Beratung und Kooperation im Kontext von häuslicher ... - ifb - Bayern

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Darstellung s. Walter/Lenz/Puchert 2004: 183-253). Dies widerspricht klar der Auffassung, dass nur Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt werden. Aber sind die Gewalterfahrungen der Männer identisch mit denen der Frauen? Diese Frage muss ausgehend von der vorliegenden Datenbasis verneint werden. Belege einer vergleichbaren Gewaltbetroffenheit finden sich bislang im Hinblick auf die Verbreitung von Gewalterfahrungen im sozialen Nahraum. Bezüglich weiterer zentraler Merkmale von Partnerschaftsgewalt, wie Häufigkeit, Schwere und Auswirkungen der erfahrenen Beziehungsgewalt, weisen Studien, die entsprechend differenzierte Aussagen erlauben, auf deutliche geschlechtsgebundene Unterschiede hin (Heiliger et al. 2005: 619 f): • Häufigkeit der Gewalthandlungen Wenn Frauen Gewalt in Paarbeziehungen erleben, dann treten im Vergleich zu Männern häufiger Situationen auf, in denen Gewalthandlungen verübt werden. So berichten in der bundesdeutschen Repräsentativbefragung 44 % der Frauen, dass sie in ihren bisherigen Partnerschaften 4 bis 40 mal Gewalt erfahren haben, während die befragten Männer der Pilotstudie nur in Einzelfällen mehr als vier Gewaltsituationen innerhalb der vergangenen fünf Jahre schilderten. • Schwere der Gewalthandlungen Bei den Gewalthandlungen, die durch Beziehungspartnerinnen gegenüber Männern verübt werden, handelt es sich in aller Regel um weniger schwerwiegende Übergriffe, wie z. B. Schubsen oder Kratzen. Diese Übergriffe bergen ein deutlich geringeres Verletzungsrisiko. So berichtet kein einziger gewaltbetroffener Befragter der Pilotstudie, dass er von seiner Partnerin zusammengeschlagen wurde, während der entsprechende Anteil bei den Frauen 21 % beträgt. • Auswirkungen der Gewalt Entsprechend den Unterschieden hinsichtlich der Schwere von Gewalthandlungen tragen Männer, die Partnerschaftsgewalt erleben, ein deutlich geringeres Verletzungsrisiko als Frauen. In der Repräsentativbefragung berichteten 64 % der gewaltbetroffenen Frauen von schweren Verletzungen, während Männer nur in Einzelfällen von entsprechenden Auswirkungen erzählten. Zudem räumen Männer weitaus seltener ein, dass sie Angst hatten, durch die Beziehungspartnerin ernsthaft verletzt oder gefährdet zu werden. Gewalt in Paarbeziehungen, so das Ergebnis der vorliegenden Studien, ist eine Erfahrung, die im Leben vieler Frauen und Männer auftritt. Doch weisen die dargestellten Ergebnisse darauf hin, dass Frauen erheblich häufiger systematischen Misshandlungsbeziehungen ausgesetzt sind (Heiliger et al. 2005: 621). Zwar teilen viele Expert(inn)en diese Sicht der Befundlage, doch gibt es auch Einwände. Eines der Argumente ist dabei, dass vorliegende Studien das tatsächliche Ausmaß von Beziehungsgewalt gegen Männer unterschätzen, da es ihnen aufgrund ihrer Geschlechtsrolle noch schwerer fällt, von Gewalthandlungen und deren Folgen zu berichten. Inwieweit dies zutrifft, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nur schwer beurteilen. Fest steht, dass alle vorliegenden Daten über Gewalt gegen Frauen und Männer das tatsächliche Ausmaß unterschätzen. „Gewalttaten finden zum größten Teil im Verborgenen statt, Traumata und Ängste der Opfer sowie Täterstrategien verhindern die Aufdeckung und das Anzeigen der Taten. (....) Dies trifft insbesondere auf sexuelle Gewalt zu, aber gleichermaßen auf Gewalt in Beziehungen, wenn sich das Opfer schuldig fühlt und sich schämt, dass ihr/ihm entsprechendes widerfahren ist“ (Heiliger et al. 2005: 583f). Für die Gestaltung psychosozialer Hilfen haben die Ergebnisse zur Konsequenz, dass für Betroffene beiden Geschlechts adäquate Angebote bereitgehalten werden müssen (für weitere Hinweise s. I Kap. 4.1 u. II Kap. 3.4). Darüber hinaus ist im Beratungsprozess ein offener Blick 11

