Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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21.12.2013 Aufrufe

Verfahrenskompetenz müssen sich die Beteiligten anderer Berufsgruppen auf unterschiedliche Verfahrensweisen der Richter(innen) einstellen – so orientieren sich beispielsweise viele Familienrichter(innen) nach wie vor an der Befriedung beider Parteien und ziehen grundsätzlich Vereinbarungen Beschlüssen vor, obwohl dies nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht (s. u. a. Meysen 2004, zitiert nach WiBIG 2004d: 47; Rupp 2005c). Auch der Umgang mit Eilentscheidungen oder Anforderungen an Beweismittel variiert (Rupp 2005b). Gelingt es nicht, Richter(innen) zur regelmäßigen Mitarbeit zu gewinnen, sollten sie daher in jedem Fall gebeten werden, die eigenen Vorgehensweisen bei der Bearbeitung von Gewaltschutzanträgen vorzustellen. Darüber hinaus bietet es sich an, Fortbildungen oder thematische Schwerpunkte zu den juristischen Implikationen des Gewaltschutzgesetzes unter Beteiligung der zuständigen Richter(innen) zu veranstalten. Innerhalb eines umfassenderen Austausches bietet es sich an, u. a. folgende Themen zu bearbeiten: • Es ist zu prüfen, ob eine Vereinbarung zur regelhaften Weiterleitung von Polizeiberichten über Einsätze bei häuslicher Gewalt an das Gericht getroffen werden kann. Vernetzungsinitiativen wie das Münchner Unterstützungsmodell zur Erstberatung von Opfern häuslicher Gewalt (MUM) machen hiermit positive Erfahrungen. • Hat sich das Bündnis zum Ziel gesetzt, die gewaltverübende Person stärker in die Verantwortung zu ziehen, sollte mit den Richter(inne)n vor Ort über die Möglichkeit von Empfehlungen bzw. Verweisungen an Angebote der Täterarbeit gesprochen werden. 25 • Der fachliche Austausch zum richterlichen und polizeilichen Umgang mit Verstößen gegen erlassene Anordnungen, auch in Fällen, in denen sie von den Antragstellenden geduldet wurden. Darauf aufbauend sollte eine Ausarbeitung von Handlungsleitlinien erfolgen. Angesichts positiver Erfahrungen mit dem Einsatz standardisierter Antragsformulare an Rechtsantragstellen sollte ferner die Einführung einer entsprechenden Praxis vor Ort geprüft werden. 26 Bei dieser Thematik sollten neben Familien- und/oder Zivilrichter(inne)n auch die zuständigen Rechtspfleger(innen) einbezogen werden. Mit den Mitarbeiter(inne)n der Rechtsantragstelle kann zudem geklärt werden, ob sie sich dazu in der Lage sehen, schriftliche Informationen über Unterstützungsangebote an Antragstellende weiter zu geben. Eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft ist unter mehreren Gesichtspunkten sinnvoll: Für eine Verurteilung in einem Strafverfahren ist die Staatsanwaltschaft in aller Regel auf die Kooperations- und Aussagebereitschaft der Geschädigten angewiesen. Diese ist im Bereich häuslicher Gewalt aus unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht immer gegeben (s. hierzu u. a. Leuze-Mohr 2005; WiBIG 2004b). Im Kooperationsverbund und v. a. gemeinsam mit den Einrichtungen der Opferhilfe sollten Überlegungen angestellt werden, wie Betroffene in Strafverfahren besser geschützt und unterstützt werden können und welche weiteren Möglichkeiten einer optimierten Verfahrensdurchführung bestehen. Dabei kann beispielsweise der verstärkte Einbezug der Gerichtshilfe in Verfahren bei häuslicher Gewalt geprüft werden – eine Praxis, mit der die Staatsanwaltschaft Freiburg gute Erfahrungen gesammelt hat (für weitere Hinweise hierzu s. Winterer 2005). Als weiteres Thema bietet sich ein Austausch zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei an, um Fragen der polizeilichen Beweissicherung zu klären. Der Staatsanwaltschaft kommt zudem eine Schlüsselrolle im Bereich der Tätersanktion zu. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, einen Austausch über geeignete Sanktionen zu führen. Hierbei sollte u. a. die Möglichkeit von Weisungen in Täterangebote besprochen werden. 25 Strafrichter(innen) können die gewaltverübende Person in Täterprogramme verweisen. Demgegenüber steht Richter(inne)n am Familiengericht und am Zivilgericht nur die Möglichkeit zu, entsprechende Empfehlungen auszusprechen. 26 Formulare zur Beantragung zivilrechtlichen Schutzes nach dem Gewaltschutzgesetz (für Frauen und Männer) können unter www.big-interventionszentrale.de und www.bmfsfj.de vom 23.11.2005 abgerufen werden. 37

