den Richter(in) die erbrachten Belege nicht überzeugen, gilt am Familiengericht der Amtsermittlungsgrundsatz. Am allgemeinen Zivilgericht müssen dagegen alle notwendigen Beweise von den Antragstellenden vorgelegt werden, da hier der Amtsermittlungsgrundsatz nicht gilt (s. I Kap. 2.2.3). Unabhängig davon, ob die/der Betroffene aktuell ein Verfahren anstrebt, sollte in der Beratung empfohlen werden, Belege für erfahrene Gewalt zu sammeln. 64 Speziell Menschen mit Migrationshintergrund, deren Deutschkenntnisse gering sind, befürchten, dass die Übersetzung von Aussagen und Belegen für die Antragstellung mit hohen Kosten verbunden ist. Doch stellt der Gesetzgeber im Rahmen der einstweiligen Anordnung keine besonderen Anforderungen an die Qualifikation der Übersetzerin bzw. des Übersetzers, da hier lediglich eine Glaubhaftmachung erforderlich ist (s. Heinke, persönl. Mitteilung, 25.11.2005). D. h., diese Leistung kann aus juristischer Perspektive durch jede zur Verfügung stehende sprachkundige Person geleistet werden. Im Rahmen der Hauptsacheverhandlung ist es Aufgabe der Familienrichterin bzw. des Familienrichters, für eine adäquate Übersetzung zu sorgen. 65 • Sanktionen Es empfiehlt sich im Rahmen des Antrags ein Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft für den Fall eines Verstoßes gegen zugesprochene Anordnungen zu beantragen. Andernfalls muss die Androhung von Ordnungsmitteln nach einem Verstoß gegen Anordnungen erst eigens beantragt werden. • Einstweilige Anordnung ohne Anhörung der Antragsgegnerseite Es kann explizit beantragt werden, über die einstweilige Anordnung ohne Anhörung der Antragsgegnerseite zu entscheiden. Dies empfiehlt sich in allen Fällen, in denen die Anordnung der Maßnahmen schnellstmöglich vorgenommen werden sollte. 86 63 Es liegen Hinweise auf ein abweichendes Vorgehen an einigen Gerichten bzw. Rechtsantragstellen vor. So werden laut Auskünften von Betroffenen und Expertinnen an einigen Gerichten vonseiten der Richter(innen) und/oder der Rechtsantragstellen höhere Anforderungen an die einstweilige Anordnung gestellt, wie z. B. der Nachweis einer Strafanzeige oder eines Polizeieinsatzes (Limmer/Mengel 2005b). Diese Praxis deckt sich jedoch nicht mit den Zielen des Gesetzgebers, der die einstweilige Anordnung explizit niedrigschwellig ausgestalten wollte. 64 Für Hinweise zur Beweissicherung s. RIGG 2002, Nr. 6: Handreichung Beweissicherung. Zugriff über www.rigg-rlp.de vom 23.11.2005. 65 In allen Verhandlungen vor Gericht gilt, dass unter Beteiligung von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, die/der Richter(in) einen Dolmetscher beizuziehen hat (s. §§ 8, 9 FGG, 185 ff; GVG: § 185 I 1).
