Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

21.12.2013 Aufrufe

Verbreitete Irrtümer über das Angebot der Fachberatung unter den Betroffenen • Die Beratung schafft weitere bzw. neue Probleme, weil beispielsweise Themen angesprochen werden, über die die Betroffenen nicht reden wollen. • Beratungsstellen haben die Aufgabe, die Betroffenen und ihre Familien zu kontrollieren und arbeiten im Auftrag von Ämtern und Gerichten. • Wenn ein Beratungsangebot genutzt wird, steht man in der Pflicht, weitere Termine wahrzunehmen und die Vorschläge der Beratenden zu befolgen. • Die Beratung kostet Geld. • Es wird nur über Erfahrungen und Gefühle gesprochen, aber es wird keine konkrete Unterstützung zur Problemlösung gegeben. • Beratung richtet sich an Menschen mit psychischen Störungen und ist mit einer Psychotherapie vergleichbar. • Nur in extremen Krisensituationen ist man der „Hilfe würdig“. • Beratung ist nur für Menschen, die sich überfordert fühlen. Für Betroffene, die nur konkrete Sachfragen klären wollen, ist sie ungeeignet. Zusammenstellung auf der Grundlage von Helfferich et al. 2004: 66-71. g Neben Fehlinformationen können Scham, die Kontrolle des Täters bzw. der Täterin oder ganz allgemein Angst vor Unverständnis dazu führen, dass bekannte Angebote nicht genutzt werden. Darüber hinaus weisen Helfferich et al. (2004) darauf hin, dass sich den betroffenen Frauen in Abhängigkeit von aktuell wahrgenommenen Merkmalen ihrer Situation spezifische Barrieren stellen (für eine vertiefende Darstellung s. II Kap. 2.3). Frauen, die sich schnell nach dem ersten Auftreten von Gewalt in einer Beziehung trennen, sehen sich nicht als „hilfloses Opfer“. Sie fühlen sich daher von Beratungsangeboten, die in ihrer Außendarstellung die Zuständigkeit für langjährige und problematische Gewaltkonstellationen in den Vordergrund stellen, nicht angesprochen. Dies gilt in ähnlicher Weise für Frauen, die davon überzeugt sind, dass das aus ihrer Sicht punktuelle gewalttätige Verhalten ihres Partners veränderbar ist. Da Frauen in beiden Konstellationen das Problem auf Seiten des gewalttätigen Partners verorten, sind sie zumeist auf der Suche nach einem Angebot für ihren (ehemaligen) Partner. Die höchsten Beratungsbarrieren beobachten Helfferich et al. (2004) bei Frauen, die eng und hoch ambivalent an ihren Partner gebunden sind. Frauen in dieser Konstellation sind oftmals über Beratungsangebote informiert, glauben aber, dass diese nicht weiterhelfen können. Sie befürchten, dass ihr Festhalten an der Partnerschaft nicht verstanden wird, und dass sie zu einer Trennung gedrängt werden. Vergleichsweise niedrige Beratungsbarrieren werden dagegen bei Frauen beobachtet, die nach einer oftmals langen Gewaltbeziehung zur Überzeugung gelangten, dass eine Trennung angezeigt ist. Diese Frauen suchen in der Beratung differenzierte Information und Unterstützung. Angebote bzw. Interventionen, die primär darauf abzielen, psychische Probleme zu bearbeiten oder die Partnerschaft zu stützen, gehen am Bedarf dieser Klientinnen vorbei und werden entsprechend abgelehnt. 59

