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Verpflegung der Senioren - GV-Partner Akademie

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Ausgabe 1, März 2009, 9. Jahrgang<br />

4 <strong>Akademie</strong><br />

Zehn Fragen an Iris Hassel:<br />

4<br />

Wie sieht die <strong>Verpflegung</strong>sleistung<br />

für <strong>Senioren</strong> in Zukunft aus?<br />

Aus unserer Beobachtung zeigen sich <strong>der</strong>zeit zwei Tendenzen in <strong>der</strong><br />

<strong>Senioren</strong>verpflegung auf: Zum einen finden sich Begrifflichkeiten aus<br />

<strong>der</strong> gehobenen Gastronomie wie<strong>der</strong>, in vielen Einrichtungen wird<br />

bereits zum „Brunch“ geladen. Markus Bie<strong>der</strong>mann postuliert sogar<br />

einen 24-Stunden-<strong>Verpflegung</strong>sservice wie im Luxushotel.<br />

Dagegen stellt Prof. Dr. Helmut Heseker von <strong>der</strong> Uni Pa<strong>der</strong>born in seiner<br />

Untersuchung zur „Ernährung älterer Menschen in stationären<br />

Einrichtungen (ErnSTES-Studie)“ fest: „Knapp zwei Drittel <strong>der</strong> Studienteilnehmer<br />

sind von Mangelernährung betroffen o<strong>der</strong> zumindest<br />

gefährdet.“ Was also ist das richtige <strong>Verpflegung</strong>skonzept? Worauf<br />

hat sich eine Einrichtung einzustellen, um die Zukunft zu meistern?<br />

Das <strong>GV</strong> <strong>Partner</strong> Profi Club-Magazin spricht mit <strong>der</strong> erfahrenen Ernährungsexpertin<br />

Iris Hassel, um eine Vision zu entwickeln, wie die perfekte<br />

altersgerechte Ernährung <strong>der</strong> Zukunft aussehen könnte.<br />

1. Was stellt <strong>der</strong>zeit für Sie<br />

die größte Problematik in <strong>der</strong><br />

<strong>Senioren</strong>verpflegung dar?<br />

Es gibt lei<strong>der</strong> mehrere Probleme:<br />

Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

verän<strong>der</strong>n sich, medizinische Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

kommen näher. Betriebswirtschaftliche<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

packen alles in ein enges Korsett,<br />

<strong>der</strong> Qualitätsrahmen stellt hohe<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die Fachlichkeit.<br />

