Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern
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das Gericht abgewiesen (Rupp 2005c: 178). Ungeachtet des insgesamt positiven Resümees<br />
ergeben sich aber auch Hinweise auf Defizite <strong>und</strong> weitergehende Änderungsbedarfe. Auf<br />
der Ebene der Gesetzgebung erweist sich die Regelung der Zuständigkeiten <strong>von</strong> Familiengerichten<br />
<strong>und</strong> allgemeinen Zivilgerichten als problematisch. So wird ein relativ hoher Anteil<br />
<strong>von</strong> Partnerschaftsgewalt <strong>im</strong> Nachgang einer Trennung am Zivilgericht verhandelt, das an<br />
sich nur für Gewalt außerhalb des sozialen Nahbereichs zuständig sein sollte. Es wird daher<br />
gefordert, dem Familiengericht die Zuständigkeit für alle Gewaltschutzverfahren zu übertragen.<br />
Mit einer entsprechenden Änderung des Gesetzes der freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />
(FGG) ist künftig zu rechnen. Ein weiteres Defizit sehen die befragten Expert(inn)en ebenso<br />
wie die Betroffenen darin, dass mit der neuen Gesetzgebung lediglich die Voraussetzungen<br />
geschaffen wurden, Nachstellungen zu sanktionieren, wenn erlassene Schutzanordnungen<br />
verletzt wurden. Eine weitere zentrale Forderung lautet daher, Stalking als eigenen Straftatbestand<br />
festzulegen, so dass bereits das erstmalige Auftreten der Gewalt als Straftat verfolgt<br />
werden kann. Auch hier ist damit zu rechnen, dass sich der Gesetzgeber in absehbarer<br />
Zeit zu einer entsprechenden Neuregelung entschließt. Weitere Veränderungen der gesetzlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen werden <strong>von</strong> Teilen der Expert(inn)en <strong>und</strong> der Betroffenen für Opfer mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> gewünscht: Um die Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus des gewaltverübenden<br />
Partners zu verringern, sollte nicht erst nach zwei Jahren, sondern bereits mit<br />
der Eheschließung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erteilt werden.<br />
Neben diesen Veränderungswünschen, die sich auf die gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen beziehen,<br />
wird in der Begleitforschung deutlich, dass bei der konkreten Umsetzung des Gesetzes Defizite<br />
wahrgenommen werden. So berichten sowohl Teile der befragten Expert(inn)en als<br />
auch Gewaltbetroffene, dass die neuen gesetzlichen Möglichkeiten selbst an den Gerichten<br />
noch nicht ausreichend bekannt sind <strong>und</strong> dementsprechend nicht <strong>im</strong>mer adäquat ausgeschöpft<br />
werden. Insbesondere folgende Rechtspraktiken werden als verbesserungswürdig<br />
angesehen (Rupp 2005d: 318):<br />
• Mündliche Anhörung <strong>im</strong> Eilverfahren<br />
Richter(innen) sollten noch häufiger auf die mündliche Anhörung <strong>im</strong> Eilverfahren verzichten<br />
<strong>und</strong> stattdessen die Anhörung <strong>im</strong> Rahmen der Hauptsache zeitnah festsetzen.<br />
• Ahndung <strong>von</strong> Verstößen<br />
Gefordert wird eine konsequentere Ahndung <strong>von</strong> Verstößen gegen Anordnungen.<br />
Wurden Ordnungsmittel beantragt, sollte die Androhung bzw. Verhängung <strong>von</strong> Haft<br />
Geldbußen vorgezogen werden, da finanzielle Strafen oftmals zulasten der Opfer gehen.<br />
• Vollzug <strong>von</strong> Anordnungen<br />
Von den Möglichkeiten eines schnellen Vollzugs (Vollzug vor Zustellung <strong>und</strong> wiederholte<br />
Vollstreckung) sollte stärker <strong>und</strong> gezielter Gebrauch gemacht werden.<br />
• Form der richterlichen Entscheidung<br />
Familienrichter(innen) sollten in ihrem Vorgehen stärker zwischen Verfahren <strong>von</strong> Gewalt<br />
<strong>im</strong> sozialen Nahbereich <strong>und</strong> anderen familiengerichtlichen Verfahren, wie z. B. Scheidung<br />
oder Umgang, unterscheiden. Speziell in Gewaltschutzverfahren sollte nicht die Befriedung<br />
der Parteien erste Priorität haben, sondern die Herstellung <strong>von</strong> Sicherheit für die gewaltbetroffene<br />
Person. Bei der Abfassung der richterlichen Entscheidung sind daher Beschlüsse<br />
eindeutig der Entwicklung <strong>von</strong> Vereinbarungen vorzuziehen. 18 Zudem sollte die<br />
Entscheidung sanktionsfähig abgefasst werden.<br />
17 Gr<strong>und</strong>gesamtheit: Alle Anträge ohne Parteientscheidungen (Rücknahmen, Erledigungen).<br />
18 Heinke wertet den hohen Anteil <strong>von</strong> Vereinbarungen, mit denen Gewaltschutzverfahren am Familiengericht beendet werden, als Indiz dafür, dass die<br />
gesetzgeberischen Ziele an den Familiengerichten nicht angemessen interpretiert werden (Heinke 2005a).<br />
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