18.12.2013 Aufrufe

DAS PFEFFER, Ausgabe Weihnachten 2013

Vom Emskopp bis zum Friesengeist. Magazin für den Raum Papenburg und Umgebung.

Vom Emskopp bis zum Friesengeist. Magazin für den Raum Papenburg und Umgebung.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>DAS</strong> <strong>PFEFFER</strong> 7<br />

Quelle: Gymnasium Papenburg<br />

Was wirklich im zweiten Weltkrieg<br />

passiert ist, habe ich erst Jahre später<br />

während der Nürnberger Prozesse<br />

verstanden. Das war – wie ein Aufwachen.<br />

Schwer“, sagt er nachdenklich.<br />

„Natürlich“, fügt er an, „wussten wir,<br />

dass es ein KZ in Esterwegen gab,<br />

dass Familien verschwanden. Es hieß<br />

dann, sie seien in Arbeitslagern, und<br />

ich hätte mir das, was wirklich passierte,<br />

auch nicht vorstellen können. Es<br />

gab vermutlich genauso wenig echte<br />

Gegner des Regimes, wie es echte<br />

Nazis gab. Es war eine Zeit, in der das<br />

Gemisch aus Meinungen dominierte<br />

– auch weil es einfach keine zutreffenden<br />

Informationen gab. Einige sagten:<br />

‚Wenn sie doch nur die Juden in Frieden<br />

ließen, dann hätte ich ja nichts<br />

gegen den Hitler‘ oder aber ‚sollte Hitler<br />

es schaffen, die vielen Arbeitslosen<br />

von der Straße zu holen, dann wähle<br />

ich ihn‘. Ich glaube, die wirkliche Tragweite<br />

der Ungeheuerlichkeiten haben<br />

nur wenige Menschen verstanden.<br />

Heute sagt man natürlich: ‚Das hättet<br />

ihr doch merken müssen‘. Aber selbst<br />

nach dem Krieg stand kaum was darüber<br />

in den Zeitungen. Es gab kein Internet,<br />

keinen Fernseher, keine Aufklärung,<br />

und kaum einer sprach darüber“,<br />

fügt er an. „Das ist natürlich immer ein<br />

subjektiver Eindruck – ich kann nur<br />

für mich sprechen“, sagt er. „Später<br />

dann studierte ich in Göttingen und<br />

kehrte 1956 als Studienassessor nach<br />

Papenburg zurück, und so wurde ich<br />

Kollege meiner ehemaligen Lehrer“,<br />

lächelt er.<br />

Dr. Hans Tiedeken, Oberkreisdirektor<br />

a.D, hat eine andere Sichtweise auf<br />

die Dinge dieser Zeit. 1946 macht<br />

er am Papenburger Gymnasium das<br />

Abitur, durch einen Übergangskurs -<br />

welcher für Schüler gedacht war, die<br />

in den letzten Kriegsjahren als 16/17<br />

Jährige noch eingezogen wurden<br />

und in ihrer Akte ein Leistungsvermerk<br />

erhielten, um nach dem Krieg<br />

zum Abschluss zugelassen werden<br />

zu können. Vorher allerdings musste<br />

in einem halben Jahr der „verpasste<br />

Unterrichtsstoff“ nachgeholt werden.<br />

Da das Schulgebäude der UN diente,<br />

fand der Kurs erst im Amtsgericht und<br />

dann in der Imkerschule statt. „Vorher<br />

veränderte sich der Unterricht im Laufe<br />

der Zeit unter dem Nazi- Regime“,<br />

erinnert er sich. „Zu Beginn wurde<br />

gleichbleibend unterrichtet - aber je<br />

mehr jüngere Lehrer hinzukamen,<br />

desto stärker wurden die „neuen<br />

Ansichten“ im Unterricht vermittelt.<br />

Natürlich hing „Adolf“ an der Wand<br />

und zu Ostern, dem damaligen Schuljahresbeginn,<br />

stand der Direktor in SA<br />

-Uniform mit uns auf dem Hof, um die<br />

1. Strophe des Horst-Wessels-Liedes<br />

zu singen. Es war vermutlich seine<br />

Pflicht. Aber es gab auch standhafte<br />

Lehrer wie Herrn Jäger und Herrn<br />

Keseling. Bis zum Schluss haben sie<br />

die Umerziehung ignoriert und auch<br />

das, was in den neuen Büchern über<br />

das Papsttum stand, mit den Worten<br />

„das stimmt so nicht“ abgetan.<br />

Später habe ich begriffen, wie mutig<br />

das war. Dann gab es Lehrer, die das<br />

NS-Abzeichen über und die anderen,<br />

die es unter dem Revers trugen. Aber<br />

es gab auch Verrat: insbesondere<br />

waren Parteimitglieder immer daran<br />

interessiert, im guten Glauben an<br />

das Regime, Leute anzuschwärzen.<br />

Es gab die Fahrten zum Abtransport<br />

am Bahnhof, aber so geschickt, dass<br />

kaum einer es merkte. Durch Adolf<br />

kamen Leute an die Macht, die sonst<br />

nichts zu „sagen“ gehabt hätten. Nicht<br />

nur, aber auch. Das Können hatte<br />

zum Teil seine Wertigkeit verloren, es<br />

reichten andere Qualitäten um ein<br />

Führer zu sein. Fähnchenführer, das<br />

war was. Und irgendwie machte man<br />

da halbwegs mit, um zu überleben.<br />

Ob das was mit Überzeugung zu tun<br />

hatte, wage ich zu bezweifeln. Aber<br />

„Aber es gab auch<br />

standhafte Lehrer ...<br />

die Überzeugten gab es natürlich<br />

auch - wie der damals neue Bürgermeister<br />

Janssen, der vorher für die<br />

Bahn gearbeitet hatte. Er war aber<br />

recht beliebt, obwohl die Bürger der<br />

Stadt bis zum Schluss die Zentrums-<br />

Partei gewählt hatten, was die Nazis<br />

natürlich total nervte. Die Spuren des<br />

Krieges wurden auch an der Schule<br />

immer sichtbarer. Unterricht konnte<br />

nicht immer wie geplant oder nur im

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!