Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

21.12.2013 Aufrufe

Kooperation mit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe Aufgabe der Jugendhilfe ist es, das Wohl der Kinder zu schützen und hierzu geeignete Hilfen zu bieten. Da in den meisten Fällen häuslicher Gewalt minderjährige Kinder mitbetroffen sind, kommt den entsprechenden Stellen eine wichtige Funktion als Bündnispartner zu. 29 Die Vorgehensweisen zwischen den einzelnen Jugendämtern können sich erheblich unterscheiden, da die Kinder- und Jugendhilfe im eigenen Wirkungskreis der jeweiligen Kommune durchgeführt wird (s. Münder/Mutke/Schone 2000). Die Entwicklung eines standardisierten Interventionsablaufs ist in jedem Fall im Zusammenwirken mit dem Jugendamt bzw. dem ASD im Rahmen der Jugendhilfeplanung zu erarbeiten. Dabei empfiehlt es sich, u. a. folgende Fragen in den Blick zu nehmen: • Wer ist in einem koordinierten Hilfesystem für die unterschiedlichen Bedarfe von Kindern, Opfern und Täter(inne)n zuständig? In Fällen häuslicher Gewalt kann von konfligierenden Interessenslagen der unterschiedlichen Parteien ausgegangen werden. Bei der Sicherstellung und Entwicklung spezialisierter, individueller Angebote für Kinder gewaltbetroffener Eltern kommt der örtlichen Jugendhilfe eine zentrale Rolle zu. • Von besonderer Bedeutung ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses und fachlicher Standards bei der Entwicklung sorge- und umgangsrechtlicher Regelungen im Kontext häuslicher Gewalt. 30 • Sind Gewaltschutzverfahren anhängig, sollten die/der Richter(in), die/der Anwältin/ Anwalt und das Jugendamt im Interesse aller Beteiligten sicherstellen, dass die gerichtlichen Anordnungen und die Umgangsregelungen aufeinander abgestimmt werden. Vorliegende Studien weisen darauf hin, dass das Jugendamt nicht in allen Fällen über parallel laufende Gewaltschutzverfahren bzw. getroffene Anordnungen informiert ist (Rupp 2005b; Limmer/ Mengel 2005a). Die Umsetzung der Mitteilungs- und Anhörungsvorgaben zwischen Gericht und Jugendamt, die in Fällen einer Wohnungszuweisung vom Gesetzgeber explizit festgelegt wurden, sollten im Rahmen der gemeinsamen Bündnisarbeit daher geprüft werden (vgl. I Kap. 2.2.3). Zudem sollte für Fälle, in denen der Informationsaustausch zwischen Gericht und Jugendamt nicht gesetzlich geregelt wird, geeignete Verfahrenswege entwickelt werden. Dies betrifft insbesondere folgende Konstellationen: - Ein Antrag auf Wohnungszuweisung endet nicht mit einer gerichtlichen Entscheidung, sondern einer Vereinbarung zwischen den Parteien. - Es wurde keine Wohnungszuweisung beantragt, sondern ausschließlich Schutzanordnungen. • Auch im Bereich der Gewaltprävention, z. B. in der Zusammenarbeit mit Schulen und Kindertagesstätten, stellt das Jugendamt durch seinen gesetzlichen Auftrag einen bedeutenden Funktionsträger dar. 29 Folgt man den Einschätzungen von Mitarbeiter(inne)n aus Fachberatungsstellen und der Polizei, verhält sich das Jugendamt in Fällen häuslicher Gewalt oftmals zu passiv (s. u. a. Nicolai 2003: 90; WiBIG 2004a: 159; Rupp 2005b: 84; PJS 2003c: 39). Für die Zurückhaltung können u. a. fachliche Erwägungen ausschlaggebend sein, die darauf gründen, dass das Jugendamt der Maxime des geringst möglichen Eingriffs verpflichtet ist (Münder/Mutke/Schone 2000: 356). 30 Für Hinweise zur Gestaltung des begleiteten Umgangs bei häuslicher Gewalt s. Hagemann-White et al. (2002). Für Hinweise zur angemessenen Berücksichtigung des Kindeswohls im Kontext von Partnerschaftsgewalt bei gerichtlichen Umgangsstreitigkeiten s. Kindler/Salzgeber/Fichtner/Werner (2004). 39

