Zwei Menziker Fabrikordnungen aus dem 19. Jahrhundert

Zwei Menziker Fabrikordnungen aus dem 19. Jahrhundert Zwei Menziker Fabrikordnungen aus dem 19. Jahrhundert

20.12.2013 Aufrufe

Zwei Menziker Fabrikordnungen aus dem 19. Jahrhundert von Raoul Richner Die in unserer Gegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt aufkommenden Fabriken brachten vielen Menschen einen Arbeitsplatz. Doch zugleich zogen die neuen Arbeitsverhältnisse auch soziale Probleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich. So zeigte sich etwa bei den Rekrutenprüfungen, dass Fabrikarbeiter infolge ihrer auslaugenden Tätigkeit wesentlich häufiger untauglich erklärt werden mussten als Männer mit anderen Berufen. Vor diesem Hintergrund begannen einige wenige Kantone, das Fabrikwesen auf eine gesetzliche Basis zu stellen. Meisten zielten die neuen Gesetze lediglich auf den Schutz von Kindern und Frauen. Im Aargau beispielsweise war die Kinderarbeit erst ab 1862 geregelt, u.a. mit einem Arbeitverbot für unter 13-Jährige und einer Maximalarbeitszeit für unter 16-Jährige von zwölf Stunden. Erst im Zuge der neuen Bundesverfassung von 1874 kam es auf eidgenössischer Ebene zu einem Fortschritt zu Gunsten der gesamten Arbeiterschaft: 1877 nahmen die Stimmberechtigten das so genannte 'Fabrikgesetz' knapp an, das erstmals einen Rahmen für die Fabrikarbeit vorgab, insbesondere bezüglich Arbeitszeiten und Haftpflicht-Fragen. Nach dessen Inkrafttreten 1878 gelangten die bisher von den Fabrikanten in eigener Regie erstellten Fabrikordnungen unter staatliche Kontrolle, welche von den Kantonen wahrgenommen wurde. So mussten fortan die Fabriken ihre Ordnungen vom zuständigen Regierungsrat – im Aargau vom Staatswirtschaftsdirektor – absegnen lassen. Die Fabrikordnungen wurden in den Fabriken für jedermann einsehbar aufgehängt oder gleich in grösserer Anzahl gedruckt und an die Arbeiterinnen und Arbeiter abgegeben. Als Beispiele reproduzieren wir in der Folge die Fabrikordnungen von zwei Menziker Firmen, der Zigarrenfabrik 'Samuel Weber & Söhne' (1878) und der Strohhutfabrik 'Merz & Cie.' (1887). Obwohl zwei unterschiedliche Fabrikationszweige betroffen sind, gleichen sich die beiden Fabrikordnungen inhaltlich stark - branchenspezifische Vorgaben schlagen sich nicht nieder. Sie geben Aufschluss über das Anstellungsverhältnis und Kündigungsfristen, Lohnauszahlungen, Arbeits- und Pausenzeiten im Elf-Stunden-Tag sowie Ordnungsbussen. 1

<strong>Zwei</strong> <strong>Menziker</strong> <strong>Fabrikordnungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong><br />

von Raoul Richner<br />

Die in unserer Gegen in der zweiten Hälfte des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s verstärkt aufkommenden<br />

Fabriken brachten vielen Menschen einen Arbeitsplatz. Doch zugleich zogen die neuen<br />

Arbeitsverhältnisse auch soziale Probleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen nach<br />

sich. So zeigte sich etwa bei den Rekrutenprüfungen, dass Fabrikarbeiter infolge ihrer<br />

<strong>aus</strong>laugenden Tätigkeit wesentlich häufiger untauglich erklärt werden mussten als Männer<br />

mit anderen Berufen.<br />

Vor diesem Hintergrund begannen einige wenige Kantone, das Fabrikwesen auf eine<br />

gesetzliche Basis zu stellen. Meisten zielten die neuen Gesetze lediglich auf den Schutz<br />

von Kindern und Frauen. Im Aargau beispielsweise war die Kinderarbeit erst ab 1862<br />

geregelt, u.a. mit einem Arbeitverbot für unter 13-Jährige und einer Maximalarbeitszeit für<br />

unter 16-Jährige von zwölf Stunden.<br />

Erst im Zuge der neuen Bundesverfassung von 1874 kam es auf eidgenössischer Ebene<br />

zu einem Fortschritt zu Gunsten der gesamten Arbeiterschaft: 1877 nahmen die<br />

Stimmberechtigten das so genannte 'Fabrikgesetz' knapp an, das erstmals einen Rahmen<br />

für die Fabrikarbeit vorgab, insbesondere bezüglich Arbeitszeiten und Haftpflicht-Fragen. <br />

Nach dessen Inkrafttreten 1878 gelangten die bisher von den Fabrikanten in eigener<br />

Regie erstellten <strong>Fabrikordnungen</strong> unter staatliche Kontrolle, welche von den Kantonen<br />

wahrgenommen wurde. So mussten fortan die Fabriken ihre Ordnungen vom zuständigen<br />

Regierungsrat – im Aargau vom Staatswirtschaftsdirektor – absegnen lassen. Die<br />

<strong>Fabrikordnungen</strong> wurden in den Fabriken für jedermann einsehbar aufgehängt oder gleich<br />

in grösserer Anzahl gedruckt und an die Arbeiterinnen und Arbeiter abgegeben.<br />

<br />

Als Beispiele reproduzieren wir in der Folge die <strong>Fabrikordnungen</strong> von zwei <strong>Menziker</strong><br />

Firmen, der Zigarrenfabrik 'Samuel Weber & Söhne' (1878) und der Strohhutfabrik 'Merz &<br />

Cie.' (1887). Obwohl zwei unterschiedliche Fabrikationszweige betroffen sind, gleichen<br />

sich die beiden <strong>Fabrikordnungen</strong> inhaltlich stark - branchenspezifische Vorgaben schlagen<br />

sich nicht nieder. Sie geben Aufschluss über das Anstellungsverhältnis und<br />

Kündigungsfristen, Lohn<strong>aus</strong>zahlungen, Arbeits- und P<strong>aus</strong>enzeiten im Elf-Stunden-Tag<br />

sowie Ordnungsbussen.<br />

1


Quellen<br />

• Staatsarchiv Aargau, DIA02/0491 [G 2287, Weber] und DIA02/0495 [G 831, Merz].<br />

Literatur<br />

• Historisches-Lexikon der Schweiz (online-Version, www.hls.ch), Artikel 'Fabrikgesetze'.<br />

• Ch. Seiler / A. Steigmeier: Geschichte des Aarg<strong>aus</strong>, Aarau 1991, S. 144 ff.<br />

6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!