Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb
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36 ifb - Materialien 8-2001 sungsleistungen wie der Verlust des Arbeitsplatzes und löst somit Stress aus. Der Umfang der Anpassungsleistung, die mit einem bestimmten Ereignis verbunden ist, kann anhand der intersubjektiven Übereinstimmung in einer sozialen Gruppe ermittelt werden. Der ermittelte Wert lässt sich auf alle Personen übertragen, die mit diesem Ereignis konfrontiert werden. Die Theorie kann daher als intersubjektiv-objektiver Ansatz bezeichnet werden (Weber 1997, 2). Holmes und Rahe entwickelten einen Fragebogen, der anhand der Anzahl erlebter life-events die individuelle Belastung messen soll. Ein hoher life-event-Wert so Holmes und Rahe, führt zu Einbußen des psychischen und/oder physischen Wohlbefindens (Masuda und Holmes 1978; Rahe und Arthur 1978). An die life-event Forschung werden zwei zentrale Kritikpunkte herangetragen: Die Annahme, dass ein Ereignis für alle Betroffenen in gleicher Weise belastend ist, wird in Frage gestellt. Der zweite Vorwurf richtet sich darauf, dass die Konzentration auf einschneidende Ereignisse zur Vernachlässigung der kleineren alltäglichen Belastungen führt, die in der Summe eine größere Bedeutung für die Befindlichkeit haben können als lifeevents. In neueren Konzeptionen der life-event Forschung wird die subjektive Bewertung, wie sie für die Stresskonzeption von Lazarus kennzeichnend ist, bei der Bemessung des Belastungsausmaßes eines Ereignisses einbezogen (Filipp 1990; Vossel 1987). Die transaktionale Theorie von Lazarus und seiner Arbeitsgruppe kann seit den 1970er Jahren als die prominenteste und gängigste psychologische Stresskonzeption bezeichnet werden (Lazarus 1966, 1984, 1991). Wie allen interaktionistischen Theorien liegt ihr die Annahme zugrunde, dass Eigenschaften der Person die Wahrnehmung und kognitive Strukturierung von Situationen beeinflussen (vgl. Laux 1993, 470). Doch im Unterschied zu interaktionistischen Ansätzen wird anstelle eines monokausalen Verhältnisses zwischen Situation und Person eine reziproke Beziehung zwischen Situation und Person angenommen, die als Transaktion bezeichnet wird. Stress entsteht vor dem Hintergrund folgender Bewertungsprozesse: Im Rahmen einer Primärbewertung wird geprüft, ob eine Situation herausfordernd, schädigend oder bedrohend ist. Ist dies der Fall, werden in der nun folgenden Sekundärbewertung die eigenen Bewältigungsressourcen geprüft. Kommt die Person zu dem Ergebnis, dass bestehende Handlungsmöglichkeiten oder Fähigkeiten stark beansprucht werden, an Grenzen geraten oder ü- berschritten werden, entsteht Stress. Im Gegensatz zum Ansatz von Holmes und Rahe wird hier Stress zu einer Erfahrung, die vor einem individuellen Hintergrund steht: In Abhängigkeit von den spezifischen Merkmalen der Person wird einer Situation eine bestimmte Bedeutung zugewiesen. D.h. ein und dieselbe Situation kann von der einen Person als belastend und von der anderen als nicht belastend empfunden werden. Welche Merkmale in welcher Weise den Bewertungsprozess beeinflussen, ist eine zentrale Forschungsfrage. Als relevante Konstrukte, die interindividuelle Unterschiede erklären, gelten u.a. folgende Persönlichkeitsmerkmale (Bartlett 1998): Die Überzeugung Ereignisse beeinflussen zu können (locus of control); hardiness – ein Konzept von Kobasa (1979), in dem physiologische, genetische, soziale und psychologische Ressourcen, die die Stressresistenz einer Person bestimmen, zusammengefasst werden sowie Kohärenzgefühl – eine allgemeine Grundhaltung eines Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben, die sich durch eine hohe Kontrollüberzeugung und eine optimistische Grundeinstellung auszeichnet (Bengel, Strittmatter und Willmann 1998).
