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Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche ... - ifb

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<strong>ifb</strong> - Materialien 8-2001<br />

pendeln, Fernpendeln oder Fernbeziehungen sind verbreitete Formen, <strong>berufliche</strong> Mobilitätserfordernisse<br />

<strong>und</strong> Familie ohne Umzug in Einklang zu bringen. Wirklich neu sind die meisten<br />

Formen <strong>berufliche</strong>r Mobilität nicht, auch wenn sich Ausmaß, Anlass <strong>und</strong> Intensität verändert<br />

haben. Neu dagegen ist, dass es immer mehr Menschen nicht gelingt, Berufserfolg <strong>und</strong> Familie<br />

zu vereinbaren. Karriereorientiert <strong>und</strong> mobil zu sein ist vielfach gleichbedeutend mit dem<br />

Verzicht auf Familie. Das gilt besonders für Frauen. Erfolgreiche, mobile Frauen sind in der<br />

Regel kinderlos. Und umgekehrt gilt: Frauen mit Kindern neigen im Unterschied zu Männern<br />

eher dazu, ihre <strong>berufliche</strong>n Ambitionen zugunsten der Kinder zurückzunehmen.<br />

Mobil sein heißt, im engen Sinn des Wortes, beweglich sein, sich räumlich <strong>und</strong> sozial nicht<br />

immer am gleichen Ort aufzuhalten. Räumliche Mobilität, insbesondere sofern sie beruflich<br />

induziert ist, ist dabei häufig mit sozialer Mobilität verknüpft, jedoch besteht kein kausaler<br />

Zusammenhang. Ein in Aussicht gestellter sozialer Aufstieg fördert die Bereitschaft zur räumlichen<br />

Mobilität <strong>und</strong> umgekehrt erhöht die Bereitschaft zur räumlichen Mobilität die Chancen<br />

zum <strong>berufliche</strong>n <strong>und</strong> damit sozialen Aufstieg. Dies galt in der Vergangenheit <strong>und</strong> es gilt in<br />

Zeiten der Globalisierung, besonders in den neuen Branchen, mehr denn je. Mobil sein steht<br />

hier für die Bereitschaft, sich den Anforderungen des Marktes zu unterwerfen, um dem Lockruf<br />

des sozialen Aufstiegs zu folgen.<br />

Damit ist ein weiterer, sehr bedeutsamer Begriffsgehalt von „mobil sein“ tangiert, auf den bereits<br />

Sorokin Mitte der 1920er Jahre aufmerksam gemacht hat. Mobil sein als Persönlichkeitsmerkmal,<br />

als Synonym für geistige Beweglichkeit, Engagement, Dynamik <strong>und</strong> Einsatzbereitschaft.<br />

Umgekehrt hat Immobilität eine negative Konnotation im Sinne von unflexibel,<br />

unzeitgemäß, träge <strong>und</strong> beruflich mäßig engagiert erhalten. Wer nicht mobil sein will oder<br />

sein kann, gehört bald zu den Verlierern im harten Wettbewerb um Berufserfolg.<br />

Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Mobilität ist nicht aus sich heraus gut, ebenso wenig<br />

wie Immobilität an sich negativ ist. Mobilität hat ihren Preis, nicht nur in materieller <strong>und</strong><br />

ökologischer Hinsicht. Viel unterwegs zu sein kann spezifische individuelle <strong>und</strong> familiale Belastungen<br />

erzeugen, die die Leistungsfähigkeit der Betroffenen durchaus schmälern können.<br />

Über die durch <strong>berufliche</strong> Mobilität entstehenden zusätzlichen Gestaltungsaufgaben im privaten<br />

Bereich ist bislang wenig bekannt <strong>und</strong> möglicherweise werden sie in ihren Auswirkungen<br />

unterschätzt. Hinzu kommt, dass die weit verbreitete Annahme, Immobilität führe zu einem<br />

eingeschränkten Erfahrungshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> damit zu einem eingeengten Reflexionshorizont,<br />

in ihrer Zwangsläufigkeit unbewiesen ist – so hat etwa Immanuel Kant sein Leben lang Königsberg<br />

nicht verlassen.<br />

Die teilweise überschießenden Mobilitätsanforderungen, mit denen sich Beschäftigte durch<br />

ihre Arbeitgeber konfrontiert sehen, sind häufig einseitig an betrieblichen Belangen orientiert,<br />

ignorieren zumeist die familialen Verpflichtungen der Betroffenen <strong>und</strong> übersehen zudem die<br />

möglichen belastenden Folgen der Mobilität auf Seiten der Arbeitnehmer. Schon Anfang der<br />

1960er Jahre haben Berger <strong>und</strong> Luckmann darauf aufmerksam gemacht, dass räumliche sowie<br />

soziale Mobilität die Identität der mobilen Personen gefährden können. Die individuellen<br />

Konsequenzen räumlicher <strong>und</strong> sozialer Mobilität, die damit verb<strong>und</strong>enen psychosozialen<br />

Kosten, werden heute vor allem aus individualisierungstheoretischer Sicht thematisiert (vgl.<br />

Beck 1986). Beck diskutiert in diesem Kontext die vornehmlich negativen Auswirkungen der

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