Dennoch sollte <strong>der</strong> Bewohner auch<br />

bei den komplexen Rahmenbedin -<br />

g ungen immer noch im Mittelpunkt<br />

stehen. Der Schwerpunkt <strong>der</strong> Pflege<br />

dürfte sich verschieben, die Hauswirtschaft<br />

drängt nach vorne, für<br />

die Mitarbeiter bedeutet dies, zukünftig<br />

einen Mix aus den bisherigen<br />

Tätigkeiten bedienen zu müssen.<br />

Dies erfor<strong>der</strong>t ein Umdenken und<br />

löst oft genug Konflikte und Ängste<br />

vor Verän<strong>der</strong>ungen aus.<br />

2. Wie kann dem am besten<br />

be gegnet werden und in welchem<br />

Zeitraum ließe sich eine Lösung<br />

erzielen?<br />

Wir sprechen über einen Verän<strong>der</strong><br />

ungsprozess, <strong>der</strong> nie zu Ende sein<br />

dürfte. Neue Anfor<strong>der</strong>ungen wer -<br />

den auch in Zukunft immer wie<strong>der</strong><br />

dazukommen. Die Ausprägung <strong>der</strong><br />

Probleme ist meiner Übersicht nach<br />

auch in jedem Haus an<strong>der</strong>s: Lebt eine<br />

Einrich tung ein konsequent umgesetztes<br />

Konzept, ist es an<strong>der</strong>s aufgestellt<br />

als ein Haus, das nur stufenweise<br />

reagiert, statt strategisch zu<br />

agieren. Ich möchte jedem Haus empfehlen,<br />

ein fachbereichsübergreifendes<br />

<strong>Verpflegung</strong>skonzept zu entwickeln,<br />

das alle Leistungen für die<br />

Bewohner untereinan<strong>der</strong> vernetzt.<br />

3. Welche Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

werden über die demoskopische<br />

Entwicklung auf die <strong>Senioren</strong>einrichtungen<br />

zukommen? Wie<br />

wir wissen, wird zum Beispiel die<br />

Zahl <strong>der</strong> Hochbetagten kontinuierlich<br />

steigen, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> über<br />

80-Jährigen wird sich bis 2025<br />

teilweise verdoppeln.<br />

Wir dürfen nicht vergessen, dass<br />

<strong>der</strong> größte Anteil alter Menschen zu<br />

Hause lebt. Die Träger von <strong>Senioren</strong>einrichtungen<br />

werden für ihre Zielgruppe<br />

zukünftig vielfältige Angebote<br />

parallel bereithalten müssen. Zum<br />

Beispiel eine stationäre Pflegeeinheit<br />

und eine mobile Pflegeeinheit,<br />

die den Bedürfnissen <strong>der</strong> alten<br />

Menschen entgegenkommt, o<strong>der</strong><br />

das Angebot reiner Wohneinheiten,<br />

vielleicht auch im Mix mit Jung und<br />

Alt, inklusive entsprechen<strong>der</strong> Serviceangebote,<br />

einer Rundum-<strong>Verpflegung</strong><br />

o<strong>der</strong> auch in gewünschter Eigenbeteiligung.<br />

4. Prof. Dr. Helmut Heseker sagt,<br />

dass <strong>der</strong> Grad an Pflegebedürftigkeit<br />

den Ernährungszustand wesentlich<br />

stärker beeinflusst als das Lebensalter.<br />

Sehen Sie das auch so?<br />

Absolut. Deshalb wird es auch<br />

nie eine pauschale Lösung geben<br />

können. Es geht stets darum, den<br />

einzelnen Menschen genau anzusehen<br />

und für ihn ein individuelles<br />

<strong>Verpflegung</strong>skonzept zu erstellen.<br />

5. Bedeutet dies nicht in <strong>der</strong><br />

Konsequenz die Einrichtung<br />

von bedarfsorientierten<br />

Ernährungsangeboten, zum<br />

Beispiel von „topfit“ bis<br />

„schwerstpflegebedürftig“?<br />

Für meine Begriffe ist dies im<br />

Rahmen bestehen<strong>der</strong> Konzepte in<br />

vielen Häusern bereits gelebte<br />

Praxis. An<strong>der</strong>e erreichen in hoher<br />

sozialer Verantwortung und gelebter<br />

Fürsorge das gleiche Ziel. Wünschenswert<br />

wäre es indessen, das


Ausgabe 1, März 2009, 9. Jahrgang<br />

<strong>Verpflegung</strong>skonzept schriftlich zu<br />

dokumentieren, um es nach außen<br />

und nach innen auch entsprechend<br />

kommunizieren zu können. Der neue<br />

Expertenstandard <strong>der</strong> Pflege zum<br />

Thema Ernährung und Flüssigkeitsversorgung<br />

for<strong>der</strong>t für alle Einrichtungen<br />

die Erarbeitung eines fachübergreifenden<br />

<strong>Verpflegung</strong>skonzeptes.<br />

Wer solche Ra hmenbedingungen<br />

nicht erfüllt, dürfte es<br />

zukünftig sehr schwer haben.<br />

6. O<strong>der</strong> sehen Sie einen alternativen<br />

Weg eines <strong>Verpflegung</strong>skonzeptes,<br />

um eine ausreichende<br />

Ernährung bei pflegebedürftigen<br />

Menschen sicherzustellen?<br />

Eine Möglichkeit könnte in <strong>der</strong><br />

Spezialisierung <strong>der</strong> Einrichtung<br />

liegen, wenn zum Beispiel Hausgemeinschaftskonzepte<br />

gelebt<br />

werden o<strong>der</strong> eine Einrichtung sich<br />

nur speziellen Zielgruppen, zum Beispiel<br />

Schwerstpflegebedürftigen,<br />

öffnet. Dazu kommen Gedanken in<br />

Richtung Migration und religiöser<br />

Ausrichtung.<br />

7. Wie wichtig sehen Sie in<br />

diesem Kontext verpflichtende<br />

Weiter bildungsmaßnahmen<br />

für alle Mitarbeiter/-innen in<br />

<strong>Senioren</strong>einrichtungen? Welchen<br />

Beitrag können Sie dazu in Ihren<br />

Seminaren <strong>der</strong> <strong>GV</strong>-<strong>Partner</strong>-<br />

<strong>Akademie</strong> leisten?<br />

Mich stört etwas das Wort<br />

„verpflichtende“. Wichtig ist für mich<br />

vielmehr, dass Weiterbildung von<br />

Arbeitgeber und Mitarbeiter als Investition<br />

in die stetige Weiter entwicklung<br />

<strong>der</strong> Fachkompetenz gesehen wird.<br />

Ebenso wichtig ist, dass im jeweiligen<br />

Haus ein Konzept mit klaren Zielen<br />

besteht, welche Ergebnisse durch die<br />

Weiterbildung erreicht werden sollen.<br />

Mein Thema ist „Lifelonglearning“.<br />

Vor diesem Hintergrund gibt es viele<br />

Themen im Angebot <strong>der</strong> <strong>GV</strong>-<strong>Partner</strong>-<br />

