Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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21.12.2013 Aufrufe

echtsverbindlichen Auskünfte zum konkreten Einzelfall, dies ist allein den einschlägigen juristischen Professionen vorbehalten. Doch können die Klient(inn)en grundsätzliche Informationen zum Gesetz erwarten und sie können im Verlauf einschlägiger Gerichtsverfahren und Interventionen Unterstützung abrufen, um die richterlichen und polizeilichen Vorgehensweisen zu verstehen und adäquat einzuordnen. Signalisiert die/der Klient(in) ein weitergehendes Interesse an rechtlichen Möglichkeiten, sollten diese eingehender vorgestellt werden. Dabei sollte sehr sorgfältig besprochen werden, welche Konsequenzen für die Lebenssituation der Betroffenen mit den jeweiligen Schritten verbunden sein können. Dies ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Betroffene einen gestellten Antrag aufrechterhalten und nicht, wie häufig zu beobachten, wieder zurücknehmen. Gut aufbereitete Informationen über die bestehenden Möglichkeiten sollten den Betroffenen in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt werden, um die vermittelten Inhalte zu festigen. 49 Auch was die Beratung zu juristischen Fragestellungen betrifft, ist es den Betroffenen wichtig, informiert zu werden, ohne sich dabei zu einer bestimmten Entscheidung gedrängt zu fühlen (Limmer/Mengel 2005a). Um Klient(inn)en, die eine Antragstellung in Erwägung ziehen oder bereits ein Gerichtsverfahren eröffnet haben, gut begleiten zu können, benötigen die Fachkräfte ein fundiertes Wissen über den rechtlichen Rahmen und bestehende Interventionsmöglichkeiten. Es liegen Hinweise darauf vor, dass einige Vertreter(innen) der juristischen Professionen sowie der Polizei noch nicht ausreichend mit den neuen juristischen Möglichkeiten und deren adäquater Umsetzung im Sinne des Gesetzgebers vertraut sind (Rupp 2005b; Limmer/Mengel 2005a). Indem die Fachberatung die Betroffenen grundsätzlich zu den eigenen Rechten informiert und gegebenenfalls eine Klärung auf der Ebene der fallübergreifenden Zusammenarbeit mit juristischen Professionen sowie der Polizei anregt, kann sie zum hilfreichen Korrektiv werden. Schließlich sind möglichst differenzierte Kenntnisse über den rechtlichen Rahmen und konkrete Implikationen erforderlich, um eine fallübergreifende Vernetzung zur Verbesserung des Opferschutzes voranzutreiben. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen wurden bereits in I Kap. 2 vorgestellt. In den folgenden Abschnitten soll nun auf Themen eingegangen werden, die bei der Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes (s. II Kap. 3.3.2) sowie polizeilicher Interventionsmöglichkeiten (s. II Kap. 3.3.1) für die Fachberatung von Bedeutung sind. 50 3.3.1 Polizeiliche Interventionsmöglichkeiten und strafrechtliche Implikationen Die Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens für polizeiliche Interventionen fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, wobei eine länderübergreifende Harmonisierung dieser Regelungen angestrebt wird. So erarbeitete beispielsweise die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder Empfehlungen für polizeiliche Interventionen bei Gewalt innerhalb enger sozialer Beziehungen (s. Abb. II 3.4). 49 Informationen zum Gewaltschutzgesetz für Betroffene werden u. a. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Bundesministerium der Justiz sowie BIG e. V. bereitgestellt (s. „Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt“: Zugriff über www.bmfsfj.de vom 23.11.2005 und „Ihr Recht bei häuslicher Gewalt. Polizeiliche, strafrechtliche und zivilrechtliche Möglichkeiten des Schutzes“: Zugriff über www.big-interventionszentrale.de vom 23.11.2005). Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen bietet die Broschüre „Verbesserter Schutz für Opfer häuslicher Gewalt“ an. Zugriff über www.stmas.bayern.de/gewaltschutz vom 25.11.2005. Einen ausführlichen Überblick mit Schwerpunkt auf polizeiliche Interventionen bietet die Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, „Häusliche Gewalt“, abrufbar unter www.polizei-bayern.de vom 30.11.2005. Eine von RIGG erstellte Zusammenfassung praktischer Tipps für Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz für Betroffene findet sich in, III Materialien, S 103 f. 50 Für einen vertiefenden Überblick über die Ausschöpfung juristischer Möglichkeiten des Opferschutzes sowie psychosoziale Unterstützungsangebote s. Haupt/Weber/Bürner/Frankfurth/Luxenburg/Marth 2003. 79

