Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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• Wie soll mit Verstößen gegen die polizeilichen Interventionen umgegangen werden? Die Verstöße sollten der Polizei umgehend gemeldet werden. Weitere Interventionen, wie z. B. Ingewahrsamnahme, können folgen. • Wie kann ein Platzverweis oder ein Kontaktverbot offiziell zurückgenommen werden? Wenn das Opfer ein Rücknahmeverlangen an die Polizeidienststelle richtet, prüft die Polizei eine Aufhebung der verhängten Maßnahmen. Die Polizei kann dabei auch zu dem Schluss kommen, dass der Platzverweis nicht aufgehoben werden kann. • Welche Folgen haben Verstöße gegen die polizeilichen Interventionen, die vom Opfer geduldet werden? Grundsätzlich sollten die Betroffenen in der Beratung ermutigt werden, jeden Verstoß gegen polizeiliche Interventionen bei der Polizei zu melden. Können sich die Betroffenen nicht dazu entschließen, hat dies keine unmittelbaren negativen Konsequenzen für sie zur Folge. Dies gilt auch für Fälle, in denen ein Verstoß erst dann offenkundig wird, wenn es zu erneuter Gewalt gekommen ist. Die Polizei ist gehalten, unabhängig von den vorangegangenen Erfahrungen, jede Situation neu zu bewerten und gegebenenfalls erneute Sanktionen auszusprechen. Weitere Interventionen, wie z. B. Gefährderansprache oder Prüfung der Verfügbarkeit von Waffen, sind v. a. dann von Bedeutung, wenn sich die Betroffenen im Rahmen der Entwicklung von Sicherheitsstrategien eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei vorstellen können und die Polizei vor Ort eine entsprechende Kooperation unterstützt. Da in Fällen häuslicher Gewalt zumeist nicht nur verbale Streitigkeiten vorliegen, sondern körperliche Gewalt verübt wird, sind in der Regel einschlägige Straftatbestände erfüllt, wie z. B. Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung. In diesen Fällen hat die Polizei die Pflicht, erforderliche Beweise zu sichern, Vernehmungen durchzuführen und eine Strafanzeige anzufertigen, die der Staatsanwaltschaft zugeht. Manche Delikte, wie z. B. die einfache Körperverletzung, werden nur auf Strafantrag der/des Betroffenen 52 (so genannte Antragsdelikte) oder dann verfolgt, wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Im Kontext häuslicher Gewalt kann in aller Regel von einem öffentlichen Interesse ausgegangen werden. 53 Stellt die Staatsanwaltschaft dennoch fest, dass kein öffentliches Interesse besteht, kann die/der Betroffene durch Zurücknahme des Antrages die Einstellung des Ermittlungsverfahrens bewirken. Bei Straftaten, deren Verfolgung nicht von der Stellung eines Strafantrags durch die/den Betroffene(n) bzw. der Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft abhängig sind (so genannte Offizialdelikte), kann das Ermittlungsverfahren keinesfalls durch die Rücknahme der Anzeige beendet werden. Ein solches Offizialdelikt ist beispielsweise eine schwere Körperverletzung. Ist die/der Betroffene an einer Strafverfolgung interessiert, sollte sie/er unabhängig davon, ob es sich um ein Antragsdelikt handelt, eine Strafanzeige stellen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Tat und kann für die justizielle Einstufung des Falles eine sehr wichtige Komponente darstellen (Bayerisches Staatsministerium des Inneren 2002: 14). Stellt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein, kann die/der Betroffene Beschwerde dagegen einlegen. 54 81 52 Hinweise zur Abfassung von Strafanzeigen siehe Bundesministerium der Justiz (2001): OpferFibel. Rechtswegweiser für Opfer einer Straftat, S 51. Die Broschüre kann unter www.bmj.bund.de vom 28.11.2005 abgerufen oder als Drucksache bestellt werden. 53 Diese Position des Gesetzgebers wird u. a. an der Ausgestaltung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren erkennbar (Nr. 86 II, Satz 2 RiStBV). Hier wird explizit darauf hingewiesen, dass ein öffentliches Interesse „auch dann vorliegt, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Interesse der Allgemeinheit ist.“ In einem Beschluss vom 22./23.11. 1994 hält die Justizministerkonferenz hierzu fest: „(...) demnach wird in Fällen häuslicher Gewalt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung auf Grund des Beziehungsgeflechts zwischen Täter und Opfer in aller Regel zu bejahen sein“ (WiBIG 2004b: 45 f). 54 Hinweise zur Abfassung von Beschwerden gegen Verfahrenseinstellungen s. Bundesministerium der Justiz 2001: OpferFibel. Rechtswegweiser für Opfer einer Straftat, S. 52. www.bmj.bund.de vom 28.11.2005.