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• Welche Kosten sind mit einer Antragstellung verb<strong>und</strong>en?<br />
Die Befürchtung, dass gerichtliche Schritte mit hohen Kosten verb<strong>und</strong>en sind, hält Betroffene<br />
oftmals <strong>von</strong> einer Antragstellung ab (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005a). Doch sind die Kosten in<br />
nahezu allen Fällen überschaubar, zumal Anwalts- <strong>und</strong> Gerichtskosten bei Bedürftigkeit<br />
der Antragstellenden <strong>im</strong> Rahmen der Prozesskostenhilfe vom Staat getragen werden können.<br />
60<br />
- Gerichtskosten: Die Kosten orientieren sich am so genannten Geschäftswert. Dieser<br />
Wert beträgt bei Fällen häuslicher Gewalt in der Regel 3.000 €. In diesem Fall belaufen<br />
sich die Gerichtskosten auf 26 € (vgl. Heinke 2005b, Rn. 77 vor GewSchG).<br />
- Anwaltskosten: Die einmalige <strong>Beratung</strong>sgebühr für das klärende Erstgespräch beläuft<br />
sich auf max<strong>im</strong>al 190 € (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 7.7.2005), sie sollte jedoch<br />
deutlich unter dieser Grenze liegen. Bei der Terminvereinbarung empfiehlt es sich<br />
daher, die konkrete Höhe der Gebühren für die Erstberatung zu erfragen. Übern<strong>im</strong>mt die<br />
Anwältin/der Anwalt das Mandat, bemessen sich die Kosten nach dem Streitwert <strong>und</strong><br />
dem konkreten Verlauf des Verfahrens. Da diese Berechnungsgr<strong>und</strong>lage je nach Einzelfall<br />
stark variiert, sollte mit dem Anwalt/der Anwältin vereinbart werden, dass diese(r)<br />
einen Schätzwert der Kosten berechnet <strong>und</strong> über mögliche Abweichungen <strong>im</strong> Verlauf<br />
des Mandats informiert.<br />
Für die anwaltliche <strong>Beratung</strong> kann <strong>Beratung</strong>shilfe be<strong>im</strong> Amtsgericht beantragt werden.<br />
Wird der Antrag genehmigt, 61 betragen die Kosten der Erstberatung unabhängig da<strong>von</strong>,<br />
ob in der Folge ein Verfahren angestrengt wird, max<strong>im</strong>al 10 €.<br />
Nennenswerte Kosten können allerdings dann entstehen, wenn die/der Antragstellende in<br />
der Hauptsache unterliegt, wenn sie/er den Antrag zurückzieht oder wenn die Kosten <strong>im</strong><br />
Falle eines Vergleichs oder einer Vereinbarung zwischen beiden Parteien aufgeteilt werden.<br />
Zentrale Inhalte <strong>von</strong> Anträgen auf Gewaltschutz<br />
Die Fachkräfte sollten darüber informiert sein, welche konkreten Inhalte ein Antrag auf Gewaltschutz<br />
umfasst. Wurde <strong>im</strong> Zuge der fallübergreifenden Vernetzung eine Einigung darüber<br />
erzielt, dass an Rechtsantragstellen standardisierte Antragsformulare eingesetzt werden,<br />
bereiten Fachberatungsstellen Klient(inn)en anhand des konkreten Formulars auf die<br />
Antragstellung vor. 62<br />
• Wohnungszuweisung <strong>und</strong> Schutzanordnungen<br />
Im Fall häuslicher Gewalt kann eine Wohnungszuweisung beantragt werden. Ergänzend<br />
empfiehlt sich die Beantragung flankierender Schutzanordnungen, wie z. B. Näherungsverbot<br />
oder Kontaktverbot. Alle beantragten Anordnungen sollten so präzise wie möglich<br />
formuliert werden, damit mögliche Verstöße entsprechend klar benannt werden können.<br />
Familienrichter(innen) können Schutzanordnungen, die eine Wohnungszuweisung nach<br />
§ 1361 b BGB oder § 2 GewSchG flankieren, auch auf der Gr<strong>und</strong>lage der Hausratsverordnung<br />
aussprechen. Da diese Anordnungen <strong>im</strong> Fall eines möglichen Verstoßes nicht als<br />
Straftat geahndet werden können, ist es wichtig, Schutzanordnungen explizit auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> § 1 GewSchG zu beantragen.<br />
60 Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe wird vom Gericht geprüft <strong>und</strong> gewährt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Die Bedürftigkeit der<br />
Antragstellenden ist nachgewiesen (eine pauschale Angabe der Bedürftigkeitsgrenze ist nicht möglich, doch ist die Bedürftigkeit vergleichsweise<br />
leicht erreichbar). 2. Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg <strong>und</strong> es erfolgt keine mutwillige Prozessführung.<br />
61 Ausschlaggebend ist analog zur Prozesskostenhilfe die Bedürftigkeit der Antragstellenden.<br />
62 Formulare zur Beantragung zivilrechtlichen Schutzes nach dem Gewaltschutzgesetz (für Frauen <strong>und</strong> Männer) können unter<br />
www.big-interventionszentrale.de <strong>und</strong> www.bmfsfj.de vom 23.11.2005 abgerufen werden.<br />
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