I Kontext der Fachberatung Aktuelle Studien verweisen darauf, dass Entscheidungen über das Vorgehen des Jugendamts, die im Kontext gerichtlicher Verfahren stattfinden, nicht nur zwischen verschiedenen Ämtern, sondern auch zwischen Mitarbeiter(inne)n desselben Jugendamts variieren (Münder et al. 2000: 347f). Es empfiehlt sich daher, die Frage der Implementierung vereinbarter Handlungsstandards in Fällen häuslicher Gewalt besonders sorgfältig abzuklären. Daneben kann der Einbezug aller beteiligten Beratungseinrichtungen im Rahmen von Fallkonferenzen, die vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Entscheidung über weitreichende Hilfemaßnahmen gefordert werden, koordinierte Interventionen unterstützen. Neben dem ASD bzw. Jugendamt empfiehlt es sich auch, Freie Träger, wie beispielsweise solche der Heimerziehung, oder sonstiger betreuter Wohnformen (§ 34 SGB VIII) zumindest punktuell in die Bündnisarbeit einzubeziehen. Beteiligung der Polizei Die Polizei erhält im Kontext meist schwerwiegender Gewalthandlungen Kontakt zu Gewaltbetroffenen und ist oftmals die erste öffentliche Stelle, der das Opfer von der erfahrenen Gewalt berichtet (Seith 2003: 101 f). Das polizeiliche Vorgehen in diesen Fällen ist weichenstellend und, so Steffen (2005: 21), erfolgsentscheidend für die Interventionen anderer Institutionen, wie z. B. Staatsanwaltschaft, Jugendamt oder Fachberatungsstellen. Ausgehend von einem gestiegenen gesellschaftlichen Problembewusstsein hat sich die Rolle der Polizei bei der Bearbeitung von Fällen häuslicher Gewalt deutlich gewandelt und in vielen Regionen wurde sie gemeinsam mit Vertreter(inne)n von Angeboten für Betroffene zum Motor von Vernetzungsinitiativen. In Bayern wurden in den vergangenen Jahren mit Ausnahme von München Schwerpunktsachbearbeiter(innen) für häusliche Gewalt eingeführt und, soweit diese nicht ohnehin in der Vernetzungsinitiative engagiert sind, empfiehlt es sich, die zuständigen Gewaltsachbearbeiter(innen) von Anfang an einzubinden. In München ist die Polizeidienststelle K 314 für Fälle häuslicher Gewalt und Stalking zuständig. Diese Stelle hat in Kooperation mit verschiedenen psychosozialen Einrichtungen eine Konzeption zur proaktiven Erstberatung entwickelt, die seit 2004 im Rahmen eines Modellprojekts umgesetzt wird (Rupp/Schmöckel i.E.). Der Austausch mit der Polizei ist für folgende Fragestellungen zentral: • Die Weitergabe von Informationen über Unterstützungsangebote für Gewaltbetroffene sollte abgestimmt auf die jeweiligen Beratungskonzeptionen der örtlichen Opferberatung erfolgen. In Bayern besteht grundsätzlich die Möglichkeit, gemeinsam mit der Polizei eine zugehende Beratung mit Einverständnis der Betroffenen zu etablieren (s. I Kap. 4.2). • Die Art und Weise, wie Informationen und Empfehlungen an die gewaltverübende Person bezüglich der Nutzung eines Täterangebots weitergegeben werden, sollte besprochen werden. Zudem sollte erörtert werden, wie im Fall eines Platzverweises der künftige Aufenthaltsort der gewaltverübenden Person regelhaft erfragt wird. 40

I <strong>Kontext</strong> der Fachberatung<br />

Aktuelle Studien verweisen darauf, dass Entscheidungen über das Vorgehen des Jugendamts,<br />

die <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> gerichtlicher Verfahren stattfinden, nicht nur zwischen verschiedenen<br />

