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Aus der Dorfgeschichte von Ballenhausen und Bodenhausen

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Diese Vorsichtsmaßnahmen waren notwendig, denn schon in frühester<br />

Morgenst<strong>und</strong>e strömte die Menge, die auf 12.000 Personen geschätzt wurde - zu Fuß,<br />

zu Pferde <strong>und</strong> zu Wagen - zu dem Richtplatz herbei. Darunter auch viele Studenten in<br />

bunten Mützen unter Vorantritt <strong>der</strong> beiden Pedellen zu Pferde. Alles wartete gespannt<br />

auf die Ankunft <strong>der</strong> Richter <strong>und</strong> des Mör<strong>der</strong>s. Dieser war tagszuvor <strong>von</strong> Göttingen in<br />

das Verließ des Amtshauses nach Friedland gebracht <strong>und</strong> hatte dort durch den<br />

Ortsgeistlichen das heilige Abendmahl empfangen. Am an<strong>der</strong>en Morgen 7 Uhr trat er<br />

- völlig in weiß gekleidet, an den Händen gefesselt, vom Wärter geführt <strong>und</strong> <strong>von</strong> 2<br />

Geistlichen aus Rosdorf <strong>und</strong> Göttingen begleitet, auf einem mit Strohsitzen<br />

versehenen <strong>von</strong> 4 Pferden gezogenen Wagen seine letzte Reise an. Vor dem Wagen<br />

fuhr <strong>der</strong> Oberamtmann Cordemann, hinter ihm ritten 12 Gendarmen unter Rittmeister<br />

Hartmann. Den Wagen begleiteten bei Glockengeläute die Schulkin<strong>der</strong> aus Friedland<br />

unter Kantor Rabe mit dem Absingen <strong>von</strong> Kirchenlie<strong>der</strong>n, die <strong>von</strong> Bollensen selbst<br />

ausgewählt waren <strong>und</strong> <strong>von</strong> ihm mitgesungen wurden. Von Groß-Schneen übernahm<br />

<strong>der</strong> Kantor Kracke mit seinen Schulkin<strong>der</strong>n die Gesänge. Dort reihten sich auch die<br />

Richter aus Göttingen in den Zug ein, <strong>der</strong> um ¾ 9 Uhr die Richtstätte erreichte. Von<br />

diesem Augenblick an läutete die Armsün<strong>der</strong>glocke in Groß-Schneen, während die<br />

Schuljugend Sterbelie<strong>der</strong> sang.<br />

Am Richtertisch nahmen die 7 Göttinger Richter, die 3 Friedlän<strong>der</strong> Beamten <strong>und</strong><br />

die beiden Geistlichen Platz. Amtmann Kern ließ dem Gefangenen nunmehr die<br />

Fesseln abnehmen <strong>und</strong> ihn, vom Gefangenenwärter Lambrecht <strong>und</strong> 2 Gendarmen<br />

begleitet, in die Schranken führen. Sämtliche Beamte erhoben sich mit unbedeckten<br />

Haupte <strong>von</strong> ihren Sitzen. Es war auf dem weiten Platze eine Totenstille.<br />

Amtmann Kern eröffnete das „Hochnotpeinliche Halsgericht“, erläuterte das<br />

Verbrechen, wies auf die bereits geführten Verhandlungen, das abgelegte Geständnis,<br />

auf die erkannte Strafe des Schwertes <strong>und</strong> die Ablehnung des Gnadengesuches des<br />

Königs hin. Auf Befragen wie<strong>der</strong>holte Bollensen sein Geständnis <strong>und</strong> unterschrieb<br />

das Protokoll des Gerichtsurteils.<br />

Nach nochmaliger Verlesung des Strafprotokolls zerbrach Amtmann Koll nach<br />

herkömmlicher Sitte einen weißen Stab, warf die Stücke hinter sich <strong>und</strong> sprach: „Das<br />

Urteil ist gesprochen, <strong>der</strong> Stab ist zerbrochen“. Darauf nahm Bollensen mit<br />

Handschlag Abschied <strong>von</strong> den Beamten <strong>und</strong> nun wandte sich Amtmann Kern an den<br />

Scharfrichter Schwartz aus Gr. Rhüden - Scharfrichter Göpel, Göttingen, war<br />

erkrankt - er solle seines Amtes walten.<br />

Unter dem Gesange <strong>von</strong> Kirchenlie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Schuljugend <strong>und</strong> in Begleitung <strong>von</strong> 2<br />

Gendarmen ging Bollensen langsamen Schrittes vom Gerichtsplatz zum Schafott,<br />

kniete neben dem Richtstuhl nie<strong>der</strong>, betete ein Vaterunser <strong>und</strong> übergab dem Pastor<br />

Ebeling sein Gesangbuch. Der Scharfrichter legte ihm eine Augenbinde um, schnallte<br />

Hände <strong>und</strong> Brust an dem Richtstuhl fest <strong>und</strong> trennte mit dem <strong>von</strong> seinen Gehilfen bis<br />

dahin verborgen gehaltenen Schwerte in einem Schlage den Kopf vom Rumpfe. Der<br />

Kopf wurde <strong>der</strong> Menge zum Beweis <strong>der</strong> gelungenen Execution gezeigt, mit dem<br />

Körper in den bereitstehenden Sarg gelegt <strong>und</strong> im Anschluß daran gleich zur<br />

Anatomie nach Göttingen gefahren unter Begleitung <strong>der</strong> Gendarmen.<br />

Die Hinrichtung war zwar schon um 9 Uhr beendet, aber bis sich die 12.000<br />

Zuschauer verlaufen hatten, kam <strong>der</strong> Mittag heran. Meister Grewe entfernte im

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