Evaluation und Evaluationsforschung - Universität Bremen
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Ursula Carle / Heinz Metzen<br />
<strong>Evaluation</strong>sforschung: Entwicklungsservice statt Werkzeugkiste<br />
Kern eines integrativen <strong>Evaluation</strong>sbegriffes ist das Veränderungsvorhaben – auf welcher<br />
Strukturebene auch immer. Die obige Abbildung der Tragweitedimensionen von zu evaluierenden<br />
Gestaltungsprojekten macht deutlich, dass diese Veränderungsprojekte von der begrenzten<br />
individuellen Lernaufgabe bis hin zum gesamtgesellschaftlichen Vorhaben zur Neugestaltung<br />
der schulischen, universitären <strong>und</strong> betrieblichen Bildung reichen können.<br />
Wie auch immer man die strukturelle Dimensionalität von anthropogenen Gestaltungsunternehmungen<br />
bewerten mag, von der Komplexität <strong>und</strong> vom methodischen Anspruch her sind<br />
"Nachhaltige Gestaltungsmaßnahmen" auf individueller Ebene methodisch nicht weniger anspruchsvoll<br />
<strong>und</strong> aufwendig große bildungspolitische "Revolutionen" – ein Blick auf Einzelfallstudien<br />
(siehe Lamnek 1995; Friebertshäuser / Prengel 1997), auf Untersuchungen ohne<br />
große Zahlen, belegt das. Professionelle <strong>Evaluation</strong> unterscheidet also nicht die Zahl der Fälle<br />
oder die globale Reichweite des Gestaltungsprojektes vom schlichten, situativen Gutachten,<br />
sondern die gestalterisch beanspruchte <strong>und</strong> methodisch abgebildete Veränderungstiefe.<br />
Wie verlief die Karriere eines mittlerweile für die Consulting Profession aber auch für die<br />
Scientific Community so bedeutungsschweren Alltagsbegriffs? - Der ebenso bescheidene wie<br />
methodisch anspruchsvolle oder gar existenziell überwältigende Begriff "<strong>Evaluation</strong>" wurde<br />
von amerikanischen Regierungsstellen in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
auf die sozialwissenschaftlich gestützte Begutachtung größerer sozial-ökonomischer Vorhaben<br />
übertragen <strong>und</strong> entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg zum kybernetisch inspirierten<br />
Wirkungsmodell der informativen Gr<strong>und</strong>legung (Feedback) bedeutsamer Eingriffe in große<br />
soziale Systeme. Die wissenschaftliche Politikberatung war geboren <strong>und</strong> ist zumindest in den<br />
USA nach mehreren Aufs <strong>und</strong> Abs zum Standard administrativer Projektgestaltung avanciert.<br />
Damit hat auch im öffentlichen Bereich die Verwissenschaftlichung der Alltagsarbeit Einzug<br />
gehalten – was es im deutschen Bildungssektor nach zu holen gilt.<br />
Die Improvement-Zielstellung ist seit den Siebzigern des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts in der<br />
deutschen <strong>Evaluation</strong>sprofession Gemeingut, nicht aber im überwiegenden Teil der deutschen<br />
behördlichen <strong>Evaluation</strong>spraxis, insbesondere nicht in der Kultusbürokratie. Wie klein die<br />
Profession noch ist, verrät ein Blick auf die Homepage der erst 1997 gegründeten "Deutschen<br />
Gesellschaft für <strong>Evaluation</strong>" (DeGEval) 2 . Damit hinken wir der amerikanischen Entwicklung<br />
gut 20 Jahre hinterher 3 . Entsprechend fallen hier die gängigen Fluchtmuster der "<strong>Evaluation</strong>sopfer"<br />
gegenüber den neuen behördlichen Bewertungszumutungen aus: Sie variieren zwischen<br />
Leugnung ("<strong>Evaluation</strong> ist eine Mode") <strong>und</strong> Ablenkung ("Wir evaluieren uns selbst<br />
nach unseren eigenen Kriterien"). Die zugehörigen Verfolgungsmuster der politisch-administrativen<br />
Täter bestehen aus Mittelkürzungsvorbehalten gestützt auf externen Sachverstand.<br />
Die Täterposition – obwohl im Sinne Stufflebeam's kontraproduktiv - ist unproblematisch,<br />
gründet sich ihre Praxis doch trotz des neuen Begriffes auf einer uralten Amtspraxis, nämlich<br />
der "Revision", der "Begutachtung" <strong>und</strong> der "Bewährungskontrolle".<br />
2 Die URL der Deutschen Gesellschaft für <strong>Evaluation</strong> (DeGEval) in Köln lautet (Stand Dezember 2002):<br />
http://www.degeval.de/<br />
3 Lee J. Cronbach gründete bereits 1970 das "Stanford <strong>Evaluation</strong> Consortium", ein Forschungs-, Service- <strong>und</strong><br />
Trainingszentrum an der School of Education der Stanford University. Das "<strong>Evaluation</strong> Center" an der Western<br />
Michigin University in Kalamazoo, Michigan, USA mit weltweit führenden <strong>Evaluation</strong>smethodikern wie Daniel<br />
L. Stufflebeam wurde 1973 gegründet. Für den schulischen Bereich konstituierte sich bereits 1975 das<br />
"Joint Committee on Standards for Educational <strong>Evaluation</strong>". Ein Vorläufer des Berufsverbandes der "American<br />
<strong>Evaluation</strong> Association", das "<strong>Evaluation</strong> Network" wurde 1976 ins Leben gerufen…<br />
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