II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis Polizeiliche Interventionsmöglichkeiten in Fällen häuslicher Gewalt und Stalking Platzverweis: Grundsätzlich sieht die Rahmenvorgabe des Bayerischen Innenministeriums vor, dass sich der Platzverweis über eine Dauer von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen erstrecken kann. In den einzelnen Präsidien wird die Dauer unterschiedlich festgelegt. Im Einzelfall entscheidet darüber der eingesetzte Beamte vor Ort. In den meisten Fällen wird eine Dauer von 14 Tagen nicht überschritten. Grundsätzlich kann nach Ablauf des Platzverweises ein erneuter Platzverweis ausgesprochen werden, doch ist dies einzelfallabhängig zu beurteilen (Polizeipräsidium München K 314, persönl. Mitteilung, 3.11.2005). Wohnungswegweisung/Rückkehrverbot: Im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern gibt es im bayerischen Polizeiaufgabengesetz keine eigene Vorschrift zur Wohnungswegweisung. Das Ziel, in Fällen häuslicher Gewalt die gewaltverübende Person der Wohnung zu verweisen, wird hier im Rahmen des Platzverweises geregelt. Kontaktverbot: Erscheint es erforderlich, dass ein Zusammentreffen zwischen Opfer und dem/der Täter(in) verhindert wird, kann die Polizei ein Kontaktverbot aussprechen. „Dem Störer wird in diesem Fall untersagt, mit dem Opfer und gegebenenfalls auch mit dessen Kindern in Kontakt zu treten (Schmidbauer 2004: 76). Gefährderansprache: Im Rahmen einer Gefährderansprache treten Polizeibeamte direkt (im Idealfall persönlich aber auch telefonisch) an die gewaltverübende Person heran. Dabei werden Verhaltensregeln auferlegt und bei Nichteinhalten Konsequenzen aufgezeigt. Ziel ist es, der gewaltverübenden Person zu signalisieren, dass weitere Gewalthandlungen nicht unentdeckt bleiben und das Opfer Unterstützung von offizieller Seite erfährt (Polizeipräsidium München K 314, persönl. Mitteilung, 3.11.2005). Ingewahrsamnahme: Ist zu vermuten, dass die Begehung oder Fortsetzung einer Straftat von erheblichen Ausmaß für die Allgemeinheit unmittelbar bevorsteht und Maßnahmen wie Platzverweis und Kontaktverbot nicht ausreichend erscheinen, kann die Polizei die gewaltverübende oder -beabsichtigende Person in Gewahrsam nehmen bzw. diese Maßnahme androhen. „In der Praxis wird die Polizei von dieser Befugnis Gebrauch machen, wenn beim Opfer erkennbare Verletzungen vorliegen, es sich bei dem Störer um einen Wiederholungstäter handelt und Umstände vorliegen, die eine Wiederholung seiner Verhaltensweise erwarten lassen“ (Schmidbauer 2004: 70). Sicherstellung: Die Polizei ist befugt, alle Gegenstände sicherzustellen, die die gewaltverübende Person bei ihren Gewaltexzessen benutzt hat oder die generell der Bedrohung dienen können. Zudem kann diese Maßnahme einen Platzverweis flankieren, indem die Wohnungs- und Hausschlüssel, über die die gewaltverübende Person verfügt, sichergestellt werden (Schmidbauer 2004: 75 f). Prüfung von Waffenschein sowie Prüfung der Verfügbarkeit von Waffen. Meldungen an Fahrerlaubnis- und Waffenbehörden zur Klärung der charakterlichen Eignung. Unterbringung in einer gesetzlich anerkannten psychiatrischen Einrichtung: Im Fall einer psychischen Erkrankung der gewaltverübenden Person kann die Polizei eine Unterbringung nach den einschlägigen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes in die Wege leiten. 51 Abb. II 3.4: Polizeiliche Interventionsmöglichkeiten in Fällen häuslicher Gewalt und Stalking · Quelle: Überarbeitete Zusammenstellung auf der Grundlage der Projektgruppe des AK II 2005. In Bayern sind die Interventionsmöglichkeiten der Polizei durch das Polizeiaufgabengesetz abgesteckt, das durch die Rahmenvorgabe des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren konkretisiert wird. Innerhalb dieser Vorgaben bestehen jedoch Interpretationsspielräume, die zu unterschiedlichen Vorgehensweisen führen können. Für die Beratung vor Ort ist es daher wichtig, dass die Fachberatung im Kontext von Vernetzungsinitiativen eine Abstimmung darüber herstellt, in welchen Konstellationen mit welchen Interventionen gerechnet werden kann (vgl. I Kap. 4). Erst auf dieser Grundlage kann eine fundierte Beratung erfolgen. Ein besonders häufiges Thema in der Fachberatung sind Informationen zur Bedeutung des Platzverweises sowie zum Kontaktverbot. Im Rahmen der Beratung stellen Klient(inn)en oftmals folgende Fragen: 80 51 Es gelten die Gesetze über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten der Länder bzw. Unterbringungsgesetze der Länder.

II Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen für die <strong>Beratung</strong>spraxis<br />

Polizeiliche Interventionsmöglichkeiten in Fällen häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Stalking<br />

Platzverweis: Gr<strong>und</strong>sätzlich sieht die Rahmenvorgabe des Bayerischen Innenministeriums vor, dass sich der<br />

Platzverweis über eine Dauer <strong>von</strong> wenigen Tagen bis zu einigen Wochen erstrecken kann. In den einzelnen<br />

Präsidien wird die Dauer unterschiedlich festgelegt. Im Einzelfall entscheidet darüber der eingesetzte Beamte<br />

vor Ort. In den meisten Fällen wird eine Dauer <strong>von</strong> 14 Tagen nicht überschritten. Gr<strong>und</strong>sätzlich kann nach Ablauf<br />

des Platzverweises ein erneuter Platzverweis ausgesprochen werden, doch ist dies einzelfallabhängig zu<br />

beurteilen (Polizeipräsidium München K 314, persönl. Mitteilung, 3.11.2005).<br />

Wohnungswegweisung/Rückkehrverbot: Im Gegensatz zu einigen anderen B<strong>und</strong>esländern gibt es <strong>im</strong> bayerischen<br />

Polizeiaufgabengesetz keine eigene Vorschrift zur Wohnungswegweisung. Das Ziel, in Fällen häuslicher<br />

Gewalt die gewaltverübende Person der Wohnung zu verweisen, wird hier <strong>im</strong> Rahmen des Platzverweises<br />

geregelt.<br />

Kontaktverbot: Erscheint es erforderlich, dass ein Zusammentreffen zwischen Opfer <strong>und</strong> dem/der Täter(in)<br />

verhindert wird, kann die Polizei ein Kontaktverbot aussprechen. „Dem Störer wird in diesem Fall untersagt,<br />

mit dem Opfer <strong>und</strong> gegebenenfalls auch mit dessen Kindern in Kontakt zu treten (Schmidbauer 2004: 76).<br />

Gefährderansprache: Im Rahmen einer Gefährderansprache treten Polizeibeamte direkt (<strong>im</strong> Idealfall persönlich<br />

aber auch telefonisch) an die gewaltverübende Person heran. Dabei werden Verhaltensregeln auferlegt<br />

