Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb
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Berufsmobilität <strong>und</strong> <strong>Lebensform</strong> 17<br />
Lebensverläufe sind das Produkt makrostruktureller Konstellationen, historischer Ereignisse,<br />
kumulierter biographischer Erfahrungen <strong>und</strong> dadurch geprägter bzw. daran orientierter individueller<br />
Handlungen <strong>und</strong> Entscheidungen. Lebensverläufe konfigurieren sich als Sequenzen<br />
von Zuständen <strong>und</strong> Phasen, deren Auftreten (Prävalenz), biographische Platzierung (Timing)<br />
<strong>und</strong> Dauer (Permanenz) durch individuelle Entscheidungen <strong>und</strong> strukturelle Gegebenheiten<br />
fixiert werden. Im Zuge des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses haben Lebensverlaufmuster<br />
<strong>und</strong> insbesondere auch Standardprozesse der privaten Lebensführung einschneidende<br />
Veränderungen erfahren. Eine der wesentlichen Entwicklungen ist der Trend zur Erweiterung<br />
der Spielräume für die individuelle Gestaltung des Lebensverlaufs. Lebensverläufe<br />
sind dabei flexibler, vielfältiger, aber auch brüchiger <strong>und</strong> schlechter planbar geworden. Der<br />
Verlauf der privaten Lebensführung in der Gegenwart ist im Vergleich zu den 1950er <strong>und</strong><br />
60er Jahren dadurch charakterisiert, dass aufgr<strong>und</strong> des Rückgangs von Familiengründungen<br />
<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> häufigerer Auflösungen <strong>und</strong> Neugründungen von familialen <strong>Lebensform</strong>en der<br />
individuelle Gesamtlebensverlauf weniger eng mit dem Familienentwicklungsprozess korrespondiert.<br />
Im Lebensverlauf wird Familie immer häufiger zu einem komplexen Beziehungsgeflecht,<br />
in dem Teile aktueller <strong>und</strong> früherer familialer <strong>Lebensform</strong>en zusammengefügt werden.<br />
Familie wandelt sich von einer Haushaltsgemeinschaft zum Beziehungsnetz, „from location<br />
to relation“ (Dumon 1993), <strong>und</strong> zur „multilokalen Familie“ (Bertram 1991). Im Zuge dieses<br />
Wandels werden die Beziehungen zwischen den Generationen zu einem tragenden Bestandteil<br />
von Familien (Bertram <strong>und</strong> Kreher 1996) <strong>und</strong> Elternschaft tritt, im Vergleich zum Familienstand,<br />
als maßgebendes Kriterium des Lebensverlaufs immer stärker in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Indem <strong>Lebensform</strong>en dynamischer werden <strong>und</strong> ihren Charakter als relativ statische Dauereinrichtung<br />
einbüßen, sind sie nicht nur als Strukturformen von Interesse, sondern auch als<br />
Lebensphasen (vgl. Schneider, Rosenkranz <strong>und</strong> Limmer 1998).<br />
1.4 Berufsmobilität aus sozialwissenschaftlicher Perspektive<br />
Über das Ausmaß <strong>berufliche</strong>r Mobilität in Deutschland ist vergleichsweise wenig bekannt.<br />
Sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung ist im Wesentlichen beschränkt auf Umzugsmobilität.<br />
Neuere Beispiele in dieser Hinsicht sind die Arbeiten von Wagner (1989) <strong>und</strong> Kalter<br />
(1997). Thema ist, in Anlehnung an die amtliche Statistik, der Wechsel des Hauptwohnsitzes<br />
über die Gemeindegrenze hinweg (residenzielle Mobilität). Andere Formen räumlicher Mobilität,<br />
wie das tägliche oder das wöchentliche Pendeln zwischen Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsort, wiederkehrende<br />
längere, beruflich bedingte Abwesenheit vom Wohnort <strong>und</strong> das Pendeln zwischen<br />
zwei Wohnorten, im Falle der getrennten Haushaltsführung (zirkuläre Mobilität), werden,<br />
vom täglichen Pendeln abgesehen (Beispiel dafür ist die Arbeit von Ott <strong>und</strong> Gerlinger<br />
1992), als möglicher Forschungsgegenstand gar nicht wahrgenommen (eine Ausnahme bilden<br />
hier die Arbeiten von Hackl 1992, die sich mit Wochenendpendlern befasst <strong>und</strong> der Beitrag<br />
von Kalter 1994 über Fernpendeln als Alternative zum Umzug). Das gilt noch mehr für die<br />
daraus entstehenden mobilen <strong>Lebensform</strong>en. <strong>Lebensform</strong>en sind stets Gegenstand sozialer<br />
Bewertung, einige sind sozial legitimiert, andere werden marginalisiert oder diskriminiert <strong>und</strong><br />
wieder andere werden ignoriert <strong>und</strong> nicht zur Kenntnis genommen. Letzteres gilt für mobile