I Kontext der Fachberatung für spezifische Ausformungen von Gewalterfahrungen bei Frauen und Männern sowie deren Implikationen für Beratungsbedarfe erforderlich. 1.2 Gesundheitliche und soziale Folgen von häuslicher Gewalt und Nachstellungen Häusliche Gewalt und Stalking sind oftmals mit erheblichen negativen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen für die Opfer verbunden. Dies gilt in gleicher Weise für minderjährige Kinder, die bei gewaltbetroffenen Eltern leben. In den folgenden Abschnitten findet sich ein kurzer Überblick über vorliegende Ergebnisse zu dieser Thematik. Folgen häuslicher Gewalt und Nachstellungen für gewaltbetroffene Frauen und Männer Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt können mit erheblichen und vielfältigen gesundheitlichen und psychosozialen Folgen für die Betroffenen verbunden sein (s. Abb. I 1.1). Gesundheitliche und soziale Folgen von häuslicher Gewalt gegen Frauen Physische Verletzungen Physische Beschwerden Psychische Folgen Soziale Folgen Stich- und Hiebverletzungen, Schnitt- und Brandwunden, Prellungen, Hämatome, Würgemale, Frakturen des Nasenbeins, Arm- und Rippenbrüche, Trommelfellverletzungen, Kiefer- und Zahnverletzungen (Hellbernd/Wieners 2002). Verringerung der Abwehrkräfte, Gefährdung der reproduktiven Gesundheit der Frau, Störungen der Menstruation (Hagemann-White/Bohne 2003). Kopf-, Rücken-, Brustund Unterleibsschmerzen, Magen-Darm-Störungen, Übelkeit/Brechreiz, Atemnot und Essstörungen, chronische Anspannung, Angst und Verunsicherungen, vaginale Verletzungen und Blutungen, Harnwegsinfektionen (Hellbernd/Wieners 2002). Angstzustände, Panikattacken, Schlafstörungen, Misstrauen, Depression, Schamund Schuldgefühle, Gefühle der Beschmutzung und Stigmatisierung, niedriges Selbstwertgefühl durch Demütigung, Verzweiflung, Nervosität, Verlust von Selbstachtung (Schweikert/Baer 2002). Aggressives Verhalten gegenüber anderen, Beziehungs- und Kommunikationsstörungen, ausgeprägte oder extreme Schüchternheit, Angst, Verlegenheit, ausweichende Reaktionen, Schreckhaftigkeit, Passivität, häufiges Weinen (Hagemann- White/Lenz 2002). Abb. I 1.1: Gesundheitliche und soziale Folgen von häuslicher Gewalt gegen Frauen · Quelle: Eigene Zusammenstellung. Aktuelle Zusammenstellungen über mögliche Schädigungen beziehen sich bislang in aller Regel auf die Folgen für Frauen als Opfer von Gewalt. Sieht man davon ab, dass das Verletzungsrisiko von Männern als deutlich geringer einzuschätzen ist, ist davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen Männer schwere Gewalt durch eine Beziehungspartnerin erfahren, ähnliche Auswirkungen wie bei gewaltbetroffenen Frauen auftreten können (vgl. Walter et al. 2004: 199). Die Repräsentativbefragung zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland weist darauf hin, dass 55 % der Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr körperliche Gewalt und 44 % der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten, physische Verletzungen davontragen (Schröttle/ Müller 2004: 136). Die Verletzungsfolgen sind am größten, wenn es sich bei der gewaltverübenden Person um den derzeitigen oder einen ehemaligen Partner handelt. 12

I <strong>Kontext</strong> der Fachberatung<br />

für spezifische Ausformungen <strong>von</strong> Gewalterfahrungen bei Frauen <strong>und</strong> Männern sowie deren<br />

Implikationen für <strong>Beratung</strong>sbedarfe erforderlich.<br />

1.2 Ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Folgen <strong>von</strong> häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Nachstellungen<br />

Häusliche Gewalt <strong>und</strong> Stalking sind oftmals mit erheblichen negativen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

