Evaluation und Evaluationsforschung - Universität Bremen
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Ursula Carle / Heinz Metzen<br />
<strong>Evaluation</strong>sforschung: Entwicklungsservice statt Werkzeugkiste<br />
Gegensatz zu England <strong>und</strong> Wales findet sich in Schottland keine Politik des "naming and<br />
shaming", bei der in öffentlichen Ranglisten die besten <strong>und</strong> schlechtesten Schulen sich anhand<br />
von simplen Zahlenwerten (Rankings) verglichen <strong>und</strong> an den Pranger gestellt sehen. Das<br />
schottische Bewertungsverfahren wird von allen Verantwortlichen <strong>und</strong> Beteiligten zur k<strong>und</strong>enorientierten<br />
Selbstentwicklung der Schulen genutzt. Im Rahmen der Autonomisierung der<br />
Schulen erfahren nun auch die Eltern, welche Schlussfolgerungen ihre Schulen aus der<br />
Selbstevaluation gezogen haben <strong>und</strong> wie erfolgreich sie dies tun. Amtliche Inspektionen orientieren<br />
sich ebenfalls an gemeinsamen <strong>Evaluation</strong>sindikatoren <strong>und</strong> bieten so der Schule ein<br />
zusätzliches Feedback über die Allgemeingültigkeit ihrer Selbstbeurteilung. Sogar aus den für<br />
ganz Schottland verbindlichen Abschlussprüfungen der Sek<strong>und</strong>arschule werden eher Unterstützungsbemühungen<br />
für benachteiligte Schulen abgeleitet als Budgetabschläge wie beispielsweise<br />
in England (Bogner / Boscher 1999). Der Fall Schottland macht deutlich, dass es<br />
weniger die <strong>Evaluation</strong>smethodik ist, die die Akzeptanz <strong>und</strong> entwicklungsförderliche Nutzung<br />
von Schulevaluation bestimmt, sondern eher die <strong>Evaluation</strong>sstrategie, wie sie sich in einem<br />
Schulsystem entwickelt hat. Der Nutzen des Informationsgewinnungsmittels <strong>Evaluation</strong> folgt<br />
seinem funktionalen Kontext.<br />
Dies bestätigt das Beispiel Norwegen, das nach Meinung von Per Dalin, einem weltweit<br />
renommierten norwegischen Schulentwicklungsforscher <strong>und</strong> Seniorconsultant des norwegischen<br />
Büros der »The International Learning Cooperative« wohl über die prof<strong>und</strong>este Erfahrung<br />
mit Schulevaluation verfügt. Er fasst die dortige Erfahrung so zusammen. "Es ist auch<br />
klar, dass es ohne eine kompetente <strong>und</strong> engagierte Schulleitung unwahrscheinlich ist, dass ein<br />
<strong>Evaluation</strong>sprozess überhaupt beginnt, geschweige denn erfolgreich wird. Viele Schulen haben<br />
nicht durch <strong>Evaluation</strong> gewonnen <strong>und</strong> einer der Hauptgründe ist, dass sie nicht wussten,<br />
was zu tun war <strong>und</strong> nicht durch eine professionell arbeitende Schulleitung geführt wurden"<br />
(Dalin 1995, 17). Also befindet sich die <strong>Evaluation</strong>sreform im diesbezüglich erfahrensten<br />
Land der Welt noch auf der Vergangenheitsskala 6, »Neue Instrumente« von Miles.<br />
Was läuft so falsch mit der Anwendung des unbezweifelbar nutzbringenden Reformwerkzeugs<br />
<strong>Evaluation</strong>? Kontraste helfen sehen. Deshalb fällt es Lander <strong>und</strong> Ekholm aus dem ehemals<br />
sehr zentralistischen Schweden vielleicht auch leichter, die Fehlnutzung von schulischen<br />
Reformevaluationen im Sinne einer 'Evalukratie' zu erkennen (1998, 119 ff):<br />
Wer das Hauptgewicht auf zielorientierte Rechenschaftspflicht legt, vernachlässigt<br />
automatisch professionelles Engagement <strong>und</strong> Selbstverantwortung<br />
Bildungspolitik <strong>und</strong> Schulverwaltung handhaben sozialwissenschaftliche Evaluierung<br />
eher als ein Werkzeug zur Informations- <strong>und</strong> Einflussgewinnung gegenüber der Schule<br />
denn als Medium eigener Verbesserungen<br />
Schulen mit starker Reformtradition nutzen die sozialwissenschaftlichen Evaluierungsdaten<br />
weniger zur Selbsteinschätzung als zur Selbstentwicklung; die meisten Schulen sind hierzu<br />
aber noch nicht in der Lage <strong>und</strong> empfinden <strong>Evaluation</strong> als bloße Belastung<br />
Für eine kompetente Nutzung von <strong>Evaluation</strong>sinstrumenten zur Unterstützung des professionellen<br />
Engagements der LehrerInnen, zur Förderung des schulischen Verbesserungsprozesses<br />
<strong>und</strong> zur F<strong>und</strong>ierung der Selbstentwicklung finden Lander <strong>und</strong> Ekholm insgesamt nur wenige<br />
Beispiele, wenn sie auch eine steigende Nutzung beobachten. Diese sehen sie aber extrem<br />
bedroht (ebd., 1132): "<strong>Evaluation</strong> <strong>und</strong> ihr bescheidener Beitrag zur Reform von Schulen<br />
kann durchaus im Kleinkrieg zwischen der sozialen Kunst des Lehrens <strong>und</strong> dem technischen<br />
Management der Schulverwaltung verloren gehen. Falls <strong>Evaluation</strong> als administratives Werkzeug<br />
dabei die Oberhand gewinnt, ist es wahrscheinlich, dass sich Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer<br />
von der gesamten Idee von <strong>Evaluation</strong> als Verbesserung verabschieden."<br />
Per Dalin begleitet seit über dreißig Jahren Schulen auf ihrem Reformweg. 1971 formulierte<br />
er als Ausdruck seiner ersten Erfahrungen mit fehlgeschlagenen Schulreformversuchen<br />
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