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DAS PFEFFER, Ausgabe Weihnachten 2013

Vom Emskopp bis zum Friesengeist. Magazin für den Raum Papenburg und Umgebung.

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6 <strong>DAS</strong> <strong>PFEFFER</strong><br />

Steine erzählen von Bildung und Zeit.<br />

Das alte Gymnasium in<br />

Papenburg<br />

Die Geschichte des alten Schulgebäudes<br />

am Hauptkanal links 66, in<br />

dem das Gymnasium Papenburg bis<br />

zum Jahre 1959 untergebracht war,<br />

beginnt im Jahre 1851.<br />

1850 gründeten einige wohlhabende<br />

Bürger der Stadt Papenburg eine<br />

Aktiengesellschaft mit dem Ziel, eine<br />

„Bürgerschule“ zu errichten. Durch<br />

den Verkauf von Schulaktien im Wert<br />

von je 25 Talern - einen wohl einmaligen<br />

Vorgang in der deutschen Schulgeschichte<br />

- beschaffte man sich das<br />

nötige Startkapital. Für eine Summe<br />

von 2111 Reichstalern wurde das Anwesen<br />

der Kapitänsfamilie Kramer am<br />

Hauptkanal links 66 gekauft. Hinter<br />

dem Wohnhaus, welches von da an<br />

als Direktorenwohnhaus genutzt wurde,<br />

errichtete man einen Neubau, der<br />

zunächst drei Klassenräume enthielt.<br />

Und so begann der erste Unterricht in<br />

der neuen Bürgerschule. Die Schüler<br />

stammten in den ersten Jahren aus<br />

Papenburg und waren ausschließlich<br />

männliche Vertreter. Erst 1926 legte<br />

das erste Mädchen ihr Abitur an dieser<br />

Schule ab.<br />

Ein paar Jahre nach der Eröffnung<br />

entsprach die Entwicklung der Schule<br />

nicht mehr den Erwartungen. Der Unterricht<br />

war eng begrenzt und konnte<br />

nicht mit dem Vorwärtsdrängen der<br />

Entwicklung der Stadt mithalten:<br />

aus der Moorkolonie war eine Stadt<br />

geworden mit Bahnverbindung und<br />

einer Seeschleuse, die neue Zugänge<br />

zur Welt ermöglichten.<br />

In dieser Zeit traten zwei Männer auf<br />

das Parkett, die den Weg der Schule<br />

maßgeblich beeinflussten. Emil<br />

Russell (erster Bürgermeister) und<br />

Hermann Brandi (erster Rektor der<br />

Schule). Sie bemühten sich um eine<br />

veränderte Schulform. Und so wurde<br />

1869 die Privatschule nach fast siebenjähriger<br />

Verhandlung mit den Aktionären<br />

von der Stadt übernommen.<br />

Fast alle Aktionäre entschlossen sich,<br />

ihre Anteile zu verschenken. Von nun<br />

an war die höhere Bürgerschule eine<br />

städtische Einrichtung. Aufgrund steigender<br />

Bedürfnisse wurde das Schulgebäude<br />

1872 um einen weiteren<br />

Klassenraum und eine Aula erweitert.<br />

Die Schulregeln der damaligen Zeit<br />

sind heute kaum vorstellbar. So liest<br />

sich ein Zitat in der Schulakte aus<br />

dem Jahr 1870 wie folgt: „Der Sextaner<br />

Cornelius T. hat am letzten Mittwoch<br />

einen Mitschüler auf dem Heimweg<br />

mit seinem Federmesser verletzt. Für<br />

ein so grobes Vergehen würde der<br />

Täter von der Schule gejagt worden<br />

sein, wenn nicht die Fürbitten des Vaters<br />

des mißhandelten Schülers eine<br />

Milderung des Urteils der Lehrerconferenz<br />

herbeigeführt hätte. T. ist daher<br />

verurteilt, heute nachmittag von 12<br />

Uhr bis 8 Uhr abends bei Wasser und<br />

Brot eingesperrt zu werden“.<br />

Und auch das Anschauungsmaterial<br />

war mehr als ungewöhnlich. Um den<br />

Horizont der Schüler zu erweitern,<br />

brachten Kapitäne Papenburgs, die<br />

inzwischen die Weltmeere besegelten,<br />

aus den bereisten Ländern „Bildungsgeschenke“<br />

für die Schule mit.<br />

Ob Pflanzen aus Grönland, Vögel aus<br />

der Südsee, Bast aus Peru, Bimstein<br />

vom Vesuv, Seegewächse vom Kap<br />

der guten Hoffnung, Erde aus Island<br />