<strong>und</strong> sozialen Auswirkungen für die Opfer verb<strong>und</strong>en. Dies gilt in gleicher Weise für minderjährige<br />

Kinder, die bei gewaltbetroffenen Eltern leben. In den folgenden Abschnitten findet<br />

sich ein kurzer Überblick über vorliegende Ergebnisse zu dieser Thematik.<br />

Folgen häuslicher Gewalt <strong>und</strong> Nachstellungen für gewaltbetroffene Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

Körperliche, sexuelle <strong>und</strong> psychische Gewalt können mit erheblichen <strong>und</strong> vielfältigen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

<strong>und</strong> psychosozialen Folgen für die Betroffenen verb<strong>und</strong>en sein (s. Abb. I 1.1).<br />

Ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Folgen <strong>von</strong> häuslicher Gewalt gegen Frauen<br />

Physische<br />

Verletzungen<br />

Physische<br />

Beschwerden<br />

Psychische Folgen<br />

Soziale Folgen<br />

Stich- <strong>und</strong> Hiebverletzungen, Schnitt- <strong>und</strong> Brandw<strong>und</strong>en, Prellungen, Hämatome,<br />

Würgemale, Frakturen des Nasenbeins, Arm- <strong>und</strong> Rippenbrüche, Trommelfellverletzungen,<br />

Kiefer- <strong>und</strong> Zahnverletzungen (Hellbernd/Wieners 2002).<br />

Verringerung der Abwehrkräfte, Gefährdung der reproduktiven Ges<strong>und</strong>heit der Frau,<br />

Störungen der Menstruation (Hagemann-White/Bohne 2003). Kopf-, Rücken-, Brust<strong>und</strong><br />

Unterleibsschmerzen, Magen-Darm-Störungen, Übelkeit/Brechreiz, Atemnot<br />

<strong>und</strong> Essstörungen, chronische Anspannung, Angst <strong>und</strong> Verunsicherungen, vaginale<br />

Verletzungen <strong>und</strong> Blutungen, Harnwegsinfektionen (Hellbernd/Wieners 2002).<br />

Angstzustände, Panikattacken, Schlafstörungen, Misstrauen, Depression, Scham<strong>und</strong><br />

Schuldgefühle, Gefühle der Beschmutzung <strong>und</strong> Stigmatisierung, niedriges Selbstwertgefühl<br />

durch Demütigung, Verzweiflung, Nervosität, Verlust <strong>von</strong> Selbstachtung<br />

(Schweikert/Baer 2002).<br />

Aggressives Verhalten gegenüber anderen, Beziehungs- <strong>und</strong> Kommunikationsstörungen,<br />

ausgeprägte oder extreme Schüchternheit, Angst, Verlegenheit, ausweichende<br />

Reaktionen, Schreckhaftigkeit, Passivität, häufiges Weinen (Hagemann-<br />

White/Lenz 2002).<br />

Abb. I 1.1: Ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Folgen <strong>von</strong> häuslicher Gewalt gegen Frauen · Quelle: Eigene Zusammenstellung.<br />

Aktuelle Zusammenstellungen über mögliche Schädigungen beziehen sich bislang in aller<br />

Regel auf die Folgen für Frauen als Opfer <strong>von</strong> Gewalt. Sieht man da<strong>von</strong> ab, dass das Verletzungsrisiko<br />

<strong>von</strong> Männern als deutlich geringer einzuschätzen ist, ist da<strong>von</strong> auszugehen,<br />

dass in den Fällen, in denen Männer schwere Gewalt durch eine Beziehungspartnerin erfahren,<br />

ähnliche Auswirkungen wie bei gewaltbetroffenen Frauen auftreten können (vgl. Walter<br />

et al. 2004: 199).<br />

Die Repräsentativbefragung zur ges<strong>und</strong>heitlichen Situation <strong>von</strong> Frauen in Deutschland weist<br />

darauf hin, dass 55 % der Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr körperliche Gewalt <strong>und</strong> 44 %<br />

der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten, physische Verletzungen da<strong>von</strong>tragen (Schröttle/<br />

Müller 2004: 136). Die Verletzungsfolgen sind am größten, wenn es sich bei der gewaltverübenden<br />

Person um den derzeitigen oder einen ehemaligen Partner handelt.<br />

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