I Kontext der Fachberatung Aufgrund knapper zeitlicher Ressourcen beteiligen sich Anwältinnen und Anwälte oftmals nicht an Bündnissen. Sie stellen jedoch eine relevante Berufsgruppe dar, die speziell über den Umgang mit Gerichten und über juristische Risiken der Antragstellung informiert ist. Auch stehen ihr besondere Rechte im Verfahren zu, wie z. B. die Anwesenheit bei Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Zuge der Kontaktierung von Anwält(inn)en bietet es sich an, die Standesvertretungen einzubeziehen. Für das Fachgebiet Familienrecht gibt es in jedem Oberlandesgerichtsbezirk Beauftragte, die für entsprechende Anfragen zur Verfügung stehen bzw. weitervermitteln können. 27 Für alle juristischen Professionen sind Informationen über die Dynamik von Gewaltbeziehungen und deren Bedeutung für das Verhalten von Antragstellenden von großer Bedeutung (vgl. II Kap. 2.3). Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um adäquat mit den oftmals widersprüchlichen Verhaltensweisen von Gewaltbetroffenen umgehen zu können. Insbesondere Richter(innen), aber auch Anwälte/Anwältinnen können im Rahmen eines Engagements in Vernetzungsinitiativen von der Expertise der Fachkräfte aus der Opferarbeit oder geschulter Polizeikräfte profitieren. Beteiligung des Gesundheitswesens Die erste Anlaufstelle für Betroffene häuslicher Gewalt und Nachstellungen sind Vertreter(innen) der medizinischen Versorgung (Schröttle/Müller 2004: 160). Medizinisches Personal, das diagnostisch geschult ist und bei Verdacht auf Fremdeinwirkung über geeignete Strategien verfügt, um mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen, trägt wesentlich dazu bei, den Zugang zum Hilfesystem zu erleichtern. Es sollten daher sowohl stationäre Einrichtungen als auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte (v. a. Hausärzte/-ärztinnen, Gynäkolog(inn)en) sowie Psychotherapeut(inn)en in die Kooperation eingebunden werden. Empfehlungen für die Gestaltung der Gesundheitsversorgung von Gewaltopfern im stationären Bereich wurden im Rahmen des Interventionsprojekts S.I.G.N.A.L. ausgearbeitet (für weitere Hinweise s. Hellbernd/Brzank/Wieners/Maschewsky-Schneider 2003). Was den Einbezug niedergelassener Ärzte/Ärztinnen und Therapeut(inn)en betrifft, empfiehlt es sich, neben der gezielten Ansprache von Einzelpersonen, Kontakt zu den regional organisierten Ärzte- und Psychotherapeutenkammern aufzunehmen und diese für eine Mitarbeit zu gewinnen. Ein gelungenes Beispiel stellt das Rheinland-pfälzische Kooperationsprojekt RIGG dar, in dem gemeinsam mit der Ärztekammer ein Internetportal für Ärztinnen/Ärzte zum Umgang mit häuslicher Gewalt aufgebaut wird. 28 Im Rahmen der Zusammenarbeit können u. a. folgende Fragen bearbeitet werden: • Wie kann die Weitergabe von Informationen über Unterstützungsangebote an gewaltbetroffene Patient(inn)en verbessert werden? • Wie können festgestellte Körperverletzungen im Hinblick auf eine Beweissicherung adäquat dokumentiert werden? • Wie kann die medizinische und psychotherapeutische Versorgung von Gewaltopfern verbessert werden? Geht es um Fragen der Gewaltprävention, sollte erwogen werden, die örtlichen Krankenkassen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. 38 27 Die Arbeitsgemeinschaft für Familien- und Erbrecht stellt unter www.familien-und-erbrecht.de vom 23.11.2005 die Kontaktadressen der Regionalbeauftragten zur Verfügung. 28 Das rechtsmedizinische Institut der Universität Mainz erarbeitet derzeit eine Website, die zum Thema häusliche Gewalt Checklisten für Ärztinnen/Ärzte und Polizei bereitstellen wird. Voraussichtlich ab 31.3.2006 kann die Website unter www.safemed-rlp.de aufgerufen werden. Dokumentationsbögen für Ärztinnen/Ärzte können auch abgerufen werden unter: www.frauennotrufe-hessen.de vom 30.11.2005.

Verfahrenskompetenz müssen sich die Beteiligten anderer Berufsgruppen auf unterschiedliche<br />

Verfahrensweisen der Richter(innen) einstellen – so orientieren sich beispielsweise viele<br />

Familienrichter(innen) nach wie vor an der Befriedung beider Parteien <strong>und</strong> ziehen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Vereinbarungen Beschlüssen vor, obwohl dies nicht der Intention des Gesetzgebers<br />

entspricht (s. u. a. Meysen 2004, zitiert nach WiBIG 2004d: 47; Rupp 2005c). Auch der Umgang<br />

mit Eilentscheidungen oder Anforderungen an Beweismittel variiert (Rupp 2005b).<br />