II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis Mit dem Strafverfahren drohen dem/der Täter(in) eine Geld- oder Freiheitsstrafe, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Den Betroffenen, die in einer Partnerschaft mit der gewaltverübenden Person lebten, kann im Strafverfahren unter Umständen ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen. 55 Kommt die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Ermittlungen zur Auffassung, dass weitere Interventionen, wie z. B. Untersuchungshaft oder Hausdurchsuchung, erforderlich sind, wird in aller Regel die/der zuständige Ermittlungsrichter(in) eingeschaltet. Diese(r) überprüft die Notwendigkeit der geplanten Interventionen. In diesem Zusammenhang kann das betroffene Opfer zur Zeugeneinvernahme eingeladen werden. Hierfür benötigen Klient(inn)en oftmals eine unterstützende Vorbereitung. Neben der Ermutigung, den Termin wahrzunehmen und die eigenen Interessen vor der/dem Ermittlungsrichter(in) angemessen zu vertreten, sollten die Betroffenen auch über den juristischen Stellenwert der Einvernahme aufgeklärt werden: Sieht die Staatsanwaltschaft Veranlassung für eine Anklageerhebung, können alle Aussagen der Betroffenen, die gegenüber der/dem Ermittlungsrichter(in) getroffen werden, gegen die gewaltverübende Person verwendet werden. 56 Daran ändert auch eine spätere Zeugnisverweigerung in der Verhandlung der Strafsache oder eine Rücknahme eines Strafantrags nichts. Wird ein Strafverfahren gegen die gewaltverübende Person eröffnet, empfiehlt es sich für die Betroffenen sowohl einen Antrag auf Auskunft über den Ausgang des Verfahrens als auch einen Antrag auf Information über einzelne Verfahrensvorgänge zu stellen. 57 Nur wenn diese Anträge bei der Staatsanwaltschaft vorliegen, werden Informationen über den Ausgang des Strafverfahrens sowie über eine mögliche Inhaftierung und deren zeitliche Terminierung an die Betroffenen weitergeleitet. 3.3.2 Beratung im Kontext des Gewaltschutzgesetzes Wie in I Kap. 2.2 dargelegt, wurden mit Einführung des Gewaltschutzgesetzes die Rechte von Opfern häuslicher Gewalt und Nachstellungen gestärkt. Ein Überblick über zivilgerichtliche Interventionen sowie zivil- und strafgerichtliche Sanktionsmöglichkeiten findet sich in Abb. II 3.5. Die Untersuchung der gerichtlichen Praxis belegt, dass Betroffene, die sich für eine Antragstellung entscheiden und ihren Antrag nicht zurücknehmen, bisher in aller Regel mit einem gerichtlichen Ausgang in ihrem Sinne rechnen konnten (Rupp 2005c). D. h., ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung wurde stattgegeben und soweit es zu einer Hauptsacheverhandlung kam, wurden wesentliche Antragsinhalte zugesprochen oder zumindest vereinbart (s. I Kap. 2.2.5). 82 55 Ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, wer mit dem/der Täter(in) verlobt, verheiratet (auch bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften), verwandt oder verschwägert ist. Betroffene, die davon Gebrauch machen, sind in jeder Phase des Strafverfahrens berechtigt, die Aussage zu verweigern. Alle bis dahin gegebenen Auskünfte dürfen dann nicht mehr als Beweismittel verwendet werden. Sofern keine anderen Beweismittel vorliegen, bedeutet dies, das dem/der Täter(in) die vorgeworfene Tat nicht nachgewiesen werden kann und eine Verurteilung ausscheidet. 56 Die/der Ermittlungsrichter(in) wird diesbezüglich von der Staatsanwaltschaft einvernommen. 57 Hinweise zur Abfassung eines Antrags auf Erteilung von Auskünften und auf Auskunft über den Ausgang des Verfahrens siehe Bundesministerium der Justiz (2001): OpferFibel. Rechtswegweiser für Opfer einer Straftat, S.53 f. Zugriff über: www.bmj.bund.de vom 28.11.2005.
