Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb
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Berufsmobilität <strong>und</strong> <strong>Lebensform</strong> 27<br />
sind für Lee nicht nur die ökonomischen Variablen Einkommen <strong>und</strong> Arbeitsmarkt, sondern<br />
auch das Klima, das jeweilige Schulsystem usw. Er führt dann zwei weitere Kategorien ein:<br />
Intervenierende Hindernisse, hier ist vor allem die Distanz zwischen den Gebieten zu nennen,<br />
aber auch physikalisch-geographische Barrieren oder rechtliche Hindernisse, wie z.B. Einwanderungsgesetze.<br />
Die vierte Kategorie ist schließlich diejenige, die auf der Individualebene<br />
angesiedelt ist. Sie besteht aus persönlichen Faktoren, d.h. Merkmalen der wandernden Personen,<br />
wobei hier sowohl Variablen wie Nationalität oder Geschlecht als auch die Stellung im<br />
Lebenszyklus oder der Bildungs- <strong>und</strong> Berufsstatus angeführt werden können (vgl. Lee 1972).<br />
Obwohl Lee die Bedeutung individueller Faktoren erkannt hat, ist es ihm noch nicht möglich,<br />
diese zu operationalisieren <strong>und</strong> in seine Theorie mit einzubinden. Er bleibt letztlich auf der<br />
Ebene der aggregierten Wanderungsströme. So wird „der Weg zu einer neuen Forschungsrichtung<br />
... aufgezeigt, aber selbst noch nicht begangen.“ (Franz 1984, 61)<br />
Systemtheoretische Ansätze: Hoffmann-Nowotny<br />
Systemtheoretische Ansätze sind, wie die bislang vorgestellten Theorien, auf der Aggregatebene<br />
angesiedelt, erheben aber im Gegensatz zu den ökonomischen Theorien einen soziologischen<br />
Erklärungsanspruch. Das Hauptinteresse dieser Ansätze liegt in der Klärung der Frage,<br />
wie Gesellschaftssysteme auf sozialstrukturelle Ungleichgewichtszustände <strong>und</strong> daraus resultierende<br />
Spannungen reagieren bzw. wie solche Spannungen zwischen Subsystemen ausgeglichen<br />
werden. Solche Spannungen entstehen z.B. durch die ungleiche Verteilung von<br />
Macht <strong>und</strong>/oder Ressourcen. Zum Spannungsabbau oder -ausgleich stehen dem System dann<br />
mehrere Strategien zur Verfügung, von demographischen über technologische Änderungen<br />
bis hin zum Wandel der sozialen Organisationen, wozu dann auch die territoriale Differenzierung,<br />
d.h. Migration zu zählen ist (Schnore, zit. nach Albrecht, 1972, 160).<br />
Neben den frühen Arbeiten von Eisenstadt (1954) <strong>und</strong> Sa<strong>und</strong>ers (1956) stellt die Theorie der<br />
strukturellen <strong>und</strong> anomischen Spannungen von Hoffmann-Nowotny (1970) eine der wichtigsten<br />
Arbeiten auf diesem Gebiet dar <strong>und</strong> soll deswegen auch etwas ausführlicher dargelegt<br />
werden. Die zentralen Dimensionen der Theorie sind Macht <strong>und</strong> Prestige. Macht wird, in Anlehnung<br />
an Max Weber, definiert als das Ausmaß, in dem ein Anspruch auf Teilhabe an sozialen<br />
Werten durchgesetzt werden kann. Prestige stellt die Legitimationsfunktion für diese<br />
Machtansprüche <strong>und</strong> den Machtbesitz dar (Hoffmann-Nowotny 1970, 26 <strong>und</strong> 29). Macht <strong>und</strong><br />
Prestige sind in jedem Gesellschaftssystem ungleich verteilt, sollten aber auf der Ebene der<br />
Akteure weitgehend übereinstimmen. Subsysteme mit einem bestimmten Ausmaß an Macht<br />
sollten auch die entsprechende Legitimation für diese Position haben. Kommt es zu einer Differenz<br />
zwischen Macht <strong>und</strong> Prestige, also zu Macht- oder Prestige-„Überschüssen“ oder „Defiziten“,<br />
dann führt dies nach Hoffmann-Nowotny (1970, 26f.) im Gesellschaftssystem zu<br />
strukturellen Spannungen, die beim einzelnen Akteur auf eine Angleichung von Macht <strong>und</strong><br />
Prestige hinwirken. Strukturelle Spannungen können bei Akteuren auch zu anomischen Situationen<br />
führen, wenn kein Macht-Prestige-Ausgleich möglich ist. Ein Beispiel für einen solchen<br />
Spannungszustand wären Mitglieder einer nationalen Minderheit, die in ihrer eigenen<br />
Gruppe eine hohe Anerkennung besitzen, aber in der Gesamtgesellschaft nur wenig Macht<br />
haben, da der Zugang zu bestimmten Positionen für sie gesperrt ist. Der einzelne Akteur kann<br />
nun auf verschiedene Weise versuchen, einen Ausgleich zu erreichen: