Untitled - Aufgehorcht
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AufgeHorcht<br />
Hart am Tod vorbei<br />
Aus dem Tagebuch eines<br />
Rennmechanikers der Auto Union<br />
Am 28. Juli 1935, 11 Uhr, zum „Großen Preis von Deutschland“,<br />
hätte auch ich durch falschen Ehrgeiz auf dem Nürburgring<br />
bald den Tod gefunden. Die Gehirnerschütterung und der<br />
Schädelbruch, das ich beides damals davon trug, löschten alles<br />
Erleben in den letzten Stunden vor dem Unfall in meinem Gehirn<br />
aus. Ich konnte mich hinterher an nichts mehr erinnern.<br />
Sechs Wochen danach erzählte mir unser Rennleiter, W. Walb,<br />
wie sich alles ereignet hatte.<br />
Wieder standen die Rennwagen in Reih und Glied auf ihren<br />
Startnummern. In der Sonne blitzten die silbernen Leiber der<br />
deutschen Rennwagen zwischen den roten der Italiener. Die<br />
Rennfahrer wechselten mit den Monteuren noch einige Worte.<br />
Während vorn die Spitzenfahrer als letzte ihre Rennwagen<br />
bestiegen, liefen die Motoren der hinten stehenden Wagen<br />
schon auf hohen Drehzahlen. Die Uhr zeigte noch zwei Minuten<br />
bis zum Start. Fritz M. und ich, wir warfen mit einem Ruck<br />
Stucks Motor an. Er kam sofort. Wir überprüften schnell die<br />
Kerzen. Sie waren alle sechzehn sauber. Dann gingen wir zur<br />
Seite. Nun liefen die Motoren. Blaue durchsichtige Rizinuswolken,<br />
mit Äther und Benzol vermischt, schwebten über dem<br />
Startplatz. Schon diese Luft allein vor der aufgeregten Zuschauermenge<br />
der Tribüne ließ das Kommende ahnen.<br />
Die letzten Sekunden näherten sich. Die Rennfahrer schauten<br />
nach vorn und gaben bei eingeschaltetem Gang abwechselnd<br />
Vollgas. Eine Hand am Steuer, die andere an der Handbremse,<br />
einen Fuß auf dem Kupplungspedal, den anderen wippend am<br />
Gaspedal, konzentrierten die Rennfahrer ihre Nerven auf den<br />
Startmoment. Kompressoren heulten auf. Aus weiten Auspuffrohren<br />
donnerten die Abgase fünfhundertpferdiger Motoren.<br />
Am Start hatte Tausende Zuschauer das Nervenfieber gepackt.<br />
Da, was fiel Stuck ein? Er schob die Brille hoch, sah zu<br />
uns Monteuren herüber und hob aufgeregt beide Arme hoch.<br />
Ein Blick zu den Auspuffrohren, und wir wussten Bescheid.<br />
Stucks Motor war im entscheidenden Moment abgestorben.<br />
Was sich nun ereignete, war Sekundensache.<br />
Wir zwei Monteure Stucks wollten hinzuspringen. Fritz wurde<br />
von einem italienischen Rennmechaniker festgehalten. Ich soll<br />
auf meine Stoppuhr gesehen haben und mit der Andrehkurbel<br />
in der Hand in unüberlegter Begeisterung mitten in die noch<br />
30<br />
02/2008<br />
Teil 6<br />
Rudolf Friedrich hat als Rennmechaniker bei der Auto Union die großen Erfolge der Silberpfeile in den 1930er<br />
Jahren miterlebt und genauso die Schattenseiten des Rennsports kennen gelernt. In der Betriebszeitung des<br />
ehemaligen VEB Sachsenring Zwickau berichtete er Ende der 1950er Jahre über seine Zeit an der Seite von<br />
Stuck, Rosemeyer & Co. „AufgeHorcht“ veröffentlicht Auszüge aus diesem hochinteressanten Tatsachenbericht<br />
in der Serie „Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union“. In Teil 6 schildert er, wie er im Juli 1935<br />
beinahe selbst den Tod auf dem Nürburgring gefunden hätte. Ebenso berichtet er über das erfolgreiche<br />
Silberpfeil-Rennen von 1936 auf dieser renommierten Strecke.<br />
Auto Union-Monteure bereiten Hans Stucks Rennwagen für<br />
das Training vor, hinten der Autor dieser Serie Rudolf Friedrich.<br />
stehenden, brüllenden Rennwagen gerannt sein, um Stucks<br />
Motor wieder anzuwerfen. Zwei Schritte bis zum Rennwagen<br />
sollten noch gefehlt haben.<br />
Da leuchtete das grüne Licht auf und der Startschuss krachte.<br />
Von hinten kam der Rennfahrer Varzi auf unseren Rennwagen<br />
mit 80 Sachen herangeschossen, erfasste meinen Körper und<br />
nahm mich auf seinem Rennwagen eine kurze Strecke mit. Dann<br />
wurde ich zu Boden geschleudert und blieb bewusstlos liegen.