Berufsmobilität und Lebensform 37 Der differentielle Einfluss der Umwelt spielt im Rahmen der psychologischen Stressforschung eine eher untergeordnete Rolle. Als relevante Merkmale gelten u.a. soziale Unterstützung und die sozioökonomische Situation. Weber weist darauf hin, dass in den derzeit gängigen psychologischen Stresskonzeptionen die Bedeutung des sozialen Kontextes für die Wahrnehmung und Bewältigung von Stress vernachlässigt wird. Bewältigung wird bei Lazarus zu einem individuellen Geschehen, das in keinem Zusammenhang mit der jeweiligen Gesellschaft steht. Bei Holmes und Rahe wird das Belastungsausmaß von Ereignissen, die die Lebensführung verändern, anhand intersubjektiver Übereinstimmung ermittelt. Doch bleibt der soziale Konstruktionsprozess hierbei unberücksichtigt, da davon ausgegangen wird, dass das soziale Urteil einen „objektiven“ Belastungsgrad wiedergibt (Weber 1997, 2). Vor dem Hintergrund einer sozial-konstruktivistischen Perspektive führt Weber daher das Konzept sozialer Regeln bei der Wahrnehmung und Bewältigung von Belastungen ein (Weber 1997). Für die Belastungswahrnehmung bedeutet dies, dass soziale Regeln einen entscheidenden Einfluss darauf haben, welche Situation als belastend bewertet wird. 2.3.2 Stresskonzeptionen auf der Ebene von Partnerschaft und Familie Innerhalb der Familiensoziologie entwickelte sich mit den Arbeiten von Angell (1936), Cavan und Ranck (1938) sowie Koos (1946) die Familienstressforschung (zusammenfassend: Limmer 2001 i.E.). Ziel der Ansätze ist es bis heute, den zeitlichen Verlauf familialer Krisen zu beschreiben. Dabei stand zunächst die Analyse von Krisen im Mittelpunkt, die durch große gesellschaftliche Probleme wie z.B. Massenarbeitslosigkeit oder durch Kriege ausgelöst werden. Später weitete sich der Anwendungsbereich aus und es werden alle potentiell kriseninduzierenden Ereignisse untersucht. Im Rahmen der psychologischen Stressforschung wurden bis in die 1990er Jahre ausschließlich individuumsbezogene Ansätze entwickelt – die Entstehung von Stress in Partnerschaften oder Familien war kein Thema. Erst die Arbeiten von Schneewind (1991), Bodenmann und Perrez (1991) und Bodenmann (1995) leiteten hier eine Wende ein. Eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Familienstressforschung haben die Arbeiten von Hill (1949, 1958). Das von ihm formulierte ABC-X Modell der Krisenentstehung, das den interaktionsbezogenen Stressmodellen zuzurechnen ist, ist die Grundlage aller nachfolgenden Arbeiten. Ein Ereignis (A), dem ein bestimmtes Belastungspotential inhärent ist, kann in Abhängigkeit der vorhandenen familialen Ressourcen (B) und der familialen Definition des Ereignisses (C) eine Krise (X) auslösen. Von einer Krise wird dann gesprochen, wenn die Belastungsintensität, die durch ein einzelnes Belastungsereignis oder durch eine Ansammlung verschiedener Belastungen hervorgerufen wird, die Entwicklung neuer Verhaltensmuster fordert (Hill 1949, 51). In der Folge trugen insbesondere McCubbin und Patterson et al. (1983a/b) zur Weiterentwicklung des Modells bei. Mit dem doppelten ABC-X Modell und dem nachfolgenden „Typology Model of Family Adjustment and Adaptation“ (McCubbin und McCubbin 1989) werden u.a. folgende Neuerungen eingeführt: Die statische wird durch eine prozessorientierte Sichtweise abgelöst, d.h. die Entstehung und die Anpassung an eine Krise werden im zeitlichen Verlauf analysiert. Durch die Einführung des Bewältigungskonzepts wird die monokausale Beziehung zwischen dem Ereignis und der Familie zugunsten ei-
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Der differentielle Einfluss der Umwelt spielt im Rahmen der psychologischen Stressforschung<br />
eine eher untergeordnete Rolle. Als relevante Merkmale gelten u.a. soziale Unterstützung<br />
