26.10.2012 Aufrufe

Untitled - Aufgehorcht

Untitled - Aufgehorcht

Untitled - Aufgehorcht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Großer Preis von Deutschland 1936.<br />

Hans Stuck, der spätere Zweite.<br />

des Fahrers hätte genügt, um das bis ins Feinste durchkonstruierte<br />

Menschenwerk zum Trümmerhaufen zu machen.<br />

Da fuhr auch schon ein „Silberner“ an die Boxen vor.<br />

Carraciola auf Mercedes-Benz stieg aus und gab auf. In der<br />

fünften und siebenten Runde fehlten wieder zwei Wagen. Das<br />

Sterben ging weiter. Rosemeyer begann das Feld zu jagen. Fünf<br />

Minuten betrug schon sein Vorsprung. Lächelnd winkte er uns<br />

an den Boxen zu. Da zeigte ihm der Rennleiter an der Rückseite<br />

der Boxe die Fahne zum Reifenwechsel. Auf dem Betonboden<br />

vor der Boxe legten wir nun Reifen und Kupferhämmer bereit.<br />

Achtung, rief der Rennleiter. Rosemeyer tauchte auf und hielt<br />

mit den Hinterrädern genau bei den bereitgelegten Reifen. Mit<br />

kräftigen Schlägen wirbelten zwei Kupferhämmer durch die<br />

Luft. Mit zwei atü Druck rauschten 200 Liter Brennstoff in den<br />

Tank, und während der Schwimmer langsam das Ventil schloss,<br />

wurde auch schon die letzte Radkappe festgeschlagen. Die<br />

Stoppuhr zeigte 42 Sekunden, da raste Rosemeyer auch schon<br />

wieder davon. Langanhaltender Beifall kam von der Tribüne zu<br />

uns herüber.<br />

In der achten Runde hielt unser Ernst Delius mit zerfetzten<br />

Hautblasen an den Händen vor unserer Boxe zum Reifenwechsel.<br />

Das anstrengende Steuern in den Kurven hatte seine empfindlichen<br />

Hände zerschunden. Da hielt an der Mercedes-<br />

Boxe schon wieder ein Rennwagen. Der Fahrer Lang hatte in<br />

der zehnten Runde beim Schalten den Finger gebrochen.<br />

Rennleiter Neubauer nahm ratlos seinen Hut vom Kopf, kraulte<br />

sich hinter den Ohren und blies Luft in seine Backen. Nach<br />

langem, aufgeregten Diskutieren stieg Carraciola in Langs<br />

Wagen und fuhr weiter. Erst in der elften Runde fuhr der reifenschonende<br />

Hans Stuck an unsere Boxen. Wir wechselten<br />

zwei Reifen und tankten in einer Minute. Fritz M. und ich, wir<br />

haben Stuck die Reifen schon in 27 Sekunden gewechselt. Da<br />

kam wieder eine neue Sensationsmeldung. Diesmal von der<br />

„Antoniusbuche“. Chiron auf Mercedes hatte sich beim Überholen<br />

mit 260 km/h überschlagen und landete leicht verletzt<br />

rechts der Bahn im Graben. In derselben Runde fuhr<br />

Carraciola den zweiten Mercedes-Benz sauer und blieb dann<br />

auf der Strecke liegen. Zwei Runden danach gab auch der<br />

stärkste Italiener, Tazio Nuvolari, mit heißgelaufenem Motor<br />

auf.<br />

Das war ein mörderischer Kampf zwischen Menschen und<br />

Motoren bei brütender Hitze. Der Nürburgring wurde in diesen<br />

Stunden langsam ein Rennwagen-Friedhof. Jetzt hielt es<br />

Delius nicht mehr länger aus. Mit schmerzverzerrtem Gesicht<br />

fuhr er an unsere Boxe und ließ sich seine Finger verbinden.<br />

AufgeHorcht<br />

Auch Stuck und Hasse führten im Rennwagen mit der Hitze<br />

einen verbissenen Kampf. Da kam Rosemeyer zum letzten Mal<br />

langsam an unsere Boxe gerollt. Wir wechselten ihm alle vier<br />

Räder und tankten auf. Währenddessen wischte er sich mit<br />

einem nassen Schwamm sein mit Dreck vollgespritztes Gesicht<br />

ab. Während der Wagenheber hochgekippt wurde, machte er<br />

uns Mechanikern eine lange Nase und fuhr nach 1,7 Minuten<br />

lächelnd davon, als wäre nichts gewesen. Über solche Nerven<br />

konnten wir nur den Kopf schütteln. Einen solchen Rennfahrer<br />

gab es nur einmal.<br />

Abtasten von Nerven und Mechanik<br />

Nach drei Stunden, 48 Minuten und 39 Sekunden wurde<br />

Rosemeyer als Sieger dieses schweren Rennens ein großer<br />

grüner Eichenlaubkranz um die Schultern gelegt. Europameister<br />

Hans Stuck wurde Zweiter. Alle anderen Rennfahrer wurden<br />

mehrmals überrundet. Unsere Wagen kamen auf den ersten,<br />

zweiten, fünften und sechsten Platz. Drei Mercedes, drei Alfa<br />

Romeo, drei Maserati und ein Bugatti fielen aus. Rosemeyers<br />

feines Gefühl und Gehör für seinen Motor und seine Zehntel-<br />

Sekunden-Berechnung in den Kurven waren keine wilde Jagd,<br />

sondern ein feines Sich-Einander-Abtasten von Nerven und<br />

Mechanik im Kampf um Sekunden. Und das hatte zum Teil zehn<br />

Rennwagen seiner Kampfgefährten zur Strecke gebracht.<br />

24 Stunden danach tobte sich die Siegespropaganda im Anzeigenteil<br />

deutscher Zeitungen aus. Dort stand groß neben vier<br />

Ringen zu lesen: „Auto-Union siegt…siegt… Der anspruchsvolle<br />

Fahrer kauft noch heute einen der siegreichen Qualitätswagen,<br />

einen Horch 8-Zylinder.“ Was hatte denn nun ein Rennwagen<br />

mit dem Personenwagen ein und derselben Firma gemein?<br />

Nichts! Die auf vollen Touren laufende Kraftfahrzeug-Propaganda<br />

des erfolgreichen Rennjahres 1936 brachte den Aktionären<br />

der Auto Union Millionengewinne ein.<br />

Vier Stunden jagten sich die edlen, überzüchteten Fahrzeuge<br />

über eine vor dem Rennen glattgefegte Bahn. Edelstähle, veredeltes<br />

Dural, Spezialbetriebsstoff, Öl und Gummi dieser Rennwagen<br />

waren viel zu teuer, um sie konstruktiv und fertigungsgemäß<br />

nutzbringend bei der Serienfertigung von Personenwagen<br />

anwenden zu können. Und die angeblich daraus resultierenden<br />

Erfahrungswerte für die Gebrauchsfahrzeuge waren<br />

fast Null und nur Reklame für die Unternehmer.<br />

Fotos: Archiv Jürgen Pönisch<br />

Fortsetzung folgt<br />

Aufstellung der Rennwagen und Monteure am Haupttor<br />

des Werkes Horch am 6. November 1936 zum Empfang<br />

der erfolgreichen Auto Union-Rennmannschaft.<br />

02/2008 33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!