Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb
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Berufsmobilität <strong>und</strong> <strong>Lebensform</strong> 11<br />
erhöhten Mobilitätserfordernisse für die Familie, von denen er zusammenfassend als „Familiengift“<br />
spricht. Aber auch umgekehrt bestehen ähnliche Zusammenhänge. Bindungen <strong>und</strong><br />
Verpflichtungen im familialen Bereich sind beruflich ein „Karrieregift“. Typischerweise sind<br />
davon noch immer Frauen erheblich stärker betroffen, eine Betroffenheit, die auch entsprechend<br />
antizipiert <strong>und</strong> erfahren wird. In einer von der Zeitschrift „Junge Karriere“ bei Psephos<br />
in Auftrag gegebenen Studie, in der 1999 knapp 600 Hochschulabsolventen <strong>und</strong> -<br />
absolventinnen kurz nach ihrem Berufseinstieg befragt wurden, gaben 57% der Frauen aber<br />
nur 24% der Männer an, dass Kinder eher Nachteile im Unternehmen mit sich bringen. Auf<br />
die Frage, ob eine Ehe günstiger ist, um ins obere Management aufzurücken, antworteten<br />
47% der Männer <strong>und</strong> nur 37% der Frauen mit „ja“. Diese Zahlen sind Hinweise darauf, dass,<br />
geschlechtstypisch in unterschiedlichem Ausmaß, familiale Obligationen <strong>berufliche</strong> Karrierechancen<br />
spürbar beeinträchtigen wie auch umgekehrt die Folgen gestiegener <strong>berufliche</strong>r Mobilitätserfordernisse<br />
den familialen Entwicklungsprozess zunehmend behindern.<br />
Den erhöhten Anforderungen an Umfang <strong>und</strong> Intensität von Mobilität stehen Obligationen aller<br />
Art entgegen. Das gilt insbesondere für Verpflichtungen, die aus auf Dauer angelegten<br />
Bindungen resultieren. Darin liegt eine der Ursachen, die maßgeblich dafür sind, dass Bindungen<br />
im privaten <strong>und</strong> im betrieblichen Bereich instabiler geworden sind. Kurzfristige Bindungen<br />
sind mittlerweile typisch für das Berufsleben <strong>und</strong> immer häufiger kennzeichnen sie<br />
auch die privaten Beziehungen der Menschen. Gerade in der New Economy, also dem Teil<br />
der Wirtschaft, der nichts Materielles, sondern Virtuelles produziert, ist Mobilität <strong>und</strong> Veränderung<br />
zum Wert erhoben. Konnte ein amerikanischer Student 1965 damit rechnen, dass er in<br />
seinem Arbeitsleben bei vier Arbeitgebern beschäftigt ist, liegt dieser Wert heute bei elf (Sennett<br />
2000). Wer heute länger als fünf Jahre bei derselben Firma ist, muss sich rechtfertigen,<br />
warum er sich nicht bewegt hat. Ähnlich ist die Situation auch in Deutschland. Nach einer<br />
von Emnid 1999 im Auftrag von Immobilien Scout 24 durchgeführten Studie bei Personalberatern<br />
<strong>und</strong> Headhuntern wird ein Berufsanfänger heute im Schnitt sechsmal, in manchen<br />
Branchen sogar achtmal den Job wechseln. Vielen (72% der in der Emnid Studie Befragten)<br />
behagt das damit verb<strong>und</strong>ene Erfordernis zu räumlicher Mobilität nicht. Dabei am häufigsten<br />
genannt werden die Probleme für Partner <strong>und</strong> Kinder. Hier entsteht Unzufriedenheit. Die<br />
Vermittlung von Spitzenmanagern scheitert, so die Erfahrungen von Headhuntern, immer<br />
häufiger daran, dass einer notwendigen Mobilität familiale Obligationen entgegenstehen.<br />
Dabei beeinflussen Kinder, noch stärker als Partner, die Entscheidung zu bleiben. Unter<br />
diesen Bedingungen ändern sich die Formen der Mobilität. Der klassische Familienumzug<br />
verliert an Bedeutung, dafür steigt die Zahl der Tages- <strong>und</strong> der Wochenendpendler (Molitor<br />
2000, 61; Kalter 1994).<br />
Für die Zukunft ist zu erwarten, dass traditionelle Arbeitsverhältnisse fortschreitend durch<br />
diskontinuierliche Erwerbsbiographien mit hohen Anforderungen an Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität<br />
abgelöst werden. Als Folge des erhöhten Mobilitätsdrucks werden Erwerbsbiographien<br />
seltener durch dauerhafter Arbeitsbeziehungen gekennzeichnet sein. Unterschiedliche <strong>berufliche</strong><br />
Tätigkeiten, häufigere Wechsel des Arbeitsgebers, des Berufs <strong>und</strong> des Wohnorts werden<br />
moderne Erwerbsbiographien mehr <strong>und</strong> mehr kennzeichnen, wobei Vollzeit- <strong>und</strong> Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse,<br />
befristete <strong>und</strong> unbefristete Anstellungen aufeinander folgen, beglei-