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Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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I <strong>Kontext</strong> der Fachberatung<br />

häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Nachstellungen über ihr Unterstützungsangebot informiert.<br />

Die gewaltbetroffene Person kann sich daraufhin frei entscheiden, ob sie das <strong>Beratung</strong>sangebot<br />

in Anspruch nehmen möchte. Zentrale Voraussetzung eines pro-aktiven Vorgehens<br />

ist, dass die Einrichtungen über öffentlich gewordene Fälle häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Nachstellungen<br />

informiert werden. Dies wird durch eine enge <strong>Kooperation</strong> mit der Polizei sichergestellt.<br />

Die konkrete Form der <strong>Kooperation</strong> wird unterschiedlich gestaltet, so dass sich zwei<br />

Varianten des pro-aktiven Vorgehens ausgebildet haben: Ein pro-aktives Vorgehen <strong>im</strong> engen<br />

Sinn sieht vor, dass die Polizei bei Bekanntwerden <strong>von</strong> Gewalt die <strong>Beratung</strong>sstelle ohne Rücksprache<br />

mit den Betroffenen informiert. Dagegen sieht das Konzept der zugehenden <strong>Beratung</strong><br />

<strong>im</strong> Einvernehmen mit den Betroffenen („pro-aktiv light“) vor, dass die Polizei nur dann<br />

Daten an die Fachberatung übermittelt, wenn sich die Betroffenen damit explizit einverstanden<br />

erklären. Beide pro-aktiven Vorgehensweisen verstehen sich als besonders niedrigschwellige<br />

Ansätze, die den Zugang zu Betroffenen eröffnen, die durch die klassischen Angebote<br />

nicht erreicht werden können. Im Folgenden werden Argumente für <strong>und</strong> wider die<br />

genannten Konzeptionen vorgestellt.<br />

Vertreter(innen), die ein pro-aktives Vorgehen ablehnen <strong>und</strong> ihr Angebot ausschließlich für<br />

Selbstmelder(innen) zur Verfügung stellen, berufen sich auf den Ansatz des prozessorientierten<br />

Empowerments. Das Ziel ist es, die Autonomie der Klient(inn)en zu stärken, indem<br />

Veränderungsschritte ausschließlich <strong>von</strong> den Betroffenen selbst initiiert <strong>und</strong> erarbeitet werden.<br />

Eine pro-aktive Kontaktaufnahme wird abgelehnt, weil damit eine Problemdefinition<br />

des Professionellensystems vorgenommen <strong>und</strong> den Betroffenen Hilflosigkeit <strong>und</strong> Unmündigkeit<br />

unterstellt wird (s. u. a. Herriger 2002). Feministische Empowermentkonzepte thematisieren<br />

zudem das Machtgefälle in <strong>Beratung</strong>ssituationen <strong>und</strong> kritisieren, dass eine pro-aktive<br />

Vorgehensweise das hierarchische Verhältnis zwischen Beraterin <strong>und</strong> Klientin noch<br />

weiter verstärkt. Die selbst initiierte Inanspruchnahme <strong>von</strong> <strong>Beratung</strong> wird als erster wichtiger<br />

Schritt zur Veränderung der eigenen Lebenssituation verstanden. <strong>Beratung</strong>, die ausschließlich<br />

auf Initiative der Betroffenen zustande kommt, ist angewiesen auf eine breite<br />

<strong>und</strong> wirksame Öffentlichkeitsarbeit, um ihr Angebot Opfern häuslicher Gewalt zugänglich zu<br />

machen. Die regelhafte Weitergabe <strong>von</strong> Informationsmaterial bei Polizeieinsätzen oder<br />

durch Institutionen wie Arztpraxen, Ämter <strong>und</strong> andere <strong>Beratung</strong>sstellen ist dabei eine häufig<br />

genutzte Strategie.<br />

Bei der Ausarbeitung pro-aktiver Vorgehensweisen <strong>im</strong> deutschsprachigen Raum ist die<br />

österreichische autonome Frauenhausbewegung federführend. Mit diesem Ansatz verbindet<br />

sich das Ziel, dem Informationsmissstand in Fällen öffentlich gewordener Gewalt abzuhelfen.<br />

Es sei absurd, so Logar (2003: 100), dass „die Polizei Informationen hat, jedoch nicht<br />

helfen kann, während die Hilfseinrichtungen das Angebot hätten, jedoch die Betroffenen<br />

nicht kennen.“ Da die Entscheidung über die Annahme des <strong>Beratung</strong>sangebots bei den Betroffenen<br />

bleibt, sehen die Vertreter(innen) eines pro-aktiven Ansatzes keinen Widerspruch<br />

zum Empowerment (s. Logar 2003: 100; WiBIG 2004a: 52 f). Nach ihren Erfahrungen wirkt<br />

das aktive Entgegenkommen der Berater(innen) gerade für Betroffene mit geringen Ressourcen<br />

oder solchen, die befürchten, dass es ihnen nicht „zusteht“, Hilfe in Anspruch zu<br />

nehmen, ermutigend. Der eigene Handlungsspielraum <strong>und</strong> der Zugang zu Selbstermächtigungsstrategien<br />

soll damit erhöht werden.<br />

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