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Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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Das österreichische Modell der Intensivintervention<br />

Die österreichische Gesetzgebung war Vorbild für die Gesetzesreform in Deutschland. Allerdings bestehen einige<br />

Unterschiede, die für die Ausbildung der <strong>Beratung</strong>skonzepte eine erhebliche Bedeutung haben: In Österreich<br />

werden polizeiliche Akutmaßnahmen bei häuslicher Gewalt aufgr<strong>und</strong> einer Gefahrenprognose notfalls auch<br />

gegen den Willen des Opfers durchgeführt. Zudem ist die Tätigkeit <strong>von</strong> Interventionsstellen gesetzlich verankert.<br />

Dabei wird den Fachberatungsstellen vorgeschrieben, dass nach jeder polizeilichen Maßnahme eine pro-aktive<br />

Kontaktaufnahme stattfinden muss. Die Daten der Betroffenen müssen <strong>von</strong>seiten der Polizei binnen 24 St<strong>und</strong>en<br />

nach einer Wegweisung an eine Interventionsstelle übermittelt werden. Leben minderjährige Kinder <strong>im</strong> Haushalt,<br />

bestehen auch gegenüber dem Jugendamt Informationspflichten. Die Mitarbeiter(innen) der Interventionsstelle<br />

nehmen in schriftlicher oder telefonischer Form Kontakt zu den Betroffenen auf <strong>und</strong> unterbreiten ein <strong>Beratung</strong>sangebot.<br />

Im Fall der Inanspruchnahme des Angebots wird auf eine sofortige Terminvergabe (auch abends <strong>und</strong><br />

mit Kinderbetreuung) geachtet. Bei Bedarf werden Fallkonferenzen mit allen befassten Institutionen einberufen.<br />

Lehnt die/der Betroffene das Angebot ab, wird innerhalb <strong>von</strong> drei bis sechs Monaten erneut ein Unterstützungsangebot<br />

unterbreitet. Können Betroffene telefonisch oder schriftlich nicht erreicht werden <strong>und</strong> liegen Hinweise<br />

auf schwerwiegende Gefährdungen oder wiederholte Gewalt vor, sind auch Hausbesuche möglich. Darüber<br />

hinaus beinhaltet das Modell eine so genannte Paarintervention, d. h. auf Wunsch des Opfers führt die Interventionsstelle<br />

gemeinsam mit einem polizeilichen Sonderdienst zwe<strong>im</strong>al wöchentlich Hausbesuche <strong>und</strong> getrennte<br />

Gespräche mit dem/der Täter(in) <strong>und</strong> dem Opfer durch. Das <strong>Beratung</strong>skonzept richtet sich an betroffene Frauen<br />

<strong>und</strong> Männer (für weitere Hinweise s. Logar 2004 u. 2003). In Deutschland orientieren sich u. a. die Interventionsstellen<br />

in Mecklenburg-Vorpommern an der österreichischen <strong>Beratung</strong>skonzeption (s. WiBIG 2004a).<br />

g<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> datenschutzrechtlicher Besonderheiten ist ein <strong>im</strong> engen Sinn pro-aktives<br />

Vorgehen nur in best<strong>im</strong>mten B<strong>und</strong>esländern umsetzbar. 33 In <strong>Bayern</strong> wie auch in einigen<br />

anderen B<strong>und</strong>esländern ist die Weitergabe personenbezogener Daten bei häuslicher Gewalt<br />

an Freie Träger nicht explizit gesetzlich geregelt <strong>und</strong> kann nur mit Einverständnis des Opfers<br />

geschehen. 34 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat sich ein in Ansätzen pro-aktives Vorgehen („proaktiv<br />

light“) herausgebildet. Dabei ist vorgesehen, dass die Polizei bei ihren Einsätzen in<br />

Fällen häuslicher Gewalt die Betroffenen über weitergehende Hilfsangebote informiert (vgl.<br />

Polizeiaufgabengesetz Art. 40 u. Schlögl 2004). Auf der Gr<strong>und</strong>lage regionaler <strong>Kooperation</strong>svereinbarungen<br />

wird dies mit dem Angebot verknüpft, nach einer schriftlichen Einverständniserklärung,<br />

Name <strong>und</strong> Telefonnummer der Betroffenen an eine <strong>Beratung</strong>sstelle weiterzuleiten.<br />

Die Mitarbeiter(innen) nehmen innerhalb eines vereinbarten kurzen Zeitfensters<br />

telefonisch Kontakt zu den Gewaltopfern auf, informieren über das <strong>Beratung</strong>sangebot <strong>und</strong><br />

bieten erste konkrete Unterstützung an. Diese Form der zugehenden <strong>Beratung</strong> hat den Vorteil,<br />

dass die <strong>Beratung</strong>sstelle nicht ungefragt Kontakt aufn<strong>im</strong>mt. Der Art <strong>und</strong> Weise, wie die<br />

Polizei das Einverständnis abklärt, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Beraterinnen<br />

weisen darauf hin, dass eine ermutigende Präsentation des Unterstützungsangebots ein<br />

Signal an die Betroffenen ist, dass sie in ihrem Problem ernst genommen werden, ohne<br />

dass dabei ihre Entscheidungsfähigkeit hinterfragt wird (L<strong>im</strong>mer/Mengel 2005b).<br />

33 Ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen der einzelnen B<strong>und</strong>esländer findet sich in WiBIG 2004b: 30-44.<br />

34 Das Vorgehen wird in einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 28.4.2004 an alle Präsidien der Bayerischen Landespolizei,<br />

des Bayerischen Landeskr<strong>im</strong>inalamtes <strong>und</strong> nachrichtlich an das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei dargelegt. Neben dem Einverständnis<br />

des Opfers mit der Kontaktvermittlung wird hier zudem betont, dass das Opfer nur an eine <strong>von</strong> ihr/ihm ausgewählte Einrichtung vermittelt werden darf.<br />

Ist das Opfer gr<strong>und</strong>sätzlich mit der Vermittlung einverstanden, ohne jedoch eine konkrete Einrichtung auszuwählen, kann eine Weitervermittlung durch<br />

die Polizei nur dann erfolgen, wenn sich die <strong>Beratung</strong>sstellen vor Ort auf eine Zuständigkeit geeinigt haben <strong>und</strong> damit die wettbewerbsrechtlichen<br />

Aspekte geklärt sind.<br />

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