Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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21.12.2013 Aufrufe

Erwartungen an die Beratung Die Beratung hat letztlich zum Ziel, die Betroffenen dabei zu unterstützen, sich effektiv vor weiterer Gewalt zu schützen (s. II Kap. 1.1). Insbesondere in Fällen fortgesetzter Beziehungsgewalt impliziert dies in aller Regel weitreichende Entscheidungen, wie z. B. die Trennung vom Partner sowie eine grundlegende Neugestaltung der eigenen Lebenssituation und des Familienlebens. Abgesehen davon, dass im Zuge dieser Entscheidungen viele konkrete lebenspraktische Fragen zu klären sind, müssen sie emotional verarbeitet und „ausgehalten“ werden. Dies setzt erhebliche individuelle Kompetenzen voraus, die gerade bei Betroffenen von langjähriger Beziehungsgewalt im Rahmen der Beratung gestärkt oder erst entwickelt werden müssen. Neben den Voraussetzungen, die auf individueller Ebene gegeben sein müssen, um einen Neuanfang zu wagen, sollten sich die Fachkräfte auch darüber im Klaren sein, dass Gewalt nicht nur ein individuelles, sondern auch ein komplexes gesellschaftliches Problem darstellt. Dabei markieren Gesetzesänderungen, wie die Einführung des Gewaltschutzgesetzes, eine allmähliche Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins. Doch noch immer werden gesellschaftliche Einflüsse wirksam, die es vielen Betroffenen erschweren, sich klar und eindeutig aus Gewaltbeziehungen zu lösen (vgl. Firle/Hoeltje/Nini 1996). Dabei handelt es sich unter anderem um Geschlechtsrollenstereotype, die die Unterordnung und Abhängigkeit von Frauen in Beziehungen begünstigen und es Männern nahe legen, Schwächen und Schutzbedürftigkeit zu leugnen. Angesichts der skizzierten Anforderungen wird deutlich, dass das eingangs dargelegte anspruchsvolle Ziel in vielen Fällen ein langfristig angelegtes Projekt ist, das keineswegs geradlinig verläuft. Von außen besehen, erscheinen Erfolge der Fachberatung daher häufig als „kleine Schritte“ (s. Abb. II 3.1). Die beratenden Fachkräfte sollten sich der großen Bedeutung dieser allmählichen Veränderungen bewusst sein. In der Zusammenarbeit mit Vertreter(inne)n anderer Professionen gilt es, einen adäquaten Erwartungshorizont an die Möglichkeiten der Fachberatung zu vermitteln. Wie Befragungen von Frauen zeigen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, erwarten diese von den Fachberater(inne)n eine fundierte Expertise im Kontext häuslicher Gewalt und Stalking (Helfferich/Kavemann/Lehmann 2004; Firle et al. 1996). Gewünscht ist eine Unterstützung auf drei Ebenen: Erstens die Weitergabe fachkundiger und nachvollziehbar aufbereiteter Informationen, zweitens Hilfe bei der Entwicklung konkreter Handlungsschritte sowie drittens eine emotionale Unterstützung. Dabei geht es den Betroffenen explizit um eine Entlastung und nicht um die Abnahme von Entscheidungen (Helfferich et al. 2004). 67