<strong>und</strong> bei Nichteinhalten Konsequenzen aufgezeigt. Ziel ist es, der gewaltverübenden Person zu signalisieren,<br />

dass weitere Gewalthandlungen nicht unentdeckt bleiben <strong>und</strong> das Opfer Unterstützung <strong>von</strong> offizieller Seite<br />

erfährt (Polizeipräsidium München K 314, persönl. Mitteilung, 3.11.2005).<br />

Ingewahrsamnahme: Ist zu vermuten, dass die Begehung oder Fortsetzung einer Straftat <strong>von</strong> erheblichen<br />

Ausmaß für die Allgemeinheit unmittelbar bevorsteht <strong>und</strong> Maßnahmen wie Platzverweis <strong>und</strong> Kontaktverbot<br />

nicht ausreichend erscheinen, kann die Polizei die gewaltverübende oder -beabsichtigende Person in<br />

Gewahrsam nehmen bzw. diese Maßnahme androhen. „In der Praxis wird die Polizei <strong>von</strong> dieser Befugnis<br />

Gebrauch machen, wenn be<strong>im</strong> Opfer erkennbare Verletzungen vorliegen, es sich bei dem Störer um einen<br />

Wiederholungstäter handelt <strong>und</strong> Umstände vorliegen, die eine Wiederholung seiner Verhaltensweise erwarten<br />

lassen“ (Schmidbauer 2004: 70).<br />

Sicherstellung: Die Polizei ist befugt, alle Gegenstände sicherzustellen, die die gewaltverübende Person bei<br />

ihren Gewaltexzessen benutzt hat oder die generell der Bedrohung dienen können. Zudem kann diese Maßnahme<br />

einen Platzverweis flankieren, indem die Wohnungs- <strong>und</strong> Hausschlüssel, über die die gewaltverübende<br />

Person verfügt, sichergestellt werden (Schmidbauer 2004: 75 f).<br />

Prüfung <strong>von</strong> Waffenschein sowie Prüfung der Verfügbarkeit <strong>von</strong> Waffen.<br />

Meldungen an Fahrerlaubnis- <strong>und</strong> Waffenbehörden zur Klärung der charakterlichen Eignung.<br />

Unterbringung in einer gesetzlich anerkannten psychiatrischen Einrichtung: Im Fall einer psychischen Erkrankung<br />

der gewaltverübenden Person kann die Polizei eine Unterbringung nach den einschlägigen Best<strong>im</strong>mungen<br />

des jeweiligen B<strong>und</strong>eslandes in die Wege leiten. 51<br />

Abb. II 3.4: Polizeiliche Interventionsmöglichkeiten in Fällen häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Stalking · Quelle: Überarbeitete Zusammenstellung auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der Projektgruppe des AK II 2005.<br />

In <strong>Bayern</strong> sind die Interventionsmöglichkeiten der Polizei durch das Polizeiaufgabengesetz<br />

abgesteckt, das durch die Rahmenvorgabe des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren<br />

konkretisiert wird. Innerhalb dieser Vorgaben bestehen jedoch Interpretationsspielräume,<br />

die zu unterschiedlichen Vorgehensweisen führen können. Für die <strong>Beratung</strong> vor Ort ist es<br />

daher wichtig, dass die Fachberatung <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> <strong>von</strong> Vernetzungsinitiativen eine Abst<strong>im</strong>mung<br />

darüber herstellt, in welchen Konstellationen mit welchen Interventionen gerechnet<br />

werden kann (vgl. I Kap. 4). Erst auf dieser Gr<strong>und</strong>lage kann eine f<strong>und</strong>ierte <strong>Beratung</strong> erfolgen.<br />

Ein besonders häufiges Thema in der Fachberatung sind Informationen zur Bedeutung des<br />

Platzverweises sowie zum Kontaktverbot. Im Rahmen der <strong>Beratung</strong> stellen Klient(inn)en oftmals<br />

folgende Fragen:<br />

80 51 Es gelten die Gesetze über Hilfen <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten der Länder bzw. Unterbringungsgesetze der Länder.

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