<strong>und</strong> die sozioökonomische Situation. Weber weist darauf hin, dass in den derzeit gängigen<br />
psychologischen Stresskonzeptionen die Bedeutung des sozialen Kontextes für die Wahrnehmung<br />
<strong>und</strong> Bewältigung von Stress vernachlässigt wird. Bewältigung wird bei Lazarus zu<br />
einem individuellen Geschehen, das in keinem Zusammenhang mit der jeweiligen Gesellschaft<br />
steht. Bei Holmes <strong>und</strong> Rahe wird das Belastungsausmaß von Ereignissen, die die Lebensführung<br />
verändern, anhand intersubjektiver Übereinstimmung ermittelt. Doch bleibt der<br />
soziale Konstruktionsprozess hierbei unberücksichtigt, da davon ausgegangen wird, dass das<br />
soziale Urteil einen „objektiven“ Belastungsgrad wiedergibt (Weber 1997, 2). Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
einer sozial-konstruktivistischen Perspektive führt Weber daher das Konzept sozialer<br />
Regeln bei der Wahrnehmung <strong>und</strong> Bewältigung von Belastungen ein (Weber 1997). Für die<br />
Belastungswahrnehmung bedeutet dies, dass soziale Regeln einen entscheidenden Einfluss<br />
darauf haben, welche Situation als belastend bewertet wird.<br />
2.3.2 Stresskonzeptionen auf der Ebene von Partnerschaft <strong>und</strong> Familie<br />
Innerhalb der Familiensoziologie entwickelte sich mit den Arbeiten von Angell (1936), Cavan<br />
<strong>und</strong> Ranck (1938) sowie Koos (1946) die Familienstressforschung (zusammenfassend: Limmer<br />
2001 i.E.). Ziel der Ansätze ist es bis heute, den zeitlichen Verlauf familialer Krisen zu<br />
beschreiben. Dabei stand zunächst die Analyse von Krisen im Mittelpunkt, die durch große<br />
gesellschaftliche Probleme wie z.B. Massenarbeitslosigkeit oder durch Kriege ausgelöst werden.<br />
Später weitete sich der Anwendungsbereich aus <strong>und</strong> es werden alle potentiell kriseninduzierenden<br />
Ereignisse untersucht.<br />
Im Rahmen der psychologischen Stressforschung wurden bis in die 1990er Jahre ausschließlich<br />
individuumsbezogene Ansätze entwickelt – die Entstehung von Stress in Partnerschaften<br />
oder Familien war kein Thema. Erst die Arbeiten von Schneewind (1991), Bodenmann <strong>und</strong><br />
Perrez (1991) <strong>und</strong> Bodenmann (1995) leiteten hier eine Wende ein.<br />
Eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Familienstressforschung haben die Arbeiten<br />
von Hill (1949, 1958). Das von ihm formulierte ABC-X Modell der Krisenentstehung, das<br />
den interaktionsbezogenen Stressmodellen zuzurechnen ist, ist die Gr<strong>und</strong>lage aller nachfolgenden<br />
Arbeiten. Ein Ereignis (A), dem ein bestimmtes Belastungspotential inhärent ist, kann<br />
in Abhängigkeit der vorhandenen familialen Ressourcen (B) <strong>und</strong> der familialen Definition des<br />
Ereignisses (C) eine Krise (X) auslösen. Von einer Krise wird dann gesprochen, wenn die Belastungsintensität,<br />
die durch ein einzelnes Belastungsereignis oder durch eine Ansammlung<br />
verschiedener Belastungen hervorgerufen wird, die Entwicklung neuer Verhaltensmuster fordert<br />
(Hill 1949, 51). In der Folge trugen insbesondere McCubbin <strong>und</strong> Patterson et al.<br />
(1983a/b) zur Weiterentwicklung des Modells bei. Mit dem doppelten ABC-X Modell <strong>und</strong><br />
dem nachfolgenden „Typology Model of Family Adjustment and Adaptation“ (McCubbin<br />
<strong>und</strong> McCubbin 1989) werden u.a. folgende Neuerungen eingeführt: Die statische wird durch<br />
eine prozessorientierte Sichtweise abgelöst, d.h. die Entstehung <strong>und</strong> die Anpassung an eine<br />
Krise werden im zeitlichen Verlauf analysiert. Durch die Einführung des Bewältigungskonzepts<br />
wird die monokausale Beziehung zwischen dem Ereignis <strong>und</strong> der Familie zugunsten ei-