II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis Indikatoren einer erfolgreichen Beratungstätigkeit Inanspruchnahme von Beratung: Überstehen oder Abwendung einer akuten Gefahrensituation: Abnahme von Belastungsreaktionen: Ausbildung eigener konkreter Ziele und langfristiger Perspektiven: Wahrnehmung eigener Stärken und Kompetenzen: Erste Veränderungen der Beziehung: Veränderung irrationaler Überzeugungen und Einstellungen: Entlastung von mitbetroffenen Kindern: Bereits die Tatsache, dass sich die Betroffenen einer außenstehenden Person mitteilen, ist im Bewältigungs- und Veränderungsprozess ein entscheidender Schritt, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Gelingt es mit Hilfe der Beratung, eine akute Bedrohung gut zu überstehen, ist dies als Erfolg zu werten. Erworbene Strategien können mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf künftige bedrohliche Situationen übertragen werden. Verringern sich Symptome, wie z. B. Schlaflosigkeit, Ängste oder Konzentrationsschwierigkeiten, stärkt dies die Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Durch die Unterstützung bei der Entwicklung konkreter Zukunftspläne verringern sich Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit. Beginnen Betroffene auch die eigenen Stärken wahrzunehmen, wirkt sich dies positiv auf das Selbstwertgefühl und die Handlungsfähigkeit aus. Wird die Gewalt durch eine(n) Partner(in) verübt, ist es als Erfolg zu werten, wenn die Betroffenen damit beginnen, sich selbst Rechte zuzusprechen und gegenüber dem/der Partner(in) erste Grenzen zu ziehen. Rückt an die Stelle tief sitzender inadäquater Annahmen, wie z. B. verrückt oder krank zu sein, eine realitätsgerechtere Wahrnehmung, ist dies ein wichtiger Veränderungsschritt. Wächst die Möglichkeit, sich der Auswirkungen der Beziehungsgewalt auf das Kind bewusst zu werden oder erfolgen erste Schritte dabei, das Kind bei der Bewältigung der eigenen Erfahrungen zu unterstützen, hat dies eine Entlastung der Kinder zur Folge. Abb. II 3.1: Indikatoren einer erfolgreichen Beratungstätigkeit · Quelle: Überarbeitete und erweiterte Zusammenstellung auf der Grundlage von Firle et al. 1996. 3.2 Zentrale Themen der Fachberatung Der Beratungsbedarf der Betroffenen variiert in hohem Maß. Die Bandbreite reicht von Klient(inn)en, die gezielt Informationen zu bestimmten Fragen, wie z. B. zur rechtlichen Situation, suchen bis hin zu Betroffenen, die sich in einer schweren akuten Krisensituation befinden und einen umfassenden Unterstützungsbedarf haben. In den folgenden Abschnitten wird auf zentrale Beratungsthemen der Fachberatung eingegangen, die in den meisten Fällen von Bedeutung sind. Ermittlung des Hilfebedarfs und Definition des Beratungsauftrags Handelt es sich um einen Erstkontakt auf der Grundlage eines pro-aktiven Vorgehens, ist zunächst zu klären, ob die/der Betroffene eine Beratung wünscht. Ist ein Beratungsanliegen gegeben, gilt es, den bestehenden Hilfebedarf zu ermitteln und den Beratungsauftrag abzustecken. Dabei geht es zum einen darum, in Erfahrung zu bringen, welches Anliegen die/der Betroffene an die Beratung hat. Zum anderen benötigt die/der Klient(in) Klarheit darüber, welche Unterstützung die Fachberatung bieten kann. D. h., es sollte angesprochen werden, für welche Fragen die/der Berater(in) zuständig ist, in welchen Bereichen ein(e) andere/r Ansprechpartner(in) zu empfehlen ist und welche Rolle die Fachberatung bei einer Weitervermittlung spielen kann. Haben die Betroffenen Kinder, sollte deren Situation bei der Ermittlung des Hilfebedarfs in jedem Fall berücksichtigt werden. 68

II Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen für die <strong>Beratung</strong>spraxis<br />

Indikatoren einer erfolgreichen <strong>Beratung</strong>stätigkeit<br />

Inanspruchnahme <strong>von</strong> <strong>Beratung</strong>:<br />

Überstehen oder Abwendung<br />

einer akuten Gefahrensituation:<br />

Abnahme <strong>von</strong><br />

Belastungsreaktionen:<br />

Ausbildung eigener konkreter Ziele<br />

<strong>und</strong> langfristiger Perspektiven:<br />

Wahrnehmung eigener<br />

Stärken <strong>und</strong> Kompetenzen:<br />

Erste Veränderungen<br />

der Beziehung:<br />

Veränderung irrationaler Überzeugungen<br />

<strong>und</strong> Einstellungen:<br />

Entlastung <strong>von</strong> mitbetroffenen<br />

Kindern:<br />

Bereits die Tatsache, dass sich die Betroffenen einer außenstehenden<br />

Person mitteilen, ist <strong>im</strong> Bewältigungs- <strong>und</strong> Veränderungsprozess ein entscheidender<br />

