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Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb

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Berufsmobilität <strong>und</strong> <strong>Lebensform</strong> 21<br />

tierter <strong>und</strong> er erfordert die Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Verhandlungsfamilien bestehen<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage ausbalancierter Beziehungen zwischen allen Familienmitgliedern. Diese<br />

Balancen zu erreichen <strong>und</strong> aufrecht zu erhalten ist eine der großen Herausforderungen der<br />

Moderne.<br />

Individualisierung <strong>und</strong> Pluralisierung sind wichtige, aber nicht die bedeutsamsten Veränderungen<br />

der letzten Jahre. Die vielleicht bedeutsamste Veränderung betrifft die Beziehungsgestaltung<br />

in der Familie <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en die Motive zur Gründung <strong>und</strong> zur Aufrechterhaltung<br />

von Familie. Francois de Singly, ein französischer Soziologe, fasst den Wandel dahingehend<br />

zusammen, dass die Familie der Vergangenheit aufgabenorientiert war <strong>und</strong> die Familie<br />

der Moderne beziehungsorientiert ist. Das bedeutet, dass nicht mehr die Beziehung zu einer<br />

Person im Mittelpunkt steht, sondern die Befriedigung, die die Familienmitglieder aus den<br />

Beziehungen erfahren. Das „Ich“ überwiegt das „Wir“, dennoch wird das „Wir“ als der<br />

ideale Weg zum persönlichen Glück angesehen. Immer mehr Paare verspüren in dieser Situation<br />

die Schwierigkeit der Balance zwischen partnerschaftlicher Einheit <strong>und</strong> individueller Autonomie.<br />

Die Lösung dieser Problematik wird schichtspezifisch in unterschiedlicher Weise<br />

praktiziert: Angehörige unterer Schichten tendieren mehr zum Wir, die oberer Schichten mehr<br />

zum Ich. Im Vergleich zu den 60er Jahren lässt sich feststellen, dass die damals dominante<br />

Form des „Fusionspaares“, also des Paares, das ganz zum „Wir“ verschmolz, mehr <strong>und</strong> mehr<br />

abgelöst wird durch eine Form, die „Assoziationspaar“ genannt werden kann, also eine Vereinigung<br />

zur Erreichung ähnlich gelagerter individueller Ziele. Damit steigt die Attraktivität<br />

von <strong>Lebensform</strong>en, die es Männern <strong>und</strong> Frauen erleichtern, ihren persönlichen Interessen<br />

nachzugehen.<br />

Hinzu kommt, dass emotionale Momente als tragendes F<strong>und</strong>ament von Partnerschaften immer<br />

weiter in den Vordergr<strong>und</strong> getreten sind. Auf diesem Weg wird Familie idealisiert <strong>und</strong><br />

überhöht <strong>und</strong> infolgedessen destabilisiert. Ein Vorgang, der dadurch beschleunigt wird, dass<br />

sich das Familienleben gegenwärtig immer stärker im Spannungsfeld gestiegener Erwartungen<br />

an Partnerschaft <strong>und</strong> Elternschaft sowie wachsender Anforderungen hinsichtlich Verfügbarkeit<br />

<strong>und</strong> Flexibilität am Arbeitsplatz befindet. Die veränderten Bedingungen des Arbeitslebens<br />

führen dazu, dass Berufstätige mehr <strong>und</strong> mehr der Familie entzogen werden. Die Formel<br />

der flexiblen Gesellschaft, wie sie von Richard Sennett analysiert wird, „bleibe beweglich,<br />

gehe keine langfristigen Verpflichtungen ein“, charakterisiert vielfach schon die Arbeitswelt,<br />

nun beginnt sie mehr <strong>und</strong> mehr auch das Privatleben der Menschen zu durchdringen.<br />

Blicken wir kurz zurück: Die traditionelle bürgerliche Familie hat ein spezifisches Bewusstsein<br />

hervorgebracht, das bis Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts passgenau den Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> der<br />

Funktionslogik damaliger gesellschaftlicher Institutionen entsprach: Tradition, Disziplin,<br />

Loyalität, Hierarchie, Treue zum Staat <strong>und</strong> zum Betrieb - alles in allem außengesteuerte soziale<br />

Bindungen. Viele gesellschaftliche Institutionen haben von diesen Werten längst Abstand<br />

genommen, am deutlichsten in der Arbeitswelt. An die Stelle jener einstigen Tugenden<br />

sind Eigenschaften wie Flexibilität, Elastizität, Bereitschaft zur Veränderung <strong>und</strong> auf Kurzfristigkeit<br />

angelegte Bindungen getreten. Die Funktionslogiken von Öffentlichkeit <strong>und</strong> Familie,<br />

die trotz gestiegener Scheidungsraten weiterhin auf der Funktionslogik der Langfristigkeit

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