Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb

Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb

21.12.2013 Aufrufe

142 ifb - Materialien 8-2001 Andersartig oder normal? Mobile Lebensformen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung Etwa 40% der mobilen Personen nehmen ihre eigene Lebensform als von ihrem subjektiven Normalitätskonzept abweichend wahr. Dabei treten zwei entgegengesetzte Wahrnehmungsmuster hervor. Shuttles und Umzugsmobile empfinden sich häufiger als etwas Besonderes im positiven Sinne. Sie empfinden sich als pionierhaft und ihre Lebensform als zeitgemäß, erleben im Zusammenhang mit ihrer Mobilität Erfolg und persönliche Stärke, ihre Lebensform und die damit verbundenen Umstände werden als reizvoll und attraktiv erlebt. Demgegenüber wird ein zweites Selbstkonzept erkennbar, das vornehmlich negativ geprägt ist, durch ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Partner und den Kindern und durch eine Schicksalsergebenheit angesichts als nicht beeinflussbar wahrgenommener Zwänge. Dieses Deutungsmuster tritt im Vergleich der Lebensformen besonders bei Fernpendlern auf. Fernpendler sehen sich selbst eher als immobil, Pendeln wird als Lösung betrachtet, um „wirkliche“ Mobilität, in der Bedeutung von Umzugsmobilität, zu vermeiden. Shuttles, LATs, Varimobile und Umzugsmobile sehen sich dagegen als mobil an. 38% der mobilen Personen berichten über wahrgenommene Reaktionen Dritter, die eine Deutung der eigenen mobilen Lebensform als abweichend beinhalteten. Über positive Reaktionen im Sinne von Bewunderung oder Bestätigung wurde nur selten berichtet. Die meisten Reaktionen waren mehr oder weniger ausgeprägt negativ im Sinne von Vorwürfen, Mitleid oder Unverständnis. Diese negativen Reaktionen erfolgten weitgehend unabhängig von der konkreten Art der mobilen Lebensform. Gewinner und Verlierer - Welche Unterschiede bestehen zwischen mobilen und nicht mobilen Lebensformen? Vergleicht man die Auswirkungen der verschiedenen mobilen und nicht mobilen Lebensformen auf die Bereiche Familienleben, Berufserfolg, finanzielle Situation und individuelles Wohlbefinden, so erscheint Umzugsmobilität eindeutig als die insgesamt günstigste Handlungsalternative mit positiven Folgen für Beruf, finanzielle Situation und Partnerschaft, bei geringer Belastung. Danach rangieren die beiden nicht mobilen Lebensformen, mit besonders günstigen Folgen für Familie und soziale Integration, ohne berufliche Nachteile bei Ortsfesten, mit Nachteilen im beruflichen und finanziellen Bereich bei Rejectors. Ambivalent ist die Situation bei Varimobilen und LATs, sehr positiven Auswirkungen im finanziellen, dies gilt v.a. für Varimobile, und im beruflichen Bereich stehen nachteilige Folgen für Familie und Partnerschaft gegenüber. Die Mobilitätsformen Wochenend- und Fernpendeln sind die großen Verlierer. Hier überwiegen eindeutig die negativen Folgen für Familie und Partnerschaft und insbesondere für das individuelle Wohlbefinden, Nachteile, denen oftmals kaum positive Auswirkungen finanzieller oder beruflicher Art gegenüberstehen. Lebensformen, die dauerhaft auf Mobilität ausgerichtet sind und längere Abwesenheiten der mobilen Person von zu Hause implizieren, sind, nach den Einschätzungen der Betroffenen, eher belastende Alternativen. Dort, wo es sich bei Mobilität um punktuelle Lebensereignisse handelt, sind die Folgen dagegen überwiegend positiv.