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• Wie soll mit Verstößen gegen die polizeilichen Interventionen umgegangen werden?<br />
Die Verstöße sollten der Polizei umgehend gemeldet werden. Weitere Interventionen,<br />
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• Wie kann ein Platzverweis oder ein Kontaktverbot offiziell zurückgenommen werden?<br />
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Polizei eine Aufhebung der verhängten Maßnahmen. Die Polizei kann dabei auch zu<br />
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• Welche Folgen haben Verstöße gegen die polizeilichen Interventionen, die<br />
vom Opfer geduldet werden?<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sollten die Betroffenen in der <strong>Beratung</strong> ermutigt werden, jeden Verstoß<br />
gegen polizeiliche Interventionen bei der Polizei zu melden. Können sich die Betroffenen<br />
nicht dazu entschließen, hat dies keine unmittelbaren negativen Konsequenzen für sie zur<br />
Folge. Dies gilt auch für Fälle, in denen ein Verstoß erst dann offenk<strong>und</strong>ig wird, wenn es<br />
zu erneuter Gewalt gekommen ist. Die Polizei ist gehalten, unabhängig <strong>von</strong> den vorangegangenen<br />
Erfahrungen, jede Situation neu zu bewerten <strong>und</strong> gegebenenfalls erneute<br />
Sanktionen auszusprechen.<br />
Weitere Interventionen, wie z. B. Gefährderansprache oder Prüfung der Verfügbarkeit <strong>von</strong><br />
Waffen, sind v. a. dann <strong>von</strong> Bedeutung, wenn sich die Betroffenen <strong>im</strong> Rahmen der Entwicklung<br />
<strong>von</strong> Sicherheitsstrategien eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei vorstellen können<br />
<strong>und</strong> die Polizei vor Ort eine entsprechende <strong>Kooperation</strong> unterstützt.<br />
Da in Fällen häuslicher Gewalt zumeist nicht nur verbale Streitigkeiten vorliegen, sondern<br />
körperliche Gewalt verübt wird, sind in der Regel einschlägige Straftatbestände erfüllt, wie<br />
z. B. Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung. In diesen Fällen hat die Polizei die Pflicht, erforderliche<br />
Beweise zu sichern, Vernehmungen durchzuführen <strong>und</strong> eine Strafanzeige anzufertigen,<br />
die der Staatsanwaltschaft zugeht. Manche Delikte, wie z. B. die einfache Körperverletzung,<br />
werden nur auf Strafantrag der/des Betroffenen 52 (so genannte Antragsdelikte)<br />
oder dann verfolgt, wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung<br />
bejaht. Im <strong>Kontext</strong> häuslicher Gewalt kann in aller Regel <strong>von</strong> einem öffentlichen Interesse<br />
ausgegangen werden. 53 Stellt die Staatsanwaltschaft dennoch fest, dass kein öffentliches<br />
Interesse besteht, kann die/der Betroffene durch Zurücknahme des Antrages die Einstellung<br />
des Ermittlungsverfahrens bewirken. Bei Straftaten, deren Verfolgung nicht <strong>von</strong> der Stellung<br />
eines Strafantrags durch die/den Betroffene(n) bzw. der Bejahung des öffentlichen Interesses<br />
durch die Staatsanwaltschaft abhängig sind (so genannte Offizialdelikte), kann das Ermittlungsverfahren<br />
keinesfalls durch die Rücknahme der Anzeige beendet werden. Ein solches<br />
Offizialdelikt ist beispielsweise eine schwere Körperverletzung. Ist die/der Betroffene<br />
an einer Strafverfolgung interessiert, sollte sie/er unabhängig da<strong>von</strong>, ob es sich um ein<br />
Antragsdelikt handelt, eine Strafanzeige stellen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Tat<br />
<strong>und</strong> kann für die justizielle Einstufung des Falles eine sehr wichtige Komponente darstellen<br />
(Bayerisches Staatsministerium des Inneren 2002: 14). Stellt die Staatsanwaltschaft das<br />
Strafverfahren ein, kann die/der Betroffene Beschwerde dagegen einlegen. 54 81<br />
52 Hinweise zur Abfassung <strong>von</strong> Strafanzeigen siehe B<strong>und</strong>esministerium der Justiz (2001): OpferFibel. Rechtswegweiser für Opfer einer Straftat, S 51.<br />
Die Broschüre kann unter www.bmj.b<strong>und</strong>.de vom 28.11.2005 abgerufen oder als Drucksache bestellt werden.<br />
53 Diese Position des Gesetzgebers wird u. a. an der Ausgestaltung der Richtlinien für das Straf- <strong>und</strong> Bußgeldverfahren erkennbar (Nr. 86 II, Satz 2 RiStBV).<br />
Hier wird explizit darauf hingewiesen, dass ein öffentliches Interesse „auch dann vorliegt, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung<br />
zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, <strong>und</strong> die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Interesse der Allgemeinheit ist.“<br />
In einem Beschluss vom 22./23.11. 1994 hält die Justizministerkonferenz hierzu fest: „(...) demnach wird in Fällen häuslicher Gewalt das öffentliche<br />
Interesse an der Strafverfolgung auf Gr<strong>und</strong> des Beziehungsgeflechts zwischen Täter <strong>und</strong> Opfer in aller Regel zu bejahen sein“ (WiBIG 2004b: 45 f).<br />
54 Hinweise zur Abfassung <strong>von</strong> Beschwerden gegen Verfahrenseinstellungen s. B<strong>und</strong>esministerium der Justiz 2001: OpferFibel. Rechtswegweiser für Opfer<br />
einer Straftat, S. 52. www.bmj.b<strong>und</strong>.de vom 28.11.2005.