Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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21.12.2013 Aufrufe

Grundhaltungen der inhaltlichen Beratungsarbeit Neben beraterischen Grundkompetenzen erfordert die Fachberatung für Gewaltbetroffene ein fundiertes Wissen über Gewaltdynamiken, die sich in Paarbeziehungen und im Nachgang einer Trennung entwickeln können. Entsprechende Kenntnisse sind auch für Stalking durch weitgehend unbekannte Täter(innen) erforderlich. Zudem sind Fachkenntnisse über spezifische Bedarfe bestimmter Gruppen von Gewaltopfern notwendig (s. II Kap. 3.4). Weitgehender Konsens besteht darin, dass in der Fachberatung folgende beraterischen Grundhaltungen eine besonders wichtige Rolle spielen: • Die Beratung folgt dem subjektiven Erleben der Betroffenen Entsprechend der ethischen Grundhaltung der Opferberatung stellt die Fachberatung einen Raum zur Verfügung, in dem die Erfahrungen der Betroffenen uneingeschränkt anerkannt werden und die subjektiven Sichtweisen der Betroffenen Ausgangspunkt der Beratung sind (Helfferich et al. 2004: 40). • Klare Haltung zur Gewalt Eine zentrale Voraussetzung für die Arbeit mit Betroffenen von Gewalt ist, dass sich die Berater(innen) klar erkennbar gegenüber Gewalthandlungen positionieren. Für Klient- (inn)en muss erfahrbar werden, dass Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen unter keinen Umständen gerechtfertigt ist, dass die Fachkräfte die Gewalterfahrungen nicht bagatellisieren oder leugnen, und dass sie Partei für die Klientin bzw. den Klienten ergreifen. Nach Firle, Hoeltje und Nini (1996: 39) wird diese Grundhaltung sichtbar, wenn die Fachkräfte folgende Positionen klar zum Ausdruck bringen: - Gewalt ist kein geeignetes Mittel für das Austragen von Auseinandersetzungen. - Physische, sexuelle und psychische Gewalt sowie Nachstellungen sind strafbare Handlungen. - Die Verantwortung für eine gewalttätige Handlung liegt bei der Person, die sie ausübt. - Die/der Betroffene trägt keine Schuld an der Gewalt, die vom Partner/von der Partnerin verübt wurde. Wichtig ist dabei, dass sich die klare ablehnende Haltung der Berater(innen) auf die Gewalthandlungen und damit einen Teilaspekt der Person des Täters bzw. der Täterin, jedoch nicht auf die gesamte Person bezieht. Diese Differenzierung ist aus verschiedenen Gründen geboten – es wird damit u. a. vermieden, dass sich Klient(inn)en dazu gedrängt fühlen, sich von einem gewalttätigen Partner zu trennen. Berater(innen), die vor dem Hintergrund einer feministischen Theorie arbeiten, leiten die klare Haltung gegenüber der Gewalt aus dem umfassenderen Prinzip der Parteilichkeit ab. 39 • Eindeutigkeit im Umgang mit Grenzen und Grenzverletzungen Gewaltbetroffenen fällt es vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen oftmals schwer, Grenzen anderer, wie z. B. der eigenen Kinder aber auch der Beratenden, wahrzunehmen und zu akzeptieren. Indem Berater(innen) sensibel für diese Thematik sind und beispielsweise auch die Grenzen des Beratungsangebots benennen, werden Rat suchende darin unterstützt, die eigenen Grenzen wiederzufinden und zu wahren (Firle et al. 1996: 38 f). 39 Für eine zusammenfassende Diskussion des Begriffs „Parteilichkeit“ s. Helfferich et al. 2004: 97f; Brückner 1996: 33; Kavemann 1997. 53