II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis Vor dem Hintergrund der skizzierten Barrieren ergeben sich für die Beratung folgende konkrete Implikationen: • Eine breite und intensive Öffentlichkeitsarbeit ist erforderlich, um das Angebot bekannt zu machen und über die zentralen Rahmenbedingungen der Beratung aufzuklären. • Bei der Außendarstellung sollte vermittelt werden, dass sich die Fachberatung an eine vielfältige Zielgruppe wendet – an Betroffene in Krisensituationen ebenso wie Betroffene, die Sachinformationen abrufen wollen oder punktuelle Unterstützung benötigen. Zudem gilt es deutlich erkennbar zu machen, ob das Beratungsangebot geschlechtsübergreifend oder ausschließlich für Frauen bzw. Männer ausgelegt ist. • Im Kontakt mit den Klient(inn)en gilt es, das eigene Angebot explizit vorzustellen und die Informationen durch Broschüren bzw. schriftliche Selbstdarstellung des eigenen Angebots zu festigen. • Die Inanspruchnahme von externen Hilfsangeboten sollte in der Beratung als wertvolle Strategie der Betroffenen explizit benannt und wertgeschätzt werden. • Im Zuge der Hilfekoordinierung gilt es, Zuständigkeiten einzelner Stellen und Personen im Hilfesystem wiederholt zu benennen. Nachfragen der Klient(inn)en sollten ausdrücklich als eine wichtige personale Ressource gerahmt werden, die der konstruktiven Problembewältigung dient. 2.2 Soziodemographische Merkmale und Beziehungssituation Soziodemographische Merkmale An bayerischen Fachberatungsstellen des Modellprojekts „Wege aus der häuslichen Gewalt – Beratung zur Flankierung des Gewaltschutzgesetzes“ wurden nahezu ausschließlich Frauen beraten – weniger als ein Prozent der Opfer war männlich (Smolka/Rupp 2005). Diese Erfahrungen entsprechen in etwa der Situation in anderen Bundesländern, wenngleich der Anteil von beratenen Männern beispielsweise an den Interventionsstellen in Mecklenburg-Vorpommern mit 4 % deutlich höher liegt. Grundsätzlich deuten vorliegende Studien darauf hin, dass Männer sich weniger durch häusliche Gewalt bedroht fühlen und die erfahrene Gewalt seltener in ein Muster von körperlicher Gewalt, Erniedrigung und Kontrolle eingebettet ist (s. I Kap. 1.1). Dies dürfte ein Hintergrund für die geringe Nachfrage nach Beratung sein. Daneben liegen auch Hinweise darauf vor, dass gewaltbetroffene Männer eine sehr hohe Hemmschwelle haben, Beratung aufzusuchen (s. II Kap. 3.4). Die meisten Klient(inn)en der bayerischen Fachberatungsstellen des Modellprojekts waren zwischen 26 und 45 Jahre alt. Nur etwa jede sechste Klientin war jünger als 26 Jahre und jede fünfte war über 45 Jahre alt (Smolka/Rupp 2005). Betroffene, die von sich aus ein Beratungsangebot aufsuchen, verfügen deutlich häufiger über eine höhere schulische Bildung als diejenigen, die der Beratung fern bleiben (Limmer/Mengel 2005a). Diese Ergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis weisen darauf hin, dass Stellen mit einem zugehenden oder proaktiven Beratungskonzept breitere Schichten erreichen als Stellen, die sich ausschließlich an Selbstmelder(innen) wenden. Expertinnen berichten, dass sich gewaltbetroffene Personen oftmals in einer prekären finanziellen Situation befinden. Die Klärung von Fragen zur Absicherung des Lebensunterhalts sind als Voraussetzung für weitere Schritte, wie z. B. eine Trennung von der gewaltverübenden Person, in der Fachberatung ein wichtiges Thema (Limmer/Mengel 2005b). 60

Verbreitete Irrtümer über das Angebot der Fachberatung<br />

unter den Betroffenen<br />

• Die <strong>Beratung</strong> schafft weitere bzw. neue Probleme, weil beispielsweise Themen angesprochen werden,<br />

über die die Betroffenen nicht reden wollen.<br />

• <strong>Beratung</strong>sstellen haben die Aufgabe, die Betroffenen <strong>und</strong> ihre Familien zu kontrollieren <strong>und</strong> arbeiten <strong>im</strong><br />

