Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb
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<strong>ifb</strong> - Materialien 8-2001<br />
• Mobilität hat einen zusätzlichen Bedeutungsgehalt erhalten: Mobilität wird nicht mehr<br />
nur als Bewegung von Menschen im Raum verstanden (räumliche Mobilität) oder als die<br />
Bewegung von Individuen in der Gesellschaft (soziale Mobilität). In seinem modernen<br />
Bedeutungsgehalt steht Mobilität auch für Flexibilität, Offenheit, Verfügbarkeit, Engagement<br />
<strong>und</strong> Belastbarkeit. Mobil sein heißt aktiv <strong>und</strong> kreativ sein; Mobilität wird immer<br />
stärker zum Synonym für geistige Beweglichkeit <strong>und</strong> jugendliche Dynamik, zum Symbol<br />
für die Bereitschaft, sich modernen <strong>berufliche</strong>n Gegebenheiten anzupassen. Beruflich<br />
mobil zu sein wird in diesem Sinne zum Selbstzweck. „Die moderne Kultur weist die Eigenschaft<br />
auf, dass das bloße Versäumen des Wechsels als Zeichen des Misserfolgs bewertet<br />
wird, Stabilität erscheint als Lähmung“ (Sennett 1998, 115). Mobilität entwickelt<br />
sich mehr <strong>und</strong> mehr zu einem wertgeschätzten Merkmal der Persönlichkeit von Individuen<br />
<strong>und</strong> zu einer wichtigen Eigenschaft von Organisationen aller Art. Auch Organisationen<br />
müssen, um weiter bestehen zu können, veränderungsoffen, anpassungsfähig <strong>und</strong><br />
flexibel sein oder werden. In diesem Sinne hat sich Mobilität zur sozialen Norm mit hoher<br />
Verbindlichkeit entwickelt.<br />
• Räumliche Mobilität ist nach unserem Verständnis, im Unterschied zu der verbreiteten<br />
sozialwissenschaftlichen Auffassung, nicht beschränkt auf „die Bewegung im Raum, die<br />
einen Wohnortwechsel impliziert“ (Albrecht 1972, 25), sondern umfasst zudem alle Formen<br />
räumlicher Mobilität, bei denen wiederkehrend größere Distanzen überw<strong>und</strong>en werden,<br />
zumeist verb<strong>und</strong>en mit längeren Abwesenheiten vom Wohnort. Menschen müssen,<br />
um räumlich mobil zu sein, ihren Lebensmittelpunkt nicht auf Dauer verlagern. Gerade<br />
im Zusammenhang mit Berufsmobilität entstehen Mobilitätsformen auch dadurch, dass<br />
Menschen ihren Lebensmittelpunkt nicht verlagern (z.B. Fernpendler) bzw. ihr Leben um<br />
zwei Lebensmittelpunkte (Wohnort <strong>und</strong> Arbeitsort, z.B. Shuttles) organisieren.<br />
• Die Bereitschaft zu räumlicher Mobilität ist von vier Faktoren in ihrer je spezifischen<br />
Kombination abhängig: (1) von den Merkmalen <strong>und</strong> Attraktionen der Ziel- <strong>und</strong> der Herkunftsregion,<br />
(2) von den mit der räumlichen Mobilität verb<strong>und</strong>enen sozialen Aufstiegsmöglichkeiten,<br />
(3) von individuellen Faktoren wie Alter, Bildung, wirtschaftlicher Situation,<br />
individualpsychologischen Erfahrungen (vgl. dazu Myers 1999) <strong>und</strong> Dispositionen,<br />
(4) von familialen Gegebenheiten, wie Familienstruktur <strong>und</strong> Berufsorientierung des Partners<br />
oder der Partnerin.<br />
• Soziale Mobilität ist nicht länger nur im klassischen soziologischen Verständnis von sozialem<br />
Aufstieg oder Abstieg zu denken. Stark zugenommen hat horizontale soziale Mobilität.<br />
Soziale Mobilität in diesem Sinne geht einher mit Prozessen der Einbindung, des<br />
Verlassens <strong>und</strong> der Wiedereinbindung in soziale Netzwerke. Sozial mobil ist, wer seine<br />
Netzwerke wechselt, sie immer wieder neu konfiguriert. Sozialer Auf- oder Abstieg muss<br />
dabei nicht unbedingt erfolgen.<br />
• Der Umgang mit <strong>berufliche</strong>n Mobilitätserfordernissen <strong>und</strong> die Wahl <strong>und</strong> Ausgestaltung<br />
der <strong>Lebensform</strong> stehen in einem engen Interdependenzverhältnis. Zeigt man sich beruflich<br />
mobil, hat dies unmittelbar Konsequenzen für die eigene <strong>Lebensform</strong>. Umgekehrt<br />
beeinflusst die jeweilige <strong>Lebensform</strong> die Reaktion auf Mobilitätserfordernisse.