Schritt, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.<br />

Gelingt es mit Hilfe der <strong>Beratung</strong>, eine akute Bedrohung gut zu überstehen,<br />

ist dies als Erfolg zu werten. Erworbene Strategien können mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit auch auf künftige bedrohliche Situationen übertragen<br />

werden.<br />

Verringern sich Symptome, wie z. B. Schlaflosigkeit, Ängste oder Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

stärkt dies die Handlungsfähigkeit der Betroffenen.<br />

Durch die Unterstützung bei der Entwicklung konkreter Zukunftspläne<br />

verringern sich Hoffnungslosigkeit <strong>und</strong> Orientierungslosigkeit.<br />

Beginnen Betroffene auch die eigenen Stärken wahrzunehmen, wirkt sich<br />

dies positiv auf das Selbstwertgefühl <strong>und</strong> die Handlungsfähigkeit aus.<br />

Wird die Gewalt durch eine(n) Partner(in) verübt, ist es als Erfolg zu werten,<br />

wenn die Betroffenen damit beginnen, sich selbst Rechte zuzusprechen<br />

<strong>und</strong> gegenüber dem/der Partner(in) erste Grenzen zu ziehen.<br />

Rückt an die Stelle tief sitzender inadäquater Annahmen, wie z. B. verrückt<br />

oder krank zu sein, eine realitätsgerechtere Wahrnehmung, ist<br />

dies ein wichtiger Veränderungsschritt.<br />

Wächst die Möglichkeit, sich der Auswirkungen der Beziehungsgewalt<br />

auf das Kind bewusst zu werden oder erfolgen erste Schritte dabei, das<br />

Kind bei der Bewältigung der eigenen Erfahrungen zu unterstützen, hat<br />

dies eine Entlastung der Kinder zur Folge.<br />

Abb. II 3.1: Indikatoren einer erfolgreichen <strong>Beratung</strong>stätigkeit · Quelle: Überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Zusammenstellung auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>von</strong> Firle et al. 1996.<br />

3.2 Zentrale Themen der Fachberatung<br />

Der <strong>Beratung</strong>sbedarf der Betroffenen variiert in hohem Maß. Die Bandbreite reicht <strong>von</strong><br />

Klient(inn)en, die gezielt Informationen zu best<strong>im</strong>mten Fragen, wie z. B. zur rechtlichen<br />

Situation, suchen bis hin zu Betroffenen, die sich in einer schweren akuten Krisensituation<br />

befinden <strong>und</strong> einen umfassenden Unterstützungsbedarf haben. In den folgenden Abschnitten<br />

wird auf zentrale <strong>Beratung</strong>sthemen der Fachberatung eingegangen, die in den meisten<br />

Fällen <strong>von</strong> Bedeutung sind.<br />

Ermittlung des Hilfebedarfs <strong>und</strong> Definition des <strong>Beratung</strong>sauftrags<br />

Handelt es sich um einen Erstkontakt auf der Gr<strong>und</strong>lage eines pro-aktiven Vorgehens, ist<br />

zunächst zu klären, ob die/der Betroffene eine <strong>Beratung</strong> wünscht. Ist ein <strong>Beratung</strong>sanliegen<br />

gegeben, gilt es, den bestehenden Hilfebedarf zu ermitteln <strong>und</strong> den <strong>Beratung</strong>sauftrag abzustecken.<br />

Dabei geht es zum einen darum, in Erfahrung zu bringen, welches Anliegen die/der<br />

Betroffene an die <strong>Beratung</strong> hat. Zum anderen benötigt die/der Klient(in) Klarheit darüber,<br />

welche Unterstützung die Fachberatung bieten kann. D. h., es sollte angesprochen werden,<br />

für welche Fragen die/der Berater(in) zuständig ist, in welchen Bereichen ein(e) andere/r<br />

Ansprechpartner(in) zu empfehlen ist <strong>und</strong> welche Rolle die Fachberatung bei einer Weitervermittlung<br />

spielen kann. Haben die Betroffenen Kinder, sollte deren Situation bei der Ermittlung<br />

des Hilfebedarfs in jedem Fall berücksichtigt werden.<br />

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