Auftrag <strong>von</strong> Ämtern <strong>und</strong> Gerichten.<br />

• Wenn ein <strong>Beratung</strong>sangebot genutzt wird, steht man in der Pflicht, weitere Termine wahrzunehmen <strong>und</strong><br />

die Vorschläge der Beratenden zu befolgen.<br />

• Die <strong>Beratung</strong> kostet Geld.<br />

• Es wird nur über Erfahrungen <strong>und</strong> Gefühle gesprochen, aber es wird keine konkrete Unterstützung zur<br />

Problemlösung gegeben.<br />

• <strong>Beratung</strong> richtet sich an Menschen mit psychischen Störungen <strong>und</strong> ist mit einer Psychotherapie vergleichbar.<br />

• Nur in extremen Krisensituationen ist man der „Hilfe würdig“.<br />

• <strong>Beratung</strong> ist nur für Menschen, die sich überfordert fühlen. Für Betroffene, die nur konkrete Sachfragen<br />

klären wollen, ist sie ungeeignet.<br />

Zusammenstellung auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Helfferich et al. 2004: 66-71.<br />

g<br />

Neben Fehlinformationen können Scham, die Kontrolle des Täters bzw. der Täterin oder<br />

ganz allgemein Angst vor Unverständnis dazu führen, dass bekannte Angebote nicht genutzt<br />

werden. Darüber hinaus weisen Helfferich et al. (2004) darauf hin, dass sich den betroffenen<br />

Frauen in Abhängigkeit <strong>von</strong> aktuell wahrgenommenen Merkmalen ihrer Situation spezifische<br />

Barrieren stellen (für eine vertiefende Darstellung s. II Kap. 2.3). Frauen, die sich<br />

schnell nach dem ersten Auftreten <strong>von</strong> Gewalt in einer Beziehung trennen, sehen sich nicht<br />

als „hilfloses Opfer“. Sie fühlen sich daher <strong>von</strong> <strong>Beratung</strong>sangeboten, die in ihrer Außendarstellung<br />

die Zuständigkeit für langjährige <strong>und</strong> problematische Gewaltkonstellationen in den<br />

Vordergr<strong>und</strong> stellen, nicht angesprochen. Dies gilt in ähnlicher Weise für Frauen, die da<strong>von</strong><br />

überzeugt sind, dass das aus ihrer Sicht punktuelle gewalttätige Verhalten ihres Partners<br />

veränderbar ist. Da Frauen in beiden Konstellationen das Problem auf Seiten des gewalttätigen<br />

Partners verorten, sind sie zumeist auf der Suche nach einem Angebot für ihren<br />

(ehemaligen) Partner. Die höchsten <strong>Beratung</strong>sbarrieren beobachten Helfferich et al. (2004)<br />

bei Frauen, die eng <strong>und</strong> hoch ambivalent an ihren Partner geb<strong>und</strong>en sind. Frauen in dieser<br />

Konstellation sind oftmals über <strong>Beratung</strong>sangebote informiert, glauben aber, dass diese<br />

nicht weiterhelfen können. Sie befürchten, dass ihr Festhalten an der Partnerschaft nicht<br />

verstanden wird, <strong>und</strong> dass sie zu einer Trennung gedrängt werden. Vergleichsweise niedrige<br />

<strong>Beratung</strong>sbarrieren werden dagegen bei Frauen beobachtet, die nach einer oftmals langen<br />

Gewaltbeziehung zur Überzeugung gelangten, dass eine Trennung angezeigt ist. Diese Frauen<br />

suchen in der <strong>Beratung</strong> differenzierte Information <strong>und</strong> Unterstützung. Angebote bzw. Interventionen,<br />

die pr<strong>im</strong>är darauf abzielen, psychische Probleme zu bearbeiten oder die Partnerschaft<br />

zu stützen, gehen am Bedarf dieser Klientinnen vorbei <strong>und</strong> werden entsprechend abgelehnt.<br />

59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!