II Informationen und Empfehlungen für die Beratungspraxis • Ergebnisoffenheit Ergebnisoffenheit ist ein zentraler Grundsatz jeder Beratungstätigkeit. Im Kontext häuslicher Gewalt und Nachstellungen kann dies für die Berater(innen) mit besonderen Herausforderungen verbunden sein. Dies gilt besonders dann, wenn sich Klient(inn)en für ein Verhalten entscheiden, mit dem sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit erneut gefährden. Die Beratenden haben die Aufgabe, mögliche Bedenken zu äußern und den Entscheidungsweg der Klient(inn)en konstruktiv zu begleiten. Dabei gilt es deutlich zu machen, dass die letztliche Entscheidung sowie die Art der Umsetzung bei der Klientin bzw. dem Klienten liegt und diese Schritte vonseiten der Fachkräfte respektiert werden. • Unterstützung der Handlungskompetenz, Ressourcenorientierung, Stärkung des Selbstwertgefühls Die drei genannten Arbeitsprinzipien sind eng miteinander verwoben. Entsprechend der Aufgaben der Fachberatung ist die Wiederherstellung bzw. Erweiterung der Handlungskompetenz ein grundlegendes Arbeitsprinzip. Die Fachberatung ist einer differenzierten Perspektive verpflichtet und distanziert sich damit auch von dem verbreiteten Stereotyp, dass es sich bei Gewaltbetroffenen per se um „hilflose Opfer“ handelt (s. u. a. Helfferich et al. 2004: 75). Eine zentrale Grundlage für Ressourcenorientierung und Empowerment in der Fachberatung bietet u. a. Brückner (1998), die betont, dass Betroffene von langjähriger Beziehungsgewalt zwar einerseits hilflos bei der Beziehungsgestaltung sind („Beziehungsschwäche“) andererseits jedoch über eine erhebliche „Lebensstärke“ verfügen, die ihnen das Überleben oftmals überhaupt ermöglicht. In der Beratung gilt es, die Ressourcen der Betroffenen zu benennen und zu stärken, ohne dabei die Erfahrung von Hilflosigkeit zu leugnen. Mit der Unterstützung der Handlungskompetenz und der Ressourcenorientierung untrennbar verbunden ist die Stärkung des Selbstwertgefühls, das zwar nicht bei allen, aber einem großen Teil der Gewaltbetroffenen beeinträchtigt ist. • Unterstützung der Betroffenen unter Berücksichtigung aller relevanten Lebensbezüge Gewalthandlungen stehen in einem jeweils spezifischen individuellen Kontext. Die Beratung bezieht die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den Gewalthandlungen und weiteren situativen (z. B. sozioökonomische Situation, Wohnsituation) sowie individuellen Merkmalen (z. B. personale Ressourcen, Lebensform) der Betroffenen ein. 1.3 Organisatorische und institutionelle Rahmenbedingungen Damit die Fachberatung den ihr gesteckten Zielen gerecht werden kann, sind adäquate Rahmenbedingungen erforderlich. Besonders wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Gestaltung der Kontaktaufnahme, des Beratungssettings sowie der Qualitätssicherung des Beratungsangebots, auf die in den folgenden Abschnitten näher eingegangen wird. Niedrigschwellige Kontaktaufnahme • Telefonische Erreichbarkeit Die telefonische Erreichbarkeit der Stelle dient der Terminvereinbarung, der Information über das Beratungsangebot, dem Führen von Beratungsgesprächen und hat in der Fachberatung einen zentralen Stellenwert: Wenden sich Betroffene von sich aus an die Beratung, geschieht dies zunächst in aller Regel telefonisch. Neben der Terminabklärung nutzen die Betroffenen den ersten Kontakt auch dazu, um herauszufinden, auf welche Reaktionen sie in der Beratungsstelle mit ihrem Anliegen treffen, bevor sie sich persönlich vorstellen (Firle et al. 1996: 42). Die telefonische Erreichbarkeit einer Fachkraft sollte rund um die Uhr 54

Gr<strong>und</strong>haltungen der inhaltlichen <strong>Beratung</strong>sarbeit<br />

Neben beraterischen Gr<strong>und</strong>kompetenzen erfordert die Fachberatung für Gewaltbetroffene<br />

ein f<strong>und</strong>iertes Wissen über Gewaltdynamiken, die sich in Paarbeziehungen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Nachgang<br />

einer Trennung entwickeln können. Entsprechende Kenntnisse sind auch für Stalking<br />

durch weitgehend unbekannte Täter(innen) erforderlich. Zudem sind Fachkenntnisse über<br />

spezifische Bedarfe best<strong>im</strong>mter Gruppen <strong>von</strong> Gewaltopfern notwendig (s. II Kap. 3.4). Weitgehender<br />

