Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb
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<strong>ifb</strong> - Materialien 8-2001<br />
<strong>und</strong> Familienarrangements des bürgerlichen Modells von einst sind immer seltener als tragende<br />
Säule des gemeinsamen Lebens geeignet. Moderne, gestaltungsoffenere Familienstrukturen<br />
sind besser geeignet, auf die Einflüsse aus der Arbeitswelt zu reagieren.<br />
Eine der Schlüsselfragen, mit der sich daher immer mehr Menschen in der modernen postindustriellen<br />
Gesellschaft konfrontiert sehen, ist die Harmonisierung von Beruf <strong>und</strong> Familie,<br />
von öffentlichem <strong>und</strong> privatem Leben. Das Problem der Vereinbarung <strong>berufliche</strong>r <strong>und</strong> privater<br />
Interessen <strong>und</strong> Erfordernisse ist kein neues Problem. Neu aber ist, dass diese Problematik<br />
in letzter Zeit eine zusätzliche Dimension erhalten hat: Die Integration <strong>berufliche</strong>r Mobilitätserfordernisse<br />
in das Privatleben <strong>und</strong> in die Familienkarriere. War Berufsmobilität in der Vergangenheit<br />
vornehmlich auf wenige Berufsgruppen <strong>und</strong> auf die Chefetagen beschränkt, ist sie<br />
heute zu einer ständigen Herausforderung für viele geworden. Bei der Lösung der Vereinbarkeitsproblematik<br />
geht es für eine wachsende Zahl von Männern <strong>und</strong> Frauen zunehmend auch<br />
um die Ausbalancierung <strong>berufliche</strong>r Mobilitätsanforderungen mit den persönlichen Bedürfnissen<br />
<strong>und</strong> den familialen Erfordernissen nach Stabilität, Nähe <strong>und</strong> Vertrautheit, nach einem<br />
gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Diesen gemeinsamen Lebensmittelpunkt verkörperte in der<br />
Vergangenheit ganz selbstverständlich die Familie. Für sie war die zeitliche <strong>und</strong> räumliche<br />
Gemeinsamkeit der Familienmitglieder konstitutiv. Heute ist Familie zunehmend durch das<br />
Auseinanderfallen der Lebensräume der einzelnen Familienmitglieder gekennzeichnet. Das<br />
herzustellen, was einst selbstverständlich war, ist jetzt eine oftmals schwer zu lösende Gestaltungsaufgabe.<br />
Die Schaffung gemeinsamer Zeit gelingt häufig nur über komplizierte Arrangements<br />
der Integration <strong>berufliche</strong>r Mobilität in den privaten Teil des Lebens. Und wo dies<br />
nicht gelingt oder nicht gelingen kann, bleibt nur die unerwünschte Alternative: Beruf oder<br />
Familie. Einige dieser Arrangements genauer zu betrachten, ihr biographisches Woher <strong>und</strong><br />
Wohin aufzuzeigen, sowie die damit verb<strong>und</strong>enen Belastungen <strong>und</strong> Vorzüge zu beleuchten,<br />
ist Hauptanliegen dieser Studie.<br />
Mobilität ist ein Schlüsselbegriff der Moderne mit hoher Ambivalenz. Bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
hinein galt Mobilität im Sinne von Reisen <strong>und</strong> Ortswechsel als etwas Schädliches <strong>und</strong> Gefährliches.<br />
Von wenigen Berufsgruppen abgesehen (z.B. Händler, Soldaten), wurde der angestammte<br />
Ort nur selten verlassen. Zu hoch waren die entgegenstehenden Barrieren <strong>und</strong> die<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Nachteile. Seitdem hat Mobilität <strong>und</strong> ihre soziale Bewertung mehrere tiefgreifende<br />
Veränderungen erfahren: Mit Goethe <strong>und</strong> Humboldt wurde Mobilität in Form von<br />
Reisen zum Bildungsgut. In der Folge wurde „mobil sein“ immer mehr als unabdingbar für<br />
die Entwicklung des Wissens <strong>und</strong> der sozialen Fähigkeiten erachtet (vgl. Steinkohl <strong>und</strong><br />
Sumpf 1999). Mit ihren steigenden Möglichkeiten erlangte Mobilität einen gr<strong>und</strong>sätzlich positiven<br />
Gehalt, gleichbedeutend mit Freiheit <strong>und</strong> Selbstbestimmtheit. Den Menschen erschlossen<br />
sich neue Lebenschancen <strong>und</strong> die Möglichkeit, alte Abhängigkeiten hinter sich zu lassen.<br />
In besonderer Weise traf dies für die Abertausenden von Auswanderern zu, die Ende des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts die Alte in Richtung Neuer Welt verlassen haben. Diese Form der Arbeitsmigration<br />
war damals wie heute aufgeladen mit Hoffnungen auf ein neues <strong>und</strong> besseres Leben.<br />
„In dieser Phase der gesellschaftlichen Entwicklung wird Mobilität zu einem Vehikel der<br />
Konstruktion von Freiheit <strong>und</strong> Fortschritt. Physische Mobilität wird mit sozialer in Verbindung<br />
gedacht, wird mit Fortschritt <strong>und</strong> Zukunft positiv assoziiert“ (Bonß <strong>und</strong> Kesselring