Gelingt es nicht, Richter(innen) zur regelmäßigen Mitarbeit zu gewinnen, sollten sie daher in<br />

jedem Fall gebeten werden, die eigenen Vorgehensweisen bei der Bearbeitung <strong>von</strong> Gewaltschutzanträgen<br />

vorzustellen. Darüber hinaus bietet es sich an, Fortbildungen oder thematische<br />

Schwerpunkte zu den juristischen Implikationen des Gewaltschutzgesetzes unter Beteiligung<br />

der zuständigen Richter(innen) zu veranstalten. Innerhalb eines umfassenderen<br />

Austausches bietet es sich an, u. a. folgende Themen zu bearbeiten:<br />

• Es ist zu prüfen, ob eine Vereinbarung zur regelhaften Weiterleitung <strong>von</strong> Polizeiberichten<br />

über Einsätze bei häuslicher Gewalt an das Gericht getroffen werden kann. Vernetzungsinitiativen<br />

wie das Münchner Unterstützungsmodell zur Erstberatung <strong>von</strong> Opfern häuslicher<br />

Gewalt (MUM) machen hiermit positive Erfahrungen.<br />

• Hat sich das Bündnis zum Ziel gesetzt, die gewaltverübende Person stärker in die Verantwortung<br />

zu ziehen, sollte mit den Richter(inne)n vor Ort über die Möglichkeit <strong>von</strong> Empfehlungen<br />

bzw. Verweisungen an Angebote der Täterarbeit gesprochen werden. 25<br />

• Der fachliche Austausch zum richterlichen <strong>und</strong> polizeilichen Umgang mit Verstößen gegen<br />

erlassene Anordnungen, auch in Fällen, in denen sie <strong>von</strong> den Antragstellenden geduldet<br />

wurden. Darauf aufbauend sollte eine Ausarbeitung <strong>von</strong> Handlungsleitlinien erfolgen.<br />

Angesichts positiver Erfahrungen mit dem Einsatz standardisierter Antragsformulare an<br />

Rechtsantragstellen sollte ferner die Einführung einer entsprechenden Praxis vor Ort geprüft<br />

werden. 26 Bei dieser Thematik sollten neben Familien- <strong>und</strong>/oder Zivilrichter(inne)n auch die<br />

zuständigen Rechtspfleger(innen) einbezogen werden. Mit den Mitarbeiter(inne)n der<br />

Rechtsantragstelle kann zudem geklärt werden, ob sie sich dazu in der Lage sehen, schriftliche<br />

Informationen über Unterstützungsangebote an Antragstellende weiter zu geben.<br />

Eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft ist unter mehreren Gesichtspunkten sinnvoll: Für<br />

eine Verurteilung in einem Strafverfahren ist die Staatsanwaltschaft in aller Regel auf die<br />

<strong>Kooperation</strong>s- <strong>und</strong> Aussagebereitschaft der Geschädigten angewiesen. Diese ist <strong>im</strong> Bereich<br />

häuslicher Gewalt aus unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht <strong>im</strong>mer gegeben (s. hierzu<br />

u. a. Leuze-Mohr 2005; WiBIG 2004b). Im <strong>Kooperation</strong>sverb<strong>und</strong> <strong>und</strong> v. a. gemeinsam mit den<br />

Einrichtungen der Opferhilfe sollten Überlegungen angestellt werden, wie Betroffene in<br />

Strafverfahren besser geschützt <strong>und</strong> unterstützt werden können <strong>und</strong> welche weiteren Möglichkeiten<br />

einer opt<strong>im</strong>ierten Verfahrensdurchführung bestehen. Dabei kann beispielsweise<br />

der verstärkte Einbezug der Gerichtshilfe in Verfahren bei häuslicher Gewalt geprüft werden<br />

– eine Praxis, mit der die Staatsanwaltschaft Freiburg gute Erfahrungen gesammelt hat (für<br />

weitere Hinweise hierzu s. Winterer 2005). Als weiteres Thema bietet sich ein Austausch zwischen<br />

Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Polizei an, um Fragen der polizeilichen Beweissicherung zu<br />

klären. Der Staatsanwaltschaft kommt zudem eine Schlüsselrolle <strong>im</strong> Bereich der Tätersanktion<br />

zu. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, einen Austausch über geeignete Sanktionen<br />

zu führen. Hierbei sollte u. a. die Möglichkeit <strong>von</strong> Weisungen in Täterangebote besprochen<br />

werden.<br />

25 Strafrichter(innen) können die gewaltverübende Person in Täterprogramme verweisen. Demgegenüber steht Richter(inne)n am Familiengericht <strong>und</strong> am<br />

Zivilgericht nur die Möglichkeit zu, entsprechende Empfehlungen auszusprechen.<br />

26 Formulare zur Beantragung zivilrechtlichen Schutzes nach dem Gewaltschutzgesetz (für Frauen <strong>und</strong> Männer) können unter<br />

www.big-interventionszentrale.de <strong>und</strong> www.bmfsfj.de vom 23.11.2005 abgerufen werden.<br />

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