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Untitled - Aufgehorcht

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Ich wurde auf schnellstem Wege in ein Krankenhaus hinunter<br />

nach Adenau überführt. Zwei Ärzte hatten mich untersucht<br />

und behandelt. Ich hatte ein schwere Gehirnerschütterung<br />

und die hintere Schädelbasis war fünf Zentimeter aufgeplatzt.<br />

Dort lag ich nun vom Sonntag, 11 Uhr, bis Dienstag, 9 Uhr, ohne<br />

Besinnung.<br />

Als ich die Augen wieder öffnete, sah alles um mich trübe und<br />

verschwommen aus. Am Abend tauchte neben meinem Bett<br />

etwas Schwarzes auf und lächelte mich an. Aus saubergelegtem<br />

schwarzen Tuch schaute ein Gesicht heraus, das einzige,<br />

das etwas Menschliches verriet. Am Hals baumelte ein silbernes<br />

Kruzifix. Sah ich richtig? Eine Nonne! Jetzt dämmerte es<br />

bei mir. Ich war im Krankenhaus des St.-Josephs-Klosters untergebracht.<br />

Das konnte ja gut werden!<br />

Am anderen Morgen, als ich mit klarem Kopf erwachte, sah<br />

ich auf dem abseits stehenden Tisch einen Korb mit schönen<br />

Äpfeln und Birnen stehen. Das Dienstmädchen Änne vom Sporthotel<br />

hatte ihn für mich abgegeben. Daneben lag ein Brief. Ich<br />

öffnete ihn und las den Inhalt:<br />

Lieber Rudolf!<br />

Leider konnten wir Dich am Sonntag früh nicht sprechen. Du warst<br />

noch ohne Bewusstsein. Es tut uns sehr leid, dass Dir das Unglück<br />

zugestoßen ist. Mir ging dieser Unfall während des ganzen Rennens<br />

im Kopfe herum. Freue Dich mit mir, ich habe trotzdem den Zweiten<br />

gemacht. Werde bald wieder gesund und tue das nie wieder.<br />

Mit den besten Wünschen für Deine Gesundheit<br />

Deine getreuen Stucks<br />

In dem Brief lagen, noch unerwähnt, zwei Einhundertscheine<br />

von Stuck. Hans Stuck schenkte immer gern, ohne viel Worte<br />

zu machen.<br />

Am vierten Tag spätabends suchte ich das Klosett auf und sah<br />

durch ein kleines Fenster ins Freie. Gegenüber wurde in einer<br />

kleinen Mansardenkammer Licht gemacht. Ein Fenster wurde<br />

geöffnet. Dann erschien eine Nonne im Fensterrahmen. Sie<br />

glaubte sich unbeobachtet und begann sich zu entkleiden. Alles<br />

ist menschlich. Auch wenn sich eine Frau nachts vor dem<br />

Schlafengehen entkleidet. Aber hier hörte die Menschlichkeit<br />

auf. Als sie zum zweiten Mal ohne Kopfbedeckung am Fenster<br />

erschien, wischte ich mir erst die Augen aus. Dort stand eine<br />

etwa 30-jährige Frau in einem groben Nachthemd mit geschorenem<br />

Kopf am Fenster, nahm<br />

ihr Kruzifix vom Hals und begann<br />

zu beten. Doch dieser eine Fall<br />

konnte krankheitsbedingt sein.<br />

Am anderen Abend suchte ich die<br />

anderen Fenster ab und fand bestätigt,<br />

was ich wissen wollte.<br />

Zwei weitere Nonnen hatten<br />

keine Haare auf dem Kopf.<br />

Oh Mensch, Meisterwerk der<br />

Natur! Wo bleibt dein Verstand<br />

des 20. Jahrhunderts? In seliger<br />

Selbstversenkung zu Gott verneinten<br />

die Nonnenschwestern<br />

die Lebensbejahung dieser wirklichen<br />

Welt und suchten im finsteren<br />

Jenseits die Vereinigung mit<br />

ihrem unsichtbaren Gott. In blin-<br />

der Glaubenskraft an die katholische<br />

Kirche schändeten sie ihr<br />

menschliches Antlitz, um Gott zu<br />

gefallen und von ihren eingebil-<br />

Rudolf Hasse beim Boxenstopp<br />

zum Rennen am Nürburgring 1936.<br />

AufgeHorcht<br />

deten Sünden befreit zu werden. Den einzigen Zutritt dieser<br />

Nonnen in das gesellschaftliche Leben des Alltags, das die<br />

strenge Kirchenordnung zuließ, war die Pflege der Kranken.<br />

Ich hatte nun genug von meinem nächtlichen Beobachtungsstand,<br />

ging in mein Zimmer und machte mich über den Krug<br />

Rotwein her, den die Nonnenschwester zwei Mal am Tage für<br />

mich anfüllte.<br />

Vier Wochen sollte ich in diesem Krankenhaus bleiben. Nach<br />

einer Rücksprache mit meinem Arzt, Prof. Dr. Frings, verließ<br />

ich nach zehn Tagen dieses Betkrankenhaus mit seiner mittelalterlichen<br />

Mystik. In Leipzig ließ ich mich von einem Nervenarzt<br />

gründlich untersuchen und nahm meine Arbeit wieder<br />

auf.<br />

Großkampftag auf dem Nürburgring<br />

Der Großkampftag der Rennfahrzeuge 1936 auf dem Nürburgring<br />

war eines der größten Motorsportereignisse Europas. Die<br />

Wald-, Wiesen- und Ackerränder an der 22 Kilometer langen<br />

Rennstrecke waren zusammenhängend mit 320.000 Zuschauern<br />

übersät. Die Zuschauerplätze in Weberseifen, am Karussell und<br />

am Schwalbenschwanz glichen mit ihren vielen Zelten einem<br />

Heerlager. Von 400, 500, ja 600 Kilometer entfernten Orten<br />

kamen die ganz Begeisterten auf staubigen Straßen zum Nürburgring<br />

gefahren, um acht Stunden in brütender Hitze den<br />

Kampf der Motorräder und Rennwagen mitzuerleben.<br />

Zwanzig Rennwagen, die schnellsten der Welt, mit den besten<br />

und härtesten Rennfahrern Europas standen auf dem sonnengeheizten<br />

Asphalt und warteten auf den Sprung zum Sieg. In<br />

Reihen zu je drei und zwei Rennwagen in zehn Meter Abstand<br />

standen die menschlichen Beherrscher von kraftstrotzender<br />

Mechanik, von denen keiner sagen konnte, ob er nach vier Stunden<br />

lebend den Zielstreifen überfährt. Die wenigen Außenseiter<br />

mit den schwächsten Motoren, die nie entscheidend ins Rennen<br />

eingreifen konnten, hatten es immer am eiligsten mit dem Anwerfen<br />

der Motoren. Schon 15 Minuten vor dem Start machten<br />

sie mit ihrem Lärm die Zuschauer verrückt und nervös.<br />

Die Vordersten in den Startreihen waren Rosemeyer,<br />

Carraciola, Stuck, Brauchitsch und Nuvolari. Um sie herum<br />

02/2008 31

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