Berufsmobilität und Lebensform 143 Welchen Stellenwert haben mobile Lebensformen in der Partnerschaftsbiographie? Umzugsmobilität, so hat es den Anschein, wird von vielen als „wahre“ Mobilität betrachtet. Andere Mobilitätsformen, v.a. Wochenend- und Fernpendeln werden vielfach als Möglichkeiten angesehen, „wirkliche“ Mobilität zu vermeiden. So ist es wenig überraschend, dass Umzugsmobilität hauptsächlich zu Beginn der Familien- und Berufskarriere erfolgt, andere Mobilitätsformen hingegen gerade auch von älteren Personen praktiziert werden, die ihre eigene Mobilitätsbereitschaft als eher gering einschätzen. Die Umzugsbereitschaft ist bei den meisten Umzugsmobilen auf ein oder zwei Umzüge beschränkt. Längere Umzugskarrieren werden nur von einer Minderheit als realistische Alternativen akzeptiert. Abgesehen von den Fernpendlern, unter denen mehr als die Hälfte ihre Lebensform als dauerhaftes Arrangement betrachten, und Varimobilen, sind alle anderen mobilen Lebensformen weit überwiegend als Übergangsphase im Lebenslauf konzipiert. Vor allem Fernbeziehungen, z.T. auch Shuttles, sind Lebensformen, die vornehmlich am Beginn einer Partnerschaftskarriere und vor der intensiven Familienphase praktiziert werden. Umzugsmobilität erfolgt meist zu Beginn der Familienentwicklung, also in einer recht intensiven Familienphase. Fernpendeln ist eine Lebensform, die vor allem auch in mittleren und späteren Familienphasen gelebt wird, während Varimobile ihre Lebensform vergleichsweise unabhängig vom Stand der jeweiligen Familienentwicklung gestalten. Im Vergleich aller mobilen Personen sehen sich Varimobile als besonders mobil an. Ihre Mobilitätsbereitschaft ist über die mittlere Lebensspanne hinweg am höchsten und relativ unbeeinflusst vom Lebensalter und von familialen Gegebenheiten. Motive zur Aufrechterhaltung bzw. zur Veränderung mobiler Lebensformen sind in den meisten Fällen beruflicher und privater Natur. Ein Ausnahme stellen nur die Fernpendler dar, die die Dauerhaftigkeit ihrer Lebensform hauptsächlich mit privaten Motiven begründen. Personen, die in auf Dauer ausgerichteten mobilen Lebensformen leben, begründen dies v.a. mit der Attraktivität des Arbeitsplatzes in Verbindung mit individuellen Motiven wie Heimatverbundenheit und, in einigen Fällen, mit der als reizvoll erlebten, mobilitätsbedingten partiellen Unabhängigkeit von der Familie. Mobile Lebensformen, die als Übergangsphase konzipiert sind, sind dies häufig aufgrund zeitlich befristeter beruflicher Umstände, oft in Verbindung mit einer zeitlich beschränkten individuellen Mobilitätsbereitschaft. Die mobilen Arrangements scheinen insgesamt betrachtet vor allem durch individuelle Dispositionen und berufliche Umstände beeinflusst zu sein. Familiale Gegebenheiten, insbesondere kindbezogene Übergänge (z.B. Einschulung) haben dagegen einen geringeren Einfluss auf die Lebensform. Sie beeinflussen zwar deren Binnengestaltung, selten jedoch die Mobilitätsform. Das gilt besonders für Fernpendler, Varimobile und Umzugsmobile. Verzögert oder verhindert Berufsmobilität die Familienentwicklung? Mobilität hemmt oder verhindert die Familienentwicklung. 42% der befragten Männer und 69% der befragten Frauen geben an, dass sich die berufliche Situation hemmend auf die Familienentwicklung auswirkt. Beruflich mobile Menschen bleiben signifikant häufiger kinderlos als nicht mobile und falls Berufsmobile Eltern werden, erfolgt der Übergang zur Elternschaft deutlich später. Der Einfluss der Mobilität auf die Familienentwicklung ist vor allem durch zwei Faktoren bestimmt: Das Geschlecht der mobilen Person und die

Berufsmobilität <strong>und</strong> <strong>Lebensform</strong> 143<br />

Welchen Stellenwert haben mobile <strong>Lebensform</strong>en in der Partnerschaftsbiographie?<br />

Umzugsmobilität, so hat es den Anschein, wird von vielen als „wahre“ Mobilität betrachtet.<br />

Andere Mobilitätsformen, v.a. Wochenend- <strong>und</strong> Fernpendeln werden vielfach als Möglichkeiten<br />

angesehen, „wirkliche“ Mobilität zu vermeiden. So ist es wenig überraschend, dass Umzugsmobilität<br />

hauptsächlich zu Beginn der Familien- <strong>und</strong> Berufskarriere erfolgt, andere Mobilitätsformen<br />

hingegen gerade auch von älteren Personen praktiziert werden, die ihre eigene<br />