<strong>Akademie</strong>, denken Sie zum Beispiel<br />

an „<strong>Senioren</strong>gerechte Ernährung“,<br />

„Fit für den MDK“ o<strong>der</strong> „Kochworkshop<br />

für Präsenzkräfte“.<br />

8. Wie können Ihrer Meinung nach<br />

die von Prof. Heseker gefor<strong>der</strong>te<br />

Überwachung <strong>der</strong> Ernährung, die<br />

rechtzeitige Diagnose von<br />

Ernährungsrisiken und Mangelernährung<br />

sichergestellt werden?<br />

Meine Idee dazu befindet sich im<br />

neuen Seminar „Ernährungs-Visite im<br />

<strong>Senioren</strong>heim“. Die Ernährungs-Visite<br />

orientiert sich an den Fähigkeiten<br />

und Möglichkeiten <strong>der</strong> alten Menschen.<br />

Hier werden in einem fachübergreifenden<br />

permanenten Dialog<br />

individuelle Maßnahmen konzipiert,<br />

immer dann, wenn eine spezifische<br />

Betreuung notwendig ist. Gleichzeitig<br />

ist die Ernährungs-Visite ein hervorragendes<br />

Instrument zur nachhaltigen<br />

Kommunikation im Alltag.<br />

9. Halten Sie in diesem Zusammenhang<br />

staatliche Regulierungen,<br />

Gesetze, Verordnungen für sinnvoll?<br />

Meiner Einschätzung nach gibt<br />

es bereits ausreichend Gesetze und<br />

Verordnungen. Was ich mir wünsche,<br />

ist vielmehr eine fachübergreifende<br />

Zusammenarbeit aller Beteiligten,<br />

die bereits in <strong>der</strong> Ausbildung beginnt<br />

und später auch auf Verbandsebene<br />

fortgesetzt wird. Es macht für mich<br />

wenig Sinn, wenn einzelne Fachbereiche,<br />

je<strong>der</strong> für sich, am gleichen<br />

Thema arbeiten und entsprechende<br />

Empfehlungen herausgeben. Besser<br />

wäre eine Koordinierung von Anfang<br />

an, denn dies würde die Umsetzung in<br />

den Häusern erheblich erleichtern.<br />

10. Heseker stellt mit <strong>der</strong> ErnSTES-<br />

Studie als Ergebnis fest: Viele<br />

Seniorinnen und <strong>Senioren</strong> unterschreiten<br />

die Referenzwerte für<br />

die tägliche Nährstoffzufuhr<br />

erheblich. Als beson<strong>der</strong>s problematisch<br />

wird die Versorgung mit<br />

Vitamin D eingestuft. Deutlich<br />

zu gering war die Zufuhr an<br />

vielen weiteren Vitaminen und<br />

Mineralstoffen. Knapp zwei Drittel<br />

<strong>der</strong> Studienteilnehmer sind von<br />

Mangelernährung betroffen o<strong>der</strong><br />

zumindest gefährdet. Was sollte<br />

bei dieser Erkenntnislage Ihrer<br />

Meinung nach schnellstens getan<br />

werden?<br />

Referenzwerte sind als Orientierungsgrößen<br />

durchaus sinnvoll, sie<br />

sind indessen nicht das Maß aller<br />

Dinge. Eine bedürfnisgerechte<br />

Speisenversorgung sollte sich nicht<br />

nur an <strong>der</strong> Versorgung mit Nährstoffen<br />

orientieren. Vielmehr müssen<br />

die Wünsche <strong>der</strong> Bewohner<br />

nach schmackhaftem Essen, nach<br />

Speisen, die sie aus <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

kennen und die gerne gegessen<br />

werden, im Alltag berücksichtigt<br />

werden. Vor <strong>der</strong> ernährungsphysiologischen<br />

Diskussion als Vision<br />

müssen meines Erachtens die Wünsche<br />

und Erwartungen <strong>der</strong> alten<br />

Menschen stehen, denn eine Nahrungsverweigerung<br />

bei nicht bedürfnisgerechter<br />

Kost bringt niemanden<br />

weiter, son<strong>der</strong>n verschlimmert sogar<br />

oft die Situation.<br />

<strong>Akademie</strong> 5

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