Konsens besteht darin, dass in der Fachberatung folgende beraterischen Gr<strong>und</strong>haltungen<br />

eine besonders wichtige Rolle spielen:<br />

• Die <strong>Beratung</strong> folgt dem subjektiven Erleben der Betroffenen<br />

Entsprechend der ethischen Gr<strong>und</strong>haltung der Opferberatung stellt die Fachberatung einen<br />

Raum zur Verfügung, in dem die Erfahrungen der Betroffenen uneingeschränkt anerkannt<br />

werden <strong>und</strong> die subjektiven Sichtweisen der Betroffenen Ausgangspunkt der <strong>Beratung</strong><br />

sind (Helfferich et al. 2004: 40).<br />

• Klare Haltung zur Gewalt<br />

Eine zentrale Voraussetzung für die Arbeit mit Betroffenen <strong>von</strong> Gewalt ist, dass sich die<br />

Berater(innen) klar erkennbar gegenüber Gewalthandlungen positionieren. Für Klient-<br />

(inn)en muss erfahrbar werden, dass Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen<br />

unter keinen Umständen gerechtfertigt ist, dass die Fachkräfte die Gewalterfahrungen<br />

nicht bagatellisieren oder leugnen, <strong>und</strong> dass sie Partei für die Klientin bzw. den Klienten<br />

ergreifen. Nach Firle, Hoeltje <strong>und</strong> Nini (1996: 39) wird diese Gr<strong>und</strong>haltung sichtbar, wenn<br />

die Fachkräfte folgende Positionen klar zum Ausdruck bringen:<br />

- Gewalt ist kein geeignetes Mittel für das Austragen <strong>von</strong> Auseinandersetzungen.<br />

- Physische, sexuelle <strong>und</strong> psychische Gewalt sowie Nachstellungen sind strafbare<br />

Handlungen.<br />

- Die Verantwortung für eine gewalttätige Handlung liegt bei der Person, die sie ausübt.<br />

- Die/der Betroffene trägt keine Schuld an der Gewalt, die vom Partner/<strong>von</strong> der Partnerin<br />

verübt wurde.<br />

Wichtig ist dabei, dass sich die klare ablehnende Haltung der Berater(innen) auf die Gewalthandlungen<br />

<strong>und</strong> damit einen Teilaspekt der Person des Täters bzw. der Täterin, jedoch<br />

nicht auf die gesamte Person bezieht. Diese Differenzierung ist aus verschiedenen<br />

Gründen geboten – es wird damit u. a. vermieden, dass sich Klient(inn)en dazu gedrängt<br />

fühlen, sich <strong>von</strong> einem gewalttätigen Partner zu trennen. Berater(innen), die vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> einer feministischen Theorie arbeiten, leiten die klare Haltung gegenüber der<br />

Gewalt aus dem umfassenderen Prinzip der Parteilichkeit ab. 39<br />

• Eindeutigkeit <strong>im</strong> Umgang mit Grenzen <strong>und</strong> Grenzverletzungen<br />

Gewaltbetroffenen fällt es vor dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer eigenen Erfahrungen oftmals schwer,<br />

Grenzen anderer, wie z. B. der eigenen Kinder aber auch der Beratenden, wahrzunehmen<br />

<strong>und</strong> zu akzeptieren. Indem Berater(innen) sensibel für diese Thematik sind <strong>und</strong> beispielsweise<br />

auch die Grenzen des <strong>Beratung</strong>sangebots benennen, werden Rat suchende darin<br />

unterstützt, die eigenen Grenzen wiederzufinden <strong>und</strong> zu wahren (Firle et al. 1996: 38 f).<br />

39 Für eine zusammenfassende Diskussion des Begriffs „Parteilichkeit“ s. Helfferich et al. 2004: 97f; Brückner 1996: 33; Kavemann 1997.<br />

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