Mobilitätsbereitschaft als eher gering einschätzen. Die Umzugsbereitschaft ist bei den meisten<br />

Umzugsmobilen auf ein oder zwei Umzüge beschränkt. Längere Umzugskarrieren werden<br />

nur von einer Minderheit als realistische Alternativen akzeptiert.<br />

Abgesehen von den Fernpendlern, unter denen mehr als die Hälfte ihre <strong>Lebensform</strong> als dauerhaftes<br />

Arrangement betrachten, <strong>und</strong> Varimobilen, sind alle anderen mobilen <strong>Lebensform</strong>en<br />

weit überwiegend als Übergangsphase im Lebenslauf konzipiert. Vor allem Fernbeziehungen,<br />

z.T. auch Shuttles, sind <strong>Lebensform</strong>en, die vornehmlich am Beginn einer Partnerschaftskarriere<br />

<strong>und</strong> vor der intensiven Familienphase praktiziert werden. Umzugsmobilität erfolgt meist<br />

zu Beginn der Familienentwicklung, also in einer recht intensiven Familienphase. Fernpendeln<br />

ist eine <strong>Lebensform</strong>, die vor allem auch in mittleren <strong>und</strong> späteren Familienphasen gelebt<br />

wird, während Varimobile ihre <strong>Lebensform</strong> vergleichsweise unabhängig vom Stand der jeweiligen<br />

Familienentwicklung gestalten. Im Vergleich aller mobilen Personen sehen sich Varimobile<br />

als besonders mobil an. Ihre Mobilitätsbereitschaft ist über die mittlere Lebensspanne<br />

hinweg am höchsten <strong>und</strong> relativ unbeeinflusst vom Lebensalter <strong>und</strong> von familialen Gegebenheiten.<br />

Motive zur Aufrechterhaltung bzw. zur Veränderung mobiler <strong>Lebensform</strong>en sind in den meisten<br />

Fällen <strong>berufliche</strong>r <strong>und</strong> privater Natur. Ein Ausnahme stellen nur die Fernpendler dar, die<br />

die Dauerhaftigkeit ihrer <strong>Lebensform</strong> hauptsächlich mit privaten Motiven begründen. Personen,<br />

die in auf Dauer ausgerichteten mobilen <strong>Lebensform</strong>en leben, begründen dies v.a. mit<br />

der Attraktivität des Arbeitsplatzes in Verbindung mit individuellen Motiven wie Heimatverb<strong>und</strong>enheit<br />

<strong>und</strong>, in einigen Fällen, mit der als reizvoll erlebten, mobilitätsbedingten partiellen<br />

Unabhängigkeit von der Familie. Mobile <strong>Lebensform</strong>en, die als Übergangsphase konzipiert<br />

sind, sind dies häufig aufgr<strong>und</strong> zeitlich befristeter <strong>berufliche</strong>r Umstände, oft in Verbindung<br />

mit einer zeitlich beschränkten individuellen Mobilitätsbereitschaft.<br />

Die mobilen Arrangements scheinen insgesamt betrachtet vor allem durch individuelle Dispositionen<br />

<strong>und</strong> <strong>berufliche</strong> Umstände beeinflusst zu sein. Familiale Gegebenheiten, insbesondere<br />

kindbezogene Übergänge (z.B. Einschulung) haben dagegen einen geringeren Einfluss auf die<br />

<strong>Lebensform</strong>. Sie beeinflussen zwar deren Binnengestaltung, selten jedoch die Mobilitätsform.<br />

Das gilt besonders für Fernpendler, Varimobile <strong>und</strong> Umzugsmobile.<br />

Verzögert oder verhindert Berufsmobilität die Familienentwicklung?<br />

Mobilität hemmt oder verhindert die Familienentwicklung. 42% der befragten Männer <strong>und</strong><br />

69% der befragten Frauen geben an, dass sich die <strong>berufliche</strong> Situation hemmend auf die<br />

Familienentwicklung auswirkt. Beruflich mobile Menschen bleiben signifikant häufiger<br />

kinderlos als nicht mobile <strong>und</strong> falls Berufsmobile Eltern werden, erfolgt der Übergang zur<br />

Elternschaft deutlich später. Der Einfluss der Mobilität auf die Familienentwicklung ist vor<br />

allem durch zwei Faktoren bestimmt: Das Geschlecht der mobilen Person <strong>und</strong> die

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