Ämtern, sondern auch zwischen Mitarbeiter(inne)n desselben Jugendamts variieren (Münder<br />

et al. 2000: 347f). Es empfiehlt sich daher, die Frage der Implementierung vereinbarter<br />

Handlungsstandards in Fällen häuslicher Gewalt besonders sorgfältig abzuklären. Daneben<br />

kann der Einbezug aller beteiligten <strong>Beratung</strong>seinrichtungen <strong>im</strong> Rahmen <strong>von</strong> Fallkonferenzen,<br />

die vom Gesetzgeber <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Entscheidung über weitreichende Hilfemaßnahmen<br />

gefordert werden, koordinierte Interventionen unterstützen. Neben dem ASD<br />

bzw. Jugendamt empfiehlt es sich auch, Freie Träger, wie beispielsweise solche der He<strong>im</strong>erziehung,<br />

oder sonstiger betreuter Wohnformen (§ 34 SGB VIII) zumindest punktuell in die<br />

Bündnisarbeit einzubeziehen.<br />

Beteiligung der Polizei<br />

Die Polizei erhält <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> meist schwerwiegender Gewalthandlungen Kontakt zu Gewaltbetroffenen<br />

<strong>und</strong> ist oftmals die erste öffentliche Stelle, der das Opfer <strong>von</strong> der erfahrenen<br />

Gewalt berichtet (Seith 2003: 101 f). Das polizeiliche Vorgehen in diesen Fällen ist weichenstellend<br />

<strong>und</strong>, so Steffen (2005: 21), erfolgsentscheidend für die Interventionen anderer Institutionen,<br />

wie z. B. Staatsanwaltschaft, Jugendamt oder Fachberatungsstellen. Ausgehend<br />

<strong>von</strong> einem gestiegenen gesellschaftlichen Problembewusstsein hat sich die Rolle der Polizei<br />

bei der Bearbeitung <strong>von</strong> Fällen häuslicher Gewalt deutlich gewandelt <strong>und</strong> in vielen Regionen<br />

wurde sie gemeinsam mit Vertreter(inne)n <strong>von</strong> Angeboten für Betroffene zum Motor<br />

<strong>von</strong> Vernetzungsinitiativen. In <strong>Bayern</strong> wurden in den vergangenen Jahren mit Ausnahme<br />

<strong>von</strong> München Schwerpunktsachbearbeiter(innen) für häusliche Gewalt eingeführt <strong>und</strong>, soweit<br />

diese nicht ohnehin in der Vernetzungsinitiative engagiert sind, empfiehlt es sich, die<br />

zuständigen Gewaltsachbearbeiter(innen) <strong>von</strong> Anfang an einzubinden. In München ist die<br />

Polizeidienststelle K 314 für Fälle häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Stalking zuständig. Diese Stelle hat<br />

in <strong>Kooperation</strong> mit verschiedenen psychosozialen Einrichtungen eine Konzeption zur proaktiven<br />

Erstberatung entwickelt, die seit 2004 <strong>im</strong> Rahmen eines Modellprojekts umgesetzt<br />

wird (Rupp/Schmöckel i.E.). Der Austausch mit der Polizei ist für folgende Fragestellungen<br />

zentral:<br />

• Die Weitergabe <strong>von</strong> Informationen über Unterstützungsangebote für Gewaltbetroffene<br />

sollte abgest<strong>im</strong>mt auf die jeweiligen <strong>Beratung</strong>skonzeptionen der örtlichen Opferberatung<br />

erfolgen. In <strong>Bayern</strong> besteht gr<strong>und</strong>sätzlich die Möglichkeit, gemeinsam mit der Polizei eine<br />

zugehende <strong>Beratung</strong> mit Einverständnis der Betroffenen zu etablieren (s. I Kap. 4.2).<br />

• Die Art <strong>und</strong> Weise, wie Informationen <strong>und</strong> Empfehlungen an die gewaltverübende Person<br />

bezüglich der Nutzung eines Täterangebots weitergegeben werden, sollte besprochen<br />

werden. Zudem sollte erörtert werden, wie <strong>im</strong> Fall eines Platzverweises der künftige Aufenthaltsort<br />

der gewaltverübenden Person regelhaft erfragt wird.<br />

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