oder Wirbel von Haifischen – das Meer<br />

lieferte den Schülern für die damalige<br />

Zeit ungewöhnliche Kenntnisse.<br />

1903 kam die Schenkung des östlich<br />

gelegenen Anwesens der Küsterfamilie<br />

Scharf der Schule zugute. Nun<br />

konnten der Schulplatz und das<br />

Wohnhaus erweitert werden. Nach<br />

der Fertigstellung zum voll ausgebauten<br />

Realgymnasium im Jahre 1907<br />

fehlte es nach wie vor an Klassenräumen<br />

und so beschloss die Stadt – trotz<br />

der schon übernommenen finanziellen<br />

Mehrbelastung – die Finanzierung<br />

eines neuen Schulgebäudes. So wurde<br />

das ehemalige Haus der Kapitänsfamilie<br />

Kramer abgerissen und nach<br />

Plänen des Architekten Breymann<br />

vom Obenende durch einen Neubau<br />

ersetzt. Mit einer schönen, neuen, bis<br />

heute erhaltenen Fassade, startete die<br />

Schule in ein neues Jahrhundert. Die<br />

Ausgestaltung war nicht zuletzt durch<br />

eine großzügige Spende des Fabrikanten<br />

J. Dieckhaus möglich.<br />

Das alte Schulgebäude am Hauptkanal links 66. Quelle: Gymnasium Papenburg<br />

„T. ist daher verurteilt,<br />

heute nachmittag<br />

von 12 Uhr<br />

bis 8 Uhr abends<br />

bei Wasser und Brot<br />

eingesperrt zu werden“<br />

Aus der Schulakte von 1870<br />

Der 15 m breite Neubau sollte ursprünglich<br />

durch zwei Seitenflügel<br />

ergänzt werden, so dass der Schulkomplex<br />

eine Breite von 40 m erreicht<br />

hätte. Wegen des Ersten Weltkrieges<br />

und der damit verbundenen schlechten<br />

finanziellen Situation der Stadt,<br />

konnte das Vorhaben nicht verwirklicht<br />

werden. Aber der Neubau schuf<br />

endlich die Räume für Fächer der<br />

Naturwissenschaften, wie Chemie-,<br />

Physik- und Kartenräume. Auch ein<br />

Zeichensaal und der Karzer durften<br />

natürlich nicht fehlen. Der Karzer, ein<br />

kleiner Raum ohne Fenster auf dem<br />

Treppenabsatz, wurde genutzt, um<br />

Schüler zur Strafe für Vergehen gegen<br />

die Schulordnung für einige Stunden<br />

wegzusperren.<br />

Die Erhaltung der Schule war auf lange<br />

Sicht nur möglich, wenn es gelang,<br />

ihr Einzugsgebiet zu erweitern, und so<br />

wurde sie in eine staatliche Aufbauschule<br />

umgewandelt. Dieser Schritt<br />

wurde am 1. April 1936 vollzogen. Mit<br />

dieser Schulform konnten auch Kinder<br />

aus der Umgebung die Schule besuchen.Gleichzeitig<br />

wurde für diese<br />

auswärtigen Schüler ein Schülerheim<br />

am Gasthauskanal eingerichtet (einst<br />

Seefahrtschule und heutiges Polizeigebäude),<br />

um den Schülern täglich<br />

lange Wege zu ersparen.Anfang des<br />

Jahres 1945 wurde das Gebäude geräumt<br />

und als Lazarett genutzt. Von<br />

1945-47 wurde es von der UN-Organisation<br />

zum Auffanglager für Verletzte<br />

und Flüchtlinge eingesetzt. Im Juli<br />

1947 konnte der Unterricht wieder<br />

stattfinden, und 1948 hat Franz Guhe,<br />

später Studiendirektor und Vertreter<br />

des Direktors des Gymnasiums in Papenburg,<br />

sein Abitur „in der Tasche“.<br />

Der heute 84-jährige erinnert sich<br />

gut an diese Zeit. Er, der in Göttingen<br />

geboren wurde, erlebte den Krieg bei<br />

seinem Onkel in Dersum, um dem<br />

Bombenhagel des Krieges in der Stadt<br />

zu entfliehen, und besuchte somit das<br />

Gymnasium in Papenburg. „1947 nach<br />

Schulbeginn war alles durcheinander,<br />

es gab keine Bücher, Hefte sowieso<br />

nicht, selbst Papier war knapp“, erzählt<br />

er im Gespräch mit dem <strong>PFEFFER</strong>.<br />

„Trotzdem war die Stimmung für mich<br />

als Jugendlicher eher gut. Es war vorbei.<br />

Der Krieg war vorbei. Das zählte.

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